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Full text of "Sitzungsberichte der Kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe"

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COMPARATIVE ZOÖLOGY, 

AT HARVARD COLLEGE, CAMBRIDGE, MASS. 



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SITZUNGSBERICHTE 



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ÜISFllJCeFJ MAil IR WISllMR 



MATI1KMTI1^(;II -NÄTÜRWISSENSCIUFTLICHR CLÄSSE. 



DREIUNDNEUNZIGSTER BAND. 



WIEN, 

AUS UEK K. K. HOF- UND STAATS DRUCKEREI. 

IN CQMMISSION BEI CARL GERQLD'S SOHN, 

BUCHHÄNDLER PKK K/^tSEriLlCHEN AKADEMIE UEK WISSENSCHAFTEN 

1886. 



SITZUNGSBERICHTE 



DEB 



m CLM 



D E K K A r S E U L 1 C n E N 



AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 



XCIII. Mm. 1. ABTHEILUIG, 
Jahrgang 1886. — Heft I bis V. 



fMit ii Tafeln und 7 Holzschnitten.) 



WIEN, 



AUS DER K. K. HOF- UND STAATSDKUCKEHEI. 



IN GQMMISSIQN BEI CARL GEROLD'S SQNN, 

B ü C H H i N n L K R DER K \ I S E R L I C H K N AKADEMIE DER WISSENSCHAFTEN. 



]886. 



INHALT. 



Seite 

I. SitzuHg: vom 7. Jänner 1886: Übersicht 

V. Kerner u. v. Wettstein , Die rhizopodoi'leu Verdauimgs- 
organe thierfangeuder Ptianzen. (Mit 1 Tafel.) [Preis : 

25 kr. = f)0 ?%.] 4 

II. Sit/ung- vom 14. Jänner 1886: Übersicht 16 

Wiesner , Untersuchungen über die Organisation der vegetabi- 
lischen Zellhaut. (Mit 5 Holzschuitten.) [Preis: 50 kr. = 

1 RMk.] 17 

Schuster , Resultate der Untersuchung des nach dem Schlamm- 
regen vom 14. October 1885 in Klagenfurt gesammelten 
Staubes. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: .50 kr. =1 RMk. I . . . 81 

III. Silzuug vom 21. Jänner 1886: Übersicht . 117 

IV. Sitznn^ vom 4. Februar 1886: Übersicht .121 

y. Sitzuug vom 11. Februar 1886: Übersicht 122 

Haberlaiidt, Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen 

Brennhaare. (Mit 2 Tafeln.) [Preis: 40 kr. = 80 Pfg.' . 123 
VI. Sitzung vom 18. Februar 1886 : Übersicht 146 

Molisch, Untersuchungen über Laubfall. [Preis: 30 kr. = 

60Pfg.] 148 

VII. Sitzung vom 4. März 1886: Übersicht .187 

VIII. Sitzung vom 18. März 1886: Übersicht 189 

Bruder, Neue Beiträge zur Kenutniss der Juraablagerungen im 
nördlichen Böhmen. II. (Mit 1 Tafel und 1 Holzschnitt ) 

[Preis: 30 kr. = 60 Pfg.] 193 

IX. Sitzung vom 1. April 1886: Übersicht 217 

Forssell, Beiträge zur Mikrochemie der Flechten ..... 219 

Heimerl, Über Einlagerung von Calciumoxalat in die Zellwand 

bei Nyctagineen. (Mit 1 Tafel) [Preis 25 kr. = 50 Pfg.] . 231 

X. Sitzung vom 8. April 1886: Übersicht . 247 

Zlatarski, Geologische Untersuchungen im centralen Balkan 
und in den angrenzenden Gebieten. Beiträge zur Geo- 
logie des nördlichen Balkanvorlandes zwischen deu 
Flüssen Isker und Jantra. (Mit 3 Tafeln und 1 Holz- 
schnitte.) [Preis: 1 fl. 20 kr. = 2 RMk. 40 Pfg.] .... 249 



VI 



Seite 

Firtscil, Anatomisch -physiologische Untersuchungen über die 
Keimpflanze der Dattelpalme. (Mit 1 Tafel.) [Preis: 45 kr. 
= 90 Pfg.] 342 

XI. Sit/uug vom 6. Mai 1886: Übersicht 357 

XII. Sitzang- vom 13. Mai 1886: Übersicht 360 

XIII. Sitzung vom 20. Mai 188H: Übersicht 361 

Verzcichniss der in der mathematisch -naturwissenschaftlichen 
Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften in 
den Monaten Jänner bis inclusive Juni 1886 vorgelegten 
periodischen Druckschriften 363 



SITZUNGSBERICHTE 



DER 



mmoÄüPEiiEMEWissEimm. 



MATUEMATISCH-NATÜRWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. 



XOIII. Band. I. Heft. 



ERSTE ABTHEILUNG. 



Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik, Zoologie, 
Geologie und Paläontologie. 



I. SITZUNG VOM 7. JÄNNER 1886. 



Das k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht 
übermittelt zu dem von der k. grossbritannischen Regierung der 
Akademie zum Geschenke gemachten grossen Werke über die 
Challenger-Expedition einen erschienenen zoologischen 
Theil (Vol. XIII). 

Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen 
vor: 

1. „Über die Bestimmung des Kohlenstoffs und 
Wasserstoffs mittelst Kupferoxyd- Asbest'', von 
den Herren Prof. Dr. E. Lippmann und F. Fleissner 
in Wien. 

2. „Über die Linien gleicher Stromdichte auf flä- 
chenförmigen Leitern", von Herrn Dr. J. Haubner 
in Wien. 

Das w. M. Herr Director E. Weiss berichtet über die Ent- 
deckung eines neuen Kometen durch Herrn Brooks in Phelps 
N. Y. vom 27. December v. J., dessen Elementensystem an der 
hiesigen Sternwarte von Herrn Dr. J. Palisa berechnet und in 
dem Circular LVIH der kais. Akademie vom 4. Jänner 1. J. be- 
kannt gemacht wurde. 

Ferner theilt Herr Director Weiss einen Nachtrag zu der 
im Circular Nr. LVI publicirten Berechnung der Elemente des 
Kometen Fabry von Herrn Dr. S. Oppenheim mit. 

Das w. M. Herr Director A. v. Kern er überreicht eine von 
ihm in Gemeinschaft mit Herrn Dr. R. v. Wettsteiu ausgeführte 
Untersuchung, betitelt: „Die rhizopodoiden Verdauungs- 
organe thierfangender Pflanzen". 



Die rhizopodoiden Verdauungsorgane thierf äugender 

Pflanzen. 

(Mit 1 Tafel.) 

Vou A. Kerner v. Marilaun und R. Wettsteiu v. Westersheim. 

An zahlreichen Pflanzen finden sich Einrichtungen, darch 
welclie kleine Thiere, die mit den Blättern in Berührung- kommen, 
festgehalten werden. In einigen Fällen sind es Leimspindeln, an 
welchen die Thiere kleben bleiben, in anderen Fällen haben sich 
Klappen ausgebildet, welche über den aufsitzenden Thieren zu- 
sammenschliessen und wieder in anderen Fällen beobachtet man 
Fallgruben, in welche die Thiere zwar leicht einzudringen, aus 
denen sie nber nicht mehr zu entwischen vermögen. 

Mit Rücksicht auf die biologische Bedeutung, welche diesen 
Einrichtungen zukommt, hat sich ergeben, dass bei einem Theile 
der in Rede stehenden Gewächse durch den Faugapparat ge- 
wisse nach Honig lüsterne Tnsectcn von dem Besuche der Blütheu, 
beziehungsweise von dem Honiggenuss in den Blüthen ab- 
gehalten werden, dass aber die thierfangenden Pflanzen keinen 
weiteren Nutzen aus den gefangenen Thieren ziehen. — In Be- 
treff eines anderen Theiles ist es nachgewiesen, dass die ge- 
fangenen Thiere den betreffenden Pflanzen zur Nahrung dienen. 

Was die Nahrungsaufnahme anbelangt, so sind bisher 
zweierlei Vorgänge beobachtet. 

Einige Thierfänger secerniren, sobald sie durch den Coutact 
miteiweissartigen Verbindungen, beziehungsweise mit thierischen 
Körpern gereizt werden, aus besonderen Drüsen eine der Haupt- 
sache nach aus Pepsin und organischen Säuren bestehende 
Flüssigkeit, in welcher sich die eiweissartigen Verbindungen 
lösen, und sie haben auch die Fähigkeit, diese Lösung mittelst 



Die rhizopodoideii Verclauiingsorgane etc. 5 

besonderer Organe aufzusaugen. — Eine zweite Gruppe von 
Thierfängern entbehrt der pepsinabsondernden Diüsen. Die 
von ihnen gefangenen Thiere verenden in den Fallen, verwesen 
und zerfallen dort und die Produete der Verwesung werden 
durch besondere im Grunde der Fallen entwickelte Saugzellen 
aufgenommen. 

An diese zwei Fälle kann nun noch ein dritter angereiht 
werden, welcher von uns an Lathraea Squamaria und Bartsia 
aipina beobachtet wurde. 

Lathraea Squamaria ist eine chloropliylllose Pflanze, welche 
in den Auen und Laubwäldern Europas weit verbreitet ist. — 
Ihre unterirdischen weissen Stengel erscheinen fleischig, fest und 
prall und sind der ganzen Länge nach mit dicht übereinander- 
gestellten, dicken schuppenförmigen Blättern besetzt. 

In der Farbe und Consistenz stimmen diese Blätter mit dem 
Stengel überein; ihr Umriss ist breit herzförmig und es macht 
den Eindruck als ob sie mit dem herzförmigen, stark gedunsenen 
Ausschnitte an der Basis voll und breit dem Stengel aufsitzen 
würden. Löst man aber eine dieser Schuppen vom Stengel ab, 
so überzeugt mau sich, dass dem nicht so ist und dass jener Theil 
der Schuppen, welchen man im ersten Anblicke für die untere, 
beziehungsweise für die Rückseite hält, nur ein Theil der oberen 
Seite ist. 

In Wirklichkeit ist jedes dieser dicken schuppenförmigen 
Blätter zurückgerollt und es lassen sich au demselben folgende 
Theile unterscheiden. Zunächst die Verbindungsstelle mit dem 
Stengel (Fig. 4 a), welche verhältnissmässig schmal ist, dann 
jener Abschnitt (Fig. 4 6), den man bei flüchtiger Betrachtung 
für die ganze obere Blattfläche hält und der sich ak- eine schief 
aufsteigende von einem scharfen Rande (Fig. 4 c) eingefasste 
Platte darstellt, weiterhin von diesem scharfen Rande angefangen, 
der plötzlich unter spitzem Winkel herabgebogene steil abfallende 
Theil (Fig. 4 d), welchen man gewöhnlich für die Rückseite, 
beziehungsweise die untere Seite des Blattes hält, der aber in 
der That der oberen Blattseite angehört; viertens das freie Ende 
des Blattes (Fig. 4 e), welches sich als eingerollter Rand der 
Schuppe darstellt und fünftens die eigentliche Rückseite, welche 
verhältnissmässig selir klein ist und ei'st dann sichtbar wird, 



6 V. Kerner u. v. Wettsteiu, 

wenn man den gerollten Rlattrand entfernt. — Indem sich der 
Blattraud rollt, entsteht ein Canal oder besser gesagt eine 
Hohlkehle, welche an der hinteren Seite des Blattes dicht 
unter jener Stelle, wo sich das Blatt an den Stengel ansetzt, 
quer herumläuft (Fig. 4 /:). — In diese Hohlkehle münden 
nun mittelst einer Reihe von kleinen Löchern fünf bis dreizehn, 
meist zehn Kammern, welche die dicken Schuppeublätter aus- 
höhlen und die, in dieser Form wenigstens, einzig im ganzen 
Pflanzenreiche dastehen dürften. (Fig. 3), Es müssen diese merk- 
würdigen Kammern als tiefe, von der Rückseite des Blattes 
ausgehende, grubenförmige Einsenkungen in die Blattsubstanz 
gedeutet werden, und mit Rücksicht auf die zu erörternde Frage 
nach der Bedeutung derselben für das Leben und insbesondere 
für die Nahrungsaufnahme der Pflanzen ist es von Wichtigkeit, 
sie etwas näher in Augenschein zu nehmen. 

Wie schon erwäimt, sind deren fünf bis dreizehn vorhanden. 
Sie stehen miteinander seitlich nicht in Verbindung, alle sind höher 
als breit und mit unregelmässig wellig gebogenen Wandungen ver- 
sehen. An diesen Wandungen fallen zweierlei Organe auf, welche 
der Form nach an die Drüsenbildungen anderer tliierfangender 
Pflanzen erinnern. Die einen bestehen aus je vier Zellen, von 
welchen zwei ein Köpfchen bilden, während die dritte den Stiel 
des Köpfchens darstellt und die vierte als eine schwach nach 
aussen vorgewölbte Oberhautzelle erscheint. Sie entstehen in 
dem jungen Blatte unmittelbar nach der Entwicklung der ersten 
Gefässbündel und gehen aus einer Epidermiszelle hervor. Diese 
theilt sich zunächst durch zwei zur Oberfläche parallele Wände 
in drei Zellen und die Spitzenzelle wird dann durch eine senk- 
recht zur Oberfläche stehende Wand zu einem Zellenpaar von 
köpfchenförmigem Aussehen. (Fig. 5 a u. 7.) Seltener bestehen 
die Köpfchen aus 3 — 4 Zellen. Was die Vertheilung dieser 
Gebilde anbelangt, so ist dieselbe eine ziemlich regelmässige. 
Sie bedecken die ganze Oberfläche der Kammern, nur an den 
nach innen vorspringenden Leisten und Ausbuchtungen ist eine 
grössere Ansannulung wahrzunehmen; dabei ist ihre Zahl eine 
sehr bedeutende, im Durchschnitte kommen 25 — 32 auf einen 
Quadratmillimeter der Oberfläche. Die unterhalb derselben ge- 
legenen Parenchvmzellen sind in keiner Weise verändert. 



Die rhizopodoiden Veidaunngsorgane etc. « 

An dem Zellenpaar des Köpfchens fällt zunächst die ver- 
hältnissmässig' bedeutende Dicke der Membran auf, während die 
Membran der Stielzellen, sowie der benachbarten Oberhautzellen 
sehr dünn ist. Im Zellenleib der Köpfchenzellen findet sich ein 
grosser, gut unterscheidbarer, meist der Mittel wand anliegender 
Zellkern, sowie ein dichtes centrales Plasma, von dem dicke 
Stränge zu dem klumpig geballten Wandprotoplasma hinführen. 
(Fig. 7.) 

Die Stielzellen sind viel plasmaärmer. Das Protoplasma ist 
hyalin und in ein centrales und peripheres gesondert. Organische 
Inhaltskörper fehlen in den Köpfchenzellen ganz, im Stiele finden 
sich zuweilen Stärkekörner oder Krystalloide. 

Von wesentlich anderer Gestalt sind die der zweiten Art 
angehörenden Organe, welche auch an Zahl bedeutend geringer, 
nur vereinzelt zwischen den eben besprochenen eingestreut sind. 
(Fig. 5, b und 6.) Es kommen von denselben selten mehr als 7 bis 
9 auf einen Quadratmillipieter der Oberfläche und immer sind 
dieselben mehr in den Vertiefungen, als an den Erhöhungen 
der welligen Wand der Kammer zu finden. Sie bestehen 
aus einer plattenförmigen , im Umkreise elliptischen oder 
kveisförmigen Basalzelle und aus 2 oder 4, seltener 3 Zellen, 
die sphärisch hervorgewölbt und durch sehr zarte, meist schief 
verlaufende Scheidewände getrennt sind, zusammen aber im 
Umrisse in den Rahmen der elliptischen oder rundlichen Basal- 
zelle passen, von der blos ein schmaler Randstreifen hervor- 
ragt. (Fig. 5 6 u. 6.) 

Die Entstehung dieser Organe fällt mit jener der oben ge- 
schilderten zusammen und erfolgt in der Weise, dass eine schon 
früher durch ihre bedeutende Grösse auffallende Oberhautzelle 
sich durch eine mit der Oberfläche parallele Membran zunächst 
in zwei plattenförmige Zellen theilt. Von diesen geht dann die 
obere, nach aussen vorgewölbte eine neue Theilung ein und zer- 
fällt durch eine auf die früher gebildete Membran senkrechte 
oder etwas schiefe Wand in zwei, später bei nochmaliger Thei- 
lung in vier Zellen. 

Auch bei diesen Organen sind die nach aussen gekehrten 
Membrantheile verhältnissmässig dick und die Querwände im 
Innern, sowie die Zellhäute der Basalzellen dünn. Der Inhalt 



8 V. Kerncr u. v. Wettstein, 

aller Zellen ist hyalines Plasma, das die Zellen fast ganz erfüllt 
lind einen deutlichen grossen Zellkern führt. Häufig nimmt der 
Inhalt jener Zellen die aussen in Berührung mit den noch zu 
besprechenden in die Höhlungen gelangten abgestorbenen Orga- 
nismen kamen, eine braune Färbung an, die sich auch der Mem- 
bran mittheilt, ohne dass ein Absterben der betreffenden Zellen 
eine Folge davon wäre. — Während die früher geschilderten 
köpfchentragenden Gebilde in keiner anatomischen Beziehung 
zu den in der Umgebung liegenden Gewebetheilen stehen, macht 
sich eine solche Beziehung bei den zuletzt besprochenen Organen 
sehr deutlich bemerkbar. Dieselbe besteht einerseits darin, dass 
diese Orgaue in einem nicht zu verkennenden Zusammenhang mit 
den Gefässbündeln des betreffenden Blattes stehen, anderseits sich 
die umliegenden Oberhautzellen strahlenförmig um die untere 
grosse, platt enförmige Zelle gruppireu. Die aus dem Stamme in 
das Blatt eintretenden Gefässbündel verlaufen längs der Wan- 
dungen der Kammern und lösen sich in der Nähe derselben in 
einzelne schmale Gefässe auf, die mit ringförmigen Verdickun- 
gen versehen sind und zu je einem der in Rede stehenden Organe 
führen. (Fig. 4 u. 6.) 

Etwa zwei bis drei Zelllagen unterhalb der grossen, platten- 
förmigen Basalzelle endet das Gefäss und die Verbindung seines 
Endes mit dem Organe wird durch eine kurze cylindrische oder 
tonnenförmige Zelle hergestellt, die in ihrem unteren, dem Ge- 
fässe zugewendeten Theile ringförmige oder spiralige Wand- 
verdickungen aufweist, im oberen Theile jedoch dünnwandig ist. 
Ihre obere Wand liegt unmittelbar der erwähnten Basalzelle an, 
seltener ist noch eine kurze, dünnwandige Zelle eingeschaltet. 
(Fig. 6.) 

Unter gewissen, noch näher zu erörternden Unjstäuden sieht 
man von den Membranen der in den Innenraum der Kammern 
vorragenden Zellen beider oben beschriebenen Organe eine 
grosse Anzahl überaus zarter Fäden ausstrahlen. (Fig. 7.) 

Die Ausstrahlungspunkte derselben sind über die Oberfläche 
der Zellen gleichmässig vertheilt. Die Fäden selbst sind hyalin, 
gerade, an der Spitze abgestumpft und von verschiedener Länge 
bald so bedeutend verkürzt, dass sie blos als warzige Hervor- 
ragungen erscheinen, bald den Durchmesser der Köpfchen au 



Die rhizopodoiden Verdaiumg-sorgane etc. 9 

Länge bedeutend übertreffend. In mancher Hinsicht ähneln sie 
Krystallen oder stumpfstacheligen Hervorragungen der Mem- 
branen. 

Dass sie keines von beiden sind, ergibt sich nach wenigen 
Versuchen. Dagegen erwiesen sie sich merkwürdigerweise als 
Plasmafäden, die mit dem Zellenleib der Zellen im Zusammen- 
hange stehen und von demselben durch regelmässig vertheilte 
Durchlässe in der Zellenmembran nach aussen in Folge eines 
Reizes gesendet werden. Dieser Sachverhalt ergibt sich nicht 
blos aus den verschiedenen mikrochemischen Reactionen, die die 
Plasmanatur der Fäden erweisen, sondern auch durch plasmo- 
lytische Versuche, die ein allsogleiches 'Einziehen der Fäden zur 
Folge haben, endlich durch die directe, mittelst Färbungen er- 
möglichte Beobachtung. 

Diese Fähigkeit des Hervorstreckens von Plasmafäden 
kommt blos den Zellen zu, deren verhältnissmässig dicke Aussen- 
wände in die Höhlung der Kammer vorspringen, während sie 
den Stiel- und Basalzellen der beschriebenen Organe fehlt. 

Das Vorstrecken der Plasmafäden erfolgt nicht unter allen 
Umständen, stets aber, wenn durch Wasserzufuhr die Turgescenz 
der Drüsenzellen gesteigert wird. Doch kann dasselbe auch 
dadurch herbeigeführt werden, dass kleine Thiere in die laby- 
rintische Kammer des Laihraea-Bluttes eindringen und die eben 
beschriebenen Organe berühren. Die in Folge der Reizung aus- 
strahlenden Plasmafäden legen sich an die Eindringlinge an, 
kleinere Thiere, zumal Infusorien, werden wie von Fangarmen 
festgehalten, grösseren Thieren aber wird durch diese Plasma- 
fäden die Bewegung erschwert und der Rückweg abgeschnitten. 

Die Ausscheidung eines besonderen Secretes in der 
Kammer des Lathj\iea-B] Rttes wurde nicht beobachtet. Da man 
aber von den in die Kammern gelangten Thieren nach einiger 
Zeit nur mehr Klauen , Beinschienen , Borsten und kleine, 
braune, formlose Klümpchen antrifft, während Sarkode sowie 
Muskeln und Blut derselben spurlos verschwunden ist, so muss 
man annehmen, dass hier die Nahrungsaufnahme aus den veren- 
deten Thieren durch Contact mit den gleich Fangarmen vorge- 
streckten Plasmafäden erfolgt, ganz ähnlich wie bei den Wurzel- 
füsslern, mit welchen diese Organe eine so auffallende Ähnlichkeit 



10 V. Kerner u. v. Wettsteiu, 

besitzen. — Es wäre nicht unmöglich, dass nur die ungestielten 
Organe der Aufsaugung , die gestielten köpfchentragenden da- 
gegen dem Festhalten der Beute dienen , wenigstens würde der 
Umstand für diese Auffassung sprechen, dass zu den ersteren, 
die, wie schon oben erwähnt, viel spärlicher sind, Gefässe hin- 
ziehen, die durch eine eigenthümliclie tonnenförmige Zelle mit 
jener grossen elliptischen Tafelzelle in Verbindung stehen, was 
bei den köpfchentragenden Gebilden nicht der Fall ist. 

Da die Öffnungen, mit welchen die Kammern in die Hohl- 
kehle an der Hinterseite des Lafhrnen-Bla.tteB ausmünden, sehr 
enge sind, so können nur winzige Tliiere Infusorien, Amoeben, 
Rhizopoden, Räderthierchen, kleine Milben, Apliis-Arten, Podu- 
ren und dergleichen einschliefen. Was sie dazu bewegt, gerade 
diese versteckten Kammern aufzusuchen, ist ebenso schwierig zu 
sagen, wie es schwer hält, anzugeben, wodurch die Daphnia- 
und Cyclops- Arten veranlasst werden, in die Schläuche der Utri- 
cularien einzufahren. 

Am wahrscheinlichsten ist es, dass die winzigen Thiere 
Nahrung suchend in die Hohlräume vordringen und dort durch 
die oben geschilderte Einrichtung ihren Tod finden. 

Es wurde schon erwähnt, dass die Schuppenwnrz eine 
Schmarotzerpflanze ist, welche die Hauptmasse ihrer Nahrung 
vermittelst eigener .Saugwarzen den Wurzeln sommergrüner 
Laubhölzer entzieht. 

Sie wächst nur in Gegenden, in welchen die Thätigkeit der 
Bäume und Sträucher durch einen ziemlich langen Winter unter- 
brochen wird; ihre Saugwarzen sterben regelmässig ab, sobald 
die Holzpflanzen, auf deren Wurzeln die Lafhmcfi->>iöcke schma- 
rotzen, sich herbstlich verfärben und das Laub abwerfen. Wenn 
dann im darauffolgenden Frühlinge das Aufsteigen des Saftes in 
den Holzpflunzen beginnt, sendet auch die Lathrnea wieder neue 
Wurzeln aus, welche sich mit Saugwarzen unterirdisch an die 
saftstrotzenden Baum wurzeln anlegen. Die Nahrung, welche auf 
diesem Wege in die Lnthraea kommt, ist nicht wesentlich ver- 
schieden von jener, welche die Wurzeln des betreffenden Baumes 
oder Strauches aus der umgebenden Erde aufgenommen haben, 
vorwaltend also Wasser und in diesem gelöst eine geringe Menge 



Die rhizopodoideu Verdammgsorgane etc. 11 

mineralischer Salze, eine Flüssigkeit, welche man früher nicht 
unpassend den „rohen Nahrungssaft" genannt hat. 

Da die Lathraed unterirdisch lebt und des Chlorophylls ent- 
behrt und da sie nicht befähigt ist, im Sonnenlichte aus dem 
Kohlendioxyd der Luft und dem durch Vermittlung der Saugwarzen 
aufgenommenen ..rohen Nahrungssafte" des angefallenen Baumes 
oder Strauches selbst alle zum weiteren Wachsthum nothwen- 
digen organischen Verbindungen zu erzeugen, da namentlich die 
Menge der stickstoffhaltigen Verbindungen in der den angefal- 
lenen Wurzeln entzogenen Flüssigkeit nur eine sehr geringe ist, 
so muss jeder Zuschnss an organischer Nahrung, zumal an stick- 
stoffhaltigen Verbindungen aus den gefangenen Thieren sehr 
willkommen sein. Obschon es vorwaltend winzige Infusorien sind, 
welche von der Schuppenwurz gefangen und verdaut werden, so 
darf dieser Zuschuss doch durchaus nicht unterschätzt werden; 
es ist eben in Anschlag zu bringen, dass jedes der unzähligen 
schuppenförmigen Blätter des L«^/iraea- Stockes einen Fang- 
apparat darstellt und dass der Fang- und Verdauungsapparat das 
ganze Jahr hindurch in Wirksamkeit ist, da es in jener Tiefe des 
Erdreiches^ in welcher die Stöcke der Schuppenwurz eingebettet 
liegen, im Winter nicht einfriert, so dass dort auch in der Jahres- 
periode, in welcher oberirdisch alles im Winterschlafe ruht, die 
Infusorien und andere kleine Thiere ihr Wesen treiben und von 
der Lathraea gefangen werden können. 

Die überaus grosse Zahl der im Laufe des Jahres gefan- 
genen Thiere vermag also sicherlich die Grösse der einzelnen 
Individuen zu ersetzen. 

Wenn es nach alledem nichts weniger als befremdend ist, 
dass sich ein chlorophyllloser, unterirdisch lebender Wurzel- 
schmarotzer mit dem Aussaugen des rohen Nahrungssaftes aus 
anderen Pflanzen und gleichzeitig auch mit dem Thierfange be- 
schäftigt, so muss es anderseits unser Erstaunen wachrufen, 
wenn wir Pflanzen finden, welche ihre Nahrung einmal mittelst 
Saugzellen aus der Erde, dann schmarotzend mittelst Saugwarzen 
aus angefallenen Wurzeln anderer Pflanzen und drittens auch 
noch aus gefangenen Thieren entnehmen. 

Als eine solche Pflanze aber stellt sich Bartsia alphia dar. 
Dieses merkwürdige Gewächs ist im arktischen Gebiete und in 



12 V. Kerner ii. v. Wettsteiu, 

der Flora der Hochgebirge durch fast ganz Europa verbreitet 
lind fällt sofort dadurch auf, dass die Farbe der Laubblätter aus 
Schwarz, Violett und Grün gemengt erseheint. Auch die Bliithe 
ist trüb dunkelviolett gefärbt und die Pflanze macht durch dieses 
eigenthümliche Colorit den Eindruck einer rechten Trauerpflauze. 

Einschaltungsweise mag hier erwähnt sein, dass Linne für 
diese düstere Pflanze den Namen ^«r/sm wählte, um damit seiner 
tiefen Trauer über den Tod des ihm innig befreundeten eifrigen 
Naturforschers und Arztes Bartsch, der in jungen Jahren dem 
Klima Guiana's erlag, einen Ausdruck zu geben. 

Feuchter schwarzer Boden und die Umgebung von Quellen 
bilden den bevorzugten Standort dieser Pflanze. Gräbt man im 
Sommer ihren Wurzeln nach, so sieht man, dass von denselben 
einige Saugwarzen ausgehen, welche sich den Wurzeln der nach- 
barlich wachsenden Seggen und anderer Pflanzen anlegen; man 
findet aber auch unterirdische Sprosse, welche in der Nähe der 
mit gegenständigen weissen Schuppen besetzten Knoten „Wurzel- 
haare" entwickeln, die deutlich gegliedert sind und als gewöhn- 
liche Saugzellen fungireu. 

Gegen den Herbst zu bilden sich, und zwar gleichfalls unter- 
irdisch, eiförmige Knospen aus, welche in ihrer Form den Knos- 
pen der Kosskastanie nicht unähnlich sehen (Fig. 8) und deren 
in vier Keihen angeordnete chlorophylllose Schuppen wie Dach- 
ziegel theilweise übereinander geschoben sind, so zwar, dass von 
jeder Schuppe nur die Rückseite des oberen Theiles zur Ansicht 
kommt, während der untere Theil von tieferstehenden Schuppen 
zugedeckt ist. An der frei sichtbaren convexen Rückseite jeder 
Schuppe sieht man auf dem Mittelfelde drei scharf vorspringende 
Rippen; die beiden seitlichen Ränder der Schuppe aber sind 
zurückgerollt, und zwar so, dass dadurch an jedem Rande eine 
Hohlkehle gebildet wird. — Nun sind aber, wie an dem Quer- 
schnitte einer unterirdischen Bartsia-KmmißG (Fig. 9) zu sehen 
ist, die tieferstehendeu Schuppenpaare so über die nächst oberen 
gelegt, dass die Hohlkehlen zugedeckt und zu Kanälen werden. 
Das Innere der Knospe ist, diesemBaue entsprechend, von doppelt 
so vielen Kanälen durchzogen, als gedeckte Blattschuppen vor- 
handen sind und die Mündungen von je zwei Kanälen finden sich 
an jenen Stellen, wo die Deckung der zurückgerollten seitliehen 



Die rhizopodoiden Verdamingsorgaue etc. 13 

Ränder einer oberen Schuppe durch das Mitteiteid einer unteren 
Schuppe beginnt. Au der einen Seite dieser Kanäle, nämlich in 
den Hohlkehlen sind ganz dieselben zdiigen Gebilde entwickelt, 
welche sich in den Kammern der Z„7//ir«tY<-Schuppeu finden, 
wieder jene aus zwei Zellen zusammengesetzten Köpfchen, die 
einer Fusszelle aufsitzen, dann gepaarte als Halbkugel vor- 
gewölbte Zellen und endlieh noch gewöhnliche plattenförmige 
Oberhautzellen. \ Fig. 10) Es ist wohl nicht zu zweifeln, dass der 
ganze Apparat auch in derselben Weise wie bei der Schu])pen- 
wurz wirksam und auf den Fang von kleinen Thieren berech- 
net ist. 

Da aus den eben geschilderten unterirdischen Knospen der 
Bartsia, welche im Spätsommer angelegt werden, im Laufe des 
nächsten Frühlings ein oberirdischer Stengel hervorgeht, dessen 
chlorophyllreiche Laubblätter im Sonnenlichte ausGemengtheilen 
der Luft und der aus dem Boden durch die Saugzellen auf- 
genommenen flüssigen Nahrung organische Verbindungen erzeu- 
gen, so drängt sich die Frage auf, ob denn in diesem Falle auch 
noch ein Zuschuss an Nahrung aus den Leichen gefangener 
Thiere nothwcndig oder doch vortheilhaft sein kann. Berück- 
sichtiget man die Verhältnisse, unter welchen Bartsia alpina in 
der freien Natur wächst, so wird man diese Frage unbedingt 
bejahen müssen. 

Diese Pflanze gehört, wie schon erwähn^^, der arktischen 
und Hochgebirgsflora an und wächst in Gebieten, wo die ober- 
irdische Thätigkeit der Pflanzen auf die kurze Zeit von ein paar 
Monaten eingeschränkt ist. Nach Ablauf dieser kurzen Vegeta- 
tionszeit sterben die oberirdischen Theile der arktischen und 
alpinen Pflanzen entweder vollständig ab oder sie bleiben zwar 
grün, sind aber im Schnee vergraben und alle Bewegung und 
Lebensthätigkeit ist in ihnen auf 9 bis 10 Monate sistirt. 

Der erste Schnee fällt in den, von der ^«r^sm bewohnten 
Gebieten regelmässig schon zu einer Zeit, in welcher der Boden 
noch nicht gefroren ist, und die später immer mächtiger sich 
aufthürmeude winterliche Schneedecke schützt den Boden so 
ausgiebig gegen den Einfluss der Wiuterkälte, dass die Tem- 
peratur selbst der oberflächlichsten Erdschichten nicht unter den 
Nullpunkt herabsinkt. In dieser frostfieien Schichte aber ist 



34 V. Kerner u. v. Wettstein, 

weder das pflanzliche, noch das tWerische Leben ganz erstarrt 
und es ist in dem langen Zeiträume für die unterirdischen 
Knospen der Bartsia gewiss nur von Vortheil, wenn ihnen eine 
ausgiebige Nahrung aus den Leibern gefangener Infusorien zu- 
kommt. Der Vortheil wird um so einleuelitender, wenn man 
bedenkt, dass aus den organischen Verbindungen, welche die 
Schuppen der unterirdischen Knospen in ihren Zellen aufgespei- 
chert enthalten, in der darauffolgenden Vegetationszeit in zwei 
bis drei Wochen der oberirdische Stengel mit seinen Laubblät- 
tern und Blüthen aufgebaut werden soll und dass der feuchte 
Boden, in welchem die Bartsia wächst, so wie auch die Wurzeln 
der Sumpfpflanzen, an welche die Bartsia einige Saugwarzen 
anlegt, zwar Wasser und mineralische Salze, aber nur wenig 
Materiale zur Erzeugung stickstoffhaltiger Verbindungen liefern. 



A.v:I\erner luid R.v.irettsteiii. Bie rhizopodüidenVerdamingsorganß toerfangei-ider Pflanzer.. 




Autor isl Lith v.M. Streicher 



Lith.Aist 7:Tii Banmvaitk.TOsr.- 

Sitzimösl)er. d.kaiserl . Akad.d.Wss. math.natuTH^ a.XCIl[.Bd.Lifl)äi.l886. 



Die rhixopodoiden Verdau ungsorgane etc. 15 



Erklärung der Tafel. 



Fig. 1. Stück eines unterirdischen Stammes vonLat/naea Squamaria.^-dtüv], 
Grösse. 

„ 2. Dasselbe, im Längsschnitte, au dem die Kammern in den einzelneu 
Blättern sichtbar sind. Natürl. Grösse. 

„ 3. Ein einzelnes Blatt vergrössert. Durch die durchscheinende Ober- 
seite sind die zehn Kammern im Innern des Blattes sichtbar. 

„ 4. Längsschnitt durch ein Blatt; bedeutend vergrössert. a Anheftungs- 
stelle des Blattes; 6 — e Oberseite des Blattes, bei c nach rückwärts 
gekrümmt; f Blattunterseite mit dem Eingange in die Höhlung «7; 
h Stamm. 

„ 5. Stück der Wand emer Höhlung, stark vergrössert. 

„ 6. Stück eines Querschnittes durch ein Blatt, zeigt ein stielloses Organ 
und die Verbindung der Basalzelle (b) mit den Endigungen des Ge- 
fässbündels (G)] stark vergrössert. 

„ 7. Köpfchentragendes Organ mit den über die Wand der Köpfchen- 
zellen vorragenden Plasmafäden, stark vergrössert. 

„ 8. Unterirdische Knospe von Bartüa alpina. Natürl. Grosse. 

„ 9. Querschnitt durch einen Theil derselben; vergrössert. 

„ 10. Der Rand einer Knospenschuppe von Bartsia im Durchschnitte mit 
gestielten {a) und uugestielten (6) Organen, stark vergrössert. 



16 



II. SITZUNG VOM 14. JÄNNER 1886. 



Das c. M. Herr Prof. L, Gegen bau er in Innsbruck tiber- 
sendet eine Abliandlung: „Über die Classenanzabl der 
quadratischen Formen von negativer Determinante". 

Der Secretär legt eine Abhandlung von Herrn August 
Adler in Wien: „über ein allgemeines Princip des 
graphischen Rechnens" I. vor. 

Herr Dr. Friedrich Wächter in Wien übersendet eine 
Abhandlung: „Über die Artunterschiede der positiven 
und negativen Elektricität". 

Herr Hofrath 6. Tschermak überreicht eine Abhandlung 
des Herrn Dr. Max Schuster: „Resultate der Untersuchung 
des Staubes, welcher nach dem Schlammregen vom 
14. October 1885 zu Klagenfurt gesammelt wurde." 

Das w. M. Herr Prof. E. Weyr Überreicht eine Abhandlung 
des Herrn Regierungsrathes Prof. Dr. F. Hertens in Graz: 
„Über die Invarianten dreier terniären quadratischen 
Formen." 

Das w. M. Herr Prof. J. Wiesner überreicht eine Abhand- 
lung: „Untersuchung über die Organisation der vege- 
tabilischen Zellwand". 

Das w. M. Herr Hofrath Prof. C. Claus tiberreicht eine 
Abhandlung des Herrn Dr. J. H. List in Graz, betitelt: „Die 
Rudimentzellentheorie und die Frage der Regenera- 
tion geschichteter Pflasterepithelien". 



17 



Untersuchungen über die Organisation der vegetabili- 
schen Zellhaut. 

i^Iit 5 Holzschnitten. j 

Von dem w. M. Julias Wiesner. 

Einleitung. 

Die feinsten Stnicturverhältnisse der pflanzlichen und 
thierischen Organe aufzudecken, bildet bekanntlich einen der 
wichtigsten Zielpunkte der Morphologie und Physiologie der 
Pflanzen und Tliiere. 

Von rein morphologischem Gesichtspunkte aus wird man an 
diesem — heute noch in weiter Ferne liegenden, aber selbst dem 
besonnensten Naturforscher erreichbar erscheinenden — Ziele 
angelangt sein, wenn die letzten, das ist die einfachsten Structur- 
elemente der Lebewesen aufgefunden sein werden. Die Phy- 
siologie aber wird die Veränderungen und Eigenschaften dieser 
Elementargebilde erst zur Erklärung der Lebens Vorgänge heran- 
zuziehen haben. 

Im Bereiche der Morphologie ist es die Anatomie, welche 
auf analytischem "Wege den inneren Bau der Organismen darzu- 
legen strebt. Wie die Chemie die Verbindungen zerlegt und zu 
den wahren Elementen zu gelangen sucht, so trachtet die Anatomie 
durch analoge Operationen zu den letzten Formelementen der 
Pflanzen und Thiere vorzudringen. Auf diesem Wege gelang es 
zunächst, die Organe in Gewebe und diese in die bisher als 
Elementarorgane angesehenen Zellen zu zerlegen. 

Dass die sogenannten chemischen Elemente die gesuchten 
Grundstoffe der Verbindungen nicht repräsentiren, wird derzeit 
wohl allgemein zugestanden. Aber auch die „Zellen" können 
heute nicht mehr als das angesehen werden, wofür man sie so 
lange hielt, als die letzten organisirten Bausteine der Pflan- 
zen und Thiere. Es ist das Verdienst Brücke's, die grosse 

Sitzb. d. malhem.-naturw. Cl. XCIII. Ed. I. Abth. 2 



18 Wiesuer, 

Complication im Baue der sogenannten ,. Elementarorgane" 
zuerst nacliclriieklich hervorgehoben und gezeigt zu haben, 
dass die damals herrschenden auf den Bau der Zellen bezug- 
nehmenden Vorstellungen : Kerne oder Membranen seienhomogen, 
wenn sie uns homogen erscheinen, oder besässen keine andere 
als Molecularstructur, oder das Protoplasma sei eineEiweisslösung 
u, s. w.j als völlig unberechtigt zurückgewiesen werden müssen. Es 
geschah dies bekanntlich in seiner mit Recht berühmten Schrift, 
„die Elementarorganismen"*, aufweiche ich in dieser Abhandlung 
noch oftmals zurückkommen werde. Sehr treffend nennt Brücke 
die Zellen dort „ Elementarorganismen " , um schon durch 
das für dieselben gewählte Wort seine Anschauung über ihren 
wahren Bau in Gegensatz zu stellen mit jenen seiner Vorgänger, 
welche die Zellen als die letzten Structurelemente des Organis- 
mus, als „Elementarorgane" betrachteten. 

Der genannte Forscher begnügte sich damit, die Organisation 
des Protoplasmas aus dessen Functionen zu erschliessen, ohne 
über die Structur des „lebenden Zellenleibes" eine bestimmte 
Vorstellung zu formuliren, wozu aus Mangel au thatsächlichen 
Kenntnissen damals alle positiven Anhaltspunkte fehlten. Hin- 
gegen betonte Brücke, dass eine selbst noch so complicirte 
Molecularstructur die in den Zellen sich abspielenden Lebens- 
vorgänge nicht zu erklären im Stande wäre und räumt die 
Möglichkeit ein, dass die Elementarorganismen aus organische 
Structur besitzenden Elementen, aus wahren Elementarorganen 
zusammengesetzt seien. 

In der Geschichte dieses schwierigen Forschungsgebietes 
erblicken wir zwei scharf getrennte Wege. Der eine geht von den 
Schichtungsverhältnissen der vegetabilischen Zellenmembran 
und der Stärkekörnchen aus, der andere sucht durch die unmittel- 
bare Beobachtung unterAnwendung bestimmterMethoden (Härtung, 
Färbung etc.) die Structur des Protoplasmas und desZellkernes auf- 
zufinden. Der erstere, bekanntlich von Nägeli eingeschlagen, 
bewegt sich fast gänzlich auf hypothetischem Gebiete, der 
letztere steht durchaus auf dem Boden der Thatsachen. Nägeli's 



1 .Sitzuns'sb. d. kais. Ak. d. Wiss. math. iiat. Cl. Bd. 44 (1861) II. Abth. 
p. 381 ffd. 



Untersuchimg-en über tl. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 19 

Hypothese, heute allgemein als Micellartheorie bekannt, entstand 
etwa gleichzeitig- mit Brücke's „Elementarorganismen", die 
Untersuchungen über die Structuren des Protoplasmas und Zell- 
kernes gehören bekanntlich der neuesten Zeit an. 

Nägeli leitete seine Theorie aus dem optischen Verhalten 
der Zellmembran und der Stärkeköruchen und aus jenen Structur- 
eigenthümlichkeiten ab, welche als Schichtung und Streifung der 
Zellwand bekannt sind. Es gelang ihm, durch einige einfache, 
mit grossem Scharfsinn ersonnene Annahmen nicht nur die Doppel- 
brechung der genannten Gebilde, deren Schichtung und Streifung 
n höchst einleuchtender Weise, sondern auch manche physiolo- 
gisch wichtige Erscheinung, wie z.B. die Quellung der Zellmembran 
zu erklären und überhaupt die Structurverhältnisse mit den damals 
bekannten physiologiscben Phänomenen in nahen Zusammenhang 
und — von einzelnen zumeist überseheneu Thatsaclien abge- 
sehen — in eine geradezu imponirende Übereinstimmung zu bringen. 

Nägeli's Micellartheorie geht von folgender Annahme aus: 
Die vegetabilische Zellmembran besteht aus ausserordentlich 
kleinen, niikroskopiscli nicht wahrnehmbaren Molekülgruppen 
(Micellen.) Dieselben haben die Form und optischen Eigen- 
schaften von (nicht tessularen) Krystallen, und sind nicht imbibir- 
bar. Absolut trocken gedachte organisirte Gebilde bestehen aus 
sich berührenden Micellen. Da die Anziehung der Micelle zum 
"Wasser grösser als die der Micelle untereinander ange- 
nommen wird, so muss das in die organisirten Gebilde ein- 
dringende Wasser die Micelle wie ein Keil auseinander treiben. Je 
kleiner die Micellen sind, desto grösser werden bei der Imbibi- 
tion die sie umhüllenden Wasserschichten. Damit im Zusammen- 
hange steht die Annahme, dass der grösste Querschnitt der 
Wasserhülle dem kleinsten Querschnitte des Micells entspricht 
und umgekehrt. Da die Micelle — nach einer weiteren Annahme 
Nägeli's — sich während des Wachsthums der von ihnen 
zusammengesetzten Gebilde selbst vevgrössern, so müssen die 
Schichten der Zellwand in späteren Entwicklungsstadien wasser- 
armer werden. 

Aus der Doppelbrechung der Micelle leitet Nägeli die Ani- 
sotropie der Zellhäute und der Stärkekörnchen ab, hingegen aus 
der Vertheilung von Micellen und Wasser alle im Laufe der 

2-- 



20 W i e s n e r, 

Entwicklung und in den verschiedensten Verbältnissen des- 
Lebens sieb ergebenden Erscheinungen der Aufnahme und Abgabe 
des Wassers, der Schichtung und Streuung der Zellhäute^ 
beziehungsweise der Stärkekörnchen u. s. w. Dass beispielsweise 
aus Form und Lage der eine Faser zusammensetzenden Micelle 
sich die starke Quellung in der Richtung des Querschnittes und 
die relativ geringe in der Richtung der Längsschnitte erklären 
lässt, leuchtet ein. 

Die Nägeli'sche Lehre hat eine fast allgemeine Anerkennung 
gefunden. Der bewundernswerthe Scharfsinn, mit welchem die- 
selbe construirt und die strenge Consequenz der Durchführung, 
welche ihr den Charakter einer vollendeten Theorie aufdrückt, 
lassen den Erfolg, welchen dieselbe errang, begreiflich erscheinen 
und machen es verständlich, dass von vielen Seiten die so spär- 
liche thatsächliche Unterlage, auf welcher die Micellarhypothese 
gebaut ist, übersehen worden ist. Und auch heute noch kann 
Nägel i's Lehre im Gebiete der Botanik als herrschend ange- 
sehenwerden, obwohl manche Erscheinung in viel naturgemässerer 
Weise erklärt wird und manche dieser Lehre zu Grunde liegende 
Annahme zweifelhaft geworden oder als unhaltbar sich heraus- 
gestellt hat. 

So vor allem der krystallinische Charakter der Micelle. 
Ich habe schon vor Jahren die Anisotropie der vegetabilischen 
Zellwand aus Spannungsunterschieden abgeleitet ^ Später machte 
Ebner^ die schwerwiegendsten Argumente gegen den Kry stall - 
Charakter der Micelle geltend und lieferte den Beweis, dass die 
Anisotropie der organischen Gebilde weder auf Interferenz depo- 
larisirter Strahlen beruhe, welche beim Durchgange durch optisch 
nicht homogene einfach lichtbrechende Körper entstehen, 
noch auf krystallinische Bescliaifenheit zurückzuführen sei, 
sondern dass dieselbe von nach verschiedenen Richtungen 
ungleichen Spannungen verursacht werde, von Spannungen, 
welche im Lebenslaufe des Organismus sich vielfach ändern 
und die auf künstliche Weise geändert werden können. 



1 Elemente der Aii;itomie und Physiologie der Pflanzen 1. Aufl. p. 260. 
- Ebner, Untersuchungen ülxu- die Ursachen der Anisotropie 
organischer Substanzen. Leipzig 1882. 



Untersuehuiigeii über d. Orgcauisation d. vegetab. Zellliaut. 21 

Auch N. J. C. Müller \ HöhneP und Strasburger^ 
haben die Annahme der krystalliuischen Micelle zur Erklärung 
der Doppelbrechung der Zellmembran verworfen und fassen das 
Zustandekommen dieser Erscheinung im Wesentlichen in gleicher 
Weise wie Ebner und ich auf. 

Höhnel führte auch die Quellungserscheinungen auf 
Spannungszustände zurück, nachdem er die aus der Micellar- 
theorie sich ergebende Erklärung für unzureichend gefunden hat. 

Diejenigen, welche, wie Schmitz, Höhnel und Andere, 
besonders Strasburger, dessen Stellung zur Nägeli'schen 
Lehre ich später im Zusammenhange erörtern werde, das ge- 
sammte Wachsthum auf Apposition zurückführen, leiten die 
Schichtung der Zellwand nicht wie Nägeli aus ungleichem 
Wassergehalt ab, sondern führen dasselbe auf successive 
erscheinende, aus dem Protoplasma entstehende und sich gegen- 
seitig differenzirende Ablagerungen zurück. 

Seit Jahren vertreteich die Ansicht*, dass der geschichtete Bau 
der Zellmembran im Wesentlichen nicht auf einer Wechsellagerung 
wasserarmer und wasserreicher Schichten, sondern auf vom 
Wassergehalt unabhängiger Ungleichheit der Schichten im Licht- 
brechungsvermögen beruhe, welches ungleiche optische Ver- 
halten wieder auf eine Differenz in chemischer Beziehung zurück- 
zuführen sei. Ich stütze mich hiebei auf Thatsachen zweierlei Art. 
Erstlich darauf, dass vollkommen ausgetrocknete Membranen sich 
geschichtet erweisen, auf welche Thatsache ich in den unten 
folgenden ., Untersuchungen" noch in anderem Zusammenhange 
zurückkomme, sodann auf die Hervorrufung von Schichtung in 
Zellwänden durch Reagentien, welche weder wasserentziehend 
noch wasseranziehend wirken, z. B. Chromsäure, welche durch 
Oxydation einzelne Schichten früher angreift als andere und 
dadurch die letzteren deutlicher macht. 



1 Handbuch der Botanik I. 1880. 

2 Bot. Zeitung 1882 p. 595 flfd. 

3 In der weiter nuten citirteu Abhandlung über Bau und Wachsthum 
der Zellhäute. 

i Wiesner, Elemente der Anatomie und Physiologie der Pflanzen, 
I. Aufl. p. 257 und 2G0. 



22 W i e s 11 e r, 

Näg'eli hat auf diese und andere seine Mieellartheorie be- 
treffenden Einwände nicht erwidert, vielmehr später seine Hypo- 
these mit noch grösserer Bestimmtheit, als dies früher gelegent- 
lich geschah, auf alle organisirten Gebilde ausgedehnt und sie 
zur Grundlage seiner Abstammungslehre gemacht ^ 

Er fasst nämlich^, indem er das von ihm aufgestellte Idio- 
plasma (den Träger der erblichen Anlagen des Organismus) 
charakterisirt, die Grundlage seiner Theorie in folgende Worte 
zusammen: „Sie (die Structur des Idioplasmas) ist nur einer 
bereits feststehenden analogen Structur anderer organisirter 
Körper nachgebildet. Jeder dieser Körper besteht aus krystalli- 
nischen Micellen (mikroskopisch unsichtbaren, aus einer grösseren 
oder kleineren Zahl von Molekülen bestehenden Kryställchen, von 
denen jedes im imbibirten Zustande mit einer Wasserhülle um- 
geben ist)." 

Da die Micelle nur als Molekülgruppen zu betrachten sind^ 
und von Nägeli auch nur dafür ausgegeben werden, so ist 
ersichtlich, dass nach der Auffassung dieses Forschers dem 
Protoplasma, dem Zellkerne und der Zellwand ganz direct ein 
molecularer Bau zukömmt, eine Auffassung, welche den 
Ideen Brücke's über die Structur der Zelle zuwiderläuft. 
Freilich nimmt auch Brücke, wie sich von selbst versteht, gleich 
Nägel i eine molekulare Structur der organisirten Gebilde an, 
wie selbe einer Lösung, einem festen amorphen oder krystallisirten 
Körper zukömmt, und jedem Körper eigen ist. Diese Structur 
trennt er aber vollständig von der Organisation, einer Structur, 
welche nur den lebenden Wesen eigen ist. Der Gegensatz der 
beiderseitigen Ansichten spricht sich, wie ich glaube, am deutlich- 
sten in folgender, den „Elementarorganismen'^ (p. 385) entnom- 
menen Stelle aus: „Die zusammengesetzten Moleküle der organi- 
schen Verbindungen sind nur die Werkstücke, die nicht in ein- 
förmiger Weise, eines neben dem andern aufgeschich- 
tet, sondern zu einem lebenden Baue künstlich zusammen- 
gefügt sind." 

1 Nägeli, Mechiinisch-physiologischeTheorie der Abstamminigslehre. 
München und Leipzig 1884. 
- 1. c. p. 35. 
•"' Vergl. hierüber u. a. Ebner. 1. c. p. 11. 



Uutersncliungen über d. Organisation d. vfgetab. Zellhant. 23 

Ehe ich einige bisher noch nicht gemachte, aber, wie ich 
vielleicht erwarten darf, nicht unwesentliche Einwände gegen die 
Nägeli'sche Hypothese vorbringe, möchten folgende Bemer- 
kungen gerade hier am Platze sein. 

Erstlich, dass die Micelle Nägeli's mehrfach als die letzten 
organisirten Bausteine gehalten worden sind, welche etwa den 
von Brücke vorausgesetzten oder doch zugegebenen eigent- 
lichen Elementarorganen entsprechen. Es ist aber schon gesagt 
worden, dass zwischen Molekülgruppen und Micellen kein 
wesentlicher Unterschied bestehe. Auch schliesst schon die An- 
nahme Nägeli's, dass die Micelle für Wasser undurchdringlich 
seien, deren organische Structur aus. 

Sodann möchte ich hier hervorheben, dass Nägeli's 
Micellartheorie, so sehr sie auf botanischem Gebiete Anklang 
gefunden, im Bereiche der zoologischen Forschung ohne Wirkung 
geblieben ist. In Flemming's bekanntem Werke über Zell- 
substanz* wird die Nägeli'sche Theorie nicht erwähnt, obwohl 
dieses Werk die bis dahin bekannten Versuche, die feinsten 
Structurverhältnisse der Zellsubstanz aufzufinden, am ausführlich- 
sten schildert und unter allen hierauf bezüglichen Arbeiten am 
meisten gefördert hat. Auch in anderen, den genannten Gegen- 
stand betreffenden Schriften finde ich kein oder doch kein 
näheres Eingehen auf die Nägeli'schen Ideen ^. Eine Annäherung 
an Nägeli's Vorstellungen über micellaren Bau liegt in 
Rauber's ^ Auffassung der Zellstructur, welche letztere auf einen 
radialconcentrischen Typus zurückzuführen sei, einen Typus, 
nach welchem die Stärkekörnchen gebaut sind*. Obgleich nun 



1 Leipzig 1882. 

- Mit Ansnahme einer Schrift, die ich nur aus einer Stelle in Ebner 's 
Werk (1. c. p. 9.; kenne, wo es heisst, dass Bernstein (Über die Kräfte 
der lebenden Materie, Universitätsschrift, Halle 1880) die Ansichten 
Nägeli's auf den Bau des thierischen Körpers übertragen habe, und als 
Ursache der Doppelbrechung thierischer Gewebe Krj'^stallmoleküle voraus- 
setze. Eine ähnliche Voraussetzung machen Wundt (Lehrbuch der Physio- 
logie des Menschen 2. Aufl. p. 55) und Ranke (Grundzüge der Physiologie 
2. Aufl. p. 65.) Vrgl. auch Eb n er, 1. c. p. 233 und fifd. 

3 Thier und Pflanze, Leipzig 1881, p. 7. 

1 Xägeli, Abstammungslehre p. 35. 



24 W i c s 11 u r. 

Raub er die auf Zellstructur und Waclisthum bezugnehmende 
botanische Literatur kennt, so beruft er sich bei Aufstellung 
seiner Lehre über den radial-coucentrischen Bau der thierischen 
Gebilde nicht auf Kägeli, woraus vielleicht hervorzugehen 
scheint, dass er der Nägeli'schen Micellartheorie nicht zustimmt. 

Hingegen sind Brücke's Ideen über die Organisation der 
Zelle bei denjenigen, welche die thierischen Gewebe zum Gegen- 
stand ilirer Forschungen gemacht haben, unvergessen geblieben 
und bilden in mancher wichtigen Abhandlung den Ausgangspunkt 
der Untersuchung \ 

Es sind also die theoretischen Grundanschauungen in Betreff 
der Innern Structur der Organismen bei Zoologen und Botanikern 
getheilt. Indess beginnt jetzt ein Umschwung einzutreten, seit- 
dem nämlich auch von Seite der Botaniker in den Fragen der 
Structur der einzig richtige Weg, nämlich der der Beobachtung 
eingeschlagen wird. Angeregt durch die Zoologen, studiren 
gegenwärtig die Botaniker die Structurverhältuisse des Zell- 
kernes und des Protoplasmas an der Hand der Beobachtung und 
beide sind bezüglich des feineren Aufbaues dieser Zellbestand- 
theile zu im Wesentlichen übereinstimmenden Besultatcn ge- 
kommen. — 

Die wichtigsten Einwände, welche gegen die Nägeli'sche 
Lehre erhoben werden können, scheinen mir aber die folgenden 
zu sein. 

Die von Nägel i gemachten Annahmen waren zur Erklärung 
einiger ganz einfachen Verhältnisse berechnet: es handelte sich 
ja nur darum, die Schichtung, die Streifung, die Quellung und 
Doppelbrechung der Zellwände, beziehungsweise der Stärke- 
körner zu erklären; dies ist ja seinerzeit gelungen und es hat 
die Micellarlehre für jene, die bloss auf die genannten Ver- 
hältnisse Rücksicht nehmen, auch heute noch eine gewisse Be- 
rechtigung. Allein es handelt sich gegenwärtig um die Verdeut- 
lichung, wo möglich Erklärung viel wichtigerer und schwierigerer 
Verhältnisse der Zellwand, um jene Vorgänge, die die Zellwand 
zu einem lebenden Organismus stempeln, vor Allem um die 
Organisationsveränderungen und chemischen Umbildungen, 



1 Vgl. beispielweise Fl(nuiniug-, 1. c. p. 11. 



Untcrsuchnugen übi-r d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 25 

welche das Wachsthum bedingen und begleiten, durchaus Yer- 
bältuisse, für deren ungezwungene und naturgemässe Erklärung 
w4r in Nägeli's Annahmen keine Stütze finden. 

Die Micellarhypothese setzt eine gewisse Homogenität der 
Zellhaut voraus, eine Gleichartigkeit des Gefüges, die eben noch mit 
der Schichtung und Streifung verträglich ist. Nim haben aber die 
durch T a n g l's wichtige Entdeckung eingeleiteten Untersuchungen 
über die Continuität des Protoplasmas benachbarter Zellen ge- 
lehrt, dass neben den starren Wandbestandtheilen Protoplasma- 
züge die Haut der Pflanzenzelle durchsetzen. Die Structur der 
Zellwand muss infolge dessen weit inhomogener sein, als mit 
der Micellartheorie vereinbar ist. 

Ich werde in dieser Abhandlung mehrfache thatsächliche 
Belege für die Auffassung, dass in der wachsenden Zellwand stets 
Protoplasma vorhanden sein muss, anführen und werde zeigen 
können, dass nicht nur dieOrganisatiousänderungen in derZellbaut 
unter der Annahme lebenden Protoplasmas inmitten derselben 
verständlicher werden, sondern auch die chemischen Verhältnisse, 
auf welche die Nägeli'sche Theorie keine Rücksicht nimmt 
und die, sofern sie mit der Structur der Zellhaut in Zusammen- 
hange stehen, überhaupt bisher nicht genügend gewürdigt wor- 
den sind. 

Nach beiden hier angedeuteten Richtungen ist mir die 
Tangl'sche Entdeckung über die Communication des Proto- 
plasmas benachbarter Zellen von Wichtigkeit geworden. Man hat 
diese nunmehr im Pflanzenreiche so vielfach bestätigte Entdeckung 
bisher nur unter jenem Gesichtspunkte betrachtet, von welchem 
Tang] selbst sich leiten Hess, und den zu unterschätzen ich 
weit entfernt bin. Man betrachtete den Durchgang des Proto- 
plasmas durch die Wand nur als ein Verhältniss, welches den 
Zusammenhang benachbarter Zellen beeinflusst; dass man unter 
diesem Gesichtspunkte eine viel naturgemässere Vorstellung über 
Reizfortpflanzung und ähnliche physiologische Vorgänge erhielt, 
halte ich für einen hohen Gewinn. 

Ich habe nun Tan gl 's Entdeckung von einem ganz anderen 
Gesichtspunkte aus betrachtet: ich frug mich, was hat die An- 
wesenheit des Protoplasmas in der W^and für die Organisations- 
verhältnisse derselben, ferner für ihren Chemismus zu bedeuten? 



26 Wiesuer, 

Diese Frag-estellung- in Vei-binduug mit einer vorher schon auf 
analytischem Wege gemachten Auffindung', dem Vorhandensein 
kleiner individualisirter Hautkörperchen, auf die ich noch in 
dieser Einleitung zu sprechen kommen werde, waren die Ver- 
anlassung, meine vor langer Zeit begonnenen Untersuchungen 
über die feineren Structurverhältnisse der vegetabilischen Zell- 
wand wieder aufzunehmen. 

Ich muss noch einer wichtigen, die Structur der Zellhäute 
betreffenden Untersuchung Erwähnung thun aus zweierlei Grün- 
den: erstlich weil ich deren Verhältniss zu Brücke und Nägel i 
zu beleuchten für nöthig finde, und zweitens, weil ich mich auf 
dieselbe in dieser Abhandlung mehrfach beziehen werde. 

Ich meine die umfassenden Untersuchungen, welche in 
neuerer Zeit Strasburger ,,tiber den Bau und über das Wachs- 
thum der Zellhäute" ^ veröffentlichte. 

Strasburger steht in einer das Wesen der organischen 
Structur betreffenden Hauptfrage auf dem Standpunkte Nägeli's; 
auch er sucht eine Förderung- unserer Anschauungen über die 
Leistungen des Organismus in der Aufstellungeiner Hypothese über 
die Molecular structur der organisirten Gebilde. Aber seine Vor- 
stellung über den molekularen Bau der Organismen ist eine von 
der Nägel i 'sehen vollkommen verschiedene. 

Nägeli fuhrt den Aufbau der Organismen auf lose, aber 
in bestimmter regelmässiger Anordnung nebeneinander liegende 
Molekülgruppen (Micelle) zurück. Strasburger hingegen nimmt 
eine specifische Verkettung- der Substanzmoleküle — eine 
netzartige Vereinigung — an und spricht sehr bestimmt die 
Meinung aus, dass diese Vereinigung der Moleküle nicht etwa eine 
Eigenthümlichkeit der colloidalen Substanzen, sondern eine 
specifisclie Eigenthümlichkeit der lebenden Gebilde ist. „Organi- 
sirt ist für mich ein CoUoid erst dann, wenn es eine durch die 
specifische Thätigkeit des Organismus bedingte Structur besitzt.-^ 

Durch diese Äusserung setzt sich aber Strasburger in 
bestimmten Gegensatz zu jenen Forschern, welche, wie z. B. 
Pfeffer-^, gar kein Unterschied zwischen „organisirt" und 

1 Jena 1882. 

- Strasbu rgei-, 1. c. p. 218. 

3 Osmot. Unters, p. 151 und Pflanzenphysiologie. p. 13. 



Untersuchuügen über d. Organisation cl. vegetab. Zellhaut. 27 

„quellung'sfähig-" zulassen. Diese Identifieinmg' der org'anisirten 
mit der eolloidaleu Substanz scheint mir der schärfste Ausdruck 
für die Käg-eli'sche Grundauffassung der Organisation zu sein, 
und man wird, indem man von hier aus den Vergleich zwischen 
dieses Forschers und S trasburger's Ansicht unternimmt, wohl 
zugeben, dass letzterer sich mehr der Grundauffassung Brücke's 
als jener Nägel i 's hinneigt. 

Die Untersuchungen Strasburger's haben noch einen 
anderen grossen Vorzug: sie bringen die über die Structur des 
Protoplasmas und Zellkernes erworbenen Kenntnisse mit den Zell- 
wandstudien in Verbindung und versuchen mehrfach die Structur 
der Zellmembran aus jener des Protoplasmas entwicklungs- 
geschichtlich abzuleiten. 

Strasburg er bew^eist, dass das Protoplasma direct die 
Wand erzeugt und nicht etwa bloss ausscheidet, er zeigt, dass 
die erste Anlage der Haut selbst ein Protoplasmagebilde ist. 
Gerade diese bedeutungsvolle Entdeckung, welche mit der be- 
kannten von Pringsh ei m herrührenden Darstellung der Zellhaut- 
entwicklung aus dem Protoplasma mehrfach im Einklänge steht, 
ist für meine Studien über die Organisation der Zellwand von 
Wichtigkeit geworden. 

Auch Strasburger führt die Doppelbrechung der Zell- 
häute und Stärkekörnchen auf Spannungsverhältnisse zurück und 
bestreitet den krystallinischen Charakter der den Micellen ent- 
sprechenden Formtheilchen. 

Die Schichtung der Zellhäute und Stärkekörnehen wird von 
Strasburger auf reines Appositionswachsthum, also auf 
eine successive Substanzanlagerung vom Protoplasma her durch 
Umwandlung von Protoplasmasubstanz (Mikrosomen etc.) in 
Hautbestandtheile zurückgeführt, eine Auffassung, welche nicht 
nur der Micellarhypothese Nägeli's zuwiderläuft, sondern auch 
im Widerspruche mit der von den letztgenannten Forschern 
begründeten Lehre vom Wachsthum der organisirten Gebilde 
durch Intussusception steht. 

Während ich bezüglich des Zustandekommens der Doppel- 
brechung der Zellwand mich mit Strasburger in Überein- 
stimmung finde, gelange ich sowohl, was das Wachsthum der 
Zellhaut als das Zustandekommen der Schichten anlangt, zu 



28 W i e s n e r, 

Resultateu, welche ebensowohl von seiueu als von jenen Käg-eli's 
abweichen. 

Dagegen stimme ich mit Strasburger's Auffassung in 
Bezug auf das Zustandekommen der Streifung Uberein. Gleich 
ihm betrachte ich die Streifen als schraubig angeordnete Fäden. 

Indem ich hier andeute, dass nacli meinen Untersucliung-en 
die Streifen der Hauptsache nach aus kleinen, mikroskopisch 
nachweisbaren Körperchen (Dermatosomen) bestehen, aber auch 
die Schichten aus diesen Hautkörperchen sich zusammensetzen, 
komme ich zu dem Ausgangspunkte meiner Untersuchung, 

Ich legte mir die Frage vor, ob es nicht auf analytischem 
Wege gelingen könnte, die Haut in feinere Elemente zu zerlegen, 
wie es gelungen ist, auf diesem Wege die Gewebe in Zellen zu 
theilen. 

Nach langwierigen Untersuchungen fand ich mehrere 
Methoden, welche die Nachweisung von mikroskopisch erkenn- 
baren individualisirten Hautkörperchen ermöglichten. 

Aber erst durch die Verbindung dieser Thatsache mit den 
früher genannten Entdeckungen Strasburger's und Tangl's 
wurde ich in den Stand gesetzt, eine naturgemässe Vorstellung 
über die Organisation der Zellwand entwickeln zu können. 

Um diese letztere, um die organische Structur und nicht um 
den molekularen Bau der Zellhaut wird es sich in den folgenden 
Blättern handeln. Bezüglich der ersteren tinden sich in den 
umfassenden Untersuchungen Nage li 's die sorgfältigsten Beob- 
achtungen, namentlich über Schichtung und Streifung, auf die 
man wohl immer wird zurückgreifen müssen, wenn es sich um 
das Studium der Zellwandstructur handelt. Auch meine ich, dass 
die tiefe speculative Behandlung, w^elche dieser grosse Forscher 
den organisirten Gebilden in seiner Micellartheorie angedeiheu 
Hess, vieles hervorgebracht hat, was in späterer Zeit, w^enn die 
Frage über den molekularen Bau der Organismen mit Aussicht auf 
Erfolg wird in die Hand genommen werden können, Verwerthung 
finden wird. 



Untersuchung-eu über d. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaut. 29 

Untersuchungen. 

I. Zusammensetzung der vegetabilischen Zellhaut aus mikrosko- 
pisch nachweislichen Elementarkörperchen (Dermatosomen). 

a) Z e r s t ä ii Ij u n g s v e r s u c b e. 

3Ieine ersten Versuche, die Zellwand iu feinere als in die 
bis jetzt bekannten organisirten Bestandtheile zu zerlegen^ knü- 
pfen an eine mit glücklichem Erfolge angewendete Fabrications- 
methode au, welche den Zweck hat, vegetabilische Verunreini- 
gungen aus Thierwolle und daraus erzeugten Webeproducten 
zu entfernen, ohne die animalische Faser anzugreifen. 

Die vegetabilische Faser zerfällt bei dieser gleich näher zu 
beschreibenden Procedur durch leiseste Berührung in eine über 
aus feine Masse. Ich hoffte, durch dieses Verfahren die Zellwand, 
weiter als dies bisher geschehen war, zerlegen zu können. 

Die Methode, von welcher die Rede sein wird, ist in der 
Praxis als „Carbonisirung" (auch „Entklettung-', „epaillage)" 
bekannt. Sie besteht in Folgendem: Die zu „entklettende" Wolle 
wird mit etwa zweiprocentiger Salz- oder .Schwefelsäure (auch 
andere Substanzen werden verwendet) behandelt, die adhärirende 
Flüssigkeit durch Abpressen oder Centrifugiren entfernt und die 
feuchte Masse auf etwa 60 bis 70° C. bis zur völligen Ein- 
trocknung erhitzt. Die Thierfaser bleibt wenigstens anscheinend 
intact; hingegen zerstäubt Alles, was vegetabilischen Ursprungs 
ist, und lässt sich durch Waschen mit Wasser und geringe 
mechanische Bearbeitung beseitigen. 

Ich habe der Carbonisirungsmethode * schon vor Jahren 
meine Aufmerksamkeit zugewandt, vornehmlich um eine merk- 
würdige Eigenschaft der vegetabilischen Gewebe näher kennen 
zu lernen, welche den Botanikern unbekannt geblieben war. Es 



1 Der Ausdruck „Carbonisiruug-' rührt davon her, dass im Fabri- 
cationsbetriebe die Temperatur, bei welcher die Zerstörung der vegetabili- 
schen Faser vorgenommen wird, oft bis zu Graden (65° C. und darüber)« 
steigt, bei welchen die Pflanzentheile ein kohliges Aussehen annehmen 
Ich nehme die sogenannte Carbonisirnng stets bei relativ niederer Tem. 
peratur vor, wobei die zerstäubte Faser in der Färbung keine Änderung 
erfährt. Es bildet beispielsweise eine nach meiner Methode carbonisirte Baum- 
wolle ein schneeweisses Pulver. 



30 W i e s u e r, 

gelang- mir zu zeigen, dass die vegetabilische Faser ihren Zu- 
sammenhang einhüsst, während die animalische keine Ande- 
rimg erfährt oder bei sorgfältiger Durchführung der Methode 
sogar an absoluter Festigkeit gewinnt ^ Um der Auffassung, 
als würde diese Methode den Zweck haben, die Faser zu humi- 
ficiren oder gar in Kohle zu verwandeln, vorzubeugen, will ich 
dieselbe im Nachfolgenden als Zerstäubungsmethode bezeichnen. 

Ich habe schon bei den damals durchgeführten Unter- 
suchungen darauf hingewiesen, dass die verschiedenen vegeta- 
bilischen Gewebe dem Zerstäubungsverfahren gegenüber ein 
verschiedenes Verhalten darbieten. Ich zeigte, dass aus reiner 
(oder nahezu reiner) Cellulose bestehende Gewebe, ferner alle 
verholzten Gewebsbestandtheile, durch die Carbonisirung zerstört 
werden, hingegen die peridermatischen Gewebe (z. B. der Kork) 
hierbei keinerlei sichtliche Veränderung erleidend 

Zur Zerstäubung der Gewebe benütze ich Salzsäure, und 
zwar einprocentige, da eine so schwache Säure zur Durchführung 
des Verfahrens ausreicht. Wie ich finde, kann selbst mit einer 
halbprocentigen Salzsäure carbonisirt werden, nur ist längere 
Einwirkung und wenn man rasch zerstäuben will, eine relativ 
hohe Trocknungstemperatur erforderlich. Hochprocentige Salz- 
säure, z. B. die gewöhnliche Salzsäure der Laboratorien, welche 
15 bis 22 Procent reine HCl enthält, sollte für unsere Zwecke 
nicht angewendet werden, da dieselbe auch andere Wirkungen 
im Gefolge hat. 

Versuche mit Leinenfaser. Wird diese Bastfaser in 
eiuprocentiger Salzsäure durch 24 Stunden liegen gelassen, sodann 
von der adhärireuden Flüssigkeit befreit und hierauf solange 
bei 50 bis G0° C. erwärmt, bis die Substanz völlig trocken 
geworden ist, was bei Anwendung kleiner Fasermengen schon 
nach 30 bis 50 Minuten erreicht ist, so zerstäubt die Faser, 
lässt sich beispielsweise zwischen den Fingern selbst durch leisen 
Druck in ein überaus feines Pulver zerreiben. 



1 Näheres hierüber .siehe Wies n er, über das Verhalten der vegeta- 
bilischen nnd animalischen Faser beim Carbonisiren der Wolle und des 
Tuches, in Dinglev's polytechn. Journal Bd. (187ü), p. 454 ffd. 

'■i I. c. p. 457. 



Untersuohuügen über a. Organiscltion <1. vegetab. Zellhaut. 31 

Trockuet man die Faser in unverändertem Zustande bei 50 
bis 60° C, ja sogar bei 100°, so lässt sie bezüglich ihres Zu- 
sammenhangs keine Veränderung bemerken. Wird sie hingegen 
nach 24 stündigem Liegen in einprocentiger Salzsäure an der 
Luft bei mittlerer Temperatur sich selbst überlassen, so wird sie 
brüchig. Lässt man sie 2 bis 3 Tage in einprocentiger Salzsäure, 
so zerstäubt sie nach der Trocknung wie eine regelrecht carboni- 
sirte vegetabilische Substanz, woraus sich ergibt, dass die 
verdünnte Säure allein den Zerfall der Faser zu bewirken im 
Stande ist, dass aber erhöhte Temperatur den Process be- 
schleunigt. 

Ähnliches gilt bezüglich aller anderen durch unsere Methode 
zum Zerfall zu bringenden vegetabilischen Gewebe. Manche 
erfordern eine höhere als die zum Zerfallen der Leinenfaser 
nöthige Temperatur, um innerhalb der genannten Zeit zu zer- 
stäuben, z. B. die Baumwolle, welche nach 24stündigem Liegen 
in einprocentiger Salzsäure bei 50 bis 60 ° C. nur unvollständig, 
hingegen bei 60 bis 65 ° C. vollständig zerstäubt. 

Durch längere Einwirkung der Salzsäure, Erwärmen bei 
höherer Temperatur, beziehungsweise länger andauerndes Aus- 
trocknenlassen bei gewöhnlicher Temperatur hat man es in 
seiner Gewalt, viele vegetabilische Gewebsarten nach unserem 
Verfahren zur vollständigen Zerstäubung zu bringen. 

Nach meinen bisherigen Erfahrungen lassen sich durch 
Carbonisirimg leicht zerstäuben: verholzte und uuverholzte Paren- 
chyme (HoUundermnrk, Kartoffelparenchym etc.\ Bastzellen, und 
zwar sowohl verholzte (z. B. Jutefaser) als unverholzte oder sehr 
schwach verholzte (z. B. Leinen- und Hanffaser), Holzgewebe 
(Tanne, Fichte, Föhre, Linde etc.), alle Arten von Meristemen und 
jugendlichen Geweben. 

Sehr dickwandige unverholzte Gewebe, wie z. B. das Endo- 
sperm von Phytelephas, können auf die angegebene Weise nicht 
zerstäubt werden. Erst nach monatelanger Einwirkung der Salz- 
säuie gelingt, nachdem die Zellen sich von einander losgelöst, 
haben, oder durch leisen Druck von einander entfernt werden 
können, die Zerfälhmg bei 50 bis 60 ° C. 

Hingegen konnte selbst nach monatelanger Einwirkung von 
einprocentiger Salzsäure auf Pilzgewebe (Fruchtkörper von 



o^ W 1 e s n c r, 

Polijponis f'omenlarinii und andere PolyporKS- Arten, Daedulea 
quercina etc.) und auf Periderm (gewöhnlicher Kork, Periderm 
der Kartoffel, Korkhäiite ausdauernder Spiraea-kxiew etc.) 
durch das Zerstäubungsverfahren kein merklicher Erfolg erzielt 
werden. 

Die zu Staub gewordene Masse besteht aus kleinen Frag- 
menten, welche, sofern sie aus faserförmigeu Elementen hervor- 
gegangen sind, bestimmt orientirte Bruchflächen aufweisen; hin- 
gegen haben die durch den Zerfall von Parenchymzellen ent- 
standenen Bruchstücke eine unregelmässige Begrenzung. 

Die Bruchflächen der untersuchten Bastfasern (Lein-, Hanf-, 
Jutefaser etc.) stehen zur Zellaxe genau oder nahezu senk- 
recht. Die Bruchfläche ist entweder eben oder staffeiförmig 
(häufig bei der Hanfl)astzelle zu sehen) und setzt sich dann theils 
aus zur Zellaxe senkrechten, theils zu dieser parallelen Flächen 
zusammen. Die Fragmente sind oft von zahlreichen, manchmal 
dichtgedrängt liegenden, zur Zellaxe senkrechten Querlinien 
durchzogen. Auch die untersuchten Holzfasern (Tracheideu) 
bieten ein ähnliches Bild dar; doch sieht man nicht selten neben 
quergebrochenen Fasern auch solche, welche stellenweise schief 
gebrochen sind. Hingegen bieten die Bruchflächen der zerstäub- 
ten Baumwollenfasern ein anderes Bild dar. Sehr häufig laufen 
die Bruchflächen schief von der natürlichen Grenzfläche ab 
und schneiden sich dann meist unter nahezu rechten Winkeln. 
Manchmal scheint die Bruchfläche quer zu liegen ; sie hat dann, 
wie genauere mikroskopische Untersuchung lehrt, eine Zickzack- 
gestalt uud die kleinen Bruchflächen sind so wie die früher 
genannten Bruchflächen orientirt. Die wahren Bruchfiächen der. 
carbonisirten Baumwollefaser stehen schief (häufig unter 45°) 
zur Axe. 

Nur selten findet sich eine andere Anordnung der Bruchfläche 
vor, namentlich bei stark verdickter Faser. 

Aus diesen Beobachtungen ist zu ersehen, dass in den unter- 
suchten Bastzellen der Zusammenhang der Theilchen durch das 
Zerstäubungsverfahren fast ausschliesslich in querer Eichtung 
gelöst wurde, in den untersuchten Trachciden vorwiegend in zur 
Zellaxe senkrechten, aber auch in schiefer (derStreifungparalleler) 
Eichtung, hingegen in der Baumwollenfaser fast ausschliesslich 



Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. oo 

in schiefer Richtung-, welche gleichfalls jener der Streifung der 
Zelle entspricht. 

Bei ein- oder zweimaliger Wiederholung des Zerstäuhungs- 
verfahrens an einem und demselben Objecte schreitet der Zerfall 
doch nur in dem angegebenen Sinne fort. Wird dieses A^erfahren 
an einem und demselben Objecte oftmals wiederholt, so treten 
nach und nach auch andere Trennungen ein, ähnlich jenen, welche 
Chlorwasser hervorbringt und die weiter unten eingehend be- 
schrieben sind. Da aber bei wiederholt angewendetem Zer- 
stäub ungsverfahren die Theilungen der Zellmembranen nicht 
in so reiner Form sich vollziehen, wie bei Anwendung von Chlor- 
wasser, so will ich die diesbezüglichen Versuche nicht näher 
beschreiben. 

Anscheinend geht in den dem Zerstäubungsveifahren unter- 
worfenen Geweben keine chemische Veränderung vor sich. Die 
unverholzten Zellwände reagiren gegen Jodpräparate und Kupfer- 
oxydammoniak wie Cellulose, die verholzten geben mit schwefel- 
saurem Anilin, ferner mit Phloroglucin und Salzsäure die be- 
kannten Holzstoffreactionen und nach Beseitigimg der sogenann- 
ten Holzsubstanz die Cellulosereactionen. 

Dennoch ruft das Zerstäubungsverfahren tiefgreifende 
chemische Veränderungen in den Zellmembranen hervor. 

Einige hierauf bezügliche Untersuchungen hat auf meine 
Veranlassung Herr Fridolin Krasser ausgeführt. Ich theile aus 
seinen Aufzeichnungen Folgendes mit. 

Schwedisches Filterpapier, welches sich bei der mikrosko- 
pischen Untersuchung als reine Baumwollenmasse erwies, wurde 
durch mehrere Stunden in destillirtem Wasser gekocht. Es gab 
in der ersten Zeit eine Spur löslicher Substanz ab, später nichts. 
Die so vorbehandelte Masse wurde bei 100° getrocknet, bis kein 
Gewichtsverlust stattfand. Etwa 5 Grm. dieser Substanz wurden 
mit einprocentiger Salzsäure bei 60 bis 65 ° C. der Zerstäubung 
unterworfen. Die zerstäubte Masse war schneeweiss. Sie wnirde 
mit destillirtem Wasser so lange ausgekocht, bis keine Substanz 
mehr in Lösung ging. Sowohl die extrahirte Substanz als die rück- 
ständige Faser wurde getrocknet und gew^ogen. Die Menge der 
extrahirten Substanz betrug 13-- 12 Procent. In derselben Hess sich 
durch die Fehling'sche Probe reducirender Zucker nachweisen. 

Sitzb. rt. mathera.-naturw. Cl. XCIII. Bfi. I. Abth. 3 



34 



W i e s n e r. 



Ein ähnlicher Versuch wurde mit reinem Leinenzwirn ge- 
macht, welcher früher durch Auskochen von allen in Wasser lös- 
lichen Bestandtheilen befreit worden war. Die Carbonisirung 
geschah gleichfalls mit einprocentiger Salzsäure, aber bei einer 
Temperatur von 50 bis 60° C. 8-183 Gramm der zerstäubten 
reinweisseu Masse gaben an destillirtes Wasser 0-803 Substanz 
ab, so dass die Trockensubstanz des Extractes in diesem Falle 
beiläufig 10 Proceut betrug. Auch in diesem Extracte Hess sich 
reducirender Zucker nachweisen. 

h) ZerJegung zerstäubter Gewebe in Dermatosomen. 

1. Baumwoll enfaser. Wird die zerstäubte Baumwolle 
auf den Objectträger in einem Tropfen gewöhnlicher Salzsäure 
eingelegt und mittelst des Deckglases schwach gequetscht, so 
bietet sie ein ähnliches Bild dar wie die sonst unverändert ge- 
bliebene und gequetschte Faser, nur treten die Sprunglinien 
viel reichlicher auf und erscheint die Faser in zu diesen Sprung- 
linien paralleler Richtung gestreift. 

Lässt man die Säure längere Zeit, etwa 15 bis 20 Minuten 
einwirken und verstärkt man den Druck, so zerfällt die Faser in 
zahlreiche parallel gestreifte und reichlich durchklüftete Frag- 
mente, welche vielfach in kurze überaus feine Fäserchen zer- 
theilt erscheinen. Diese letztgenannten Fäserchen sind weiteren 



Fig. 1. 



/ 










£> 




Vci-gr. GOO. Zerstäubte B.axmwoUc. A nach Behandlung mit Salzsäure. 
B nach Behandlung- mit Kalilauge. C gequetscht, a nach Vorbehandlung 
der zerstäubten Baumwolle mit Salzsäure, b mit Kalilauge, b besteht bloss 
aus Dermatosomen und homogener Grundmasse; in a sind die Dermatosomen 
noch vielfach zu Fibrillen vereinigt. D gechlorte Baumwolle, durch leisen 
Druck in Fibrillen zerlegt. 



Untersucliiui.aen über ä. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 35 

mechanischen Ang-riffeu geg-enüber ziemlich resistent, zerfallen 
aher dennoch stellenweise der Länge nach in kleine Körnchen, 
welche in einer homogenen gelatinösen Masse eingebettet liegen. 
Letztere färbt sich auf Zusatz von Chlorzinkjod lebhaft violett, 
während die darinliegenden Körnchen und Fäserchen viel weniger 
deutlich (violett) gefärbt werden. 

Ein anderes Verhalten der carbonisirten Faser gibt sich bei 
Anwendung concentrirter Kalilauge zu erkennen. Wie vielfach 
die Fragmente dieser Fasern auch durch die früher genannten 
Sprnnglinien zerklüftet sein mögen^ es treten nunmehr neue Zer- 
klüftungen auf, welche die Faser quer oder nahezu quer durch- 
setzen. Bei aufmerksamer Beobachtung erkennt man, dass durch 
die Kalilauge innerhalb der Zellmembran andere Bindungen 
der Theilchen gelöst werden, als durch die Zerstäubung 
beziehungsweise durch die Salzsäure, welche, wie wir gesehen 
haben, diejenigen Bindungen — nur viel reichlicher — aufliebt, 
welche durch das Zerstäubungsverfahren aufgelöst worden sind. 
Lässt man die Kalilauge gleichfalls durch 15 bis 20 Minuten 
auf die carbonisirte Baumwolle wirken, und quetscht man nach 
vorherigem Auswaschen mit Wasser, um die weitere Einwirkung 
des Kali auszuschliessen, mittelst des Deckglases, so zerfallt 
die ganze Faser in überaus kleine Körnchen, welche in einer 
homogenen Schleimmasse eingebettet sind. Durch wiederholte 
Druckwirkungen lässt sich eine weitere Theiluug der Körn- 
chen nicht erzielen, vor Allem gelingt es nicht, dieselben in eine 
homogene Schleimmasse zu verwandeln. Körnchen und Schleim- 
masse verhalten sich dem Chlorziukjod gegenüber wie in dem 
früher beschriebenen Falle. 

Die durch den Druck nach vorheriger Behandlung mit 
Reagentien erhaltenen Körnchen bilden gegenüber der schleimigen 
Substanz die Hauptmasse. 

Ich will jetzt gleich bemerken, dass ich diese Körnchen aus 
allen bis jetzt von mir untersuchten Zellmembranen ^ abge- 
schieden habe. Bei stärkster Vergrösserung gesehen erscheinen 
dieselben als rundliche Gebilde, deren nähere Grestaltverhältnisse 



1 Mit Ausnalime jener der untersuchten Pilzgewebe, über welche 
weiter unten nähere Angaben folgen 

3* 



3Ö W i e s n e r, 

derzeit kaum zu ermitteln sein dürften, da dieselben zumeist an 
der Grenze deutlicher mikroskopischer Wahrnehmung- liegen. 
Dieselben bilden nicht ein zufällig- entstandenes Zerfällungs- 
product der Zellmembran etwa vergleichbar dem Säg-emehl 
eines Holzes oder einer durch Zerstossuug erhältlichen staubigen 
Masse, sondern sind org-anisirte Körperehen, welche an dem 
Aufbau der Zellhant wesentlichen Antheil nehmen. Dies näher 
zu begründen, ihre g-eg-enseitige Bindung zu erklären und ihre 
Beziehung zu analogen Bildungen des Protoplasmas darzulegen, 
bildet eine der Hauptaufgaben, welche ich in dieser Abhandlung 
zu lösen versuchen werde. Ich schlage für diese Körperchen den 
Namen D e rm at o s o m e n vor. 

Ich zweifle nicht, dass diese Dermatosomen schon oft 
gesehen worden sind. Denn jene überaus feinen Körnchen, 
welche bei der Fäulniss und bei anderweitigen Zersetzungen aus 
den festen Theilen der Zellen entstehen und welche den 
„Gewebsdetritus" constituiren, sind vornehmlich Dermatosomen 
vielfach untermengt mit Mikroorganismen und Avahrscheinlich noch 
mit anderen kleinen, gleichfalls an der Grenze der mikroskopi- 
schen Wahrnehmung gelegenen, dem Zellinhalte entstammenden 
Theilchen. 

Ich möchte auch nicht bezweifeln, dass diese Dermatosomen 
und kleine Gruppen derselben häufig für Mikrokokken und Bac- 
terien gehalten wurden und dass die in neuerer Zeit wieder auf- 
getauchte Behauptung, aus Gewebezellen höherer Organismen 
könnten Spaltpilze hervorgeiien, auf einer Verwechslung dieser 
mit Dermatosomen und analogen Gebilden des Protoplasma 
beruhen. Ich habe Dermatosonienpräparate, welche entweder 
bloss aus diesen oder aus diesen und stäbchenförmigen Körnchen- 
gruppen bestanden, mehreren in Bacterienfragen wohlbewanderten 
Personen mit der Frage vorgelegt, wofür sie diese Gebilde 
halten und durchwegs die Antwort erhalten, dass dieselben von 
Schizomycetenarten kleinster Art dem Aussehen nach nicht zu 
unterscheiden wären. Ich führe dies nur au, um zu zeigen, wie 
leicht bei einfacher Betrachtung eine Verwechslung der Dermato- 
somen mit Bacterien möglich ist, und brauche wohl nicht hinzu- 
zufügen, wie leicht es durch die vorgeschrittenen Züchtungs- 
methoden geworden ist, sich vor Irrthtimern zu bewahren. 



Unter.suehuuö'eu über d. Ore'auisation d. ve<i-etab. Zellhaut. 



37 



Ich möchte hier noch auf ein Verfahren aufmerksam machen, 
durch welches es noch viel leichter als durch Kalilauge g-elingt, 
die Baumwollenfasern in Dermatosomen zu zerlegen. Wird die 
carbonisirte Baumwolle wochenlang der Einwirkung von Chlor- 
wasser ausgesetzt und hierauf unter Mikroskop betrachtet, so 
bietet sie kein anderes Bild dar als eine fast unverändert geblie- 
bene Faser. Aber schon durch leisen Druck zeifällt sie in ge- 
streift aussehende Bruchstücke , welche selbst bei schwacher 
Quetschung mittelst des Deckgläschens in Fibrillen und schliess- 
lich in Dermatosomen zerfallen (Fig. 1, D). 

2. Leinenfaser. Weniger leicht erfolgt die Zerlegung der 
'zerstäubten Leinenfaser in Dermatosomen. Die Fragmente dieser 
so vorbehandelten Fasern erscheinen quer abgebrochen, sind 
reichlich von Querlinieu und querverlaufenden Spalten durchsetzt, 
der Länge nach infolge partieller Loslösung der sogenannten 
Yerdickungsschichten gestreift und hin und wieder von sehr steil 
ansteigenden Klüften durchzogen. Im Wasser quillt diese Faser 
sehr wenig, durch Druck stellt sich eine reichliche Zerklüftung 
und Zerfaserung der mittleren Partien der Zellwand ein, 
während die äusseren Partien unverändert bleiben, gewissermassen 
eine homogene Hüllschichte bildend, desgleichen die innerste 

Fiff. 2. 



B 



a 





1 


1 


1 






m. 


ü 




Vergröss. GOO. Leinenfaser, ^zerstäubt und gequetscht: B zerstäubt und 

mit Kali behandelt, a Dichte Ausseuschichte. i Innenhaut. 1 bis 4 Eichtuu- 

gen der Sprungliuien. 



ijb W i e s 11 e r, 

Zellwaudscliichte (luuenhaut). Die zerklüftete I^avtie lässt vier 
8chiclitimg.srichtnngeu erkeimcu: eine parallel zur Axe, die zweite 
senkrecht liiezu, die dritte und vierte nach steil ansteigenden, sich 
kreuzenden Schraubenlinien. 

In der Regel sieht man au den einzelnen Fragmenten nur 
zweierlei Streifen: entweder Längs- und Querstreifen oder sich 
kreuzende schiefe Streifen. 

In gewöhnlicher Salzsäure quillt die Faser auf, die Längs- 
streifen treten deutlicher hervor, desgleichen die schrauhig ver- 
laufenden Spalten. An den Stellen, wo die queren Spaltflächen 
liegen, quillt die umliegende Wandpartie auf und erhält ein knoti- 
ges Aussehen, wie es manchmal auch an der rohen, deutlicher 
noch au stark gedreht gewesenen Leinenfasern zu selien ist. Auch 
eine zarte, sehr steil verlaufende schrauhige Streifung wird 
erkennbar. 

Stärker quillt die carbonisirte Leinenfaser in Kalilauge auf, 
die äussersten Wandpartien reissen, sich nach aussen concav 
krümmend, von der Querbruchfläche aus auf. Die Innenhaut hebt 
sich von der Umgebung ab und erscheint als ein hin- und herge- 
wundener Schlauch. (Fig. 2Bi)^ 

Quetscht mau das Salzsäurepräparat, so gelingt der Zerfall 
in Fibrillen und in Dermatosomen. Auch entsteht eine homogene 
Masse, in welcher die Fibrillen und Körnchen liegen und die sich 
durch Chlorzinkjod stärker als die beiden letzteren violett färbt. 
Doch bleiben noch immer einzelne Faserfragmente ungelöst 
zurück, welche den äusseren Wandpartien entsprechen. 

Nur sehr unvollkommen lässt sich das Kalipräparat durch 
Quetschung in Dermatosomen zerlegen. 

Die reinsten Präparate gewinnt man, wenn man abwechselnd, 
mit Salzsäure und Kali behandelt, jedesmal sorgtaltig auswäscht 
und schliesslich erst die Quetschung vornimmt oder wenn man 
2- bis 3mal carbonisirt und dann mit Kali behandelt. 



1 Die scheinbare Verlängeruug der Inneiihaut iaruitteu der ge- 
quollenen Bastfaser (Fig. 2 Bj^t) lehrt, dass diese an der bei der Quellung 
der Faser sich einstellenden, von Höhnel zuerst genauer beschriebenen 
und erklärten Verkürzung der Schichten nicht Antheil nimmt oder doch 
nicht in dem Masse, wie die benachbarten Schichten. (Vergl. Höhne 1., bot 
Zeit. 188-2 p. 5it5 ff.) 



Untersuchuug-eu über d. Organisation d. vegetab. Zollliaut. 



39 



3. Jutefaser. Auch verholzte l)astfaserii lassen sich durch 
Zerstäubung- und hierauf folgende Behandlung mit Salzsäure und 
Kalilauge durch Druck in Dermatosomeu und homogenen Schleim 
zerlegen, wie die mit Jute angestellten Versuche lehren. 

Am besten ist es auch in diesem Falle, zuerst Salzsäure und 
nach erfolgtem Auswaschen mittelst Wasser Kali einwirken zu 
lassen. 

Eine sehr bemerkenswerthe Besonderheit zeigt sich nach 
Einwirkung von Kalilauge und hierauf folgender Quetschung. Die 
bedeutend aufquellende, schon infolge der Carbonisirung stark der 
Quere nach zerklüftete Faser zerfällt in Querscheiben, wie sich 
solche durch Querschnitte nicht vollkommener herstellen lassen. 

I Fig. 3C. ) Die äusserste Schichte dieser 
Querscheiben erscheint grobgekörnt. 
Schon die Grösse dieser Körnchen 
macht es unwahrscheinlich, dass sie 
Dermatosomen seien. Dieselben sind 
zweifellos grössere Gruppen von Der- 
matosomeu, denn sie zeifallen nach 
weiterer Einwirkung von Eeagentien 
und Druck thatsächlich in Körnchen, 
welche mit den übrigen Dermato- 
somen in Grösse, Form und Aussehen 
übereinstimmen. Die inneren Partien 
dieser Scheiben sind sehr deutlich 
geschichtet. Dieser merkwürdige Zer- 
fall der Jutefaser nach der Quetschung 
in zarte Querplatten macht es wahr- 

^ -r r . T- scheinlich, dass die Dermatosomen 

Zerstaubte Jutefaser. ^ \ ergr. ' r^ • ^ 

200, mit zahlreichen Querlinien, «dieser Bastzellen m der Querrichtung 

B und C. Vergr. 600. Nach bedeutend stärker als in der Längs- 

Behandhiug mit Kali. C Durch richtung gebunden sind, eine Eigen- 

Quetschung- entstandene Quer- thümlichkeit, welche, wenn auch 

Scheiben, l Lumen der Zellen. • i , • i irr • „ 

,, ^.. , ,^. nicht m so ausgesprochener Weise 

Ä Kornchen (C-rrnppen von o i 

Dermatosomen), in welche die allen untersuchten Basttasern zu- 
Mittellamellen zerfielen. kömmt. 




40 W i e s u e r, 

4. HoUuudcrniark lässt sich durch dasselbe Verfahren 
wie die Jute in Dermatosomen und homogen erscheinenden 
Schleim zerleg-en. Doch darf die "Wirkung- der Kalilauge nicht 
zu lange andauern, da die ersteren bald stark quellen und sich 
lösen. Ich habe die besten Resultate erzielt, wenn ich das zer- 
stäubte Gewel)e zuerst durch einige (3 bis 5) Minute'ü mit Kali- 
lauge behandelte, sodann mit Wasser auswusch, Salzsäure ein- 
wirken Hess und nunmehr erst drückte. 

5. Holz. Die Zerlegung der Tracheiden in Dermatosomen 
erfordert noch mehr Sorgfalt als die der früher genannten Gewebs- 
bestandtheile und gelingt nicht oder nur sehr unvollständig, wenn 
die Einwirkung der hiezu erforderlichen Reagentieu (Kalilauge 
und Salzsäure) zu kurz oder zu lang anwährte, indem im ersteren 
Falle dieAufhebungderdie Dermatosomen vereinigenden Bindung 
zu unvollständig ist, im letzteren Falle die Dermatosomen selbst 
angegriffen und schliesslich gelöst w^erden. 

Nach vielen mit Fichtenholz angestellten Versuciieu zu 
schliessen, gelangt man noch am besten an's Ziel, wenn man das 
Holz 2 bis 3 Mal carbonisirt und hierauf etwa 3 bis 4 Mal hinterein- 
ander mit Kali (durch 1 Minute) und mit Salzsäure (durch 2 bis 3 
Minuten) behandelt, l)evor es der Druckwirkung ausgesetzt wird. 
Nach jeder Einwirkung des Reagens muss mit Wasser ausge- 
waschen werden. 

Ich möchte an dieser Stelle noch bemerken, dass die Zerle- 
gung der Zell wand in Dermatosomen bei Anwendung homogener 
Gewebe, z. B. Hollundermark, oder gleichartiger Zellen, z. B. 
Baumwolle, Bastfasern, besser gelingt, als wenn Gewebe vorliegen, 
welche aus verschiedenen Elementen bestehen, wie z. B. Holz. 
Bei diesem kann es leicht geschehen, dass die Tracheiden schon 
in Dermatosomen zerfallen, während Markstrahlen und Holz- 
parenchym durch die vorgenommenen Proceduren noch nicht so 
weit angegriffen sind, um sich in die genannten Elemente zerlegen 
zu lassen. Geht aber die Wirkung der Reagentieu weiter, so 
werden die Dermatosomen gelöst. Dies ist der Hauptgrund, wess- 
halb derartige Gewebe nur selten so klare Dermatosomenpräparate 
liefern als gleichartiiie Zellen. 



Uütersiichimgen über d. OrgauisHtiun d. vegetab. Zellhaut. 41 

c) Zerleg-nug- der Zellwände in Dermatosomen ohne 
Anwendung" der Zerstäubung-. 

Ich habe diese eben mitgetheilten Versiichsergebuisse in 
den Vordergrund gestellt^ weil in denselben die zwischen den 
Dermatosomen befindlichen Bindungen der Reihe nach durch ver- 
schiedene Proceduren aufgehoben werden. 

Es gelingt aber in den meisten Fällen, selbst in jenen, in 
welchen sich die Zerstäubungsmethode ganz unwirksam erweist, 
eine Zerlegung der Wand in Dermatosomen durch ein und das- 
selbe Reagens zuwegezubringen. 

Solclie Reagentien sind Chromsäure ' und Chlorwasser. 
Beide lösen schliesslich jede vegetabilische Zellwand bis auf 
gewisse Mineralbestandtheile (Kieselsäure etc.) vollständig auf, 
die erstere nach kürzerer, das letztere nach längerer Zeit. Es ist 
aber auch lange bekannt, dass diese beiden Reagentien die 
Bestandtheile der vegetabilischen Zellwand in verschiedenem 
Grade angreifen und einen nach den anderen in gelöste Prodiicte 
überführen. Darauf beruht ja unter Anderem der Zerfall der 
Gewebe in Zellen, ferner die Reindarstellung der Cellulose aus 
Geweben durch diese Reagentien , indem dieser Stoff der 
üxydirenden Wirkung der Chromsäure und des Chlors mehr 
Widerstand leistet als die übrigen Zellhautbestandtheile. 



1 Ich wende die Chromsäure seit lauger Zeit au uud habe über die- 
selbe als mikrochemisches Reagens zuerst im Jahre 1864 (Unters, über die 
Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre. Sitzb. der kais. Ak. der Wiss., 
Bd. 49) berichtet. Es ist aber nicht chemischreiue, sondern mit Schwefel- 
säure (oder einer anderen I\lineralsäure, welche mit Chromoxyd lösliche 
Salze bildet) versetzte Chromsäure, welche (behufs Hervorrufung von 
Schichtung der Zellmembranen und Stärkekörnchen, Isolirung der Zellen 
eines Gewebes etc.) so treffliche Dienste leistet (Vergl. hierüber Wiesner, 
techn. Mikroskojoie, 1S<37, pag. 38), also dasselbe Reagens, welches jüngst- 
hin Leitgeb (Bau und Entwicklung der Sporenhäute, Graz, 1881) als 
„Chromschwefelsäure" mit so gutem Erfolge angewendet hat. Am 
zuletzt ang3zeigten Orte sagte ich bezüglich der Darstellung dieses Reagens: 
,.Reine Chromsäure bringt die zu erzielenden Veränderungen nicht hervor, 
wohl aber ein Gemisch von Chromsäure und Schwefelsäure, das man am 
einfachsten durch Mischen von doppeltchromsaurem Kali mit überschüssig 
zugesetzter Schwefelsäure erhält." Genaueres über die Methode der Dar- 
stellung a. a. 0. 



42 W i e s u e r , 

Gerade dieser Umstand veranlasste mich, diese beiden 
Reag'entien zu dem genannten Zwecke anzuwenden. 

Die Cliromsäure ist im Ganzen wegen ihrer raschen und 
intensiven Wirkung zu den Zerlegungsversuchen weniger 
geeignet als das Chlorwasser, dennoch insoferne wieder brauch- 
bar, weil sie eine Reihe von Erscheinimgeu, welche auf Auf- 
hebung der in der Zell wand vorhandenen Bindungen der Derma- 
tosomen beruhen, rasch und übersichtlich vor Augen führt. 

Anfangs wirkt die Chromsäure so wie die Zerstäubung, was 
besonders an Bastzellen und Tracheiden sehr schön zu sehen ist. 
Dass diese Zellen durch das Zerstäubungsverfahren der Quere 
nach zerklüftet werden, was sich häufig zunächst in einer überaus 
reichlich auftretenden Querstreifung zu erkennen gibt, ist früher 
auseinandergesetzt worden. Eine gleiche Veränderung ruft auch 
die Chromsäure hervor. Es wird wohl auch Jedem, welcher durch 
Chroiusäure Bastbündel oder Holz in die Elemente zerlegt hat, 
aufgefallen sein, wie leicht die aus dem Verbände tretenden 
Fasern der Quere nach brechen, gewissermassen von selbst. 
Die spätere Wirkung der Chromsäure entspricht der oben 
charakterisirten Wirkung der Salzsäure und des Kali. Es spricht 
sich dies bei Bastzellen und Tracheiden in einer schraubigen 
Streifung und später schraubigen Zerklüftung der Wand aus. In 
diesem Zustande lässt sich die Faser durch Druck in Dermato- 
someu zerlegen, einige Minuten später zerfliesst aber dieselbe. 

Das Chlor w a SS er muss wochenlang einwirken, um eine 
Zerlegung der Zellen durch Druck in Dermatosomen möglich 
zu machen. Aber noch bevor die Wirkung des Chlorwassers so 
weit fortgeschritten ist, kann man durch Kalilauge und Druck 
die Zellhaut in Dermatosomen zerlegen. 

Das Chlorwasser wirkt also successive in derselben Weise 
auf die Zellwand ein, wie hintereinander Zerstäubung, Salzsäure 
und Kali, ja, wie wir gleich sehen werden, es lassen sich selbst 
aus den Zellwänden mancher Gewebe, welchen gegenüber die 
Zerstäubungsmethode wirkungslos ist, durch Chlorwasser die 
genannten Hautkörperchen isoliren. 

Ist diese Chlorungsmethode auch langwierig, so gibt es 
doch bei genauer Beobachtung der in den Zellwänden vor sich 
gehenden Veränderungen kein Verfahren, welches, soweit meine 



Uutersiicliung-eu über cl. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaut. 43 

bisherigen Erfahrimgen reichen, die Zusammensetzung: der Zell- 
haut aus Dermatüsomen deutlicher machen würde als dieses. 

Aus meinen zahlreichen diesbezüglichen Beobachtungen 
wähle ich hier nur die instructivsten heraus, zunächst diejenigen, 
welche sich auf Zellwände beziehen, die durch das Zerstäubungs- 
verfahren auf den Zerfall in Dermatosomen vorbereitet werden 
können, bemerke aber, dass die betreffenden Zellen oder Gewebe 
ohne vorhergehende Zerstäubung der Wirkung des Chlors unter- 
worfen wurden. 

Hauffaser wurde in nahezu gesättigtes Chlorwasser ein- 
gelegt und von Zeit zu Zeit, wenn die Intensität des Geruches 
der Flüssigkeit stark abgenommen hatte, mit frischem Reagens 
behandelt. Nach einigen Tagen waren die Bastzellen isolirt, der 
Quere nach reichlich gestreift, desgleichen der Länge nach, aber 
nicht so reichlich. Später zeigte sich die Zell wand in den 
äussersten Schichten vollkommen erhalten, im Innern erschien 
die lunenhaut scharf abgegrenzt, und zwischen diesen beiden 
dicht und gänzlich homogen erscheinenden Membranschichten 
zeigte sich eine gleichartige, flüssige oder gelatinöse, von einem 
zarten Netzwerke durchzogene Masse. Bei weiterer Einwirkung 
des Reagens verschwand das Netzwerk. Behandelt man nun- 
mehr mit Clilorziukjodlösung , so wird die Zwischenmasse 
intensiv, die dichte Hülle und die Inneuhaut nur schwach violett 
gefärbt. Später löst sich die erstere auf, desgleichen die Zwischen- 
masse, und man findet von den Bastzellen nichts anderes als die 
Innenhänte, welche anfänglich durch Chlorzinkjodlösung noch 
violett werden, dann ein feinkörniges Gefüge annehmen, in diesem 
Zustande aber durch Chlorzinkjod nicht mehr violett zu färben 
sind und schliesslich im Chlorwasser sich auflösen. 

Solange noch feste Theile in der Zellhaut erkennbar sind, 
lassen sich dieselben durchDruck in Dermatosomen zerlegen, auch 
das früher genannte feine Netzwerk. Man muss aber darauf 
achten, dass das Chlorwasser nicht zu lange einwirkt, weil sonst 
die ausserordentlich zart gewordenen Membranschichten durch 
Druck nur mehr eine homogene Masse liefern, in welcher nur 
noch die Dermatosomen der äussersten und innersten Zellwand- 
schichte zu sehen sind, die der übrigen Zellhauttheile aber so 
weit aufquollen und wahrscheinlich auch chemisch verändert 



44 Wie SU er, 

wurden, das.s sie durch Druck zu einer homogenen oder nur sehr 
undeutlichen körnigen Masse werden. 

Die relativ leichte Zerstörung- der mittleren Ver- 
dickungsschichten durch das Chlor lässt annehmen, 
dass die äussersten und innersten Zellwandschichten 
dichter als die mittleren gefügt sind, mit anderen 
Worten, dass dort die Dermatosomen dichter neben einander- 
stehen als hier. Das Netzgerüst, welches an Stelle der mittleren 
Verdickungsschichten erscheint, deutet wohl auf eine netzförmig 
fibrilläre Structur innerhalb der Wand und auf einen verschie- 
den dichten Bau der (mittleren) Verdickungsniasse, in dem Sinne, 
dass die dem Netzwerke entsprechenden Zellhautparfien eine 
dichtere Fügung besitzen als die benachbarten Hautantheile. 

Die Leinenfaser bietet im Ganzen die gleichen Verhält- 
nisse dar. Die Jutefaser lässt wegen der ungleichmässigen 
Verdickung der Zellwaud die Innenhaut besonders deutlieh 
hervortreten. Ein Netzwerk konnte an den Jutebastzellen, wahr- 
scheinlich infolge ausserordentlicher Zartheit der Theile, nicht 
beobachtet werden. Ich möchte nur noch bezüglich dieser Zellen 
bemerken, dass sie bei anfänglicher Wirkung des Reagens eine 
reichliche Querstreifung zu erkennen geben. 

Fichtenholz wird in Chlorwasser schon nach einigen 
Minuten bräunlich, nach 24 Stunden tiefbraun; nach 3 — K) Tagen 
entfärbt es sich wieder, so dass es sich ähnlich verhält, wie an 
der Atmosphäre, wo es von Zeit zu Zeit durchnässt und der fort- 
währenden Wirkung des Sauerstoffes ausgesetzt, auch dunkel- 
braun wird und sich wieder entfärbt, um schliesslich gebleicht 
zu werden (Erscheinung der „Vergrauung*'). Wäscht man die 
durch das Chlor entfärbten Gewebestüeke aus, so findet man, 
dass die Zellwände die Holzstoifreaction nicht mehr zu erkennen 
geben, aber noch im gegenseitigen Verbände stehen. Auf Zusatz 
von Kalilauge zerfällt unter starker Braunfärbung der Flüssigkeit 
das Gewebe in Zellen. 

Lässt man das Chlorwasser wochenlange einwirken, so 
gehen die Zellen aus dem Verbände und es bleiben schliesslich 
nur die Innenhäute der Zellen zurück, welche dem Chlor einen 



1 Wies n er, Zerstöriiug der Hölzer au der Atmosphäre, I. c. p. ,5 ff. 



Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 45 

grossen Widerstand entgegensetzen, aber schliesslich doch der 
AVirkung des Eeageiis verfallen. Auf das Verhalten der Innenhaut 
der Holzmarkstrahlen Zellen komme ich weiter unten noch zurück. 

Zur Zeit der Isolirung der Tracheiden brechen diese der 
Quere nach sehr leicht, zeigen eine deutliche schraubige Streifung, 
durch Druck zerfallen sie in Dermatosomen und homogene 
Grundmasse. 

fTäufig beobachtete ich an Tracheiden, welche lange Zeit 
der Einwirkung des Chlorwassers ausgesetzt waren, dass — 
ähnlich wie bei den Bastzellen des Hanfes und des Flachses — 
die äusserste und innerste Schichte noch im Zusammenhange 
blieben, dazwischen eine weiche Masse sichtbar wurde, welche 
von einem zarten Fibrillennetze durchzogen war. 

Hollundermark wird durch Chlorwasser gleichfalls 
gebräunt, später entfärbt, auf Zusatz von Kalilauge gebräunt, 
wobei die braune Substanz in Lösung geht und in ähnlicher 
Weise scheinen sich alle verholzten Gewebe zu verhalten. 

Nach der Entfärbung bildet das Gewebe noch ein zusammen- 
hängendes Ganze, zeigt aber nicht mehr dieHolzstoffreaction. Auf 
Kalizusatz gehen alle Zellen augenblicklich aus dem 
Verbände. 

Die Isolirung der Zellen erfolgt aber auch durch Chlorwasser 
allein, wozu meist eine mehrere Wochen andauernde Einwirkung 
erforderlich ist. Aber selbst in diesem Zustande bestehen die 
Zellwände noch nicht aus reiner Cellulose, indem sie durch Kali 
goldgelb gefärbt werden. 

Isolirt zerfallen sie durch Druck in überaus feine Körnehen, 
Gelingt die Zerlegung der Wand in Körnchen noch nicht, so 
muss Kali zugesetzt und der Druck wiederholt werden, oder aber 
mau muss das Chlorwasser noch weiter einwirken lassen. 

Korkgewebe. (Versuche mit gewöhnlichem Flaschenkork.) 
Es ist schon erwähnt worden, dass das Zerstäubungs verfahren 
diesem Gewebe gegenüber sich wirkungslos erweist. Selbst nach 
einjähriger Einwirkung oftmals erneuerter einprocentiger Salz- 
säure bleiben die Peridermzellen im dichtesten Verbände und ist 
die Carbonisirung wirkungslos. 

Legt man Korkgewebe in Chlorwasser ein, so sieht man, 
dass alsbald die Sklerenchymelemente entfärbt werden und als- 



46 Wiesuor, 

bald aus dem Zusammenbang-e treten. Viel später — uaeb zwei 
bis drei Wocben — zeigen die Peridermzellen eine belle Färbung, 
werden weiss, bangen aber nocb innig zusammen. Auf Zusatz 
von Kalilauge tritt aucb bier. wie bei Hollundermark und 
Holzgewebe ein augenblicklicher Zerfall des Gewebes 
in seine zelligen Elemente ein. 

Nach monatelanger Einwirkung von Cblorwasser isolivt 
dieses scbliesslicb alle Elemente. In dieser Zeit ist von den 
Sklerencbymzellen (Steinzellen) nicbts als die Innenbaut übrig 
geblieben, in Form eines zierlicben festausgespannten Sackes, 
der mit feinen stacbelförmigen Aussackungen besetzt ist. 

Die isolirten Korkzellen können äbnlich den Hollundermark- 
zellen diircb Druck in Dermatosomen zerlegt werden, entweder 
sofort, wenn nämlicb die Wirkung des Chlors genügend fort- 
geschritten ist, oder unter Mitwirkung von Kalilauge, in jedem 
Falle aber nach vorausgegangenem Drucke. 

Pilzgewebe. Dass auch die Membranen der Pilzbyphen 
dem Zerstäubungsverfahren Widerstand leisten, ist bereits 
erwähnt worden. Ein Gleiches gilt für die Flecbtenbyphen, also 
für den Pilzantheil des Flechtenthallus, nach Beobachtungen, 
welche Herr Dr. Forseil im pflanzenphysiologischen Institute 
anstellte. 

Der Einwirkung des Chlors, als Chlorwasser angewendet, 
leisten die Pilzbyphen einen Widerstand, der nach meinen 
Erfahrungen unter den Pflanzengeweben nicht seinesgleichen 
bat. Nach monatelauger Behandlung mit Chlorwasser wird das 
Hyphengewebe des Frnchtkörpers von Polyporns fomentarms nur 
wenig angegriffen, wenn das Gewebe des Bastes (von Flachs, 
Hanf etc.) des Holzes (Fichte etc.), wenn Parenchym- und 
Sklerenchymgewebe der verschiedensten Art durch das Reagens 
vollkommen gelöst worden sind. Von dem genannten Gewebe 
findet sich nach monatelanger Einwirkung des Cblorwassers eine 
voluminöse Schleinimasse vor, welche aus massig gequollenen, 
sonst aber wenig verändert erscheinenden Hyphen zusammen- 
gesetzt ist, in welchen die Innenhäute mit ausserordentlicher 
Schärfe hervortreten. ' Die über der Schleimmasse stehende trübe 



1 Bekuuntlich ist die Verdickung der Hyphen des Pohiporus fomen- 
tariiis eine so starke, dass das Lumen der unveränderten Zellen stellen- 



Untersuchuiigeu ülier d. Organisation d. ve.i^etab. Zellhaiit. 47 

Flüssigkeit enthält aber Reste des Pilzgewebes: feine Körnchen 
lind mehr minder lange Stücke der Innenhaut. Mau wäre geneigt, 
die ersteren fürDermatosomenzu halten, sie sind aberZerfällungs- 
producte der Inneuhaut, wie ich später noch genauer darlegen 
werde. 

Die Pilzzellwand lässt direct die Cellulosereactionen gegen 
Jodpräparate und Kapferoxydammoniak nicht erkennen uud mau 
glaubte lauge, dass iu der Pilzzellwand diese Reactionen gar 
nicht hervorzurufen sind, woraus mau auf die Gegenwart einer 
besonderen Modification der Cellulose (Pilzcellulose) schloss. Es 
ist aber in meinem Labor.itorium von Karl Richter gezeigt 
worden, dass durch länger andauernde Behandlung mit Kali- 
lösung sich Substanzen aus den Pilzzellwänden extrahiren lassen, 
welche die Cellulosereactiouen verhindern, indem nach dieser 
Vorbehandlung die Pilzzellwand ebenso durch Chlorziukjod 
violett gefärbt uud durch Kupferoxydammouiak in Lösung über- 
geführt wird, wie etwa eine Holzzellwand, nachdem man durch 
passende Reagentien das Lignin beseitigt hat. 

Lässt man das Pilzgewebe durch 2 — 3 Wochen im Clilor- 
wasser liegen, so werden die Hyphen durch Chlorziukjod violett, 
durch Kali, ähnlich wie viele andere gechlorte Gewebe (Hollunder- 
mark, Holz, Kork) gebräunt. In diesem Stadium der Einwirkung 
des Chlors auf die Pilzzellwand nimmt dieselbe auf Zusatz von 
Salzsäure oder Chromsäure deutliche, oft überaus scharf hervor- 
tretende Schiclitung an. Eine Zerlegung in Dermatosomen ist 
weder durch Salzsäure, noch durch Kali, auch nicht durch 
abwechselnde Einwirkung beider dieser Reagentien hervor- 
zubringen. 

Lässt man das Chlorwasser noch länger einwirken, so ver- 
liert die Hyphe nach und nach das Vermögen, durch Ciilorzinkjod 
violett gefärbt zu werden. Salzsäure ruft dann noch undeutliche 
Schichtung, sonst aber keine sichtliche Veränderung hervor. 
Hingegen werden die Hypheu in diesem Stadium der 



weise nicht zu erkennen ist und die Zelle an diesen Orten solid erscheint. 
(Vgl. de Bary, Morphologie undBiologie derPilze, Leipzig 1884, pag. 13.) 
Nach der Behandlung mit Clilorwasser sieht man aber die Innenhaut als 
ununterbrochenen Schlauch durch die Zelle ziehen, woraus sich also ergibt, 
dass die Hyphen an keiner Stelle factisch solid sind. 



48 W i e s n e r , 

Einwirkuni;' des ('hlorwassers durch Kalilauge bis auf 
die Innenhau i fast aug-enblicklich aufgelöst, diese zer- 
fällt in zahllose Qnerstücke, welche den Eindruck von Der- 
matosomen machen. In gleicher Weise wirkt (englische) Schwefel- 
säure. Die gechlorten Fasern lassen aber auch auf dieser Stufe 
weder direct, noch nach Einwirkung der verschiedensten Reagen- 
tien und darauffolgendem Drucke Dermatosomen erkennen, sondern 
die ganze Masse verwandelt sich, von der Innenhaut abgesehen, in 
einen homogen erscheinenden Schleim. Nachdem die Pilzzellwand, 
analog den Zellhäuten der anderen Pflanzengewebe gebaut anzu- 
nehmen ist, diese aber, soweit meine Erfahrungen reichen, sich 
stets in Dermatosomen zerlegen lassen, die freilich oft an der 
Grenze der mikroskopischen Wahrnehmung liegen, so erscheint 
die Vermuthung berechtigt, dass auch die Pilzzellwand aus 
Dermatosomen bestehe, welche sich aber ihrer Kleinheit wegen 
der directen Beobachtung entziehen. 

Die früher genannten Querstücke, in welche die Innenhäute 
der Hyphen zerfallen, sind trotz ihrer Kleinheit nicht als Derma- 
tosomen aufzufassen, haben die Gestalt von kurzen Hohlcylindern 
und möchten wohl als Gruppen von Dermatosomen aufzufassen 
sein, welche untereinander fester gebunden sind als mit Nach- 
bargruppen und die sich desshalb von einander loslösten. 

Analoge mit den Hyphen des Frnchtkörpers von Daedalea 
quercina augestellte Versuche gaben im Wesentlichen die- 
selben Resultate; auch hier konnten Dermatosomen nicht nach- 
gewiesen werden. 

Es liessen sich also, abgesehen von den Pilzgeweben, die 
Wände alier übrigen untersuchten Gewebe in Dermatosomen zer- 
legen. Dieselben treten aber nur dann in Erscheinung, wenn sie 
aus dem gegenseitigen Verbände gelöst sind. Die Loslösung 
geschah erstlich durch chemische Eingriffe, sodann durch 
mechanische Trennung. Dass selbst die gechlorten Zellwände, in 
welchen die Aufhebung der Bindungen sehr langsam erfolgt, 
einem — wenngleich nur schwachen — Drucke unterworfen 
werden müssen, damit die Dermatosomen frei werden, hat 
wohl seinen Grund darin, dass die Substanz , welche diese 
Hautkörperchen bindet, schliesslich in den LiJslichkeitsverhält- 
nissen mit derDermatosomsubstanz selbst übereinstimmt und dann 



Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 49 

wohl nichts Anderes als gereinig-te Cellulose ist. Wirken Chlor- 
wasser oder Chromsäiire, oder nach vorhergeg-angener Zerstäu- 
bung, Salzsäure und Kali weiter ein, so werden die Bindesub- 
stanzen aufgelöst und gleichzeitig die Dermatosomen selbst an- 
gegriffen. 

II. Aussenhaut (Mittellamelle) und Innenhaut der Zellwand. 

Die älteren Anatomen unterschieden als Bestandtheile der 
Zell wand ausser den sogenannten Verdickungsschichten (secun- 
dären Schichten) noch eine äussere und eine innere homogene Zell- 
schichte, die primäre und die tertiäre Zellhaut. Unter letzterer 
verstand man wohl auch Verdickungsschichten, welche in der 
Ausbildungsweise mit den secundären Schichten nicht überein- 
stimmten. Die homogen erscheinende innerste Zellwandschichte, 
und nur um diese handelt es sich hier, ist zuerst genauer von 
Schach t* untersucht und als „Innenhäutclien'' bezeichnet worden. 

Die primäre Zellwand wurde später unter verschiedeneu 
Titeln, am häufigsten als Mittellamelle, beschrieben und ist so 
ziemlich allgemein als ein nie fehlender Bestandtheil von im 
Gewebeverbande befindlichen Pflanzenzellen aufgefasst worden, 
während das Innenhäutchen fast der Vergessenheit anheimfiel, 
hauptsächlich wohl deshalb, weil es früher als wesentliche Stütze 
der Appositionstheorie herangezogen wurde. 

Ich habe vor mehr als zwei Decennien eine einfache 
Methode zur Freilegung der Inuenhaut angegeben und seither 
deren Existenz stets betont^, was später auch durch in meinem 
Laboratorium ausgeführte Arbeiten geschehen ist, so durch 
Mikosch, und besonders durch Pfurtscheller ^ , welcher 
auf meine Anregung diesen Zellwandbestandtheil genauer 
studirte und die Methode zur Isoliruug desselben wesentlich ver- 
vollkommnete. 



1 Schacht, Lehrbuch der Anatomie und Physiologie der Gewächse, I. 
pag. 30, ff. 

- Vergl. hauptsächlich meine „technische Mikroskopie", pag. 53 (da- 
selbst eine Abbildung einer durch Chromsäure Ireigelegten Innenhaut), 
ferner pag. 108, 110 etc. Sodann: Wiesner, Elemente der Anatomie und 
Physiologie der Pflanzen. 

3 Über die Innenhaut d. Pflanzenzelle. Gymnasialprogramm, Wien, 1883. 

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 4 



50 W i e s n e r . 

Im Übrigen ist von der Existenz der Inoenhaut wenig Notiz 
genommen worden, doch, wie ich glaube, mit Unrecht; denn sie 
bildet einen nicht minder scharf ausgeprägten Theil der Zellhaut 
wie die Mittellamelle und dürfte wohl auch in Betreff der Ver- 
breitung in den Geweben dieser kaum nachstehen. 

Aussenhaut (Mittellamelle) ^ Ich will bezüglich dieses 
Zell wand bestandtheiles bloss die oft ventilirte Frage erörtern, 
ob diese Haut einfach oder doppelt ist. Nach der herrschenden 
Lehre ist ersteres der Fall; sie wird als eine einfache, homogene, 
zwei benachbarten Zellen gemeinschaftliche Schichte angesehen. 

Gelegentlich einer Erörterung dieser Frage stim.mte ich der 
genannten Auffassung nicht unbedingt zu^, brachte vielmehr 
einige Gründe vor, welche für die zweite Alternative sprechen. 
Nach Dippei's Auffassung^ besteht die Mittellamelle der Autoren 
aus drei Lamellen. In Jenen Fällen, in denen die gemeinschaft- 
liche Grenzwand in drei Schichten sich differenzirt, ist aber 
selbstverständlich bloss die mittlere homogene Schichte als 
Mittellamelle aufzufassen. 

Was ich früher nur als Möglichkeit zugal), spreche ich jetzt 
als Behauptung aus, dass nämlich die gemeinschaftliche 
Aussenhaut aus zwei Schichten besteht, von denen 
je eine einer besonderen Zelle angehört. Ich schliesse 
dies aus folgenden Thatsachen. Wenn die Zellwände durch Druck 
vom Innern der Zelle her gedehnt werden, so spaltet sich die 
Mittellamelle mitten durch und ohne Verletzung in ihre natür- 
lichen Hälften. Es geschieht dies beispielsweise, wenn das 
Parenchymgewebe der Kartoffel gekocht wird; die innerhalb der 

1 Der Ausdruck ,, Aussenhaut'- scheint mir passender gewählt als der 
übliche Name, was ich schon früher motivirte (Elemente der Anatomie und 
Physiologie der Pflanzen. 2. Aufl., pag. 288). Der von mir vorgeschlagene 
Ausdruck fügt sich auch besser in die Terminologie der Zellhaut ein, lässt 
sich auf das an frei auftretenden Zellen vorkommende Analogen der Mittel- 
lamelle anwenden und scheint auch desshalb den Vorzug zu verdienen, da 
meine Untersuchungen lehren, dass die sogenannte Mittellamelle thatsäch- 
li,ch aus zwei getrennten Theilen besteJit und mithin jede im Gewebe- 
Aerbande stehende Zelle ihre eigene Aussenhaut besitzt. 

- Elemente der Anatomie und Phys. <l. Pflanzen, 1. Aufl., pag. 259, 
2. Aufl., pag. 281». 

3 Verhandlungen der 8 e n k e n h e r g'schen Gesellschaft, Bd. XI, 
pag. 148. 



Uutersuchuuii-en über d. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaiit. 51 

geschlossenen Zellwand mächtig aufquellende Stärke dehnt 
die Wand und spaltet die Mittellamelleu in ihre natürlichen 
Hälften. Kocht man dünne Schnitte der Kartoffel, welche nur 
aus durchschnittenen Zeilen bestehen, tagelang, so tritt keine 
Trennung der Zellen ein, woraus ersichtlich ist, dass die 
Isolirung der Parenchymelemente nicht eben auf einer Auflösung 
der gemeinsamen Grenzschichte, sondern auf einer einfachen 
Spaltung beruht, was zuerst Solla in einer im hiesigen 
pflanzenphysiologischen Institute ausgeführten Arbeit zeigte. ^ 
Die Meristemzellen des Vegetationskegels schliessen dicht anein- 
ander, aber wie die Turgescenz der Zellen sich steigert, erfolgt 
schon eine partielle Spaltung der Mittellamellen, nämlich die 
Bildung der lutercellularen. Aus diesen Thatsachen geht 
aber hervor, dass die Dermatosomen innerhalb einer 
Zellwand fester gebunden sind als zwischen benach- 
barten Zellen. Unter dieser „Bindung" verstehe ich selbst- 
verständlich eine mechanische Vereinigung der Dermato- 
somen. Ich werde später genauer meine Vorstellung über diese 
mechanische Bindung ausdrücken. 

Meine Versuche haben aber auch gelehrt, dass chemische 
Mittel viel leichter die Verbindung zwischen benach- 
barten Zellhäuten lösen als den Zusammenhang der 
Theilchen innerhalb einer Zellwand. Es muss ange- 
nommen werden, dass jene Theilchen, welche die Dermatosomen 
benachbarter Zellen verbinden, sich in gewisser Beziehung 
chemisch von jenen unterscheiden, welche die Dermatosomen 
einer und derselben Zellhaut zusammensetzen. Der Unterschied 
mag vielleicht bloss ein quantitativer sein. Dass aber ein solcher 
besteht, geht aus folgenden Thatsachen hervor. 

Wenn Hollundermark in Chlorwasser eingelegt wird, so 
bräunt sich das Gewebe, später entfärbt es sich wieder und bald 
darauf ist die Holzsnbstanz aus den Zellhäuten verschwunden. 
Dennoch hält das Gewebe innig zusammen. Wird nun zu dem 
Gewebe Kalilauge hinzugefügt, so treten die Zellen augenblick- 
lich aus dem Verbände, wobei ein Körper in Lösung geht, welcher 
der Flüssigkeit eine braune Farbe ertheilt. Dass die hier erfolgte 
Aufhebung der Bindung, welche die Häute der benachbarten 

1 Österr. bot. Zeitschrift, 1879, Xr. 11. 



0^ W i e s n e r, 

Zellen zusammenhielt, nicht ein einfacher mechanischer Vorgang* 
wie in dem früheren, die Kartoffel betreffenden Falle ist, leuchtet 
ein, und es unterliegt wohl keinem Zweifel, dass eine chemische 
Veränderung jener Hauttheilchen, welche die Dermatosomen 
benachbarter Zellen vereinigte, die Trennung der Zellen herbei- 
führte. 

Man hat bisher an der Vorstellung festgehalten, dass die 
jugendlichen Zellwände (z. B. die Häute der Meristemzellen) 
homogen seien, und dass sich erst später die Schichten differen- 
ziren, wobei an der äussern Grenze der Zellwände eine chemische 
Metamorphose eintrete, welche es möglich machen solle, dass durch 
chemische Mittel eine Loslösung benachbarter Zellen sich einstelle. 

Ich habe mich aber davon überzeugt, dass eine Spaltung 
der Zellwaud durch Lösung einer inmitten der Mittellamelle 
gelegenen, im Mikroskope direct nicht nachweislichen Partie, selbst 
in jenen frühen Entwicklimgsstadien der Zellwand ausführbar 
ist, in welchem dieselbe sich als eine geschlossene, zwei Zellen 
abgrenzende, homogen erscheinende Haut zu erkennen gibt. 
Wenn ich Vegetationsspitzen von Keimpflanzen {Phaseolus mnlti- 
florns, Pismn sativum, Mais etc.) oder Lanbsprossen {Solanum 
tuberosiim, Myrtus communis etc.) in concentrirter Salzsäure ein- 
lege, so treten die Zellen schon nach wenigen Minuten aus dem 
Verbände. Später erst trennen sich die Jungparenchymzellen^ 
viel später, in manchen Fällen gar erst nach wochen- und 
monatelanger Einwirkung die vollkommen ausgebildeten, aus den 
Meristemzellen hervorgegangenen Zellen, woraus sich also ergibt, 
dass in früheren Entwicklungsstadien die Bindung der Elemente 
untereinander auch rücksichtlich der Resistenz der diese Bindung- 
bewirkenden Substanzen gegenüber lösenden Mitteln eine weniger 
feste ist, als in jener Zeit, in welcher sie auf der Höhe ihrer Ent- 
wicklung angelangt sind *, dass die Zusammensetzung der Mittel- 
lamelle aus zwei Häuten sich schon im Meristemzustande der 



1 Dass die Zellen vieler Gewebe nach Beendigung' des Wachsthiiras 
durch chemische Uniwandhmgen der äussersteu Hautpartie sich von ein- 
ander loslösen, ist hinlänglich bekannt und widerspricht den oben mit- 
getheilten Thatsachen gar nicht, lehrt übrigens gleichfalls, dass die Bindung 
der Dermatosomen innerhalb einer Zellwand eine innigere ist als die jener 
Hautkörperchen, welche die Grenzen zweier benachbarter Zellen bilden. 



Untersuchuugeu über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 53 

betreffenden Zellen nachweisen lässt und dass es ein Irrthnm ist 
wenn man glaubt, die Fälligkeit der Zellen, sich durch chemische, 
Mittel zu trennen, erfolgt erst in späteren Wachsthumsstadien, 
infolge einer chemischen Metamorphose innerhalb der Mittel- 
lamelle. Dass die erste, noch protoplasmatische Anlage einer 
Scheidewand als einfaches Häutchen zu betrachten ist, soll nicht 
in Abrede gestellt werden und widerspricht nicht meiner Auf- 
fassung, dass die Mittellamelle aus zwei Schichten besteht. 

Innenhaut. Die Methode, durch welche es mir zuerst 
gelang, die Innenhaut zu isoliren (Markstrahlen von Nadel- und 
Laubhölzern), bestand in der Einwirkung von Chromsäure auf die 
Gewebe. Durch Anwendung von Kupferoxydammoniak konnte 
ich die Innenhäute unverholzter Bastzellen (Flachs, Hanf etc.) 
biossiegen. ^ Schacht^ und später Kabsch^ hielten die Innen- 
haut für eine aus reiner Cellulose bestehende Zellwandschicht, 
Aber schon Sanio* wies nach, dass das chemische Verhalten 
der Zellhaut dieser Annahme nicht günstig ist und ich habe durch 
zahlreiche Versuche nicht nur die Angabe Sanio's bestätigt 
gefunden, sondern konnte auch für bestimmte Fälle den Beweis 
erbringen, dass die Innenhaut mit Eiweissk(3rpern imprägnirt ist. ' 

Später hat Pf ur tscheller (1, c.) gezeigt, dass man in 
vielen Fällen durch concentrirte Schwefelsäure die Innenhaut 
noch viel schöner als durch Chromsäure von den übrigen Zell- 
waudbestandtheilen befreien kann. Dies gilt für die Markstrahlen 
der von ihm untersuchten Baumarten (Fagus, Pyrus, Acer, Ulmus), 
ferner für Sklerenchymzellen (Samenschale von Cocos nncifera). 

Dass man durch Anwendung von Chlorwasser die Innenhäute 
gleichfalls isoliren kann, darüber habe ich in einem früheren Ab- 
schnitte mehrfache Belege gebracht, und ich möchte hinzufügen, 
dass sich die so gewonnenen Innenhäute sowohl zum Studium 
des chemischen als morphologischen Verhaltens dieser Membran- 
schichte am meisten eignen. 

1 Wiesner, Techn. Mikroskopie, Wien 1867, pag. 109 u. 111. 
- Anatomie und Physiologie der Gewächse, pag. 30. 
•^ Pringsheim's Jahrb. f. wiss. Bot.. Bd. III, pag. .383. 
i Bot. Zeitung, 1860. pag. 201. 

■' Wiesuer. Zerstörung der Hölzer an der Atmosphäre, 1. c, pag. 16 
lind 17. 



54 W i e s n e r . 

Es ist von Russow' uamentlich gegen Pfiirtscheller's 
Angaben gesagt worden, die als „Innenbäute" bescbviebenen 
Membrantheile wären nicbts anderes als der eingetrocknete 
Primordialscblauch der betreifenden Zellen. Wäre diese Auf- 
fassung riebtig, so könnte die Innenhaut keine Cellulosereaction 
geben. Wenn man aber Innenbäute aus Markstrablen (z. B. 
Ficbte) Bastzellen (Jute, Hanf etc.) durcb Cblorwasser isolirt und 
dann auf 12—48 Stunden in Chlorzinkjodlösung einlegt, so erhält 
man sehr deutliche Violettfärbung. Dabei ist aber zu beachten, 
dass die Innenhäute dem Cblorwasser gegenüber sich ähnlich 
wie Pilzzellwände verhalten, welche nach längerem Liegen in 
diesem Reagens die Cellulosereactionen (gegen Jodpräparate) 
annehmen, nach einiger Zeit aber, nämlich nach noch länger 
anwährender Einwirkung des Chlors diese Fähigkeit einbUssen, 
offenbar, weil die lange der Wirkung des Chlors widerstehende 
Cellulose der Innenhaut schliesslich doch durch dasselbe zer- 
stört wird, aber in einer Zeit, in welcher andere an der 
Zusammensetzung der Inneuhaut Antheil nehmende Körper 
diesem Reagens noch Widerstand leisten. 

Auch die Innenhaut der Pilzhyphen (Polyporus] siehe oben 
pag. 46) versuchte ich auf Cellulose mikrochemisch zu prüfen, 
allein, trotz vielfacher Versuche, bisher vergebens. 

Hingegen konnte ich in allen von mir untersuchten lunen- 
häuten die Gegenwart von Eiweisskörpern constatiren. 

Ich rechne die luuenhaut in jedem Falle zur Zellwand, auch 
wenn sich in derselben Cellulose nicht nachweisen lässt. Sie 
bildet eben eine Zellwandschichte, in welcher Protoplasma am 
reichlichsten vorkommt und am längsten sich erhält, so dass die 
lunenhaut einer ausgebildeten Zelle dem Chlorzinkjod gegenüber 
kaum anders als eine Meristemzellwand sich verhält, welche, wie 
im nächsten Abschnitte gezeigt werden soll, infolge ihres Proto- 
plasmagehaltes reich au Eiweisskörpern ist und in welcher die 
Nachweisung der Cellulose gleichfalls auf Schwierigkeiten stösst. 

Die Innenhaut ist bis jetzt als ein homogen erscheinendes 
Häutchen angesehen worden. Die überaus schönen Innenhaut- 
präparate, welche durch Kinwirkung von Chlorwasser auf 

i Über die Auskleidung der Intercellularen. Sitzungsbericht der 
Dorpater Naturtorschergesellsfhat't. 18S4, VIT. 1. Heft, pag. 10 flf. 



Untersuchuugen über <l. Organisation d. vegetab. Zellhant. OO 

Gewebe resiiltiven, lassen aber doch bestimmte Stmcturen 
erkennen. So zeigen die Inneuhäute ans Markstrahlen der Fichte 
theils excentrisehe, theils knotige Verdickung, welche von 
sehr zarten, zur Oberfläche der Haut senkrechten Streifen durch- 
setzt sind. (Fig. 4.) 

Fig. 4. 

h 




b 

^'ergr. 1000. Bruchstück einer durch Chlorwasser isolirten Markstrahlzelle 

der Fichte. Die Aussackungen bei a und b sind excentrisch verdickt und 

von zarten radialen Linien fPorencanälen?) durchsetzt. 

III. Chemische Beschaffenheit der Zellhaut und Vorkommen von 
Protoplasma in derselben. 

Durch die neuere Forschung wurden zahlreiche chemische 
Individuen als Bestandtheile der vegetabilischen Zellwand 
erkannt. Obwohl wir noch weit davon entfernt sind, die chemi- 
schen Verhältnisse der Membran zu überschauen, so lässt sich 
doch aus unseren derinaligen Kenntnissen schon zweierlei 
ableiten : erstens, dass die Zellwand, vom chemischen Stand- 
punkte betrachtet, nicht so einfach gebaut ist, als früher ange- 
nommen wurde, vielmehr ein höchst complicirtes Stoffgemenge 
rei)räsentirt, und zweitens, dass die bisherige Auffassung in 
Betreff der Entstehung der Zellwandbestandtheile unhaltbar ist. 

Bezüglich des erstgenannten Punktes möchte ich nur auf 
eine sehr lehrreiche Thatsache hinweisen, nämlich auf die 
chemische Beschaffenheit der verholzten Zellwand. Man nahm 
früher an, dass sie aus Cellulose und Lignin (Holzsubstanz) 
bestehe. Dieses letztere ist aber zweifellos ein Stoffgemenge. 
Derzeit kennt man neben Cellulose als Bestandtheil der verholzten 
Zellwaud: zwei Gummiarten, Touiferin, Vanillin und ferner eine 
durch Salzsäure sich gelbfärbende, mit keiner der früheren 
identische Substanz ' und ist sich wohl schon darüber klar, dass 



1 .S. hierüber M. Singer, Arbeiten des pflanzenphysiol. Inst, der 
"Wiener Universität. XXII, in diesen Berichten, Mai 1882. 



56 Wiesner, 

damit der chemische Bestand der verholzten Zellwand noch nicht 
erschöpft ist, wie übrigens ans dem oben mitgetheilten Verhalten 
ihrer Holzsubstanz mittelst Chlor beraubter und dann mit Kali 
behandelter verholzter Gewebe hervorzugehen scheint. 

Was den zweiten Punkt anbelangt, so wird bezüglich der 
Entstehung der Zellwandbestandtheile noch immer angenommen, 
dass dieselben, soferne sie nicht einfache Infiltrations- 
pro du cte sind, wie z. B. die mineralischen Einlagerungen, Pro- 
ducte repräsentiren, welche durch chemische Metamorphose aus 
Cellulose hervorgegangen sind, die man als Umwandlungs- 
pro du cte der Zellwand zusammenfasst. Die Cellulose soll stets 
die erste feste Ausscheidung des Protoplasmas bilden, gewisser- 
massen die Grundlage der Zellwand, aus welcher die übrigen 
Membransubstanzen, sofern sie nicht blosse Infiltrate sind, ent- 
stehen. 

Diese Ansicht über die Entstehung der Umwandlungs- 
producte ist in neuerer Zeit, seitdem man den chemischen Aufbau 
der Zellwand genauer kennen gelernt iiat, nicht näher geprüft 
worden. 

Dass Kohlenhydrate, welche mit Cellulose isomer sind, 
oder sich bloss von ihr durch ein Plus von Wasser unterscheiden, 
aus Cellulose hervorgehen können, kann wohl keinem Zweifel 
unterliegen, und die Entstehung der Gummiarten und Schleime 
aus Cellulose ist vom chemischen Standpunkte aus ebenso 
gerechtfertigt, wie sich auch in Bezug auf die dabei eintretenden 
morphologischen Verhältnisse in vielen Fällen, z. B, bei Ent- 
stehung des Traganths, die Ansicht nicht zurückweisen lässt, dass 
Cellulose das Materiale zur Entstehung derartiger Kohlenhydrate 
liefert. Zahlreiche andere Körper, welche in Beziehung zu den 
Kohlenhydraten stehen, mögen gleichfalls aus Cellulose innerhalb 
der Zellwand hervorgehen. Diese Möglichkeit könnte für die 
grosse Zahl jener Substanzen zugegeben werden, welche der 
Classe der F e 1 1 k ö r p c r angehören. 

Nun kommen aber auch sogenannte aromatische Ver- 
bindungen (Benzolabkömnilinge) in der Zellwand als Umwand- 
lungsproducte, genauer gesagt, als Körper vor, welche an Ort 
und Stelle gebildet wurden. Stehen sich heute die Fettkörper und 
aromatischen Verbindungen auch nicht mehr so schroff gegenüber 



Untei'suchuu.ffeii über d. Organisation d. vegetab. Zellliaut. 57 

wie früher, seitdem es nämlich gelung-en ist, Fettkörper in 
aromatische Substanzen zu verwandeln, so sind diese Fälle doch 
so vereinzelt, dass die Wahrscheinlichkeit für die Annahme, die 
aromatischen Verbindungen seien Abkömmlinge der Cellulose, 
nur eine sehr geringe ist. Ganz unmöglich ist es aber, die stick- 
stofflialtigen — nicht infiltrirten — Producte der Zeliwand aus 
der Cellulose abzuleiten. 

Ich werde zeigen, dass die lebende Zell wand 
stets Protoplasma enthält, somit Eiweisskörper führt. Diese 
Thatsache allein schon erlaubt uns, die in der Zellwand statt- 
habenden chemischen Vorgänge naturgemässer als bisher zu 
betrachten. 

Die Zahl der Zersetzungsproducte der Eiweisskörper ist eine 
so grosse, dass aus denselben sich weit mehr und viel ver- 
schiedenartigere chemische Individuen ableiten lassen, wie aus 
der Cellulose. Die Qualität dieser Zersetzungsproducte lehrt uns 
sowohl Fettkörper als aromatische Substanzen gewissermassen 
als nähere Beslandtheile der Eiweisskörper kenneu. Die Ab- 
kömmlinge der Eiweisskörper können mithin ebenso Fettkörper 
als aromatisclie Verbindungen sein. Mit Rücksicht auf die leichte 
Verwandlung der Eiweisskörper im Organismus in Fettsäuren und 
Glyceride ist es viel wahrscheinlicher, dass diese Fettkörper 
auch in der Zellwand aus Albuminaten und nicht aus Cellulose 
sich ableiten. In noch höherem Grade gilt dies bezüglich der 
stickstofffreien aromatischen Verbindungen, und für sämmtliche 
stickstoffhaltige Kohlenstoffverbindungen muss dies wohl als 
gewiss angenommen werden. 

Dass innerhalb der ganz jungen Zellen Eiweisskörper vor- 
kommen, schliesse ich aus dem Verhalten der die Vegetations- 
spitze des Stammes bildenden Meristemzellen, des Fhellogens und 
des Cambiums. 

Dr. So Ha (1. c.) und Dr. Karl Richter (1. c.) haben sich 
durch vielfache Versuche überzeugt, dass die Zellwände von 
Meristemgeweben der Vegetationsspitze weder durch Jodpräparate 
noch durch Kupferoxydammoniak die Cellulosereactionen zu 
erkennen geben. Dr. Richter konnte in solchen Zellen Cellulose 
durch Chlorzinkjod constatiren, wenn das Gewebe vorher mit 
Kalilauge behandelt und gequetscht wurde. 



58 Wiesner. 

Ich wiederholte dieses Verfahren mit gleichem Erfolge und 
es schien mir dieses Verhalten der jugendlichen Zellwände mit 
der Annahme, dieselben enthielten Eiweisskörper, verträglich zu 
sein. Zur weiteren Prüfung meiner Annahme unterwarf ich 
Vegetationsspitzen der Keimstengel von Zea Mais, Phaseohis 
multtflorus und anderer Pflanzen der Peptonisirung, worauf nach 
24 Stunden Chlorzinkjod die Anwesenheit der Cellulose in den 
Membranen zu erkennen gab. Auch direct lässt sich die Gegen- 
wart der Eiweisssubstanzen in der Zellwand durch die Raspail' 
sehe Reaction nachweisen, doch nicht mit grosser Sicherheit, da 
die Zellen mit Eiweisskörpern gefüllt, die Membranen aber nur 
sehr dünn sind, mithin bei Prüfung auf die Färbung eine Täuschung 
leicht unterlaufen kann. 

Durch Anwendung derselben Methoden lässt sich auch im 
Phellogen zahlreicher Pflanzen die Gegenwart von Eiweisskörpern 
constatiren, desgleichen imCambium, bezüglich welchen Gewebes 
schon Dippel* darauf hinweist, dass es mit Cldorzinkjodlösung 
die Cellulosereaction nicht gibt. 

Die genannten eiweissführenden, aber bereits Cellulose ent- 
haltenden Meristemzellwände nehmen erst nach 24 — 48stündigera 
Liegen in Chlorzinkjodlösung violette Farbe an. 

Dass die Innenhaut reich an Eiweisskörpern ist, wurde schon 
im fi-üheren Capitel gesagt. 

Eine besondere Beachtung wegen ihres liolien Eiweiss- 
gehaltes verdienen die Membranen der Pilzzellen. 

Schon lange weiss man, dass sich in diesen Zellmembranen 
auf gewöhnliche Weise die Gegenwart der Cellulose durch Jod- 
präparate und Kupferoxydamraoniak nicht nachweisen lässt, 
selbst nicht nach Vornahme jener Proceduren, welche in stark 
verholzten Zellwänden die Constatiruug der Cellulose ermög- 
lichen. Dieser Umstand hat bekanntlich zur Annahme einer 
besonderen Modification der Cellulose im Pilzgewebe geführt, 
welcher man den Namen Pilzcellulose gegeben hat. Es hat 
aber Dr. Richter in einer in meinem Laboratorium aus- 
geführten Arbeit gezeigt, dass eine solche Pilzcellulose nicht 
existirt, dass man vielmehr nach lang andauernder Einwirkung 
alkalischer Flüssigkeiten durch die gewöhnlichen Reactionen 

1 Das Mikroskop. 1. Aufl.. WA. II, pa--. 49, 230. 



Uutersuchimgen über d. Organisatiou d. vegetab. Zellhaut. 59 

die Anwesenheit der Cellulose in den Wänden der Pilzzellen nach- 
weisen könne. Ich habe in vorliegender Arbeit noch eine andere 
Vorbehandlung- angegeben, die Einwirkung von Chlorwasser. 

Welcher Art jene Körper sind, welche in den Zellwänden 
der Pilze die Constatirung der Cellulose durch die üblichen 
Reagentien unmöglich machen, konnte bisher nicht aufgeklärt 
werden. 

Gestützt auf meine, an lunenhäuten vor langer Zeit ange- 
stellten Beobachtungen, denen zufolge diese wegen ihres Eiweiss- 
gehaltes der Celliilosereaction noch schwerer zugänglich sind, 
selbst als verholzte Zellwaudschichten, habe ich sowohl bezüg- 
lich der Meristem- als auch der Pilzzellhäute die Vermuthung aus- 
gesprochen, es möchten dieselben mit Eiweisskörpern imprägnirt 
sein. Sowohl Solla als Eichter haben diese meine Vermuthung 
geprüft; ersterer kam aber bezüglich der Meristemzellen zu 
keinem positiven Resultate, hingegen gelang es letzterem, einige 
Wahrscheinliclikeitsgründe für die Richtigkeit dieser Vermuthung 
in Betreff der Pilzzellmembraneu beizubringen. 

Herr Dr. Forsell, derzeit mit Untersuchungen über die 
Histochemie der Flechten in meinem Laboratorium beschäftigt, 
ist zu bestimmteren Resultaten gekommen. Es gelang ihm nament- 
lich in dickwandigen Pilzhyphen des Flechtengewebes durch 
das Millon'sche Eiweissreagens positive Resultate zu bekommen, 
worüber später von seiner Seite ausführliche Mittheilungen 
folgen werden. Um die Richtigkeit meiner Auffassung über 
die Structur und chemische Beschaffenheit weiter zu prüfen, 
habe ich zunächst eine eingehende Untersuchung über das 
Auftreten des Eiweiss in den Zellmembranen veranlasst, 
welche von Herrn Fridolin Krasser im pflanzenphysio- 
logisehen Institute ausgeführt wird. Mit Zuhilfenahme der 
üblichen Reactionen auf Eiweiss (Millon'sche, Raspail' 
sehe, Biuret- und Xanthoproteinsäurereaction) gelang es bereits 
bei zahlreichen Pflanzen in den Membranen von Meristemen (Phel- 
logeu,Cambiumect.) undDauergeweben(Ep«V/erw?{s, velamen radi- 
cmn, Endosperme ect.) positive Resultate zu gewinnen. Über diese 
Versuche wird später eingehend berichtet werden. Ich will hier 
nur noch bemerken, dass die Membranen des Endosperms von 
Zea Mais zu den genannten Versuchen sich besonders gut eignen. 



60 AY i e s u e r , 

Da das in der lebenden Zelhvand vorliandene Eiweiss 
gänzlich oder zum grossen Tlieile in Form von Protoplasma vor- 
kommt, so können alle jene cliemisclien Umwandlungen, welche 
bisher im Inhaltsplasma nachgewiesen wurden, auch innerhalb 
der Membran angenommen werden. 

Ich glaube, dass die hier vorgetragene Ansicht, 
dass stets Protoplasma in der lebenden Zellwand vor- 
handen ist, das Verständniss der in der Zellwand 
statthabenden chemischen Vorgänge mehr fördern 
wird als die bisherige Lehre, derzufolge alle soge- 
nannten Umwaudlungsproducte der Zellwand aus 
Cellulose sich ableiten sollen. 

Am Schlüsse dieses Capitels möchte ich noch zu zeigen ver- 
suchen, dass es Zellen gibt, deren Membranen als Hauptträger des 
Protoplasmas fuugiren. 

Höchst auffallend, aber bisher in Bezug auf das Vorkommen 
des Protoplasmas in der Zelle nicht beachtet, ist die Dickwandig- 
keit vieler Pilzhyphen, welche sich bei vielen Gasteromyceten und 
Hymenomyceten selbst schon in Jugendzuständeu zu erkennen 
gibt. ' Bedenkt man, dass gerade in den Membranen solcher 
dickwandigen Hyphen sich die Gegenwart von Eiweisskörpern 
zu erkennen gibt, so gewinnt die Annahme, ein relativ grosser 
Theil des Protoplasmas verberge sich hier in der Wand, umso- 
mehr an Wahrscheinlichkeit, als die Anwesenheit von Proto- 
plasma in den Zellwänden höherer Pflanzen vielfach nach- 
gewiesen wurde, und das Lumen der genannten Hyphen schon zur 
Zeit desWachsthiims oft so klein ist, dass für ausreichende Mengen 
von Protoplasma in solchen Zellen kein Raum zu sein scheint. 

Ich will nun versuchen, die Eiweissmenge eines aus der- 
artigen Hyphen zusammengesetzten Pilzes in Vergleich zu setzen 
mit dem Räume , welcher innerhalb solcher Zellen für das Proto- 
plasma disponibel ist. 

leb wähle hiezu das noch wachsthumsfähige Gewebe des 
Fruchtkörpers von PoJyporus fomentarius. Nach einer genauen 
chemischen Untersuchung, welche Herr Dr. Fossek, Assistent 
am ersten chemischen Universitätslaboratorium, auszuführen die 



^ De Biiry, Morphologie und Biologie der Pilze etc., pag. 13. 



üiitersuchungeu über d. Organisation d. vegetab. Zellhaut. 61 

Güte hatte, beträgt die ilenge an Stickstoff in dem genannten 
Gewebe 2-34 Proc, auf absolut trockene Substanz bezogen. 
Nimmt man die duvchsebnittlielie Sticlvstoffmenge eines Eiweiss- 
körpers mit 16 Proe. an, so entspricht der angegebene Stickstoflf- 
gehalt einer Menge von 14-6 Proe. Eiweiss. Da in wachsenden 
Pflanzentheilen die Hauptmasse der Eiweisskörper im Proto- 
plasma auftritt, dieses aber, auf organische Trockensubstanz 
bezogen, nur etwa zwei Drittel Eiweisskörper enthält, so wäre 
die Annahme nicht unberechtigt, dass das Gewebe 14 Proe. 
absolut trockene Protoplasmasubstanz enthält. Da aber der Stick- 
stoff in diesem Gewebe, wie in anderen in chemischer Beziehung- 
genauer untersuchten Geweben noch in Form anderer Verbin- 
dungen auftreten dürfte, die allerdings sonst zum grössten Theile 
im Protoplasma ihren Sitz haben, so wäre ein Gehalt von lOProc. 
Protoplasma eher zu niedrig als zu hoch geschätzt. Nun verhält 
sich nach zahlreichen, von mir vorgenommenen Messungen der 
cubische Inhalt der jugendlichen Zelhvand des genannten 
Gewebes zu dem cubischen Inhalt des Lumens der betreffenden 
Zelle etwa wie 87 : 1. Es könnte somit unter der gemachten An- 
nahme und unter der Voraussetzungj dass die Dichte der 
trockenen Protoplasmasubstauz mit jener der übrigen festen 
Zellwandbestandtheile übereinstimmt, bloss der achte Theil des 
Protoplasmas im Zellinhalte Platz finden. Würde man die 
Berechnung auf frische Substanz machen, wobei der Wasser- 
gehalt des Protoplasmas viel höher als der der Wand anzunehmen 
wäre, so würde ein noch kleinerer Bruclitheil des Protoplasmas 
als Füllmasse des Zelllumens resultiren. 

Diese Discussion führt zu dem Resultate, dass es 
Zellen gibt, in welchen die Hauptmasse des Proto- 
plasmas der Membran angehört. 

IV. Organisation der Zellwand. 

1. Molecularstructur und Organisation. Die directe 
Beobachtung führte uns bereits tief in die Organisationsverhält- 
nisse der Pflanzen ein. Wir zerlegen die Pflanzen in Organe, 
diese in Gewebe, diese in Zellen, finden diese wieder aus unter- 
scheidbaren Theilen: Protoplasma, Kern und Zellhaut zusammen- 
gesetzt und bemerken innerhalb des Protoplasmas individualisirte, 



62 Wie SU er, 

organische Structiir besitzende Gebilde^ wie Stärkekörnehen, 
Chlorophylkörner. protoplasmatisclie Anlagen der letztgenannten 
Gebilde (^Piastiden etc.). Weiter ging man bisher in der Auf- 
suchung der Organisationsverhältnisse gewöhnlich nicht, sondern 
trachtete, die sich darbietenden morphologischen Differenzirungen, 
z.B. die Schichtung undStreifuug derZellhaut sofort auf moleculare 
Verhältnisse zurückzuiühren oder, wie man sich ausdrückt, man 
suchte die Molecularstructur dieser Bildungen zu finden. 

Auf botanischem Gebiete spricht sich dieses Streben viel 
deutlicher aus als auf zoologischem, und wenn in jüngster Zeit 
die gesunde Tendenz, nach neuen Organisationsverhältnissen im 
Protoplasma und Zellkern zu suchen, unter den Botanikern 
hervortritt, so ist dies zum grossen Theile den von den Zoologen 
ausgehenden Anregungen zu danken. 

Wohl besteht die letzte im Bereiche der morphologischen 
Untersuchung organisirter Objecto gelegene Aufgabe darin, die 
Zusammensetzung der Organismen bis auf die die letzten Form- 
elemente constituirenden Molekülverbindungen und Moleküle 
zurückzuführen; allein das Suchen nach der Molecular- 
structur der Organismen scheint mir derzeit ein hoffnungs- 
loses Beginnen, da es sich hier um ein mechanisches Problem 
handelt, welches ohne Auffindung neuer theoretischer Grundlagen 
nicht zu fördern ist, das also eine umfassende Vorbereitung 
seitens der Physiker eigentlich voraussetzt und welches, da 
diese Vorarbeiten fehlen, mit Erfolg auf Lösung derzeit nicht in 
die Hand genommen werden kann. 

Hingegen scheint das Bestreben, tiefer in die Organisa- 
tionsverhältnisse der Pflanze einzudringen, grössere Aussicht auf 
Erfolg zu gewähren, wie die neueren Studien über pflanzliches und 
thierisches Protoplasma erkennen lassen. Die \ erliegende Unter- 
suchung bezweckt im Wesentlichen gleichfalls ein tieferes Ein- 
dringen in die organische Strnctur der Wand. Auf die Frage der 
Molecularstructur der Zellen, wie sie durch Nägeliund später 
durch Strasburger ^ gestellt und zu lösen versucht wurde, gehe 
ich aus schon angegebenen Gründen nicht ein, wohl aber möchte 
ich an dieser Stelle versuchen, den zwischen Molecularstructur 
und Organisation bestehenden Unterschied zu verdeutlichen. 

"i Zellhäute, pag-. -ilG ff. 



UnttMsucluiugeu über d. Organisation d. vegetab. ZelUiant. 63 

Die bisherigen üutersuchimg-eii der Physiker über den 
moleciilaren Bau der Körper beziehen sich auf die einfachsten 
Fälle: auf leblose Körper von homogenem Gefüge und einheit- 
lichem chemischen Bau oder von einer höchst einfachen Com- 
bination chemischer Verbindungen. 

Es gelang aus Thatsachen zu erschliessen, wie die Moleküle 
eines chemisch einheitlich gebauten Krystalls gegenseitig gelagert 
sind, und welche formbildenden Eigenschaften diesen Molekülen 
zukommen. Weniger klar sind schon die Lagerungsverhältnisse 
der Moleküle innerhalb eines Krystallwasser führenden Krystalls. 
In diesem Falle wird das Krystallmolekül als ein zusammen- 
gesetztes Molekül angenommen, bestehend aus dem Haupt- 
molekül und dem angelagerten Wasser, über dessen Stellung zum 
Hauptniolekül man noch nicht im Klaren ist. Die Anschauungen 
über MolekUlverbinduugeu, wie solche im Alaun, in Lösungen und 
Flüssigkeiten, in der Substanz einfacher colloider Körper vor- 
liegen, sind ganz hypothetischer Natur und schliessen einge- 
staudenermassen andere Anschauungen nicht aus. Strenge 
genommen kennt man aber selbst den einfachsten Fall der 
Molecularstructur, nämlich den Bau eines krystallwasserfreien 
Krystalls nicht, weil die Form des Moleküls der beti-effenden 
chemischen Substanz unbekannt ist. 

Die Anschauungen über die Molecularconstitution so einfach 
gebauter Körper sind also noch zum grössten Theile unbestimmte 
oder unsichere. Welche Hoffnungen sind also bezüglich der Auf- 
deckung der Molecularsü-uctur der Organismen zu hegen, nach, 
dem wir wissen, dass diese Gebilde eine höchst complicirte 
chemische Zusammensetzung haben? Es scheint, als wenn man 
sich dies mit Eücksicht auf das gestellte Problem noch 
nicht recht vergegenwärtigt habe, weshalb ich diesen Punkt 
etwas näher beleuchten will. 

Man hielt die Stärke früher für ein chemisches Individuum, 
man weiss aber jetzt, dass jedes Stärkekörnchen aus mehreren 
isomeren Kohlenhydraten, aus riechenden und farbigen Sub- 
stanzen, welche bezüglich ihres chemischen Charakters noch 
nicht untersucht wurden, ans Wasser und iMineralbestandtheilen 
besteht. Dass die verholzte Zellwand chemisch sehr complicirt 
gebaut ist, wurde schon oben (pag. 55 — 56) dargelegt. 



64 Wie SU er, 

Nach den Uutersuchungeu Reinke's über die chemische 
Beschaffenheit der Myxomyceten-PIasmodien \ welche grosse 
Protoplasmakörper repräsentiren , enthalten dieselben ausser 
Eiweisskörpern, Wasser und Mineralbestandtheilen noch zahl- 
reiche andere Verbindungen: Reinke hat nicht weniger als 
15 organische Substanzen und mehrere organische Körpergruppen 
(Amide, Peptone, Fettsäuren etc.) im Plasmodium vom Jg^/ia^/wm 
septicum nachgewiesen und hob hervor^ dass etwa 5 Proc. der 
untersuchten Substanz auf bestimmte chemische Individuen noch 
nicht zurückgeführt werden konnten. Die Chlorophyllkörner ent- 
halten ausser der protoplasmatischen Grundlage, deren chemische 
Mischung zweifellos gleichfalls eine sehr complicirte ist, noch die 
Chlorophyllfarbstoffe, unter Umständen die zu assimilirenden 
Substanzen und die Producte der Kohlensäureassimilation, u. s. w. 

Wohl werden nicht alle diese einem bestimmten Theile der 
Zelle angehörigen chemischen Species an dem Aufbaue jedes 
sichtbaren Theiles der betreffenden organisirten Substanz Antheil 
nehmen, doch kann es wohl keinem Zweifel unterliegen, dass 
diese kleinsten eben noch unterscheidbaren Theilchen einen im 
Vergleiche zu nicht organisirten Körpern (Krystallen etc.) sehr 
verwickelten Bau und eine complicirte chemische Zusammen- 
setzung besitzen. 

Es kann als sicher angenommen werden, dass jedem chemi- 
schen Individuum, das in die Bildung eines organisirten Gebildes 
eintritt, jene Molecularstructur zukommt, die ihm auch im isolirten 
Zustande eigen ist; ob dasselbe fest, flüssig oder gasförmig ist 
oder in Form einer Lösung vorkommt, ist dabei glcichgiltig. 

Völlig fraglich ist es aber, wie diese leblosen Moleküle und 
Molekülgruppen im Organismus verbunden sind. 

In dieser Beziehung liegen folgende zwei Möglichkeiten vor: 
Entweder vereinigen sie sich zu besonderen, selbst im Ver- 
hältnisse zur Zelle sehr kleinen individualisirten Gebilden, oder 
sie bilden ein homogenes Ganzes, das nur als Zellhaut, Proto- 
plasma, Kern, Stärkekorn etc. individualisirt ist. 

In jedem Falle ist eine grosse Complication im chemischen 
Bau gegeben: eine Molekülaggregation von so verwickeltem Baue, 



J Studien über das Protoplasma, Bcrliu. 1881. 



Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zeühaut. 65 

bezUgiich deren innerer Gliederung: sich keine irgendwie 
berechtigte Vorstellung entwickeln lässt, und die man einst- 
weilen am besten als Organisation bezeichnen kann, weil 
dieselbe auf die Lebewesen beschränkt ist. 

Von den beiden eben genannten Möglichkeiten halte ich 
die erstere für die berechtiglere, und möchte ich die Mikrosomen 
als jene individualisirten Körperchen ansprechen, welche die 
letzten Formelemente des Protoplasma bilden. Aus den Mikro- 
somen des Plasma (Plasmatosomen) gehen, wie ich später 
darlegen werde, die Mikrosomen der Zellhaut (D e r m a t o s o m e n) 
hervor. Nach meiner Annahme würden also die Plasmatosomen 
die eigentlichen Elementarorgane der Pflanzen und überhaupt 
der Lebewesen bilden. 

Nach dieser Auffassung würde die Zelle in demselben 
Sinne aus Mikrosomen (Plasmatosomen und Dermatosomen) auf- 
gebaut sein, wie die Gewebe aus Zellen sich zusammensetzen. 

Das Protoplasma hat eine netzförmige Structur. ' Eine 
ähnliche Structur kömmt auch der Membran zu. Ich schliesse 
dies aus Folgendem: Wir haben gesehen, dass die Zellhaut sich 
in Dermatosomen zerlegen lässt, und dass diese untereinander 
gebunden sein müssen. Diese Bindungen können, wie wir gesehen 
haben, entweder einfach mechanisch gelöst werden, oder durch 
eine chemische Veränderung, wobei feste Substanz in Lösung 
übergeführt wird. Die Bindung kann also nicht in Anziehungs- 
kräften der Dermatosomen bestehen, wie etwa nach Nägeli's 
Vorstellungen die Micellen einer Zellwand durch Anziehung 
zu einem Ganzen vereinigt sind. Es ist nun mit Rücksicht 
auf die Anwesenheit des Protoplasmas inmitten der Zellwand 



1 Der Ausdruck „netzförmig" soll selbstverständlich nur besagen, 
dass der optische Durchschnitt durch das Protoplasma als Netz erscheint, 
ist also ähnlich so aufzufassen, wie der Ausdruck „Cambiumring", der 
bloss ausdrücken soll, dass der Querschnitt des Cambiums ringförmig ist. 
Strenge genommen besteht das Protoplasma aus Fäden, welche gerüstartig 
zusammengefügt sind. Die Frage, in welcher Weise die Fäden verbunden 
sind, und ob ihre Vereinigung den Ausdruck „netzfönnig" rechtfertigt, will 
ich hier nicht näher erörteni (Vergl. hierüber die kritischen Auseinander- 
setzungen belFle mm in g, 1. c, pag. 58), sondern nur bemerken, dass gerade 
bezüglich der vegetabilischen Zellwand die Annahme einer im Flächenbilde 
genau netzförmigen Structur die grössere Wahrscheinlichkeit für sich hat. 

Sitzb. d. mathem.-natnrw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. O 



66 W i c s u c r. 

anzunehmen, dass diese Bindung der Dermatosomen durch zarte 
Stränge von Protoplasma zu Stande kömmt. 

Die erste Anlage der Zellwand wurde früher als eine 
Schichte von Cellulose betrachtet, bis Strasburg er in seinen 
bekannten Arbeiten zeigte, dass bei Zelltheilungen. welche unter 
Intervention eines sich in seine Hälften theilenden Kerns vor 
sich geht, ein Aggregat kleiner Körnchen diese erste Anlage 
der Wand bildet. Unter dem Einflüsse der alten Lehren glaubte 
Strasburger anfänglich, diese Körnchen wären Ausscheidungen 
von Cellulose oder einem ähnlichen Kohlenhydrat; später unter- 
nommene genaue Versuche, in denen es ihm gelang, in diesen 
Körnchen (Mikrosomen) Eiweiss durch Eeactionen nachzuweisen, 
lehrten, dass dieselben kleine Protoplasma gebilde seien.* 

Diese protoplasmatischen Mikrosomen (Plasmatosomen) 
bilden mit einer Zwischenmasse eine zusammenhängende Platte 
(Kernplatte Strasburger's). Diese Zwischenmasse erscheint 
meist homogen oder überaus' feinkörnig. Es ist aber wohl anzu- 
nehmen, dass sie als organisirte Substanz nicht homogen ist, 
und dass sie als protoplasmatisches Gebilde wie alle übrigen 
bis jetzt untersuchten Protoplasmagebilde eine aus feinen Fäden 
gefügte Netzstructur hat. 

Es ist also anzunehmen, dass die Plasmatosomen der Zell- 
hautanlage durch Protoplasmastränge netzartig verbunden sind. 

Die erste Anlage der Zellwand besteht geradezu aus Proto- 
plasma; dass in den Wänden junger Meristemzellen reichlich 
Protoplasma enthalten ist, dass selbst ausgewachsene Zellwände 
noch Protoplasma führen, darauf ist früher schon hingewiesen 
worden. Aus unseren Erfahrungen darf nunmehr mit Wahr- 
scheinlichkeit abgeleitet werden, dass das in der wachsenden 
Haut enthaltene Protoplasma netzartig verknüpft ist und die 
Dermatosomen untereinander verbindet. 

Dass die Mikrosomen des Protoplasma in die Bildung der 
Haut unnüttelbar eintreten, darüber sind bei Strasburger 
(1. c.) zahlreiche Belege zu finden. Nach meiner Auffassung 
ist dieses Factum so auszudrücken: Die Plasmatosomen ver- 
wandeln sich innerhalb der Wand in Dermatosomen. 



1 ZellhäuU', pa^'. 17: 



Uutersuchungeu über cl. Organisatiou d. veg-etab. Zollhaut. 67 

Die Existenz der Protoplasmafäden, welche als Verbindung-s- 
glieder der Devmatosomeu angenommen werden, konnte durch 
directe Beobachtung nicht bewiesen werden, da diese Proto- 
plasmafäden im Vergleiche zu den Dermatosomen als sehr 
klein anzunehmen sind, diese aber selbst schon oft an der Grenze 
der mikroskopischen Wahrnehmung liegen. Nur in jenen Fällen 
erscheint das Protoplasma direct in der Wand, wo es als solches 
in breiten Zügen erhalten bleibt, innerhalb welcher die Pla^ma- 
tosomen keine Umwandlung in Dermatosomen erfuhren. 

Fig. 5. 

Schema der Wandstructur. 
d P ^^J^ ^ Dermatosomen, v Verbin- 

ySi-M'y^^^^^^xr^^y^^^^r^r^^ dungsstränge innerhalb der Zell 

C^\^^~^l^^^r^i^^r^^ wand, v' Verbiudungsstränge an 

J^^W^-^ö^^^'^ö^^ den Grenzen zweier Zellen. 
yLHXTX'lATX'TLi~<J j^ I — v' P P breiter dermatosomen- 

(r^^^^_^^^S^^^^M-S^&^^^ä^~MS^ freier Protoplasmazng, welcher 

r^^T^^'^ä^'^^'^^ i™ Mikroskope direct nachweis- 

^^^^^^"^^^P""^^^ bar ist. 

Die beistehende Abbildung (Fig. 5) soll veranschaulichen, in 
welcher Art ich mir die vegetabilische Wand gebaut denke. Sie 
zeigt die Dermatosomen und deren Verkettung, ferner die dichte 
Bindung innerhalb der Zellhaut, die lockere Bindung an der 
äusseren Grenze der Zellwand und das Zustandekommen mikro- 
skopisch sichtbarer, durch die Zellwand hindurchgehender 
Protoplasmastränge. 

2. Schichtung und Streifung der Zellhaut. Die 
Meinungen über die innere Structur der Zellhaut haben sich 
bekanntlich im Laufe der Zeit mehrfach wesentlich geändert. 
Die ältere von Meyen ^ und später noch vonCrüger^ ver- 
theidigte, übrigens schon bei Grew und Moldenhawer auf- 
tauchende Ansicht, derzufolge die vegetabilische Zellwand aus 
Fibrillen bestehe, ist später auf das heftigste bekämpft worden. 
Der herrschenden Lehre zufolge besteht die Wand aus 
sich kreuzenden, abwechselnd wasserreichen und wasserarmen 



1 Neues System der Pflanzenphysiologie, Bd. I p. 45, daselbst anch 
die ältere Literatur. 

■-' Bot. Zeitung. 1855. p. 601 ff. 



68 Wit'sner, 

Lamellen und diese sind es, welche sowohl die Schichtung als 
auch die Streifung hervorbringen sollen. 

Diese von Xägeli begründete Ansicht ist indess nicht 
ohne Widerspruch geblieben und namentlich Strasburger' 
fuhrt die Streifung wieder auf schraubig verlaufende Fasern, 
hingegen die Schichtung auf optische Differenzirung von zur 
Grenzfläche der Zellen parallelen Lamellen zurück. 

Seitens der mit thierischen Objecten beschäftigten Histo- 
logen ist mehrfach gesagt worden, dass die Botaniker zu weit 
gehen, wenn sie die Annahme von Fibrillen in den gestreift 
erscheinenden Zell wänden geradezu perhorresciren.^ 

Nach den in dieser Abhandlung mitgetheilten Thatsachen 
ist die Frage, ob sich die Membran aus Schichten oder aus 
Fibrillen zusammenfügt, ziemlich bedeutungslos. Indem man 
bestimmte Bindungen innerhalb der Zellwand auflöst, zerfällt 
die Membran in Schichten, durch Auflösung anderer Bindungen 
zerfällt sie in Fibrillen, wie unter anderem die Versuche, welche 
mit Baumwolle und Bastfasern angestellt und oben mitgetheilt 
wurden, lehren. Je nach den in der Zellmembran herrschenden 
Spannungen werden dieDermatosomen zu Fibrillen, zu Schichten 
oder zu beiden vereinigt erscheinen. Man könnte also mit 
demselben Rechte, mit welchem man die Zellwand 
als lamellös gebaut betrachtet, sagen, sie bestehe aus 
Fibrillen. Sie besteht aber strenge genommen weder 
aus Schichten noch aus Fibrillen, sondern aus Der- 
matosomen, die, bestimmt angeordnet, entweder zu 
Fibrillen sich vereinigen oder zu Schichten oder zu 
beiden, ein Fall, welcher in den Wänden fibröser 
Zellen die Regel bildet. 

Es zeigt sich also bezüglich des Baues der vegetabilischen 
Zellwand ein ähnliches Verhältniss, wie bei der quergestreiften 
Muskelfaser. Es wurde lange darüber gestritten, ob dieselbe 
aus Fibrillen oder Querscheiben bestehe, bis der Nachweis 
geliefert wurde, dass in derselben kleine Körperchen in regel- 



' Zellliäute. — Auch Hofmeister (Pflauzenzelle, pag. 206) hat in' 
einigen Fällen die Streifung der Zellwand aus Fibrillen abgeleitet. Vergl. 
auch Dippel, das Mikroskop, I. Aufl., Bd. II. p. 82 ff. 

- Vergl. u. A. Ebne r, 1. c. pag. 224. 



Untersuchungen über d. Org-auisation d. veg-otab. Zellliaut. 69 

massiger Anordnung enthalten sind, ^Yelehe je nach äusseren 
Einwirkungen zu Fibrillen oder zu Scheiben sich zu vereinigen 
scheinen. 

Dass die Dermatosomen zu Fibrillen, diese zu Schichten 
sich zu vereinigen vermögen, hat vornehmlich seinen Grund in der 
relativen Grösse der Dermatosomen im Vergleiche zu den Fäden, 
welche sie verknüpfen. 

Die Dermatosomen verschiedener Zellen haben verschiedene 
Grösse und davon hängt in erster Linie die Deutlichkeit des Her- 
vortretens von Schichten undStreifen ab. Damit Schichten und Strei- 
fen gesehen werden, ist vor Allem eine bestimmte Grösse der Der- 
matosomen erforderlich. Es ist oben wahrscheinlich gemacht 
worden, dass die Dermatosomen der untersuchten Pilzmembran 
infolge ihrer Kleinheit directer mikroskopischer Beobachtung 
sich entziehen, und dies ist wohl der Hauptgrund, warum die 
Pilzzellwänrle in der Regel keine Schichtung zu erkennen geben. 
Es können iudess ganze Complexe von Dermatosomen von benach- 
barten sich unterscheiden und auch dadurch zur Bildung breiter 
Schichten (Schalen) Anlass geben. 

Je nach der Yerbiudungsweise der Dermatosomen wird die 
Wand fibrillär oder geschichtet erscheinen. Je kleiner die Ver- 
bindungsstränge sind, desto mehr werden die Dermatosomen zu 
höheren Einheiten verschmolzen uns entgegentreten. Denken wir 
uns beispielsweise, dass die Dermatosomen einer Zellwaud gleich 
gross wären und in radialer, tangentialer und longitudinaler 
Richtung in regelmässigen Reihen angeordnet seien, so wird die 
Wand aus Querschichten zu bestehen scheinen, wenn die verticalen 
Verbindungsstränge länger sind (oder stärker gedehnt sind), als 
alle übrigen, hingegen aus zur Zellaxe parallelen Fibrillen, wenn 
die verticalen Verbindungsstränge kürzer (oder am stärksten com- 
primirt) sind als alle anderen, endlich aus zur Oberfläche parallelen 
Schichten, wenn die radialen Verbindungsstränge länger (bezie- 
hungsweise gedehnter) sind als alle anderen. Es wird nicht schwierig 
sein das Zustandekommen schraubig angeordneter Fibrillen in 
analoger Weise zu erklären. Es wird auch verständlich sein, 
warum in manchen Zellen (Tracheiden, Bastzellen) Schichten und 
Streifen gleichzeitig sichtbar werden können, warum parenchyma- 
tische Elemente häufig Schichtung, aber keine Streifung zeigen etc. 



70 Wie SU er. 

Das Hervortreten der Schichten in der Zellwand erklärt 
Nägeli durch das Ahwechseln wasserreicher und wasserarmer 
Schichten, Strasburger durch den Contact der successive aus 
dem Plasma sich abscheidenden Häute, wobei indess die Frage 
offen bleibt, ob die optische Differenzirung auf Structureigenthtim- 
lichkeiten oder bloss auf eine Differenz in der Lichtbrechung der 
sich berührenden Schichten zu stellen ist. 

Nach meiner Auffassung besteht jede Schichte aus in tan- 
gentialer Richtung stark genäherten Dermatosomen, die also 
gewissermassen ein zusammenhängendes Häutchen bilden. Je 
zwei solcher Schichten sind durch Gerüstsubstanz von einander 
getrennt. Die zur Oberfläche der Zellwand parallele Lamellirung 
(Schichtung im engeren Sinne des Wortes) kömmt mithin durch 
den Wechsel von zu Häutchen vereinigt erscheinenden Dermato- 
somen und Gerüstsubstanz zu Stande. 

In manchen Fällen können die für gewöhnlich nur im 
isolirten Zustande erkennbaren Dermatosomen direct beobachtet 
werden. Als Beleg hiefür theile ich folgende Beobachtungen mit. 

Die Tracheiden der Fichte (Abies exceha) sind, wie 
bekannt, häufig gestreift. Wenn man einen Längsschnitt durch 
das Fichtenholz, welcher sehr deutlich gestreifte Tracheiden 
enthält^ stundenlang im Luftbade bei 110° trocknet, bis derselbe 
als völlig wasserfrei angenommen werden kann, und dann unter 
Mikroskop betrachtet, so tindet man, dass die Streifen noch mit 
grösserer Schärfe hervortreten als früher. Was in der imbibirten 
Zellwand nur angedeutet war, die Zusammensetzung aus kleinen 
Körnchen (Dermatosomen) tritt nun viel schärfer hervor und an 
radialen Längsschnitten sieht man die Tüpfel wie mit feinen 
Körnchen übersät, welche theils in radialen Streifen, theils in 
concentrischen Ringen angeordnet sind. Es kann keinem Zweifel 
unterliegen, dass die Dermatosomen durch Wasserverlust sich 
contrahirt haben und infolge dessen ihre Peripherien sich von 
einander entfernten, wodurch diese flautkörperchen obwohl 
kleiner geworden, als solche deutlicher hervortreten. Noch 
schärfer treten die Dermatosomen hervor, wenn man die Längs- 
schnitte bis zur beginnenden Zersetzung erhitzt, so lange, bis 
sie sich deutlich zu bräunen beginnen. Die Wände der bei 110° 
erhitzten Tracheiden erscheinen wie mit einem unregelmässigen 



Untersiichimgen über d. Organisation cl. vegetab. Zellhaut. 71 

Netze überdeckt dessen Fäden in .schraubigen Eichtuugen 
liegen; sie sehen wie ein ungespanntes Netz aus. Lässt man nun 
Wasser zuti-eten, so wird infolge der Quellung das Netz regel- 
mässiger, es ist so, als wäre das Netz gespannt worden, die 
Schraubenlinien aber werden viel undeutlicher. Aus diesem letzten 
Umstände ist zu folgern, dass in der trockenen "Wand lufterfüllte 
Hohlräume vorkommen, welche bei Wasserzutritt durch Flüssig- 
keit ersetzt werden. Diese Hohlräume sind im lebenden Zustande 
der Zellwand auch vorhanden, nnd zweifellos gleichfalls mit 
Flüssigkeit erfüllt. 

Während die Nägeli'sche Theorie fordert, dass die im 
lebenden Zustande mit Wasserhüllen umkleideten Micellen 
bei vollständiger Wasserentziehung sich unmittelbar berühren, 
geht aus meinen Untersuchungen hervor, dass die Zellwand ein 
Gerüste bildet, welches reichlich von Hohlräumen durchsetzt ist, 
die im lebenden Znstande der Wand mit Flüssigkeit gefüllt, im 
trockenen Zustande leer sind, und sich gewöhnlich mit Luft 
füllen. 

Da nun die Dermatosomen quellbar sind, so ist 
anzunehmen, dass in der mit Wasser gesättigten Zell- 
wand das Wasser in zweierlei Form enthalten ist: als 
capillares, welches die Dermatosomen und deren Ver- 
bindungsstränge umspült, und als Quellungswasser, 
welches von den Dermatosomen aufgenommen wurde. 

Ich will hier noch eine interessante Beobachtung anführen, 
welche zeigen soll, dass das Hervortreten der Schichten und 
Streifen nach Einwirkung von Reagentien, wenigstens in 
gewissen Fällen nicht auf einer die optische Differenzirung der 
Structur begünstigenden Aenderung der Brechungsexponenten 
der benachbarten Hauttheile, sondern auf Auflösung der zwischen 
den Schichten und Streifen befindlichen Bindesubstauzen beruht. 

Wenn man auf einen scharf getrockneten, durch das Holz 
der Fichte geführten Längsschnitt, dessen Tracheiden deutliche 
Streifung zeigen, Chromsäure wirken lässt, so wird die Structur 
undeutlich, indem die in die lufterfüllten Hohlräume eindringende 
Chromsäurelösung sich optisch nur wenig von den mit derselben 
Lösung nunmehr imbibirtenHautschiehteudififerenzirt. Nach einigen 
Augenblicken tritt aber die Streifung mit einer an diesem Objecte 



72 Wiesnor, 

niemals zu sehenden Schärfe hervor. Nicht lange darauf zerfällt 
die Zellwand nach den Richtungen der die Streifung charakteri- 
sirenden Schraubenlinien. Es sind durch das Reagens die Stränge, 
welche die zu Fibrillen vereinigten Dermatosomen untereinander 
verbanden, gelöst worden. 

V. Wachsthum der Zellwand. 

Die Wachsthnmsverhältnisse der vegetabilischen Zellwand 
sind bisher beinahe durcligehends höchst einseitig aufgefasst 
worden. Die einen wollen alle Wachsthumsvorgänge auf 
Intussusception zurückführeR, die anderen auf Apposition. 
Bekanntlich ist die alte Appositionstheorie durch Nägeli's 
scharfsinnige Untersuchungen völlig beiseite geschoben und bis 
vor wenigen Jahren als völlig abgethan betrachtet worden. 
Heute stellt aber die Sache wieder anders: es sind Vertheidiger 
der Appositionstheorie aufgetreten, welche geradezu jede Wirk- 
samkeit der Intussusception, wenigstens innerhalb des Bereiches 
der Pflnnzenzelle in Abrede stellen. 

Die Erscheinungen, welche das Wachsthum darbietet, sind 
aber so mannigfaltige, dass schon von vorneherein ein gleich- 
artiges Zustandekommen unwahrscheinlich ist. Übrigens lehrt 
schon, wie ich bereits vor Jahren hervorhob, * eine einfache 
Überlegung, dass jede Intussusception Apposition voraussetzt, 
denn es kann doch keine Zwischenlagerung von Molekülen 
stattfinden, bevor dieselben sich nicht angelagert haben. Wenn 
aber einmal im Laufe des Zellenlebens das Protoplasma die 
Fähigkeit hat, durch Apposition ein Hautanalogon zu schaffen, 
warum sollte dieser Process im weiteren Verlaufe des Zellen- 
lebens sich nicht wiederholen? 

Für die Wirksamkeit der Intussusception im Wachsthume 
der Wand sprechen nicht nur Wahrscheinlichkeitsgründe, sondern 
auch Beobachtungen, welche durch Annahme von Appositions- 
wachsthum nicht zu verstehen sind. 

Was den ersten Punkt anlangt, so ist zunächst die Tendenz 
wachsender Organismen zu intercalaren Bildungen hervor- 



3 Elemente der Anut. u. Phys. d. Pflanzen. 1. Aufl., pag. 259, 
2. Anfl., pag. 290. 



Untersiielumg-eii über d. Orgauisatiou d. vegetab. Zellhaut. 73 

zuheben, welche sich in der Anlage der Organe, im Wachsthume 
der Gewebe, ja gewisser Zellen — ich erinnere an den allgemein 
bekannten Fall von Oedogonium — so scharf ausspricht, dass 
man diese Tendenz zu den charakteristischesten Eigenthümlich- 
keiten der Organismen rechnen kann. Es wächst der Organismus 
gewissermassen aus sich selbst heraus. Ferner: es ist höchst 
bedenklich, in jenen Fällen, wo behäutete Zellen mehrhundertmal 
an Volum zunehmen, das Flächenwachsthum der Wand durch 
blosse Dehnung einer durch Apposition entstandenen Hautanlage 
zu erklären. Sodann: es ist nicht minder bedenklich, wenn man 
ein locales Wachsthum der Wand, wie es zum Beispiel bei der 
Sprossung der Hefe vorkömmt, einfach durch eine local verstärkte 
Dehnbarkeit der Wand zu erklären versucht, indem doch die Wand 
nicht in dem Verhältnisse dünner wird, als sie an Volum zunimmt, 
und für eine Zunahme der gedehnten Wand an Dicke durch Appo- 
sition kein Beweis vorliegt, namentlich aber das Zustandekommen 
der Tochterzellwände durch Apposition in Anbetracht der fast 
punktförmiuen Kleinheit der Ansatzstelle sehr verwickelte Bedin- 
gungen zur Voraussetzung hat, während der Vorgang durch 
intercalares Wachsthum sich sehr leicht und einfach erklärt. 

Was den zweiten Punkt anbelangt, so will ich nur auf die 
sehr umfassende und objective Untersuchung, welche jüngsthin 
Leitgeb über Bau und Entwicklung der Sporenhäute ver- 
öffentlichte ^, verweisen, worin gezeigt wird, wie bei bestimmten 
Wachsthumserscheinungen die Apposition, bei anderen die 
Intussusception in Wirksamkeit tritt, dass beispielsweise selbst 
an einer und derselben Lebermoos-Spore ein Theil der Wand 
(sporeneigene Haut) durch Intussusception, ein anderer (das Peri- 
nium) durch Auflagerung gebaut wird. 

Es kann also heute wohl kaum einem Zweifel mehr unter- 
liegen, dnss sowohl Apposition als Intussusception beim Wachs- 
thum der Zellwand betheiligt sind. Diese unter den Botanikern 
noch selten anzutreffende Auffassung ist unter jenen Histologeu, 
welche sich mit thierischeu Objecten befassen^ wie ich glaube, 
die herrschende.^ 



1 Graz, 1884. 

- Vergl. Ebner, 1. c, pag. 207. ff. 



74 W i e s 11 e v , 

Die Vovstelliingeu, welche man sieh aber in Betreff des Zu- 
standekommens des Zellwandwachsthums und speciell der Intus- 
susception gebildet hatte, dürften wohl durchwegs noch sehr rohe 
sein, und ich meine, dass dieTraub e'schenZellen mit jenen Intus- 
susceptionsvorgängen, welche das Zellwandwachsthum beherr- 
schen, nichts zu thun haben ; auf das Dickenwachsthum sind sie 
aber einfach gar nicht anwendbar. Auch die Apposition verläuft 
im Organismus nicht so einfach, wie bei der Bildung eines 
Krystalls, wie ich weiter unten durch ein Beispiel belegen werde. 

Die in der vorliegenden Abhandlung enthaltenen neuen 
Thatsachen in Verbindung mit anderweitigen Erfahrungen 
führten mich zu Anschauungen über das Wachsthum der Zell- 
häute, welche vielleicht der Beachtung werth sind, wenn sie auch 
jener Einfachheit entbehren, welche Strasburger's Theorie des. 
Zellhautwachsthums auszeichnet. 

Die erste Anlage der Zellwand besteht aus einer Schichte 
von Protoplasma, wie Strasburger zuerst bewies. Jugendliche 
Zellwände_, wie die der Meristeme, enthalten reichlich Proto- 
plasma. Auch in ausgewachsenen Zellen lässt sich Protoplasma 
in Form von Verbindnngssträngen, welche das Innere benach- 
barter Zellen in Communication setzen, nachweisen. In solchen 
ausgewachsenen Zellen ist aber die Hauptmasse der Zellwand 
frei von Protoplasma oder enthält höchstens Spuren davon, 
während in jugendlichen Zellen das Protoplasma überall die 
Häute durchdringt. 

Aus Strasburger's Untersuchungen folgt also, dass die 
Zellwand nicht aus dem Protoplasma ausgeschieden wird, sondern 
dass das letztere selbst die Anlage der Wand bildet.^ Dieses die 
Wandanlage bildende Protoplasma verwandelt sich aber nicht, 
wie es Strasburger's Appositionslehre fordert, in eine Wand- 
schichte, sondern bleibt mit dem übrigen Zellplasma in Ver- 
bindung und bildet zwischen sich Dermatosomen aus; denn das 
in die Wandbildung hereingezogene Protoplasma (Dermato- 
plasma) liegt in der Wand selbst und bezieht von dem übrigen 



1 Diese Auffassuug findet sich auch, wie ich bereits iii der Einleitung 
berührte, in der bekannten Zellwachsthninstheorie Pringsheim's, deren 
Hauptsatz dahin lautet, dass das Protoplasma Hautschichten bildet, welche 
sich später in aus Cellulose bestehende Membranschichten umsetzen. 



Untersiichuiigeu über d. Organisation d. vegetab. Zellliaut. 75 

Protoplasma her bloss Substanz. Die Fornibildung der Zell- 
wand geht, dieser meiner Auffassung- zufolge, nicht von dem 
von der Zellwand rund umschlossenen Protoplasma 
(Zellenplasma), sondern von dem inmitten der Zell- 
wand gelegeneu Protoplasma (Dermatoplasma, Haut- 
plasma) aus. Diese Auffassung schliesst eine Neuanlage von 
Hautschichten seitens des Protoplasmas nicht aus. Sollten der- 
artige Wiederholungen vorkommen, so müssten dieselben wie die 
erste Hautanlage weiterwachsen. 

Durch Annahme des Wachsthums der Plasmasubstanz 
innerhalb der Wand, wird uns der wahre Charakter der letzteren 
als lebendes Glied der Zellen verständlich. Unserer Vor- 
stellung zufolge wächst die Haut nicht nach Art der Traube'- 
schen Zellen durch blosse Einlagerung der Theile, auch nicht 
durch blosse Anlagerung von Aussen oder Innen, wie es Stras- 
biirger's Appositionstheorie fordert, sondern im Wesentlichen 
wie das Zellenprotoplasma, gewissermassen aus sich selbst 
heraus. 

Die complicirten Structuränderungen, welche sich während 
des Wachsthums vieler Zellhäute (besonders der Pollenkörner und 
Sporen) einstellen, werden unter der hier entwickelten Vor- 
stellung verständlicher als unter Annahme einfachen Appositions- 
oder Intussusceptionswachsthums oder einer Combination beider. 

Die Zellhautanlage ist nach den Untersuchungen Stras- 
burger's eine protoplasmatische. Sie besteht aus Plasmatosomen 
und einer Zwischensubstanz, die aber selbst organisirt ist, und 
die man wohl ebenso als netzförmig gestaltet annehmen darf, 
wie alle anderen Protoplasmagebilde, welche einer genauen Unter 
siichung auf ihre Structur zugänglich waren. 

Diese Wandanlage wächst weiter. Wir finden später in der- 
selben Dermatosomen und Protoplasma, in welchem selbst wieder 
Plasmatosomen erscheinen. Durch Strasburger ist die Um- 
bildung von Plasmatosomen (Mikrosomen nach seiner Termino- 
logie) in Dermatosomen nachgewiesen. Dabei werden also die 
Plasmatosomen consumirt. Woher kommen die neuen Plasmato- 
someu? Da, so weit die Erfahrung reicht, das Organisirte sich 
selbst wieder nur aus Organisirtem bildet, die Plasmatosomen 
aber organisirt sind, so müssen sich dieselben entweder aus ihres 



76 W i e s u e r, 

Gleichen durch Theilung oder aus kleinen in der Plasma- 
fäden enthaltenen der Beobachtung- sich entziehenden organi- 
sirtenaus dem Plasma sich in dividiualisiren den Körperchen bilden, 
die aber selbst wieder als Plasmatosomen aufzufassen wären. * 

In den meisten Fällen scheinen die Plasmatosomeu sich 
gänzlich in Dermatosomen zu verwandeln. Auszuschliessen sind 
jene Fälle, in welchen nach Beendigung des Wachsthums noch 
Protoplasmastränge in der Zellwand nachweislich sind. 

Es wandelt sich in den erstgenannten Fällen auch die zarte 
Gerüstsubstanz in Waudsubstanz um und bildet dann jenen 
homogen erscheinende Schleim, welcher durch Carbonisirung, 
Salzsäure- und Kaliwirkung aus den Zellmembranen neben den 
Dermatosomen entsteht. Ob diese Strangmasse homogen ist oder 
aus kleinen der Wahrnehmung sich entziehenden Dermatosomen 
besteht, ist natürlich zweifelhaft, doch ist mit Rücksicht auf den 
Umstand, dass die Zwischenniasse dieselbe chemische Beschaf- 
fenheit zeigt, wie die Dermatosomen (z. B. in der Membran der 
Leinenfaser, wo beide aus Cellulose bestehen), das letztere wahr- 
scheinlicher. 

Die Dermatosomen sind im ausgebildeten Zustande frei von 
Eiweisskörpern; die protoplasmatische Substanz, aus welcher sie 
hervorgegangen, verschwindet schliesslich vollständig, und sie 
bestehen dann gänzlich oder zum grössten Theile aus Abkömm- 
lingen von Eiweisssubstanzen. In diesem Zustande vollkommener 
Ausbildung sind sie wohl nicht mehr als lebende Gebilde anzu- 
sehen. 

Die Frage nach den Eichtungen, in welchen das Wachs- 
thum der Zellwand stattfindet, wird unter der Vorstellung, dass 
die lebende Substanz innerhalb der Wand weiterwächst, nunmehr 
weniger einseitig gelöst werden können, als bisher, wo aller 
Substanzzufluss zur Wand entweder bloss von dem von der Wand 
umschlossenen Protoplasma oder von einem Periplasma abge- 
leitet wird. 



1 Es scheint mir, wie schon oben angedeutet wurde, eine erlaubte, 
den Überblick über die Thatsachen sehr förderliche Vorstellung zu sein, 
das ganze Plasma aus kleinen organisirten Körperchen, Plasmatosomen, 
zusammengesetzt anzunehmen, welche einstweilen als die wahren Ele- 
mentarorgane der lebenden Wesen anzuuehuien wären. 



Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zellliaut. i i 

Ich will schliesslich an einem Beispiele zeigen, dass selbst ein so 
einfach erscheinender Vorgang- wie die „Auflagerung" einer Haut- 
schichte auf eineZellwand nicht als ein blosser mit dem Apposition.s- 
wachsthum eines Krystalls vergleichbarer Process aufzufassen ist. 

Es ist durch die Untersuchungen Strasburger's u. A. nach- 
gewiesen worden, dass Wandverdickung an Pollenkörnern und 
Sporen auch durch Auflagerung auf die Peripherie der Zellwand 
erfolgt. Die aufgelagerte Wand leitet Strasburger von einem 
zwischen der Membran der Mutterzelle und der Membran der 
Tochterzelle gelegenen Protoplasma ab. 

Es soll dieser Vorgang einfach auf einem centrifugalen Ap- 
positiousvorgaug beruhen. Dass diese Auffassung nicht allgemein 
richtig ist, hat Leitgeb (I.e.) durch eingehende Untersuchungen 
über den Bau und die Entwackelung der Sporenhäute von Mus- 
cineen und Gefässkryptogamen gezeigt. 

NachL eitge b's Untersuchungen entsteht bei Sphaerocarpus, 
Riccia, Preissia u. a> Lebermoosen das Perinium nicht aus einem 
Periplasma; es geht dasselbe vielmehr aus der innersten Lamelle 
der Specialmutterzellwand hervor, welche überall dicht der 
äusseren ..sporeneigenen" Haut, der wahren Exiue, anhaftet. 

Diese innerste Lamelle erfährt nun gleich den übrigen 
Sporenhäuten im Laufe ihrer Entwickelung vielfache, zum Theile 
sehr tief eingreifende morphologische und chemische Verände- 
rungen, welche wohl erst verständlicher werden, wenn man die 
Membran als belebt, das ist als protoplasmafiihrend, annimmt. 

Die Bildung des Periniums der genannten Lebermoose geht 
nun unter dieser, wie ich glaube, sehr berechtigten Voraussetzung, 
in folgender Weise vor sich. Das Protoplasma der Specialmutter- 
zellen bildet zunächst die „sporeneigene" Haut. Das von dieser 
umschlossene Protoplasma durchdringt aber auch die Wand 
der Specialmutterzellen und die sporeneigene Haut. Durch die 
Thätigkeit dieses inmitten der Zellhaut befindlichen Plasma (Der- 
matoplasma) gehen daselbst die oben angedeuteten Verände- 
rungen vor sich, unter anderen auch die Verschmelzung der 
innersten Schichte der Specialmutterzellwand mit der Exine 
(eigentliches Exospor) und die Umgestaltung dieser innersten 
Schichten der Specialmutterzellwand zur äussersteu Schiclite der 
Spore, zum Perinium. 



78 Wiesner, 

Ich widerstand der Verlockung, die in dieser Abhandlung- 
ausgesprochenen, zum Theile unmittelbar aus den Thatsachen 
sich ergebenden, zum Theile durch berechtigte Annahmen ent- 
standenen Ideen weiter auszuspinnen und zu einer Theorie der 
Zellwandstructur oder gar der Zellstructur zu gestalteu. Die 
Lösung derartiger Fragen gedeiht nach meiner Ansicht besser, 
wenn sie von mehreren Forschern angestrebt und so von ver- 
schiedenen Seiten beleuchtet wird, als wenn man ihr durch 
eine fertige Theorie beizukommen sucht. 

So mögen denn die hier ausgesprochenen Grundgedanken, 
welche ebenso auf die von Nägeli, Strasburger, Dippel, 
Tangl, Leitgeb u. A. gemachten Entdeckungen, wie auf meinen 
eigenen Beobachtungen fassen, sich ebenso weiter entwickeln, 
wie sie entstanden sind: durch Zusammenwirken zahlreicher 
Forscher. 

Ich begnüge mich mit den gegebenen Ausführungen, welche 
dahin zusammenzufassen sind, dass der Charakter der 
wachsenden Zell wand al s lebendes, protoplasmaführen- 
des Gebilde in den Vordergrund gestellt und sowohl 
die Structur, als das Wachsthum und der Chemismus 
der Zellhaut den analogen Verhältnissen des Proto- 
plasma näher gebracht wurde, und welche zur Aufstellung 
folgender Sätze führen : 

1. Die erste Zellhautanlage besteht gänzlich aus Proto- 
plasma ( S t r a s b u r g e r ) . 

2. So lange die Wand wächst, enthält sie lebendes Proto- 
plasma (Dermatoplasma). Dasselbe ist aber nur dann direct im 
Mikroskop zu sehen, wenn es in relativ breiten, cellulosefreien 
Zügen auftritt und dann die ganze Wand durchsetzt, welcher 
letztere Fall bekanntlich von Tangl zuerst beobachtet wurde. 

3. Der Bau der Zellhaut ist nicht nur in der ersten Anlage, 
sondern stets ein netzförmiger, wie ein solcher dem Protoplasma, 
aus welchem die Zellhaut ja hervorgeht, entspricht. 

4. Die Hauptmasse einer herangewachsenen Wand besteht 
aus kleinen, runden, organisirten Gebilden, Dermatosomen, 
welche aus Mikrosomen des Protoplasma (^Plasmatosomen) hervor- 
gehen, und die, solange die Zellwand wächst, durch zarte Proto- 
plasmazüge verbunden sind. Diese plasmatosomenführenden 



Untersuchungen über d. Organisation d. vegetab. Zelihaut. 79 

Stränge bilden aus sich i^durcli Theilting?) neue Plasmatosomen 
und scUiesslieli Deimatosomen, worauf das Waelisthnm der 
Wand beruht, das also, wenigstens im Wesentlichen, ein iuter- 
calares ist. 

5. Die Dermatosomen sind in der Regel direct in der Zell- 
wand nicht erkennbar, werden aber gesehen, wenn man die sie 
zusammenhaltenden Fäden löst oder sprengt. Dies kann durch 
verschiedene Mittel geschehen. Am vollkommensten gelingt die 
Isolirung der Dermatosomen durch Chlorwasser, welches die 
Stränge früher angreift als die Dermatosomen. 

Durch hintereinanderfolgende Behandlung mit einprocentiger 
Salzsäure, Trocknen bei 50 — 60°, Behandeln mit gewöhnlicher 
Salzsäure, Wasser, sodann mit Kali, Wasser und endlich durch 
Einwirkung von Druck ist man im Stande, die Bastfasern in 
Dermatosomen zu zerlegen, welche kleine mikrokokkenartige 
rundliche Körperchen darstellen. 

6. Ausgewachsene Dermatosomen enthalten kein Eiweiss 
mehr, sind nicht mehr als lebende Gebilde aufzufassen, wohl aber 
sind sie quellbar. 

7. Das Wasser ist in den Zellwänden in zweierlei Form 
enthalten: erstens als Quellungswasser der Dermatosomen, 
zweitens als capillares Imbibitionswasser zwischen den Derma- 
tosomen, die Verbindungsstränge umspülend. 

8. Die Bindung der Dermatosomen ist innerhalb einer Zell- 
wand eine stärkere als zwischen zwei benachbarten Zellen. Ein 
lockeres, in Eeagenzien relativ leicht lösliches Fibrillengerüste 
trennt die sogenannte Mittellamelle (gemeinschaftliche Aussen- 
haut) in zwei Häute; jede im Gewebeverbande befindliche Zelle 
besitzt ihre eigene Aussenhaut, 

9. Die Zellwand kann mit dem gleichen Rechte als fibrillär 
gebaut betrachtet werden, mit welchem man sie als lamellös zu- 
sammengesetzt auffasst. Sie ist aber im Grunde weder das eine 
noch das andere, sondern je nach Anordnung der Dermatosomen, 
nach Länge (beziehungsweise Spannung) der Verbindungsfäden 
wird sie geschichtet, oder fibrillär oder in beiderlei Art gefügt 
oder homogen erscheinen. 

10. Die optische Diffenzirung der Schichten, beziehungsweise 
Fibrillen der Zellhaut kommt im Wesentlichen durch regel- 



80 W i e s u e r, Untersucluuigeu über die Organisation etc. 

massigen Wechsel genäherter Dermatosomen (welche zu Schichten 
oder Fibrillen vereinigt erscheinen) und Gertistsubstanz zustande. 

11. Die Anwesenheit von Eiweisskörpern in der lebenden 
Zellwand macht die chemische Beschaffenheit und die innerhalb 
derselben stattfindenden chemischen Metamorphosen verständ- 
licher als die herrschende Lehre, derzufolge Cellulose das erste 
Product bildet, welches aus dem Protoplasma als Wandsubstanz 
ausgeschieden wird und welches den Ausgangspunkt für die 
Entstehung aller sogenannten „Umwandlungsproducte" der Zell- 
haut bilden soll. 

12. Die Zellwand repräsentirt, wenigstens so lange sie 
wächst, ein lebendes Glied der Zelle, was besonders dadurch 
anschaulich wird, dass es Zellen gibt, welche den grössten 
Theil ihres Protoplasma inmitten der Zellhaut führen (Pilzhyphen 
mit dickwandigen wachsenden Enden). 

Durch diese Auffassung über die Natur der Zellwand fällt 
selbstverständlich jene strenge Grenze zwischen Protoplasma und 
Zellhaut, welche mau bisher zu ziehen gewohnt war. 



81 



Resultate der Untersuchung des nach dem Schlamm- 
regen vom 14. October 1885 in Klagenfurt gesam- 
melten Staubes. 

Von Dr. Max Schuster. 

(Mit J Tafeln.) 

Am 14. October 1885 hat es in Klageufurt bei heftigem 
Südwind Staub geregnet. Herr F. Seeland schildert die 
Umstände, unter denen dieser Schlammregen beobachtet wurde, 
in der meteorologischen Zeitschrift 1885, pag. 419 mit folgenden 
Worten: 

„Es war ein Gussregen, der ganz ähnlich prasselte, wie bei 
einem Graupelfall und mich aus dem Schlafe weckte. Der 
Thürmer, welcher auf dem äusseren Gange des Klagenfurter 
vStadtpfarrthurmes die Feuerwache hält, hat ihn beobachtet und 
mir über den Schlammregen zur Nachtzeit berichtet. Leider hat 
er am 15. Morgens den putzpulverähnlichen Staub, der den Gang 
und das Gitter bedeckte, abgekehrt. 

Als ich auf den Thurm kam, um mich von der Sache zu 
überzeugen, war in den Eisenvertiefungen des Ganggitters und 
in den Falznuthen der Blechdächer Klagenfurts von dem gelben 
Staub, ungeachtet des vielen nachfolgenden Eegens, noch ziemlich 
viel zu sehen. 

Insbesondere enthielt das neue Blechdach des Goldarbeiters 
Wagenpfeil noch reichliche Überbleibsel davon. Ich begab 
mich daher auch dorthin und sammelte Muster des Staiibes, der 
höchst fein und von gelber, ockerähnlicher Farbe (ins Köthliche 
ziehend) ist. 

Es ist das genau derselbe Staub, welchen uns am 25. Februar 
1879 ein S. E. Sturm über Lesina herauf, avo er auch beobachtet 
wurde, nach Klagenfurt brachte, und welcher damals den massen- 

Sitzb. d. mathem.-natunv. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 



82 Schuster. 

haft fallenden Schnee roth färbte. Seine Heimat ist verniuthlich 
die Wüste Sahara. 

In Klag-enfurt herrschte, wie heute noch, echtes Siroccal- 
wetter. Am 14. war 7'^ SW, 2'' SW, 9'^ W und am 15. Morgens 
S-Wiud beobachtet worden. Am 15. 3" 57'" Früh war ein Erd- 
beben in der Eiclitung E— W mit nachfolgendem Rollen, so dass 
Fenster klirrten und Möbel schaukelten, mit einem einzigen Stoss 
beobachtet worden. Klageufurt, 17. October 1885." 

Eine kleine Probe des bei dieser Gelegenheit aufgesammelten 
Staubes, circa ^/^^ Grm. im Gewichte, wurde vom Herrn Director 
Hann an das hiesige mineralogisch-petrographischeUniversitäts- 
institiit eingesendet und vom Herrn Hofrath Tschermak mir zur 
Untersuchung übergeben. 

Die vorliegenden Untersuchungen, welche hauptsäclilich die 
mineralogische Zusammensetzung des Staubes zum Gegenstande 
haben, gestalteten sich ebenso mühsam als zeitraubend, nicht so 
sehr wegen der g-eringen Menge des zu Gebote stehenden 
Materiales als vielmehr wiegen der Kleinheit der Elemente, aus 
denen der Staub besteht, deren mittlere Grösse kaum 'Yj^^ Mm. 
beträgt. Dadurch waren einerseits die mechanischen Trennuugs- 
methodeu, sei es nach dem specifischen Gewichte mittelst schwerer 
Flüssigkeiten, sei es durch den Elektromagneten, welche bei dem 
grösstcntheils fragmentaren Charakter der einzelnen Partikel am 
vortheilb ältesten gewesen w'ären, theils völlig ausgeschlossen, 
theils nahezu illusorisch gemacht, andererseits musste auch die 
chemische Untersuchung hauptsächlich unter dem Mikroskope 
vorgenommen werden und konnten mit Vortheil nur mikro- 
chemische Reactionen in Anwendung kommen. 

Die Scliwierigkeit und Umständlichkeit (respective Undank- 
barkeit) derartiger Untersuchungen, welche mit den Resultaten 
in keinem rechten Verhältnisse stehen, mögen mit zu den Gründen 
gehören, warum in den classischen Arbeiten Ehrenberg's 
gerade die mineralogische Zusammensetzung der von ihm unter- 
suchten Staube weniger Berücksichtigung erfuhr und warum auch 
in neuerer Zeit nur vereinzelte Angaben darüber in die Öffentlich- 
keit gelangten, trotzdem dieWichtigkeit dieser Untersuchungen für 
die Frage nach der Herkunft der Staube in letzter Zeit von 



Untersachimg" eines Meteorstaubes. 83 

Lasaulx' und anderen Forschern erkannt und wiederholt 
hervorgehoben wnrde. 

Das Interesse, welches sich an alle Vorgänge knüpft, welche 
auf den zeitweiligen Wechsel in der Zusammensetzung unserer 
Atmosphäre Einfluss nehmen, \vird die nachfolgenden ausführ- 
licheren ^littheilungen rechtfertigen, welche bestimmt sind, einen 
Beitrag zu liefern zur Kenntniss einer gewissen abnormen 
Beschaffenheit der Atmosphäre. 

Wenngleich Schlüsse allgemeinerer Natur, wie namentlich 
betreffs der Herkunft ähnlicher Staube, aus einer Einzel- 
untersuchung, gleich der vorliegenden, nur in beschränktem 
Masse möglich und erst von der Durchführung ähnlicher Unter- 
suchungen und Yergieichung einer grösseren Anzahl, unter den 
verschiedensten Umständen namentlich am selben Orte gefallenen 
Staube zu erwarten sind, so waren doch die hierbei erlangten 
Resultate, wie sich zeigen wird, schon an und für sich recht inter- 
essant und bemerkenswerth. 

Es wird vortheilhaft sein, eine Zusammenstellung der in 
dem vorliegenden Staube aufgefundenen Gemengtheile voran- 
zustellen, die Gründe, auf welche die einzelnen Bestimmun- 
gen sich stützen, sowie detaillirtere Angaben über den Gang 
der Untersuchung nachfolgen zu lassen, mit einem kurzen 
Vergleiche analoger Staubfunde und einigen allgemeinen Betrach- 
tungen die Mittheilung zu schliessen. 

I. Übersicht der im Staube enthaltenen Mineralbestandtheile 
und Organismenreste, 

Die untersuchten Staubproben bestehen zum weitaus über- 
wiegenden Theile aus Partikeln mineralischer Natur. Davon 
waren mit Sicherheit zu bestimmen: 

1. Farblose und schwach grünlich gefärbte Kryställchen 
(Rhomboeder), Krystallfragmente und Körner von Carbonaten. 
welche nach dem verschiedenartigen Verhalten gegen Säuren nur 
theilweise dem Calcit, theilweise hingegen einem eisenhaltigen 
Dolomit und Magnesit zuzurechnen sein dürften. 



1 Tschermak. Mineralog. und peti-ogr. Mittheil. Bd. III, 1881. 

6* 



84 Schuster, 

2. Dazwischen gestreute farblose, bis weisse Körner, selten 
Nadeln, von Apatit. 

3. Farblose Splitter und Körner von Kieselsäure; theils 
mehr oder weniger lebhaft polarisirende Quarzsubstanz 
(manchmal Fltissigkeitseinschlüsse, bisweilen ähnlich dem Aggre- 
gatquarze granitischer Gesteine undulöse Auslöschung zeigend), 
theils isotrope Opal Substanz. 

4. Weisse bis graue, meist getrübte Feldspathpartikel ohne 
Zwillingsstreifung (Orthoklas), öfters entsprechend der Spalt- 
barkeit mit gradlinigen Conturen versehen. 

5. Bald lichter bald dunkler braun gefärbte, zuweilen wie 
braunes Glas aussehende, gelb- bis röthlich- und dunkelbraun 
pleochroitische Blättchen und Fetzen eines einaxigen Glimmers, 
welcher als Biotit bestimmt wurde; daneben scheint ein stets 
heller gefärbter Phlogopit* gleichfalls vorhanden zu sein. 

6. Weisser Glimmer und daneben wahrscheinlich auch 
Talk und Kaolin. 

7. Blaugrüne Ohio ritt ä fei chen, schwach dichroitisch. 

8. GelblichgrUner Augit in Fragmenten grösserer Indi- 
viduen und vollständig ausgebildeten Mikrolithen, die zum Theile 
Zwillingsverwachsung zeigen. 

9. Bräunliche Spaltungsblättchen von Hornblende, selten 
nachweisbar; blassgefärbte Hornblendefragmente erscheinen 
zweifelhaft. 

10. Reichlich linden sich dazwischen allenthalben durch 
Eisenhydroxyd gefärbte, bräunlich gelbe Partikel von krUmlicher 
Thonsubstanz. 

11. Besonders charakteristisch erscheinen gelbliche zum 
Theile röthlich gefleckte Rutilnädelchen, mitunter in den 
bekannten herz- und knieförmigen Zwillingen, Anataspyra- 
miden und scharfe Zirkoukry stall chen, sowie vereinzelte 
T u r m a 1 i nnä d e 1 ch e n. 

12. Als wahrscheinlich, aber nicht unzweifelhaft vorhanden, 
sind Granat-, Titanit-, Epidotkörner, Spinellpartikel 
und Spinellkrystalle anzusehen. 



1 Mit jjrrüsscri'm AxeiiwiukL^l. 



Untersuchung eines Meteorstaubes. 85 

13. Ausserdem wurde Pyrit (sehr vereinzelt) und Magnetit 
(häufiger), letzterer zum Theile in deutlichen Octaederu und auch 
complicirteren Combinationen erkannt, endlich Magnetkies. 
Plagioklas, Olivin etc. waren nicht nachweisbar. 

Unter den genannten Mineralbestandtheilen machen die 
Carbonate, die Glimmerarten, der Quarz und die Thonpartikel 
die Hauptmasse aus. 

Metallisches Eisen war auf keinem Wege nachweisbar. 

Sowie nach dem Gesagten über den entschieden terrestrischen 
Ursprung des Staubmateriales kein Zweifel bestehen kann, so 
scheint andererseits dieses Material selbst darauf hinzudeuten, 
dass es zum Theile Kalk- oder Dolomitbergen, zum Theile einem 
altkrystallinischeu Gebiete entstammt. 

Gegenüber den Mineralpartikeln treten die organisirten 
Gebilde, rcspective die Partikel organischen Ursprunges an Menge 
bedeutend zurück. 

Kohlige Substanz ist in minimaler Menge vorhanden; 
gering ist auch die Menge jener Substanz vegetabilischer Natur, 
welche in der Hitze bei Behandlung mit Schwefelsäure zur 
Verkohlung gebracht wird. 

Ein Theil ist auf Pilzsporen und ähnliche Fructifi- 
cationsorgane^ zurückzuführen, ein Theil auf Pflanzen- 
fasern und Pflanzenhaare; Conferven und Algenfäden 
sind nicht mit Sicherheit zu bestimmen. 

Ausserdem sind kieselschalige, verkieselte undkalk- 
sc haiige Organismenreste in ziemlicher Menge vorhanden. 

Namentlich sind es Diatomeenpanzer, theils einzeln, 
theils paarweise verbunden, theils in Fragmenten, welche unter 
dem Mikroskope sofort in die Augen fallen. 

Manche dieser Gebilde sind recht wohl erhalten und würden 
vielleicht eine eingehendere Würdigung und Beachtung von 
berufener Seite verdienen. Ich muss mich auf die folgenden 
Bemerkungen beschränken, welche zu einer allgemeinen Orien- 
tirung über die Formen, die im Staube enthalten sind, wohl hin- 
reichen werden. 

Es lässt sich behaupten, dass die besprocheneu Organismen- 
reste mit den in dem citirten Werke Ehrenbergs „Über Passat- 

1 Welche in Wasser zum Theile zur Keimung gebracht werden konnten. 



86 Schuster, 

Staub uud Bliitregen" (Berlin 1849) aufgezählteu und abgebil- 
deten Formen derart übereinstimmen, dass alle die grösseren, 
wichtigeren Gattungen hier ihre Vertreter finden. 

Einige davon sind mit gewissen Gallionella- und Dlscoplea- 
Arten sowie „Lithostylidien", welch' letztere allerdings in jener 
Schrift noch sehr verschiedenartige Gebilde zu vereinigen 
scheinen, direct zu identificiren. 

Viele sehen den dort unter den Namen Synedra, Navicula, 
Pimmlaria, Lifhasiei-iscns, Coscinodiscns, Fragilaria, Eunotia, 
dann den als Rotalia und Textilaria aufgezählten Formen 
mindestens selir ähnlich. 

Auch Spofifjolidiis und Jw/^;/t/V//sn/s (wiewohl selten) scheinen 
nicht zu fehlen. 

Das Gesagte, sowie die beifolgenden zwei Tafeln werden 
genügen, die Mannigfaltigkeit der beobachteten Formen zu 
illustriren. Herr Dr. Molisch, welcher so freundlich war, gleich- 
falls eine Probe des besprochenen Staubes unter dem Mikroskope 
zu besichtigen und auf die darin enthalteneu Pflanzentheile zu 
untersuchen, hob namentlich die verhältnissmässige Häufigkeit 
der Diatomeenreste hervor und konnte überdies nicht nur 
Pflanzenhaar- und Gewebefragmente, sondern auch Innenhäute 
von Parenchymzellen, d. i. jene, den Innern Raum von Zellen 
auskleidenden Schichten der Zellmembranen, welche bekannt- 
lich gegen Säuren und Fäulnis sehr widerstandsfähig sind, mit 
Sicherheit erkennen. 

Der Umstand, dass einzelne davon bereits verkieselt sind, 
bestimmt ihn, im Vereine mit dem Vorhandensein der Diatomeen, 
zu der Ansicht, dass dieser Staub von einem Orte herrührt, der 
einmal oder vielleicht periodisch mit Wasser bedeckt war; man 
hätte sich also etwa zu denken, dass die ins Wasser fallenden 
Pflanzentheile sammt den Diatomeen in den Schlammabsatz 
geriethen, dort verwesten und nur die ausserordentlich wider- 
standsfähige Innenhaut gewisser Zellen dabei erhalten blieb, 
welche nachträglich sogar verkieselte. 

Gleich an dieser Stelle möchte ich bemerken, dass 
V er kiese hing und Vererzung sich noch auf eine Reihe 
anderer Staubbestandtheile erstrecken dürfte. 



Untersuchimg- eines Meteorstnubes. 87 

Dies gilt hauptsächlich von den in ziemlicher Häufigkeit und 
wechselnder Grösse darin vorkommenden, theils gelblichen, theils 
röthlichcu, braunen bis blauschwarzen Kiigelchen, welche im 
Allgemeinen grosse Ähnlichkeit mit Pollenzellen und Sporen 
zeigen, aber nicht nur vegetabilischen, sondern auch thierischen 
und selbst mineralischen Ursprungs sein könnten. 

Von diesen in vielfacher Hinsicht räthselhafteu Gebilden 
wird später nochmals die Rede sein. 

IL Detailbemerkuiigen, betreffend die einzelnen Staubbestand- 

theile, den Gang ihrer Untersuchung und Bestimmung. 

Von den mir zur Verfügung gestellten ^/^^ Grm. Substanz 
wurde etwa die Hälfte, also eine gute Messerspitze voll, in viele 
kleine Portionen getheilt, zu den nachfolgenden Versuchen ver- 
wendet. 

Ein Tlieil vnirde in unverändertem Zustande in Wasser oder 
in Cauadabalsam gelegt und unter dem Deckgläschen mikro- 
skopisch untersucht, ein anderer vor dem Löthrohr und in den 
verschiedenen Perlen geprüft, ein dritter über dem Platinblech 
oder im. Kölbchen geglüht, oder endlich mit einer Anzahl Säuren 
behandelt und hierauf in angegriffenem, geglühtem oder un- 
geglülitem Zustande unter dem Mikroskope betrachtet. 

Ein Tlieil wurde schliesslich mit kohlensaurem Natron oder 
mit Flusssäure aufgeschlossen und die Lösung mit einer Reihe 
von Reagentieu behandelt. 

Aus dem Verbleiben und Verschwinden und den Verän- 
derungen, welche die einzelnen Bestandtheile unter diesen 
Umständen wahrnehmen Hessen, wurde auf ihr Wesen und ihren 
Charakter geschlossen. 

Das Pulver zeigt, in grösserer Menge betrachtet, für sich 
eine gelblichbraune, ziemlich lichte, kaum einen Stich ins Rothe 
besitzende Farbe. 

Wenn man eine Probe davon auf einen Objectträger legt, 
und denselben vom Rande her erschüttert, so ballt sich ein Theil 
zusammen; doch ist ein wesentlicher Unterschied zwischen den 
zerstreut liegenden Partikeln und den zusammengehäuften 
Partien nicht zu constatireu, nur dass die letzteren an Thon- 
partikeln und Glimmerblättehen etwas angereichert erscheinen. 



88 Schuster, 

Mit Wasser mischt sich das Pulver uach einigem Wider- 
streben; ein Theil sinkt nach dem Schütteln des Gläschens in 
demselben zu Boden, ein Theil, welcher ausser den wirklich 
specifisch leichteren die kleinsten Partikel, ohne Unterschied der 
Substanz enthält, schwimmt oben oder erhält sich schwebend. 

Das Wasser hinterlässt beimVerdunsten keine Chlornatrium- 
würfel, überhaupt keinen krystallinen Rückstand. 

Ein eigenthümlicher, penetranter Geruch ist weder un- 
mittelbar, noch beim Erhitzen des Pulvers im Kölbchen wahr- 
zunehmen; nur beim Anhauchen entwickelt sich ein entschiedener 
Thongeruch. 

Beim Erhitzen in Kölbchen entweicht eine ganz geringe 
Menge Wassers, 

Unter dem Mikroskope für sich betrachtet, lassen die ein- 
zelnen Partikel sich nur schlecht von einander unterscheiden. 

Mau erkennt an den überaus dunklen Conturen, dass viele 
davon stark lichtbrechend sind; aus dem gleichen Grunde ist die 
Färbung derselben nur undeutlich v^ahrnehmbar. 

Man bemerkt, dass die eckige Form der Partikel 
vorherrscht, dass die flachen Blättchen gleichzeitig meist gerundet 
erseheinen, Kryställchen mit scharfen geraden Umrissen eine 
Seltenheit sind, andererseits fadenförmige Gebilde, Splitter, 
Lappen und Kügelchen gleichfalls in weit geringerer Zahl 
auftreten. 

Zugleich sieht man schon bei dieser Gelegenheit, dass die 
Färbung eine ziemlich bunte ist. 

Neben vorherrschenden gelbbraunen, lichtgelben und grün- 
lich gefärbten treten weisse und trübgraue Elemente nur undeut- 
lich, dunkelbraune und rothgelbe bis schwarze, zuweilen 
metallisch glänzende hingegen besser hervor. 

Bereits beim Einlegen in Wasser kommt eine weit grössere 
Anzahl von farblosen und weissen Bestandtheilen (bis zu 
winzigster Kleinheit herabsinkend) zum Vorschein und die 
Farbenunterschiede treten jetzt, besonders aber nach dem 
Einbetten der Probe in Canadabalsam viel deutlicher hervor; 
auch die Unterschiede in dem Lichtbrechungsvermögen der 
einzelnen Partikel sind viel besser wahrnehmbar; jetzt erst 
erkennt man , welche grosse Menge lebhaft polarisirender 



Uutersnchiuig- eines Meteorstaubes. 89 

Körnchen vorliegt — sobald man zwischen gekreuzten Nicols 
beobachtet — und die verhältnismässig grosse Häufigkeit der 
Diatomeenreste. 

Was die Grössenverhältnisse der Bestandtheile betrifft, 
so genügen w^ohl die folgenden Daten, um über die Grenzen, 
innerhalb deren sich dieselben in der Regel bewegen, Aufschluss 
zu geben. 

Als mittlere Grösse der mineralischen Partikel sind etwa 
0-027 Mm. zu bezeichnen. Rhomboederchen mit anhaftenden 
Thonpartikeln oder organischer Substanz erreichen sehr häufig 
eine Grösse von 0-0324 Mm. (Länge und Breite) und darüber, 
sinken aber andererseits zu submikroskopischer Kleinheit herab. 
Die kleinsten individualisirten Partikel, Kügelchen und Scheibchen 
darstellend, sind oft nicht grösser als 0-009 Mm. in Länge und 
Breite und gehen ebenso oft noch darunter hinab. Ein Turmalin- 
nädelchen besass 0-0324 Mm. Länge 0-0050 Mm. Breite. 

Nur ausnahmsweise finden sich zwischen den genannten 
auch Partikel von grösseren Dimensionen; namentlich gilt dies 
von den fadenförmigen organisirten Gebilden, den Haaren etc., 
die makroskopische Dimensionen annehmen und andererseits von 
den Blättchen, die bisweilen eine grössere Flächenausdehuung 
erlangen, wie beispielsweise 0-135 Mm. in der einen und 
0-0864 Mm. in der zweiten Richtung. 

Der Umstand, dass, wie erwähnt, gewisse Gemeugtheile, so 
die Carbonate, in sehr wechselnden Grössenverhältnissen sich 
vorfinden, vielfach die anderen (z. B. Thonpartikel und Kügelchen) 
umschliessen, oder einen verschieden gefärbten Kern besitzen, 
der den Umriss wiederholt, und auch in winzigsten Körnchen 
bisweilen vollkommene Krystallform erkennen lassen, die übrigen 
hingegen, so namentlich die Glimmerblättchen in der Regel nur 
bis zu einer gewissen Kleinheit herabgeben, während sie nach 
oben hin weitere Grenzen besitzen, scheint immerhin auf einen 
Unterschied in ihrer Entstehungsweise hinzudeuten; während die 
letzteren zweifellos nur aus Fragmenten bestehen, wäre es 
möglich, dass die ersteren, wenigstens theilweise, an Ort und 
Stelle (vielleicht in der Atmosphäre, aus den mitgewehten 
Wassertröpfehen) gebildet oder regenerirt wurden. 



90 S c h u s t e r , 

Was die Meiig'enverbältiii>sse der einzelnen Gemeng- 
theile betrifft, so sei hier bemerkt^ dass dieselben, wie dies bereits 
in der I'bersiclit geschab, sieb nur in allgemeinen Ausdrücken 
angeben lassen, indem der Staub, trotz seiner Feinheit, wider 
alles Erwarten doch keine gleichförmige Mischung darstellt, 
sondern in verschiedenen Proben bald der eine, bald der andere 
der vorherrschenden Gemcngtheile in grösserer Menge erscheint. 
Dies ist auch der Grund, warum ich zur Ansicht gelangte, dass 
die quantitative chemische Analyse eines solchen Staubes nur 
dann, wenn grosse Mengen zur Verfügung stehen, von wesent- 
lichem Nutzen sein könnte, in unserem Falle aber nur einen sehr 
bedingten Werth gehabt hätte, ein besseres Resultat hingegen 
von der Durchsicht einer grösseren Anzahl von Proben, zum 
Zwecke einer beiläufigen Schätzung der relativen Mengenver- 
hältnisse der einzelnen Gemeugtheile unter dem Mikroskope zu 
erwarten sei. 

Bei dieser Schätzung ergab sich jedoch die weitere Schwierig- 
keit, dass die verschiedeneu Partikel keineswegs immer unzweifel- 
hafte Bestimmung zuliessen und in Folge ihrer höchst fragmentaren 
Beschaffenheit insbesondere brauner Glimmer und braune Horn- 
blende, zersetzter Glimmer und Thonpartikel nicht in allen Fällen 
auseinanderzuhalten waren, während die gleichen Schwierigkeiten 
bei der Unterscheidung zwischen den Carbonatfragmenten und 
Augitpartikeln, den Carbonaten und Apatit, und endlich besonders 
zwischen Quarz und Feldspath sich geltend machen. 

Im Grossen und Ganzen dürften die bräunlichen und röth- 
lichen Elemente (Thonpartikel und durch Eisenhydroxyd gefärbter 
Quarz >- brauner Glimmer >- Hornblende) die eine Hälfte, die 
lichtgrünlichen und weissen (Carbonate>- Chlorit :> Augit r> 
Apatit) ein weiteres Drittel, und farbloser Quarz :> weisser 
Glimmer>- trüber Feldspath zusammen den Rest ausmachen. 

Untersuchung des Pulvers auf trockenem Wege, durch 
Glühen, Behandeln mit dem Löthrohre etc. 
Wenn man Proben des Pulvers auf dem Platin bleche 
glüht, bleibt der grösste Theil desselben nahezu unverändert. 
Von Verkohlung organischer Substanz ist nur wenig zu bemerken. 
Das Pulver i^lumpt sich etwas zusammen, fällt aber beim Klopfen 



Uiitersuchuiig eines Meteorstaubes. 91 

leicht wieder aiiseiuaucler. Die Farbe wird aufaugs etwas dimlder, 
beim Abkühlen röthlicher als zuvor. 

Die meisten Splitter haben dabei ihre Form behalten, auch 
die Rhomboederchen; doch sind letztere fast alle undurchsichtig, 
trübe geworden und polarisiren nicht mehr einheitlich oder sie 
sind amorph geworden und in Pulver zerfallen. 

Die Thonpartikel zeigen nun eine sehr auffallende Ähnlich- 
keit mit dem rothen Thon von Siena. Unter dem Mikroskope 
sieht man, wie nach anhaltendem Glühen gefritteteThonsubstanz 
gleich Fäden diejenigen Körner verbindet, welche unverändert 
geblieben sind. Dahin gehören namentlich Quarz und Feldspath, 
welche ziemlich schwach polarisiren und neben den gleichfalls 
unverändert gebliebenen, stark lichtbrechenden Substanzen, wie 
Rutil, Zirkon nun desto deutlicher hervortreten. 

Hie und da fällt ein verkohltes Haar oder etw^as Ahnliches 
in die Augen. 

Der Biotit ist nun noch dunkler geworden und gelber bis 
brauner Dichroismus sehr deutlich wahrzunehmen in solchen 
Blättchen, die auf der Schmalseite liegen; luden flach gelegenen, 
die wie braunes Glas aussehen, konnte mitunter das Axenkreuz 
einaxiger Krystalle und die negative Doppelbrechung wieder 
deutlich coustatirt werden, bei blasseren Blättchen ein ziemlicher 
Axenwinkel, wie bei Phlogopit. 

Auch im Köl beben erhitzt, entwickelt das Pulver keinen 
Rauch. 

Beim Erhitzen vor dem Löth röhre lässt sich das Pulver 
zunächst vollkommener fritten und schmilzt partiell zusammen. 
Um das feine Pulver nicht zu verlieren und wegzublasen, bevor 
es zur Frittung kommt, die schon ziemlich hohe Temperatur 
erfordert, thut man gut, dasselbe in ein dünnes Platinblech 
einzuschlagen und sammt diesem der Löthrobrflamme auszusetzen, 
die man auf der etwas geöffneten Seite eindringen lässt. 

Bei Anwendung einer Kerzenflamme erhält man dann eine 
blasige Schlacke, welche noch ungeschmolzene braune und rothe 
neben den angeschmolzenen grauen (Feldspath) Partikeln und 
scharfkantigen unveränderten Quarzpartikeln und farbloseu ( Talk) 
Blättchen enthält. 



92 .Schuster, 

Wenn mau einen Bimsen 'sehen Brenner benützt und sich 
des Löthrohres bedient, dann gelingt es zunächst, sämmt- 
liche gefärbte Partikel vollständig und zuletzt auch die für Quarz 
in Anspruch genommeneu Splitter grösstentheils zu einem mehr 
oder weniger klaren Glase aufzulösen. 

Wenn man das zwischen dem Platinbleche flach gedrückte 
Schmelzproduct von Zeit zu Zeit unter dem Mikroskope betrachtet, 
so kann man die Veränderung und das stufenweise Einschmelzen 
der Bestandtheile verfolgen und hat so einen Anhaltspunkt für 
die Beurtheilung ihrer richtigen Bestimmung. 

Das Pulver lässt sich auf solche Weise zu einem stellenweise 
völlig homogenen, grünlichgelben bis bräunlichgelben (in dünnsten 
Splittern dann farblosen), stellenweise dunkel rothbraunem Glase 
zusammenschmelzen. 

Boraxperlen zeigen keine merkliche Färbung, wohl 
hauptsächlich desshalb, weil die Verdünnung, in welcher die 
färbenden Substanzen im Pulver enthalten sind, eine zu grosse ist. 

T.Og, obwohl nach dem mikroskopischen Befunde sicher 
vorhanden, war also auf diesem Wege nicht nachweisbar. 
Gleiches gilt vom Eisengehalt u. s. w. 

Während die P)Oraxperle vollständig klar bleibt, wird die 
Sodaperle inhomogen; es entsteht zum Theile klares Glas, zum 
Theile opalisirende Masse. In der Phosphorsalzperle bildet 
sich ein Kieselskelett und wenig Quarz bleibt übrig. 



Untersuchung der mit der Magnetnadel ausgezogenen 

Partikel. 

Da zu Gunsten der Annahme eines kosmischen Ursprunges 
derartiger Staubregen in früherer Zeit namentlich das Vorhan- 
densein metallischer, phosphor- uudnickelhaltigerEisenkügelchen 
geltend gemacht worden war und später, als in vielen Fällen der 
vorwiegend terrestrische Ursprung der ersteren fast zweifellos 
erwiesen war, doch wenigstens für die wiederholt constatirten, 
ja, wie es heisst, in minimalen Mengen niemals fehlenden Eisen- 
kügelchen, die Möglichkeit meteorischer Abkunft zugegeben 
wurde, so schien es geboten, diesem Punkte besondere Aufmerk- 
samkeit zuzuwenden. 



Untersuchung eines Meteorstaubes. 93 

Beim Eintauchen der Magnetnadel ins Pulver bedeckte 
sich deren Spitze jedesmal mit einem ungemein feinen, oft erst 
unter dem Mikroskope deutlich sichtbaren Bart. 

Die Betrachtung- lehrte, dass unter den auf solche Weise 
ausgezogenen, sowohl metalliscli als nicht metallisch aussehenden, 
eckigen und runden Partikeln auch zweifellos un magnetische 
(wie Carbonatfragmente) sich befanden, welche auf rein mecha- 
nischem Wege mitgerissen wurden und in Folge ihrer Kleinheit 
durch blosse Adhäsion daran festhingeu. 

Es galt also zunächst die letzteren von den wirklich mag- 
netischen, die sich, sofernesie eine Längsausdehnung besassen, 
meist schon dadnrch auszeichneten, dass sie mit dieser senkrecht 
standen zur Oberfläche der Magnetnadel, möglichst zu trennen. 

Um dies zu bewerkstelligen, wurde der Bart auf einen Object- 
träger abgeklopft und die dabei herabgefallenen Partikel zum 
zweiten Male mit der Magnetnadel aufgenommen. 

Da die Adhäsion an der Glasoberfläche der Adhäsion am 
Magnetstäbcheu entgegenwirkte, so blieben die gänzlich nn- 
magnetisclien jetzt grösstentheils liegen, und bei neuerlichem 
Abstreifen fielen fast ausschliesslich solche nieder, denen ein 
stärkerer oder schwächerer Magnetismus zukommt. 

Um über den letzteren Punkt Gewissheit zu erlangen, und 
zugleich eine weitere Scheidung unter ihnen vorzunehmen, wurde 
die Spitze der Magnetnadel den fraglichen Partikeln unter dem 
Mikroskope bloss genähert und beobachtet, ob und auf welche 
Entfernung hin dieselben auf die Nadel übersprangen. 

Stark magnetische Partikel von bedeutenderer Grösse 
w^aren im Pulver sehr wenig vorhanden und schon nach dem 
dritten oder vierten Durchstreifen mit der Nadel völlig ausgezogen. 

Dieselben waren von schwarzer Farbe und halbmetallischem 
Aussehen und zeigten bei Behandlung mit Säuren ganz das 
Verhalten, wie es dem Magnetit zukommt. Zuweilen waren sie 
mit Eisenrost bedeckt, zuweilen ihre Oberfläche intact, in 
vereinzelten Fällen ihre Form als verzerrtes oder regelmässiges 
Oktaeder erkennbar. 

Vom Magnetit abgesehen, besassen alle übrigen stark 
magnetischen Partikel die Form mehr oder weniger vollkommener 
Küaelchen. 



94 S c h u s t e r , 

Diese Kügelcheu waren von dimkler bis schwarzer Farbe ; 
über ihr metallisches oder nicht metallisches Aussehen Hess 
sich wegen ihrer Kleinheit in der Regel kein sicheres Urtheil 
abgeben. 

Anl'lö SU ngs versuche, die mit verdünnter und concen- 
trirter Salzsäure und mit Salpetersäure angestellt wurden, gaben 
wider Erwarten im Allgemeinen ein negatives Resultat. 

Sie wurden von verdünnter Säure meist gar nicht oder sehr 
langsam oder endlich nur zum Theile gelöst. 

Niemals konnte eine ähnliclie Gasentwicklung wahr- 
genommen werden, wie sie bei Einwirkung von conceutrirter 
Salzsäure auf metallisches Eisen durch Bildung von Wasserstoff- 
superoxyd in so charakteristischer Weise hei*vorgerufen wird. 

Bisweilen bedeckt sich das betreffende Kügelchen im ersten 
Momente mit einem Hof von grünlichgelbem Eisenchlorid, was 
auf Lösung einer oberflächlichen Schichte ebenso wie auf Eisen- 
gehalt hindeutet der Rest aber blieb unverändert. 

Bisweilen hatte dieser Rest seine Kugelgestalt verloren und 
es traten nun scharfe Ecken und Kanten im Umrisse hervor. 

Bisweilen zeigte es sich, dass das Kügelchen nur scheinbar 
homogen gewesen; beim Auflösen blieben an seiner Stelle ein 
Aggregat von dunklen Körnern oder ein farbloses Skelet von 
bestimmter Structur zurück. 

Auch das Einlegen der Körnchen in Kupfervitriollösung und 
in borwolframsaure Gadmiumlösung, welche durch gediegen 
Eisen bekanntlich zersetzt wird, führte zu keiner Reaction. 

Nirgends kam es zum Niederschlage metallischen Kupfers, 
und nur in einem einzigen Falle habe icli einen blauen Zersetzungs- 
fleck in der Cadmiumflüssigkeit wahrgenommen, aber nicht an 
Stelle eines Kügelchens, was eben interessant gewesen wäre, 
sondern in der Nähe eines Splitters. 

Wenn man bedenkt, in welcher Art das Pulver aufgesammelt 
wurde, so wird man der Gegenwart dieses Eisensplitters, selbst 
wenn sie als erwiesen angenommen wird, keine Bedeutung 
beilegen können, da er leicht als secundäre Verunreinigung in 
den Staub hineingerathen sein könnte. 

Die besprochenen Kügelchen sind also aus mehr als einem 
Grunde interessant und räthselhaft zugleich. 



Untersuchung eines Meteorstaiibes. 95 

Metallisches Eisen sind sie nicht. Die leicht löslichen 
unter ihnen könnte man mit Magneteisenerz identiticireu. 

Bei den unlöslichen oder schwer löslichen und doch 
unzweifelhaft magnetischen hätte man entweder an ein Erz, 
wie Ilmenit zu denken, oder an etwas, was die Widerstands- 
fähigkeit organischer Substanz und den Magnetismus der Erze 
in sich vereinigt — also au ein vererztes Gebilde oder endlich 
au eine eisenreiche Glassubstanz. 

Zu Gunsten der Vererzung wäre noch anzuführen, dass viele 
von ihnen bei günstiger Beleuchtung wie von einer dünnen, 
durchsichtigen glashellen Haut überzogen, bisweilen wie gestielt 
erschienen, andere bei genauerer Betrachtung keine ebene 
Oberfläche besassen, sondern mit Auswüchsen bedeckt waren, 
welche letztere oft gleichfalls rundlich erschienen, und sich bei 
Einwirkung von Säuren rasch lösten, während die grosse Kugel 
sich erhielt, dass endlich bei der Auflösung noch anderer that- 
sächlich ein deutliches mit einer Structnr versehenes Skelet 
zurückblieb. 

Wenn die Möglichkeit einer Vererzung kugelförmiger orga- 
nisirter Gebilde zugegeben wird, dann würde auch das eventuelle 
Vorkommen metallischer Eisenkügelchen in Reductionsprocessen, 
wie sie an sumpfigen Stellen unter Einfluss organischer 
Substanzen nachweisbar thatsächlich vor sich gehen, ^ die natür- 
lichste Erklärung finden und braucht ihnen nicht meteorische 
Abkunft Zugeschrieben zn werden. 

Hat ja schon Renard' hervorgehoben, wie wichtig es für 
die Annahme kosmischen Ursprunges solcher Eisenkügelchen ist, 
dieselben in ähnlicher Gesellschaft zu finden, wie in den unzwei- 
felhaften Meteorsteinen, was hier ganz und gar nicht der Fall 
wäre. 

Es ist übrigens kein Zweifel, dass die Kugel eben von 
sehr verschiedener Natur sind. Ausser den bereits ange- 
führten gehört hierher noch die Thatsache, dass sie sich keines- 



1 Siehe zu diesem Punkte Lasaulx: „Über sog. kosmischen Staub". 

- A. F. Eenard und John Murray: Les caraeteres microscopiques 
des ceudres volcaniques et des poussieres cosmiques et leur röle dans les 
Sediments de mer profonde. Bull, du Musee Roy. d' hist. nat. d. Belgique. 
Tome III, 1884. 



96 .Schuster. 

weg's alle im gleichen Grade magnetisch erweisen, dass von den 
immagnetischen durch die schwach magnetischen zu den stark 
magnetischen ein förmlicher Übergang existirt, dem ein analoger 
in der Färbung entspricht, vom Gelbroth zum Braunroth, Braun, 
Bläulich und Schwarz, wobei den letzteren der stärkste 
Magnetismus zukommt. 

Von den rothen und braunen Kügelchen, welche keineswegs 
immer amorph, sieh zuweilen (bei günstiger Beleuchtung) mit 
äusserst feinen dreiseitigen Facetten von Krystallflächen bedeckt 
zeigten, die allerdings auf kein Octaeder, sondern auf eine com- 
plicirte Combination hinzudeuten schienen (daher die Kugelform), 
wäre ich geneigt, einige für Spinell oder ein ähnliches Mineral 
zu halten; sie liegen bisweilen mitten in thonig zersetzten 
Silikatresten. ^ 

Zu bemerken ist endlich, dass unter den schwach magnetischen 
Partikeln auch Augitfragmeute und ein bronzefarbiges Mineral, 
vielleicht Magnetkies (als Seltenheit), sich vorfanden. 

Unter den kugelförmigen Gebilden wurden endlich nieren- 
förmig bis traubig vereinigte Aggregate gefunden, die im auffal- 
lenden Lichte die grünlichgelbe Farbe des Markasites besassen. 

U n t e ]• s u c h u n g des Pulvers auf nassem Wege. 

Behandlung mit Säuren. 

Ätzung' mit Salzsäure. 

Bei Zugabe einiger Tropfen von verdünnter Salzsäure fand 
ein (offenbar je nach der zufälligen Mischung des Pulvers) bald 
schwächeres, bald stärkeres Aufbrausen statt; bisweilen war ein 
solches kaum wahrnehmbar. 

Bei Anwendung concentrirter Säure und beim Erwärmen 
erneuerte sich das Aufbrausen nochmals. 

Gänzlich verschwunden waren, soweit sich coustatiren liess, 
nach dieser Operation nur die Carbonate, gewisse Erz- und die 
als Apatit angesprochenen Partikel; die übrigen Bestandtheile 
erschienen in 'höherem oder geringerem Grade verändert, viele 
gänzlich unangegriffen. 



1 Ztisammeiiliaiig der kugelförmigen magnetischen Partikel mit Qnarz- 
und Thonpartikeln ist überhaupt mehrfach zu beobachten gewesen. 



Untersuchung- eines Meteorstaubes. 97 

Die durch Eiseuchlorid gelblich gefärbte Lösung- ergab in 
einem Falle direct, ohne Zuthiin von Schwefelsäure beim Ver- 
dunsten vereinzelte Gypskrystalle. Dies könnte damit in Zusam- 
menhang gebracht werden, dass ein schwefelhaltiger Bestand- 
theil in der Weise zersetzt wurde, dass freie Schwefelsäure 
entstand.^ Gleichzeitig erscheint dadurch bereits die Gegenwart 
von Ca signalisirt. 

Bei Zugabe von Schwefelsäure erfolgte in der That massen- 
hafte Ausscheidung von Kalksulfat in der charakteristischen 
Krystallform und den verschiedensten Zwillingsgestalten des 
Gypses. 

Die Lösung enthielt ausserdem Phosphorsäure und 
Magnesia, von denen die erstere durch molybdänsaures 
Ammon, die letztere durch Chlorammonium, Ammoniak und 
Phosphorsalz nachgewiesen wurde. 

Der Gehalt an Phosphorsäure ist hier wohl grösstentheils 
dem verschwundenen Apatit zuzuschreiben, keinesfalls aber den 
nicht nachweisbaren, und wenn überhaupt, so nur in minimalster 
Menge vorhandenen Eisenkügelchen ; die Magnesia möchte ich 
in diesem Falle weniger auf den Magnesiaglimmer, als auf ein 
Carbonat beziehen. 

So auch das Eisen, das zum Theile wohl von aufgelösten 
Erzpartikeln herrührt und das durch Ferrocyankalium und 
Rhodankalium direct nachgewiesen wurde. 

Die mikroskopische Analyse des Rückstandes der 
-Lösung gab folgende Resultate. 

Wie schon das verschiedenartige Aufbrausen lehrte, liegen 
Carbonate von verschiedener Löslichkeit vor. 

Bei schwächerer Atzung waren nur die farblosen Rhom- 
boederchen gänzlich verschwunden, die blassbläulich und grün- 
lich gefärbten zurückgeblieben, aber in sehr verschiedenem 
Erhaltungszustande. 

Einige hatten die Rhomboederform noch scharf beibehalten, 
andere waren vielfach gerundet. 



^ Unter den oben aufgeführten Bestandtheilen kommt, abgesehen von 
der organischen Substanz, nur dem Pyiit und Magnetkies Schwefelgehalt 
zu. Die Salzsäure war vollkommen rein. 

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XC'III. Bd. I. Abth. < 



98 S c h 11 s t e Y , 

kSolange bloss auf dem Objectglas operivt und das Pulver 
i'iiifacli mit concentrirter Salzsäure überg-ossen und eintrocknen 
gelassen oder selbst vorübergehend erwärmt wurde, fanden sich 
im Rückstande immer noch solche Krystalle; erst bei wieder- 
holter läng'erer Digestion unter gleichzeitiger Erwärmung im 
Platinlöffelchen waren sie sämmtlich verschwuuden. 

Die unmittelbar vorstehenden und vorausgegangenen Bemer- 
kungen mögen die Bestimmung der vorliegenden Carbonate als 
Calcit, eisenhaltigen Dolomit und Magnesit rechtfertigen. 

Von den gefärbten Partikeln erschienen die Thonpartikel 
nicht merklich verändert, im Ganzen nur etwas blasser gefärbt; 
von den bräunlichen Blättchen (Glimmer) waren etliche etwas 
krümlich zersetzt und gelblich gefärbt, die meisten aber intact 
geblieben, einige zeigten deutlichen Dichroismus zwischen gelb 
und rotlibraun. 

Hornblende, Turmalin und Augitpartikel zeigten kaum eine 
Veränderung, auch biäulichgrüne auseinander gebogene, unzersetzt 
gebliebene Chlorittafeln fehlten nicht. 

Daneben waren nun freilich auch grünliche, wie aus winzigen 
Nädelchen zusammengesetzte Faseraggregate, vielleicht halb- 
zersetzte, chloritische Substanzen zu beobachten und auch etwas 
gallertige Substanz (Kieselsäure) hatte sich abgeschieden. 

Der grünlich-gelbe Augit wurde namentlich in Form von 
mikrolithischen Kry ställchen mit 31 — 36° Auslöschungsschiefe 
nachgewiesen, die bisweilen zwillingsartig verwachsen waren. 

(Man beachte und sehe dazu und zum Folgenden auf die 
Tafeln und Tafelerklärung). 

Unter den ungefärbten Partikeln fanden sich ferner lichter 
Glimmer und stark lichtbrechende Substanzen wie 
typischer Zirkon (bisweilen in rhomboederähnlicher Gestalt) und 
Rutil in herzförmigen Zwillingen, bei denen die gegenseitige Nei- 
gung der Hauptaxen zu 59° gemessen wurde; letztere Substanzen 
waren jetzt häufiger und besser zu beobachten als früher. 

Schwächer lichtbrechende ungefärbte Splitter (Quarz und 
Feldspath) waren gleichfalls unverändert geblieben. 

Quarz war vom Feldspath nicht in jedem einzelnen Falle 
zu unterscheiden, da die Quarzsplitter hier meist so klein sind, 
dass sie gleich den Quarzen in einer Porphyrgrundmasse ähnlich 



Uiitersucluuig- eines Meteorstaubes. 99 

polarisiren wie der Feldspath selbst imd eine Untersucbimg- im 
convergenten polarisirteu Lichte kein gutes Eesultat gibt. 

Da aber die grösseren, durch ihre Structur und ihre optischen 
Eigenschaften (Spaltrisse und Auslöschungsschiefe) sich als 
Orthoklas characterisirenden Fragmente stets gleichzeitig 
trüb und fasrig gefunden wurden, während von den durch 
Flüssigkeitseinschlüsse (auch mit spontan beweglicher Libelle), 
durch lebhafte Polarisationsfarben und splittriges Aiissebeu 
gekennzeichneten grösseren Quarzscherben das Gegentheil galt, 
so waren wohl auch von den kleineren Körnchen die wasser- 
klareu vorzugsweise dem Quarz, die trüben hauptsächlich dem 
Feldspath zuzurechnen. 

Isotrope glashelle Partikel der verschiedensten Form, 
ähnlich gewissen Spongiennadelu, sowie den unter den Namen 
Lithostylidium und Lithostomatium, Spongilithis etc. 1. c. von 
Ehreuberg aufgezählten Gebilden fehlten ebenso wenig als die 
unterschiedlichen Diatomeenpanzer, die im Gegentheile, von 
färbenden Substanzen gereinigt, jetzt besser sichtbar waren, als 
sonst. 

Auch schwarze Partikel wurden wieder l)emerkt. 

Viele von den früher vorhandenen Kügelchen und Scheibchen 
waren auch nach der Behandlung mit der Säure wieder zu 
finden ; eine Anzahl derselben hatte die Farbe verloren und 
solche, die früher Aggregatpolarisation gezeigt hatten, zeigten sie 
jetzt nicht mehr; vielleicht, dass diese theil weise verkalkt oder 
schon ursprünglich kalkiger Natur gewesen waren. 

Unter den Kügelchen fielen nur einige, scheinbar ganz voll- 
kommene, metallisch aussehende, besonders auf, weil sie wie mit 
einer glashellen, sehr dünnen Haut umgeben und mit schlauch- 
förmigen Gebilden in Verbindung waren. 

Die organischen Substanzen selbst waren kaum angegriffen. 

Erwähnenswerth ist der Umstand, dass Proben des zuvor 
mit Salzsäure behandelten Pulvers nach dem Glühen viel mehr 
verkohlte Partikel zu enthalten schienen, als beim directen Glühen 
der Substanz für gewöhnlich beobachtet wurden. 

Schwach geglühtes Pulver, nachher mit verdünnter Salzsäure 
behandelt, zeigte anfangs kein Aufbrausen, dagegen an ver- 



100 Schuster. 

schiedeneu Stelleu sofortige Gelbfärbung- durch Eisenchlorid; 
Aufbrausen stellte sich jedoch ein bei erneuter Zugabe von 
concentrirter Salzsäure. 

Ätzung durch Salpetersäure. 

Der Erfolg war im Ganzen ein ähnlicher, wie im vorigen 
Falle, die Wirkung im Allgemeinen kräftiger, namentlich gegen- 
über den im Staube enthaltenen organischen Bestandtheilen, 
indem der grösste Theil dessen, was organischen Ursprunges war, 
nunmehr entfernt oder zerstört schien. 

Während des langsamen Abdampfen« von verdünnter 
Salpetersäure nahm das eingestreute Pulver eine autfallend roth- 
bräunliche Farbe an. In der partiellen Salpetersäuren Lösuug 
wurden wieder Fe, Ca in zienüicher Menge, Mg und P (noch 
deutlicher als früher) nachgewiesen. 

Unter den zurückgebliebenen eckigen Partikeln hebe ich 
hier hervor schwärzlich bis grünlichbraun und gelbbraun durch- 
scheinende dichroitische, theils unangegriffene, theils etwas 
gebleichte Fragmente, von denen erstere auf Hornblende und 
Phlogopit, letztere auf Biotit bezogen wurden, ferner grünliche 
bis farblose, breitere und auch schmälere prismatische Krystall- 
fragmente, von denen einige sehr grosse Auslöschungsschiefe 
(gegen 37°), andere wiederholt circa 12° besassen, wesshalb die 
ersteren mit Augit, die letzteren mit Spaltungsstücken einer 
zweiten, lichteren Hornblende identificirt wurden; von Quarz- 
körnern, Feldspathbruchstücken mit Spaltflächenbegrenzung, 
Thonpartikelu gilt dasselbe wie im vorigen Falle, ebenso von den 
unverändert gebliebenen Blättchen weissen Glimmers und Talkes. 

In Betreff der rundlichen Partikel ist zu erwähnen, dass eine 
Anzahl rother sowohl, als schwarzer Kügelcheu wieder unver- 
ändert sich erhielten, ausserdem aber solche von gelblicher Farbe 
(in traubiger x^ggregation) bemerkt wurden. 

Während erstere durch Glühen nicht entfernt wurden, waren 
letztere in der geglühten Probe des mit Salpetersäure bebandelten 
Pulvers spurlos verschwunden. 

Es sind auch sonst noch Anhaltspunkte geboten für die Ansicht, 
dass dieselben von' Schwefelkies herrührten, welcher in der Sal- 
petersäure unter Abscheidung von Schwefel gelöst worden war. 



Uutersuclumg eines Meteorst;iubes. 101 

Hinsichtlich der Natur der erstgenannten Kligelchen ist 
folgende Beobachtung von Wichtigkeit, welche zugleich zeigt, 
dass manche davon nur scheinbare Kugelform besitzen. 

Eine grössere schwarzbraune Kugel zeigte sich bei günstiger 
Beleuchtung im auffallenden Lichte bei starker Vergrösserung 
von einer Unzahl Krystallfacetteu bedeckt, welche einen aus- 
geprägt tesseralen Charakter trugen und sofort an eine reich- 
haltige Spinell- oder Granatcombination erinnerten, etwa mit 
Leucitoeder-, Rhombendodekaeder-, Würfelflächen, aber auch 
Oktaederflächen. 

Da letztere nicht zu fehlen schienen, so wäre ich geneigt, 
in diesem speciellen Falle eher an einen Spinell (Pleonast zum 
Beispiele, von dem so reiche Combinationen längst bekannt sind) 
als an einen Granat zu denken. 

Typischer Zirkon und auch Anatas wurden wiederbemerkt. 

Das mit Salpetersäure behandelte Pulver nahm nach ein- 
stündigem Glühen eine viel röthere Farbe an als sonst, und zwar 
waren namentlich die jetzt viel deutlicher hervortretenden Thon- 
partikel, sowie die bräunlichen Hornbleudefragmente nun roth- 
braun geworden. 

Unter den Kügelchen waren viele, die im auffallenden Lichte 
dunkelroth, im durchgehenden vollkommen schwarz erschienen. 
Auch Partikel von ähnlicher Färbung, aber polygonalem (bisweilen 
hexagonaiem) Umriss wurden beobachtet. 

Die früher nur im polarisirten Lichte unterscheidbareu, 
schwächer lichtbrechenden, farblosen Partikel erschienen nun mit 
dunklen Pünktchen wie bestreut, wodurch ihre Umrisse sich viel 
deutlicher vom Untergründe abhoben. 

ÄtzuMg durch Schwefelsäure. 

Proben des Pulvers, mit Schwefelsäure erhitzt, wurden vor- 
übergehend schwarz. 

Die Schwärze (herrührend von organischer Substanz) liess 
sich über offener Flamme leicht verjagen, das zurückgebliebene 
Pulver war röthlichbraun, enthielt wohl keine organische 
Substanz mehr, aber noch immer Partikel organischen Ursprunges. 
Der Biotit war sehr stark gebleicht (und bei Anwendung von 
concentrirter Säure und nach längerem Kochen) vollständig 



102 Schuster, 

entfernt worden, respective ein blosses Kieselskelett zurück- 
geblieben. Darin schienen jetzt mikrolitbisclie Einschlüsse her- 
vorzutreten, die im Aussehen unter anderem mit Rutil und Augit- 
nadeln übereinstimmten. Der bläulichgrüne Chlorit war gänzlich 
verschwunden. 

Dagegen lehrt auch diesmal die Beobachtung, dass zweierlei 
braun gefärbte Glimmer, von verschiedener Widerstandsfähigkeit 
gegen die Säure neben einander vorhanden seien. Die Thon- 
partikel zeigen deutliche Spuren von Zersetzung, gallertige 
Substanz ist reichlicher zu bemerken als in den früheren Fällen. 

Zirkon erscheint bei schwacher Atzung auf dem Objectträger 
gerundet, bei stärkerer ist er verschwunden; der Rutil aber 
zurückgeblieben, ebenso der Anatas. 

Die jetzt durch Zusammenschmelzen des Pulvers gebildete 
Schlacke war von der direct erhaltenen nicht sehr verschieden. 

Aus der schwefelsauren Lösung schieden sich beim Ver- 
dunsten reichliche Gypskrystalle aus. 

Das zuerst geglühte, dann mit Schwefelsäure behandelte 
Pulver zeigte in vieler Hinsicht eine auffallende Ähnlichkeit mit 
gewissen rothen Thonen von Siena, namentlich durch den Reich- 
thum an krümlichen bräunlich-gelben, im auifallenden Lichte 
orange- bis ziegelrothen, Partikeln und Kügelchen. 

Diatomeen und ähnliche Gebilde entschieden organischen 
Ursprunges enthielten bisweilen rothe Massen von kugelicher 
Gestalt, die wie zusammengesintert aussehen. Vollkommen 
scharfe, blasse Kugeln erschienen andererseits augefüllt mit 
krümlichcm Inhalt. 

Wie im vorigen Falle ist theilw^eise Zersetzung der Silicate 
und Abscheidung von Kieselsäure eingetreten, Bemerkenswerth 
ist das häufigere Hervortreten von Augitmikrolithen (zum Theile 
in Zwillingen), wie man sie in Glimmer zuweilen eingeschlossen 
findet, von Anatas- und Spinellkrystallen und Körnern, letztere 
bisweilen von bläulichschwarzer Farbe und splittrigeni Aussehen. 

Beh.an(lluug mit Flusssäure. 

Das Pulver wurde auf einem mit Canadabalsam überzogenen 
Objectglase mit Flusssänre wiederholt befeuchtet. 



Unter SU chuii.g' eines Meteorstaubes. 103 

Nach einem Tage hatten sich reichlich spiessige Kiystalle von 
Kieselfluorcalcium, Oktaeder und Würfel von Kieselfluorkalinm 
und viele Rhomboeder von Kieselfluormagnesium abgeschieden. 
In kriimlicher Form erschien Kieselfluoraluminium. Natrium, 
wahrscheinlich in geringer Menge gleichfalls vorhanden, konnte 
nicht unzweifelhaft erkannt werden. 

Aufschliessiing durch Flusssäure unter Zusatz von 
Schwefelsäure wurde im Platinschälchen vorgenommen. 

Bei unvollkommener Aufschliessung fanden sich im Eück- 
stand ausser Fasern organischer Natur, verkohlten Substanzen, 
noch Splitter, die wie Glas- oder Quarzscherbeu aussehen und 
stark lichtbrechende Substanzen wie Anatas, Zirkon und Rutil 
und endlich Spinellkörnchen. 

Zur vollständigen Aufschliessung wurden Proben des Pulvers 
wiederholt mit Flusssäure übergössen und jedesmal laugsam zur 
Trockene eingedampft, dann mehrmals verdünnte Schwefelsäure 
zugegeben und diese immer wieder, zuletzt aber nur unvollständig 
abgeraucht. 

Bei Zusatz von Schwefelsäure in der Hitze trat etwas Ver- 
kohlung ein. 

Es wurde der Zusatz von Schwefelsäure fortgesetzt, bis eine 
weitere Schwärzung nicht stattfand. 

Die kohligen und flüchtigen Substanzen, welche zunächst an 
den oberen Rand des PlatinlöfPelchens überdestillirten, wurden 
schliesslich über offener Flamme vollkommen verjagt. 

Der Rückstand war diesmal fast Null, Ausgenommen ein 
Turmalinsäulcheu, vereinzelte Rutilnädelchen (knieförmige Zwil- 
linge) und Spinell waren nur Gypskrystalle, schief auslöschend 
mit rhomboidischen Umrissen, und gerade auslöscheudeNädelchen 
rhombischer Sulfate in der eintrocknenden Lösung zu beobachten. 

Bei Zugabe von HCl entstanden an Stelle der sich trübenden 
Gypskrystalle büschelige Nadelaggregate von Anhydrit. 

In der klaren Lösung, welche nach der Aufschliessung 
erhalten worden war, wurde durch Chlorammonium, Ammoniak 
und Phosphorsalz reichlich Magnesia, sowie K durch Platin- 
chlorid in der Form von Würfeln mit Rhombendodekaedern und 
Oktaedern und selbständigen Oktaedern nachgewiesen. Der 
Versuch Na nachzuweisen, blieb ohne Erfol«:. 



104 Schuster, 

Die .Schmelze des Pulvers wurde von Kieselfluor- 
wasserstoffsüure nur tlieihveise ang-egriffeu. Am zahlreicbsteu 
entstanden diesmal regelmässige und verzerrte, ziemlicli grosse 
Ebomboeder der Magnesium Verbindung, daneben aber auch 
wieder die eigentbümlicb weekenartigen Formen der Calci um- 
und die scharfen und regelmässigen der Kalium Verbindung, 
Kräftiger war die gleichzeitige Einwirkung von Flusssäure und 
Kieselfluorwasserstoffsäure, das Endresultat aber im Ganzen 
dasselbe. 

Bei Behandlung der Schmelze mit Flusssäure und 
Schwefelsäure im Platinlöffelchen blieben nach längerer Ein- 
wirkung des Gremisches unter gleichzeitiger Erwärmung nur sehr 
wenig Mineralpartikel uuzersetzt zurück. 

Beim Verdunsten der Lösung schieden sich natürlich wieder 
Gypskrystalle und bündeiförmige, spiessige Krystalle rhom- 
bischer Sulfate ab. 

Aufschliessung durch kohlensaures Natron wurde 
auf dem Deckel eines Platintiegels vorgenommen. Die Probe 
wurde mit einer entsprechenden Menge wasserfreien kohlensauren 
Natrons während einer halben Stunde zusammengeschmolzen. 

Die erhaltene Schmelze, welche, vermuthlich von aus- 
geschiedener Seh wef eil eher, stellenweise etwas bräunlich 
gefärbt erschien, wurde nach dem Aufweichen mit Wasser 
durch verdünnte HCl aufgenommen. 

Beim Eintrocknen eines Theiles dieser Lösung schieden sich 
in der That vereinzelte Gypskrystalle ab, was die vorstehende 
Beobachtung zu bestätigen schien. 

Die Schmelze hatte sich zunächst vollkommen gelöst bis auf 
Flocken und Körnchen von Kieselsäure, die darin herum- 
schwammen und Fuchsinlösung festhielten. In dem klaren Theile 
der Lösung wurden nebst Kalk, Eisen etc. (wie früher) jetzt 
noch Aluminium (durch Cäsiumchlorid) in reichlicher Menge 
direct nachgewiesen. 

Schlussbetrachtungen. Vergleich mit anderen Staub- 

fuuden. 
Nächst der Zusammensetzung beansprucht wohl die Frage 
nach der Herkunft der Bestandthcile das meiste Interesse. 



Untersiichuug- eines Metoorstaubes. 105 

im Folgeudeu sollen jene Punkte kurz zusammengestellt 
werden, welche in dieser Beziehung Beachtung zu verdienen 
scheinen. 

1. Über den terrestrischen Ursprung des vorliegenden 
Staubes kann, wie oben liervorgehoben wurde, kaum ein Zweifel 
bestehen. 

Dazu ist Folgendes in Erinnerung zu bringen: In der ersten 
Zeit, wo man anfing, derartigen Staubfällen melir Beachtung zu 
schenken, brachte man bekanntlich dieselben mit echten 
Meteoritenfällen in Zusammenhang und Arago gab der Meinung 
Ausdruck, dass zwischen ihnen und den letzteren kein wesent- 
licher Unterschied bestehe, eine Meinung von der man jedoch 
bald zurückgekommen ist. 

Man fand nämlich, dass die verschiedenen aus der Atmo- 
sphäre niedergefallenen Staubmassen, von zahlreichen pflanzlichen 
und anderen organischen Resten abgesehen, fast ihrer ganzen 
Masse nach aus Mineralpartikeln bestehen, die eine Deutung als 
Detritus mehr oder weniger naheliegender Gesteine sehr wohl 
zulassen, also mindestens v o r w i e g e u d terrestrischen Ur- 
sprunges sind. 

A. V. Lasaul X, welcher in seinem citirten Aufsatze „Über 
sogenannten kosmischen Staub-'' die Resultate früherer Beob- 
achter übersichtlich zusammengefasst hat und auch eine Reihe 
eigener Beobachtungen über Staubfunde von Grönland, Catania 
und Kiel mitthcilte, gelangt schliesslich sogar dahin, die atmo- 
sphärischen Staube lediglich für terrestrischen Detritus zu 
erklären. 

Nach ihm sind es nach den Gegenden, in denen die Staube 
niederfallen, verschieden zusammengesetzte Mineralgeuienge, 
in denen allen der Quarz, das der Verwitterung am besten und 
längsten widerstehende Mineral, eine Hauptrolle spielt, und in 
denen immer neben organischer Substanz Magneteisen oder 
verwandte Eisenverbiudungen und endlich metallisches Eisen 
sich vorfinden. 

Der Gehalt an metallischem Eisen war es hauptsächlich, den 
man als für solche Staubfälle charakteristisch ansah und den man, 



1 UI. Bd. von Tschermak's Mineral, u. petrogr. Mittheil. 1881, 
pag. 517. 



106 Schuster. 

wenn nicht ausscliliesslicli, doch wesentlich auf kosmischen 
Ursprung' zurückführte. 

So unter anderen Beobachtern Taechini^^ welcher im 
Staube, den die Cyklone vom 24. Februar 1879 nach Palermo, 
Neapel und Termini brachte, sehr kleine (0*001 — 0-041 Mm.) 
schwarze Kügelchen wahrnahm, die ihm die chemischen 
Eeactioncn metallischen Eisens gaben. 

Ähnliche Resultate erhielten Meunier und Tissandier 
(Comptes rendus, 18. Februar 1878) die, ebenso wie Silvestri 
in seiner zweiten Abhandlung über den Staub von Catania vom 
29.-30. März (Academia dci Lincei, 2. Mai 1880) das Vorhanden- 
sein von Kügelchen metallischen Eisens und gleichzeitig Mckel- 
und Phosphorgehalt nachwiesen.^ 

Hinsichtlich des vorliegenden Staubes wurde nun schon 
früher ausführlicher auseinandergesetzt, dass derselbe zwar 
gleichfalls magnetische Kügelchen enthalte, die, was Grössen- 
verhcältnisse und Aussehen betrifft, beispielsweise mit der 
Beschreibung, welche Silvestri von jenen Gebilden gibt, voll- 
kommen übereinstimmen, das chemische Verhalten metallischen 
Eisens aber durchaus nicht zeigen. 

Ich habe ferner gleichzeitig darauf aufmerksam gemacht, 
dass bei der durch andere Gründe wahrscheinlich gemachten 
Vererzung gewisser Partikel organischer Natur auch das thatsäch- 
liche Vorkommen metallischer Eisenkügelchen noch nicht noth- 
wendiger AVeise kosmischen Ursprung in sich schliessen müsste, 
sondern, ähnlich, wie dies Lasaulx^ thut, auf andere Weise 
erklärt werden k(5nnte. 

Dazu kommt endlich, dass hier auch von unmetallischen, 
mineralischen Partikeln entschieden meteorischen Ursprunges 
nichts zu beobachten war, obwohl jene, wieLasaulxhervorhob, in 

1 M. Tacchini, 8ur des partieiihss lernigineiises obsevves claus la 
poussiere ameuee par uu coup de veut de Sirocco en divers points de 
l'Italie. C. E. 1879, 1. semestre T. LXXXVIII, Nro. 11. 

- Nachdem zuerst Nordeuskiökl 1874 unter ähnlichen Verhältnissen 
Nickel- und Kobaltgehalt aufgefunden hatte. 

•' L. c. pag. 53l,wo eine Anzahl von den bisher constatirten Vorkomm- 
nissen gediegenen terrestrischen Eisens aufgezählt werden, die, wie er sagt, 
allerdings nur spärlich, aber gerade solche siiul, welche die in den Stauben 
vorhandene Association mit organischer Substanz zu erklären vermögen. 



Untci'suchniig eines Meteorstaubes. 107 

dem Miueralgemeug-e der meisten echten Meteoriten das Eisen au 
Häufigkeit übertreifen und daher auch im Meteorstaube von 
vorneherein in grösserer Menge zu erwarten wären als dieses 
selbst, so beispielsweise nichts von jenen höchst interessanten 
von A. Renard* beschriebenen und abgebildeten Enstatit- 
Chondren, in deren Gesellschaft sich die aus den Sedimenten des 
Meeresgrundes von der Challenger-Expedition gesammelten, mit 
einem metallischen Eisenkerne und einer Hülle von Magnetit 
versehenen magnetischen Kügelchen vorfanden. 

2. Es ist der Umstand /u berücksichtigen, dass Klagenfurt, 
also der Ort, wo der in Rede stehende Staub niedergefallen ist, 
(hauptsächlich im W, N, und 0) von krystallinischen Gebirgen 
und zwar Schiefern der Primärformation umgeben ist, während 
(im S und SO) auch Granite, bei Kappel und im Bacher- Gebirge, 
nicht weit entfernt liegen und (hauptsächlich im S) Dolomite und 
Kalkberge in der Umgebung ebenso wenig fehlen, so zw^ar, dass 
das Material, welches den mineralogischen Bestand des auf- 
gesammelten Schlammregens ausmachte, ganz in der Nähe 
wiedergefunden werden könnte. 

Diese Thatsache gewinnt dadurch einige Bedeutung, dass 
in letzter Zeit von verschiedenen Forschern, die sieh mit dem 
Gegenstande beschäftigten, der Nachweis geführt wmrde, dass 
die sogenannten atmosphärischen Staube keineswegs noth- 
wendigerweise aus grosser Ferne herstammen müssen, sondern 
auch in der Nähe des Fallortes ihren Ursprung haben können. 

Dagegen würde sicli dieselbe Thatsache freilich unter einem 
anderen Gesichtspunkte darstellen lassen, sobald dargethan 
werden könnte, dass auch andere Staubfimde, w^elche um dieselbe 
Zeit in anderen z. B. weit südlicheren Gegenden gemacht wnirden, 
im Wesentlichen die gleiche Zusammensetzung zeigen. 

Von dem vorjährigen Staubfalle standen mir solche Beispiele 
zwar nicht zu Gebote, jedoch wurde mir vom Herrn Hofrath 
Tschermak eine Staubprobe mit der Etiquette: „Meteorstaub 
von Fiume, Winter 1878/79" zur Verfügung gestellt, welche 
obigen Satz bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich macht. 



1 Bulletin du Musee Eoyal d' histoire naturelle de Belgique,t. III, 1884, 
IL partie, pag. 21 d. Separatabdruckes. Ebenda pag. 22 wird im Gegensatze 
dazu ein rein terrestrischer Staub vom Gipfel des Ben Nevis besprochen. 



108 Scliustüi-, 

Nacli der im Eingänge dieser Arbeit reprodueirten Notiz des 
Herrn F. Seeland bat nämlicb der vorjäbrige Scblammregen 
(vom 14. October) in Kbig-enfurt im Februar 1879 bereits seinen 
Voiläufer gebabt. 

Seeland schreibt darüber: „Es ist derselbe Staub, welchen 
uns am 25. Februar 1879 ein SE.-Sturm über Lesina herauf, wo 
er auch beobachtet wurde, nach Klagenf'urt brachte und welcher 
damals den massenhaft fallenden Schnee roth färbte." 

Es ist wahrscheinlich, dass die unter der Etiquette „Fiume" 
mir übergebene Probe mit dem eben citirten Staubfalle aus dem 
Jahre 1879 in Verbindung- steht, und dass der betreffende Staub 
somit eigentlich ein dem hier ausführlich beschriebenen analoges 
aber in südlicheren Gegenden uiedergefallenesVorkommeu betrifft. 

Als mir die erwähnte Staubprobe zukam, hatte ich die vor- 
stehenden Untersuchungen bereits abgeschlossen; ich habe die- 
selbe daher nicht eingehender geprüft. 

Indessen genügte schon eine flüchtige mikroskopische 
Analyse von Canadabalsampräparaten, um zu dem bemerkeus- 
werthen Resultate zu gelangen, dass der Staub von Fiume alle jene 
Mineralpartikel wieder enthalte, welche als Hauptbestandtheile 
im Klagenfurter Staube sich vorfanden, so die Carbonatrhom- 
boSder, Glimmerarten, Quarz- und Thoni)artikel. 

Als Unterschied wäre bloss Folgendes hervorzuheben. 

Während in dem Klagenfurter Staube die einzelnen Partikel 
in den Grösseuverhältnissen nach oben und unten hin meist eine 
gewisse mittlere Grenze einhalten, erscheinen hier in jener 
Hauptmasse von Bestandtheilen bestimmter Grösse, welche, für 
sich betrachtet, in ihrem Gesammteindrucke dem erstgenannten 
Staube ungemein ähnlich sieht, einerseits sehr feiner Mulm, 
andererseits ziemlich grobe Fragmente z. B. Gesteinsbrocken, 
grössere Quarzsplitter mit reichlichen Flüssigkeitseinschlüssen, 
Bruchstücke von Muschelschalen etc. und eine viel grössere 
Menge organischer Reste, theils thierischen Ursprungs (z. B_ 
thierische Haare) und verkohlte Substanzen eingestreut. 

Die Klagenfurter Staubproben sehen dem gegenüber fast 
wie gesiebt oder gcsclilämnit aus. 

Es ist leicht möglich, dass der Grund davon in der Art der 
Aufsammlung liegt, welche in Fiume vielleicht nicht mit der 



Uiitersiichiiug eines Meteorstaubes. 109 

gleichen Sorgfalt geschah, so dass mehr Localstaub dazu kam 
und dass aucli der grössere Wechsel des Kornes, sowie die 
Mannigfaltigkeit und Ungleichheit der Mischung zum Theile 
darauf zurückzuführen ist. 

Was die darin enthaltenen Diatomeenreste betrifft, so ist zu 
bemerken, dass zwar viele Arten beiden gemeinsam zukommeu, 
dass aber der Fiumer Staub an solchen noch weit reicher sein 
dürfte als der früher genannte^ und dass gewisse Gattungen wie 
Navicula und Synedra darin in grösserer Häufigkeit vorhanden 
sind, während sie umgekehrt in jenem eine untergeordnetere 
Rolle spielten. 

3. Man wird aus dem Gesagten bereits entnehmen können, 
dass gerade die mineralischen Hauptbestandtheile des Klagen- 
furter Staubes an und für sich zum Mindesten zu wenig charak- 
teristisch sind, um sich zur Entscheidung zu eignen, ob das 
Staubmaterial aus der Cmgegend entnommen wurde oder nicht 
und dass die Beachtung der organischen Reste darüber vielleicht 
eher Aufschluss zu geben vermöchte. 

Von entscheidender Wichtigkeit wäre wohl die unzweifelhafte 
Constatirung von Meeresformen unter den hierher gehörigen 
Gebilden. 

Nach dem vergleichenden Studium der von Ehrenberg 
gelieferten Abbildungen scheint mir das Vorkommen von solchen 
sehr Avahrscheinlich, in jedem Falle aber ein sehr untergeordnetes 
zu sein; ich muss mich jedoch begnügen, die Aufmerksamkeit 
der Fachgelehrten auf diesen Punkt zu lenken. 

4. Da der Wind, welcher die beiden soeben besprochenen 
Staubregen brachte, aus dem Süden kam, so drängt sich anderer- 
seits gleichzeitig die weitere Frage auf, ob nicht etwa allen von 
Süden kommenden und von dort her über Europa sich aus 
breitenden Stauben gewisse Hauptbestandtheile gemein seien. 

Wenn wir die von Silvestri wiederholt untersuchten von 
Catania und jene Reihe von Passatstauben und Blutregen in 
Betracht ziehen, mit denen E hrenb er g sich seinerzeit so ein- 
gehend beschäftigte, so scheint dies bis zu einem gewissen Grade 
thatsächlich der Fall zu sein. 

Den Aufzeichnungen Silvestri's. welche durch Las au Ix 
1. c. etwas ergänzt wurden, entnehme ich nochmals Folgendes; 



110 Schuster, 

Das betreffende Pulver zeigte bei BeliaiuUimg- mit Säuren 
lebhaftes Aufbiausen, worauf ein unlöslicher gelblichbrauner 
Rückstand blieb (wie in unserem Falle). Im Staube A'om März 
1872 blieben vier Fünftel von Säure unangegriffen; das letzte 
Fünftel bestand zur Hälfte aus Kalkcarbonat, zur andern aus 
durch Hitze zerstörbarer, organischer Materie. 

(In unserem Falle scheint wohl der Kalkgehalt grösser, die 
Menge der verbrennlichen Substanz eher etwas geringer zu sein.) 

Im Staube von 1880 wurden 257o lösliche und 75% unlösliche 
Substanz unterschieden. In der Lösung wurden Kalk und Eisen 
(mit einer Spur von Nickel) und (0 -14570) Phospliorsäure nach- 
gewiesen. 

(In unserem Falle auch noch reichlich Magnesia, aber kein 
Nickel.) 

Silvestri erwähnt auch glitzernde Glimmerpartikel, die 
Lasaulx nicht anführt. 

Nach beiden bilden Thonpartikel (und Quarz) sowohl der 
Zahl als Grösse nach im unlöslichen Theil den weitaus über- 
wiegenden Bestandtheil. 

Von den schwarzen Kügelclien, welche von Silvestri nach 
den chemischen Reactionen zum Theile für metallisches Eisen 
gehalten wurden, war bereits vorhin die Rede. 

Lasaulx gibt an, dass sie sich grösstentheils wie Magnetit 
verhalten, bisweilen nierförmig sind und mit Thon- oder Quarz- 
partikeln zusammenhängen, und dass die eisenhaltigen schwarzen 
Partikel höchstens 2 — 3% ausmachen. 

Endlich erkannte Lasaulx noch das Vorhandensein von 
Gyps und im Gegensatze zu Silvestri vereinzelte ätnaische 
Bestandtheile, wie Plagioklas und Olivin, während Mikroklin auf 
die Umgegend von Messina bezogen wurde. 

Was die Organismen und Organismenreste aus dem März- 
regen von 1872 betrifft, so wurden deren eine ziemliche Mannig- 
faltigkeit aufgeführt und zum Theile auf zwei Tafeln abgebildet, 
und zwar von verbrennlicher Substanz: Epidermisfragmente, 
Gewebefragmente, Zellmembranen, Conferventheile, Haare, Stern- 
haare, kleine Fructificationsorgaue, so Pilzsporen; endlich noch 
Diatomeen und Infusorien. 



üutersuehniig- eines i[eteorstaul)es. 111 

Infusorien wurden in unserem Staube nicht gefunden (auch 
der Versuch einer Wassercultur hatte keinen Erfolg); auch 
fehlten die (dort vorhandenen) groben Fragmente pflanzlichen 
Ursprunges, wie grosse PoUenkörner und Sternhaare; letztere 
waren jedoch im Fiumaner Staube vertreten gewesen. 

Andererseits enthielt auch der Staub von Catania wieder 
Gallionellen, Discopleen, Synedra, Navicula etc. 

Kurz, im Ganzen kann man sagen, dass, bis auf locale 
Beimengungen, wozu im Staube von Catania insbesondere der 
echt sicilianische Gyps, sowie in Betreff der Organismenreste 
beispielsweise die sternförmigen Schüppchen von der Blatt- 
unterseite des Ölbaumes gehören und denen im Staube von 
Klagenfurt etwa die grössere Menge von Carbonaten überhaupt, 
das Vorhandensein von Magnesiacarbon at insbesondere und 
namentlich das Vorwalten der Magnesiaglimmer gegenüber- 
gestellt werden könnte, beiderlei Vorkommnisse in ihrer Zu- 
sammensetzung nicht wesentlich verschieden seien. — Ähnlich 
verhält es sich auch mit den Forschungen Ehrenbergs. 

Gleich anfangs (in seineml849 erschienenen Werke, welches 
mir zur Hand ist) richtet er die Aufmerksamkeit auf die 
auffallende, allen Meteorstauben eigenthümliche, vom Eisengehalt 
herrührende stets gelbe und löthliche Farbe. 

Seine Mittheilungen über die Partikel mineralischer Natur 
sind, wie erwähnt, weniger ausführlich als die über die 
Organismenreste. 

Als Resultat der chemischen Untersuchung- gibt er an: 

Kieselerde, kohlensaure Kalkerde undKohle (welche sich zum 
Theile schon durch das Vorhandensein organischer Materie 
erklären), Thonerde, Eiseuoxyd, Manganoxyd, Talkerde, Kali, 
Xatron, Kupferoxyd, Wasser und organische (verbrennbare) 
Materie. 

Als Resultat der mikroskopischen Analyse: Quarzsand, 
feinerer, gelblicher oder röthlicher Mulm, überaus feinkörniger 
Staub, welcher der Gallionella fernigineu zugeschrieben wird, 
und dazwischen zahlreiche organische Formen und Fragmente, 
ferner vereinzelt fast immer Bimsteinfragmente, grüne Krystall- 
prismen und zwar durchsichtige, im Wasser nicht, in Säuren 
schwer lösliche, meist sehr kleine, lauchgrüne, im auffallenden 



112 .Schuster, 

Lichte dunkler gefärbte Pyroxen- und Hornblendekrystalle leb- 
haft bräunliche, rothe bis hyacinthrothe Säiilchen mit unausgebil- 
deten Enden, welche alle auf die eingreifende, die Mischung- 
etwas verändernde Thätigkeit der Yulcane (Beimengung vul- 
canischer Aschen und Tuffe) zurückgeführt wurden, endlich fast 
stets einzelne weisse, in Salzsäure schnell auf lösliche Kalk- 
krystalle. 

Wenn man diese Angaben in Betracht zieht, und damit die 
Abbildungen vergleicht, welche er (zum Theile in Totalansichten 
der Staubproben), von den beobachteten Mineralpartikeln auf seinen 
zahlreichen Tafeln gibt, so scheint daraus mit grosser Wahrschein- 
lichkeit hervorzugehen, dass auch hier Quarzpartikel, Thon- 
partikel, Glimmer (nach den Abbildungen, obwohl nirgends 
erwähnt) und Carbonatkryställchen (wovon die grünlichen ver- 
muthlich verkannt wurden) eine Hauptrolle spielen, dass Horn- 
blende und Augit nur unterg;eordnet auftreten, aber auch Zirkon- 
krystalle und Turmalinnädelchen ihm aufgefallen sind. 

Die Orgauismenreste werden dort aufgeführt als Polygastern^ 
Phytolitharien, Polycystineu, Polythalamien und weiche Pflanzen- 
theile, zusammen in 320 Arten. 

Viele davon, namentlich von den weichen (verbrennlichen) 
Pflauzentheilen, wie grosse Sternhaare, Pinuspollen, ebenso wie 
andererseits Schmetterling-sschuppen, Spongiennadeln u. s. w. 
fehlen unserem Staube allerdings. 

Schon oben wurde jedoch darauf hingewiesen, dass zwischen 
den Diatomeenresten, welche Ehrenberg aus so zahlreichen atlan- 
tischen und europäischen Meteorstauben beschrieben hat und den 
hier-beobachteten eine mehr oder minder grosse, jedenfalls aber 
eine generelle Ähnlichkeit besteht, insoferne zwar viele davon 
fehlen, doch (wie die beigegebenen Tafeln zeigen sollen) 
wenigstens alle Hauptgattungen auch hier ihren Vertreter 
gefunden haben. 

5. Indem ich schliesslich die Möglichkeit im Auge behalte, 
dass der Ursprung des im Vorjahre in Klagenfurt niedergegan- 
genen Schlammregens entweder ganz oder vorzugsweise in der 
Ferne zu suchen sei, will ich noch einen Augenblick dabei 
verweilen, die Gründe zu untersuchen, welche für und gegen 
die von Herrn F. Seeland ausgesprochene Vermuthung geltend 



Untersuchung eines Meteorstaabes. 113 

gemacht werden könnten, wonach die Wüste Sahara als die 
eigentliche Heimath des hier zur Untersuchung gelangten Staubes 
anzusehen sei. 

Bei der soeben erörterten Ähnlichkeit und den mehrfachen 
Beziehungen, welche zwischen der Zusammensetzung dieses 
Staubes und derjenigen der sicilianischen und der Passat-Staube 
überhaupt bestehen, wird es wichtig sein, vor allem das Urtheil 
zu berücksichtigen, welches nebst anderen Forschern Silvestri* 
und Ehrenberg über diesen Punkt sich gebildet haben. 

Die Ansicht, dass alle die rothenSchlammregen^welche Föhn 
und Sirocco gelegentlich bringen, in der Wüste Sahara ihren 
gemeinsamen Ausgangspunkt haben, wurde bekanntlich schon 
früher ausgesprochen und namentlich von Desor (inNeuchatel) 
Escher und Mas so n (in Zürich) und Wild (in Petersburg) 
vertreten, welche den Föhn der Alpen als dem Sirocco Italiens 
correspondirend ansahen. 

H. Tarry hat in der Pariser Akademie (9. März 1870) eine 
förmliche Theorie entwickelt, welche die (in Europa besonders 
häufig zu gewissen Zeiten des Jahres, wie Februar und März, 
stattfindende) Bildung von Cyclonen betriift, die einerseits die 
Äquatorialgegenden von Amerika mit dem Norden Europas und 
anderseits die nördlichen Gegenden von Europa und das 
tropische Afrika in Verbindung setzen und von da, nachdem sie 
eine grosse Menge des in den höhereu Luftschichten über der 
Sahara enthaltenen, fein vertheilten Staubes mit sich fort- 
geuommen, als Südwinde über Italien nach Europa zurück- 
kehren. 

Im Gegensätze dazu befindet sich Dove (Berlin), welcher in 
seinen Untersuchungen über den Föhn der Schweiz zu beweisen 
suchte, dass derselbe dem Sirocco Italiens nicht entspricht und 
welcher überdies der Meinung entgegentrat, dass der Sirocco 
selbst immer afrikanischen Ursprunges sei; er ist geneigt, die 
Provenienz der im Europa fallenden Staube in noch weiterer 



1 Silvestri hat pag. 146 — 151 in seinem oben erwähnten Aufsatze 
Ricerche chimico-micrografiche sopra le Piogge rosse e le Polveri meteo- 
riche dalla Sicilia in occasione di grandi burrasche atmosferiche. Atti Acc. 
Gioen. Catania vol. XII, mit der Discussion dieser Frage sich eingehender 
beschäftigt. 

Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. XCIII. Bd. I. Abth. 8 



114 Schuster, 

Ferne, etwa in Amerika zu suchen, wodurch er sich einer Ansicht 
anschliesst, die Ehrenberg l.c.bezüglich der Passatstaube gleich- 
falls ausspricht. 

Auch Silvestri hob hervor, dass aus der Zusammensetzung 
der von ihm untersuchten und analoger Staube für die Herkunft 
des Materiales aus der Sahara nicht nur kein directer Anhalts- 
punkt sich ergab, sondern dass bei früherer Gelegenheit einer 
direct aus der Sahara stammenden Düne Egyptens entnommene 
Sandproben sich von ersteren sogar wesentlich verschieden 
erwiesen. 

Die 1. c. von ihm aufgeführte Analyse eines Saharastaubes, 
welcher OT^^, kieselige Partikel, 87o Kalkpartikel, etwas Chlor- 
natrium, organische Materie hingegen in so geringer Menge 
enthielt, dass diese nur unter dem Mikroskope sichtbar wurde 
(O'SYo); 'Stellt weder mit den von ihm untersuchten noch mit dem 
in vorliegender Arbeit besprochenen Staube im Einklänge. 

Bemerkens werth ist die Angabe, dass dieser Saharastaub 
eine röthlieh gelbe Farbe besitzt, was nach Ehrenberg als durch- 
aus locale Erscheinung aufgefasst werden müsste, 

Ehrenberg stellt vielmehr bei seinen gegen die Herleitung 
der Passatstaube aus der afrikanischen Wüste gerichteten Ein- 
würfen die Thatsache obenan, dass er in der Sahara des östlichen 
Nordafrika selbst Jahre lang nur blendend weisse Sand- 
oberflächen von Kreidekalk und Dünensand zu beobachten 
Gelegenheit fand, den feinen Staub des Chamsin stets grau, nie 
orangefarben sah, was auch andere Reisende berichteten. 

Er schreibt 1847: Es gibt im Innern Afrikas keinen Passat- 
wind und rothstaubige Oberflächen, welche den Passatstaub 
liefern könnten. Der Sand der Sahara ist weiss und grau, der 
Nebelstaub des Passates zimmtfarben. 

Er betont ferner den Umstand, dass bekannte afrikanische 
Charakterformen unter den Diatomeen und sonstigen Organismen- 
resten nicht vorkommen und dass die grosse Mehrzahl der 
Formen in mehreren Weltthcilen , auch in Europa gefunden 
werden, wogegen er 1. c. pag. 166 echt amerikanische Formen 
aufzuzählen vermag. 

Es führt aus, dass Sirocco und Föhn dieselben Formen und 
Mischungen des atlantischen Passatstaubes tragen, dessen Zusam- 



üntersucliimg' eiues Meteorstaubes. llö 

mensetzung vom atlantischen Meere bis Tirol und Salzburg- sich 
in Farbe und den grössten Einzelnheiten der Mischung gleichen. 
So gelangt er schliesslich zur Ansicht, dass ein Staubnebel- 
strom existire, der durch tausendjährige fortwährende Mischung 
gleichartig geworden sei und seinen Hauptsitz in der Gegend 
der Westküste Afrikas über dem atlantischen Meere habe. 

Die Resultate dieser allgemeinen, später fortgesetzten 
Forschungen Ehrenbergs haben in den Specialuntersuchungen 
Cramers (Zürich) über, bei verschiedener Gelegenheit in der 
Schweiz aufgesammelte Meteorstaube und deren Vergleich mit 
Saharasand eine weitere Stütze erhalten und die Ansicht bestärkt, 
dass die erwähnten Staube weder von der Wüste Sahara noch 
von irgend einem bestimmten Punkte der Erde ihre Provenienz 
herleiten. 

6. Was gegen die afrikanische Abkunft der Passatstaube, 
mit denen der Klagenfurter Staub so viele Ähnlichkeit besitzt, 
vorgebracht wurde, Hesse sich auch bei letzterem mit gleichem 
Rechte geltend machen, dergestalt, dass beide vielleicht dies- 
bezüglich in Zusammenhang stehen. 

Ein directer Anhaltspunkt für die Herleituug aus der Sahara 
fehlt auch hier. 

Färbung sowie Mischungsverhältnisse (Vorwalten des Glim- 
mers und des Dolomites) hingegen müssten jedenfalls erst auf 
eine starke Beimengung fremder Elemente zurückgeflihrt werden. 
Die Grenze zwischen jenen Bestandtheilen, welche als 
normale aufzufassen und jene, welche als zufällige (locale) 
zu bezeichnen wären, würde dann sehr schwer anzugeben 
sein, und ebenso schwer, woher die letzteren stammen. 

Erst von einer fortgesetzten, möglichst genauen Prüfung der 
zu verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Umständen in 
einer und derselben Gegend gefallenen Staubregen und dem 
Vergleiche verschiedener untereinander wird über jene Punkte 
völlige Gewissheit zu erlangen sein. 

Zum Schlüsse sei hier nur noch hervorgehoben, dass, falls 
es in unserer Atmosphäre ein allgemeines Staubdepot in dem von 
Ehrenberg verstandenen Sinne wirklich gibt, dasselbe voraus- 
sichtlich die Durchschnittsmischung der am häufigsten und in 
grösster Masse an die Erdoberfläche tretenden Gesteine wieder- 



116 Schuster, Untersiichmig eines Meteorstaubes. 

spiegeln würde und dann alle jene Bestaudtheile als normale za 
bezeichnen und am häufigsten zu erwarten wären, die sich gerade 
im vorliegenden Staube als Hauptbestandtheiie wiederfanden. 
Wien, Mineral, petrograph. Universitäts-Institut. Jänner 1886. 



Tafel erklärung. 

VergTösseruug' 300 — 40< • fach. 



1. Carbonate, Calcit, Dolomit, Magnesit. 

2. Apatit. 

3. Quarz, Opal. 

4. Orthoklas. 

5. Biotit und Phlogopit. 

5. n. Behandlung mit Säure. 

6. weisser Glimmer, Talk und Kaolin. 

7. Chlorit. 

8. Augit. 

9. Hornblende. 

10. Thonpurtikel. 

11. a Rutil, b Anatas, c Zirkon, d Turmalin. 

12. Titanit, Epidot, Spinell, Granat. 

13. Magnetit, a Pyrit, b Magnetkies. 

14 — 23. Partikel organischen Ursprunges. 

14. Sporen (vermuthlich Pilzsporen) im Wasser zur Keimung gebracht. 

15. Verschiedene Fruetifications - Zustände, pflanzlichen, vielleicht auch; 
thierischen Ursprunges zum Theile vererzt. 

16 — 23. Diatomeen-Kieselpanzer zum Theile in Fragmenten. 

16. GaUinndla Ehr. 

17. Discoplea Ehr. 

18. Naricida Ehr. 

19. Enttofia Ehr. 

20. Si/nc'dra Ehr. 

21. Coscinodiscus Ehr. 

22. SurireUa Ehr. 

23. Pflanzenhaare, Algeniaden, Pflanzenfasern, Gewebefragmente, Innen- 
häute und zweifelhafte, von Ehrenberg 1. c. unter den Namen: 
Tcxtilaria, Globidaria, Poli/t/mlainia, Lithosti/lidiian, Lithostomatinm, 
Amphidiscus, LUliastcriscus, Lithodontiunt, Spongulithis mit aufgezählte 
Gebilde. Thierische Reste. 



Schuster: Motcorstaul) vonKIasenfiirt . 



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Aotor del . . KJcüofi: Staatsäriiclcergi . 

Sitzimösb.d.k Akad.dW.math natui'w ClasscXCnrBd T v\bUi I88fi. 



Schuster: Meteorstaul) von lüasenfiiH 



TafU. 




Ämc-r dsl KkHofu Staats ärm'keT'e: 

Sitzimösb.d.k .\kad dWmath.RatuTir Classe XCIirBd 1 AhÜi . 1886. 



117 



III. SITZUNG VOM 21. JÄNNER 1886. 



Der Vorsitzende gibt Nachrieht von dem am 17. Jänner d. J. 
erfolgten Ableben des ausländischen correspondirenden Mitgliedes 
dieser Classe Herrn Prof. Dr. Oskar Schmidt in Strassburg. 

Die anwesenden Mitglieder erheben sich zum Zeichen des 
Beileides von ihren Sitzen. 

Herr Prof. Dr. F. J. Studnicka in Prag übersendet ein 
Exemplar des von ihm herausgegebenen Werkes: ..Tychonis 
Brahe triangulorum planorum et sphaericorum praxis 
arithmetica". 

Das c. M. Herr Prof. L. Gegen bauer in Innsbruck über- 
sendet eine Abhandlung, betitelt: „Die mittlere Anzahl der 
Zerlegung einer ganzen Zahl in zwei Factoren vor- 
geschriebener Form." 

Der Secretär legt eine Abhandlung des Herrn Adolf 
Ameseder, d. Z. in Erlangen: „Über Configurationen und 
Polygone auf biquadratischen Curven" vor. 

Das w. M. Herr Prof. v. Barth überreicht eine in seinem 
Laboratorium ausgeführte Arbeit des Herrn Dr. Wilhelm Fossek: 
„Über Oxyphosp hin säuren" (IL Abhandlung). 

Herr Prof. Dr. Joh. N. Woldfich in Wien überreicht 
eine vorläufige Mittheilung: „Zur Frage über die Abstam- 
mung der europäischen Hunderacen." 

Dr. Franz Kühnert, Observator der k. k. Gradmessung in 
Wien, überreicht eine Abhandlung: „Über die definitiven 
Elemente des Planeten (^ Hilda". 

Herr J. Liznar, Adjuuct an der k. k. Centralanstalt für 
Meteorologie und Erdmagnetismus, überreicht eine Abhandlung, 
betitelt: „Über den Stand des Normalbarometers des 
meteorologischen Institutes in Wien gegenüber den 
Normalbarometern deranderen meteorologischen Cen- 
tralstellen Europas." 



SITZUNGSBERICHTE 



DER 



immmi kimm öek wissEisciAFiFj. 



MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. 



XCIII. Band. II. Heft. 



ERSTE ABTHEILUNG. 



Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik, 
Zoologie, Geologie und Paläontologie. 



121 
IV. SITZUNG VOM 4. FEBRUAR 1886. 

Die könig'l. - iiugar. Franz Josef -Universität in 
Klausenburg dankt für die Betheilung ihrer Bibliothek mit aka- 
demischen Schriften. 

Herr Prof Dr. G. Haberlandt in Graz übersendet eine 
Arbeit: „Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen 
Brenn haare." 

Herr Franz Zehden, Donaudampfschiffs-Capitän in Galaz, 
übersendet eine Abhandlung unter dem Titel: ..Zur Theorie 
der Schifffahrt mit verbesserten Abfahrtspuukten.'' 

Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor: 

1. „Über die Einwirkung von Kaliumpermanganat 
auf untersciiwefligsaures Natron", Arbeit aus dem 
chemischen Laboratorium der technischen Hochschule in 
Brunn, von den Herren M. Honig und E. Zatzek. 

2. „Über die Auflösungen von Gleichungen vierten 
und fünften Grades durch Mechanismus", von Herrn 
Docenten Adolf Arnes ed er, derzeit in Erlangen. 

Ferner legt der Secretär ein versiegeltes Schreiben behufs 
Wahrung der Priorität von Herrn Dr. Theodor Gross in Berlin 
vor, welches die Aufschrift führt: ..Anzeige eines neuen 
Körpers." 

Das w. M. Herr Prof. v. Barth überreicht eine in seinem 
Laboratorium von Herrn Dr. Guido Goldschmiedt ausgeführte 
Arbeit: „Über die Einwirkung von Natrium auf einige 
Bromsubstitutiousproducte des Benzols." 

Das w. M. Herr Director E. Weiss überreicht eine Abhand- 
lung von Herrn Regierungsrath Prof. G. v. Niessl in Brunn, 
betitelt: „Bahnbestimmung des Meteores vom 17. Juni 
1885, 9^52°^, Wiener Zeit." 

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nioM 
zugekommene. Periodica sind eingelangt: 

Loomis, Elias: Contributions to Meteorologie. (^Revised Edition) 
Nev Haven, Coon. 1885; 4«. 



122 



V. SITZUNG VOM 11. FEBRUAR 1886. 



Herr Prof. Dr. Gustav A. V, Peschka in Brüun übermittelt 
den vierten Band des von ihm lierausgegebenen Werkes: „Dar- 
stellende und projective Geometrie nach dem gegen- 
wärtigen Stande dieser Wissenschaft mit besonderer 
Rücksicht auf die Bedürfnisse höherer Lehranstalten 
und das Selbststudium." (Mit einem Atlas von 30 Tafeln). 

Das c. M. Herr Prof. L, Gegenbauer in Innsbruck über- 
sendet eine Abhandlung unter dem Titel: „Die mittlere An- 
zahl der Darstellungen einer ganzen Zahl durch eine 
Summe von bestimmten Vielfachen von Quadraten." 

Der Secretär legt eine Abhandlung des Herrn Florian 
Koudelka, Stadtthierarzt und Lehrer an der landwirthschaft- 
lichen Schule in EibenschitZj betitelt: „Das Verhältniss der 
ossa louf/a zur Skelethöh e bei den Säugethieren" vor. 

Das w. M. Herr Prof. V. v. Lang überreicht eine Abhand- 
lung des c. M. Herrn Prof. Franz Exner, betitelt: „Über die 
Ursache und die Gesetze der atmosphärischen Elek- 
tricität." 

Herr Dr. Hans Mo lisch, Privatdocent an der Wiener 
Universität, überreicht eine im pflauzenphysiologischen Institute 
ausgeführte Arbeit: „LTntersuchuugen über Laubfall". 



123 



Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen 
Brennhaare. 

Von Prof. Dr. G. Hatoerlandt in Crraz. 

;,Mit 2 Tafeln.) 
(Vorgelegt in der Sitzung am 4. Februar 1886.) 

Obgleich die pflanzlichen Brennhaare bekanntlich zu den am 
häufigsten untersuchten Organen gehören, so sind doch sowohl in 
anatomischer wie in physiologischer Hinsicht mehrere Punkte 
unerörtert oder doch unerledigt geblieben, auf welche nun in der 
vorliegenden Arbeit näher eingegangen werden soll. Für die 
freundliche Unterstützung mit Untersuchungsmaterial bin ich den 
Herren Prof. Dr. Eicbler in Berlin und Prof. Dr. Leitgeb zu 
bestem Danke verpflichtet. Abgesehen von den beiden Jdtrophd- 
Arten, sowie von Urtica pilulif'era und membranuceu, von welchen 
mir blos Herbar-Exemplare zu Gebote standen, konnten alle Ob- 
jecte theils frisch, theils in Alkohol conservirt untersucht werden. 

I. Die zweckmässigen mechanischen Einrichtungen im Bau der 
Brennhaarspitzen. 
Es ist eine schon längst bekannte Eigenthümlichkeit fast 
aller echten Brennhaare, dass ihre Spitze mit einer kleinen, 
köpfchenförmigen Anschwellung endigt, welche in den meisten 
Fällen schief aufsitzt und die schon von älteren Forschern mit der 
Function des Brenuhaares, beziehungsweise mit dem Abbrechen 
seiner .Spitze, in Beziehung gebracht wurde. So spricht schon 
Schieiden ^ von dem „höchst interessanten Mechanismus" der 
Brennhaare und hebt hervor, dass das in Rede stehende 
Köpfchen bei der Berührung sehr leicht abbricht, worauf die 
geeöffnete Spitze in den berührenden Körper eindringen kann. 
In gleicher Weise äussert sich H. v. Mohl,^ welcher bekanntlieh 



1 Grundzüge der wisseusch. Botanik, 2. Auflage, I. Theil, pag. 269. 
-' Bot. Zeitung 1861, pag. 219. 



124 Haberlandt, 

nachwies, dass der obere Theil der Brenubaare von Urtica dioica 
sehr stark verkieselte Wände besitzt, woraus sich erklärt, dass 
derselbe so spröde ist und das Köpfchen leicht abbrechen kann.^ 

Ich stellte mir nun die Frage, ob nicht das Abbrechen des 
Köpfchens, abgesehen von der Sprödigkeit der Wände, auch noch 
durch besondere anatomi s che Eigenthümlichkeiten unter- 
stützt und erleichtert wird und in wie weit überhaupt im Bau 
der Brennhaarspitze das Zweckmässigkeits-Princip zur Geltung 
gelangt. In der Literatur ist hierüber, wenn man von den oben 
citirten, ganz allgemein gehaltenen Angaben absieht, nichts weiter 
zu finden. Die zahlreichen Abbildungen ganzer Brennhaare von 
LVtlca, Loasa etc. können in dieser Hinsicht keine Andeutungen 
geben, da dieselben natürlich bei zu schwachen Vergrösserungen 
gezeichnet wurden. Allein auch die Abbildungen stark ver- 
grösserter Brennhaarspitzen mit ihren Köpfchen, wie sie z. B. 
Duval-Jouve^ und Martinet'^ gezeichnet haben, liefern uns 
für die Beantwortung der obigen Frage keine Anhaltspunkte; sie 
stellen nämlich die Brennhaarspitze sammt dem Köpfchen mit 
ganz gleichmässig verdickten Wänden dar. Dass dies nicht 
richtig ist, wird sich aus dem Nachfolgenden ergeben. 

Die von mir angestellten Beobachtungen erstreckten sich 
auf Vertreter der Gattungen Urtica, Laportra (Urticaceen), Loasa, 



1 Bei den Bi-eiiiihaaren von Urtica dioica und U. //rem sind, wie man 
sich durch Anwendung von concentrirter Schwefelsäure und uachherigeni 
Zusatz von 20percentigcr Chronisäure (Verfahren von C r ü g e r und 
Miliarakis) überzeugen kann, die Wandungen des Köpfchens und des 
daran grenzenden Haartheiles in ihrer ganzen Dicke verkieselt. Weiter nach 
abwärts zu nimmt die Dicke der verkieselten Partie der Wand rasch ab; 
das Kieselskelet besteht schliesslich nur mehr aus einem dünnen Häutchen, 
der äussersteu Cuticnlarschicht. Die Grenze zwischen den verkieselten und 
nicht verkieselten Wandpartien ist eine sehr scharfe und tritt nach Schwefel- 
siiurezusatz sehr deutlich hervor. (Taf. I Fig. 5.) Die nicht verkieselten 
Wandungstheile sind bis zum Bulbus des Breunhaares hinab mit kohlen- 
saurem Kalk imjjrägnirt, wodurch die Steiflieit des Haares natürlich 
erhöht wird. 

- Etüde sur les Stimulus d'ortie, Bulletin de la soc. bot. de France, 
T. XIV, 1867, PI. I, Fig. 11. 

3 Organes de secretiou des vegetaux, Aunales d. scieuces nat., Bot. 
V. S, T. XIV, 1872, Fig. 204, 215. 



Zur Auatomie und Physiologie der pflanzlichen Breuuhaare. 125 

Bhimeiibachia, Cajophora (Loasaceen), Jatropha (Eupborbiacee) 
1111(1 Wifjmidia (Hydroleacee"). 

Bei Urtica dioica ist das schief aufsitzende Köpfchen der 
Brennhaare von mehr oder minder kugelförmig'er Gestalt. ( Taf. I, 
Fig-. 1, 2, 3.) Knapp unter demselben erseheint das Haar gegen 
das Köpfchen zu gekrümmt, was namentlich an der convexen 
Seite deutlich ausgeprägt ist. Betrachtet man das Köpfchen in 
der Seitenansicht, so fällt bei hinreichender Vergrösserung sofort 
die uugleiehmässige Verdickung seiner Wände auf: an der 
convexen Seite bemerkt man knapp über der schwachen, hals- 
artigen Einschnürung des Haarendes eine mehr oder minder stark 
verdünnte Stelle, welche ziemlich schmal ist und die sich von 
den verdickten Wandungstheileu häufig sehr scharf abhebt. Die 
Ausbildung derselben zeigt gewisse Verschiedenheiten, welche 
am besten durch die Abbildungen verdeutlicht werden. An dieser 
dünnen Stelle erreicht die Wandung höchstens eine Dicke von 
1 — 2 Mikromm., während die angrenzenden Wandpartien 3 — 5Mi- 
kromm. dick sind. Auf der concaven Seite bleibt die Wandung 
gleichfalls dünner, doch ist der Dickenunterschied hier nicht so 
gross, die dünne Stelle ist bedeutend breiter und geht zudem 
allmälig in die stärker verdickten Wandpartien über. 

Man kann sich nun sehr leicht die Gewissheit veischaffen, 
da SS das normale Abbrechen des Köpfchens* stets in einer 
Verbindungslinie dieser dünnwandigen Stellen von statten geht; 
diese Linie verläuft vom oberen Rande der verdünnten Stelle 
auf der convexen Seite schief nach abwärts, wie aus Fig. 1 
ersichtlich ist. Die Abbruchsteile ist demnach nicht blos 
durch die Umrissliuien des Haarendes, sondern vor 
Allem durch den Bau der Wand vorgezeichnet. Die in 
Rede stehende Einrichtung hat aber nicht blos die 
Aufgabe, das Abbrechen zu erleichtern, sie bezweckt 
überdies, der in den berührenden Körper eindringenden 
Haarspitze eine für diesen Zweck möglichst günstige 



1 An Herbarexemplaren von Pflanzen, welche mit Brennhaaren ver- 
sehen sind, findet man die Spitzen der letzteren oft in ganz unregelmässiger 
Weise abgebrochen, da durch das Austrocknen die Sprödigkeit der Wände 
sehr erhöht wird. 



126 Haberlaiidt, 

Gestalt zu geben. Dadurch, dass das Abbrechen nicht 
querüber, sondern stets schief abwärts zu erfolgt, 
wird zunächst eine überaus scharfe Spitze geschaffen, 
unterhalb welcher erst in seitlicher Lage die Öffnung 
auftritt, aus welcher die brennende Substanz entleert 
wird. (^Taf I, Fig. 4.) So erscheint die geöffnete Brennhaarspitze 
nach demselben Modelle construirt, wie die sogenannten Einstich- 
canülen, mit welchen der Mediziner subcutane Injectionen vor- 
nimmt, oder wie die Giftzähne der Schlangen. 

Ganz ähnlich ist die Brennhaarspitze von Urtica ureiifi 
(Fig. 9—11) und Urtica membranacea (Fig. 13) gebaut. Dasselbe 
gilt für die grossen, starken Brennhaare von Urtica pihdif'era 
(Fig. 12), deren Köpfchen jedoch nicht von kugeliger, sondern 
von birnförmiger Gestalt sind. Bei Laportea f/igas (Fig. 17) 
sind die Köpfchen eiförmig und nicht so schief gestellt wie bei 
den Urtica -Ai-tGü. Die Abbruchstelle zeigt jedoch denselben 
Bau. 

Bei Loasa papaverifoUa ist das Köpfchen der Brennhaare so 
klein, dass es sich von dem übrigen Theile des Haarendes gar nicht 
abgliedert: der Endtheil des Haares erscheint gekrümmt und an 
der Spitze abgerundet. (Taf. II, Fig. 5 und 6.) Die für die Nessel- 
Brennhaare charakteristischen Eigenthümlichkeiten treten aber 
auch hier in deutlichster Ausbildung auf. Die Wand der abge- 
rundeten Spitze ist relativ sehr stark verdickt (4 — 5 Mikromm.); 
dann folgt auf der convexen Seite die verdünnte Stelle, welche 
meistens schmal und 1*5^2 Mikromm. dick ist. Die angrenzende 
Partie der Zellwand, welche nach dem Abbrechen des Köpfchens 
die in den berührenden Körper eindringende scharfe Spitze bildet, 
ist stärker verdickt, als die noch weiter rückwärts gelegenen 
Zellwandpartien, was zweifelsohne als eine vorth eil hafte, das 
Eindringen in den fremden Körper noch mehr sichernde 
Einrichtung aufzufassen ist. Auf der concaven Seite zeichnet sich 
die verdünnte Zellwandpartie, welche mehr oder minder weit 
hinabreicht, durch besondere Zartheit aus ; ihre Dicke beträgt 
nicht einmal 1 Mikromm. 

Die zum Abbrechen des Köpfchens erforderliche Sprödigkeit 
der Membran wird bei Loasa papaverifoUa sowie bei den übrigen 
Loasaceen nicht durch Verkieseluni;-, sondern durch reichliche 



Zur Anatomie imd Physiologie der pflanzlichen Biennhaare. 127 

Einlage rung von kohlensaurem Kalk hervorgerufen. Kaeli Zusatz 
von Schwefelsäure tritt starke Kohlensäureeutwickelung ein und 
im Lumen des Haares bilden sich zahlreiche Gypsnadelu. Die 
aufquellende Membran ist sehr schön geschichtet und wird nach 
Zusatz von 20"/oige'' Cbromsäure-Lösung bis auf die äussersten 
Cuticularlamelleu, welche ein dünnes verkieseltes Häutcheu 
bilden, gelöst. Dieses Kieselhäutchen zeichnet sich auf dem 
Köpfchen, sowie auf dem in den berührenden Körper eindringenden, 
stärker verdickten Wandungstheile durch grössere Dicke aus. 

Bei Jafropha stimuhtta (Taf. II, Fig. 14—17) begegnen wir 
wieder beinahe genau denselben Einrichtungen wie bei Urtica 
und der besprochenen Loasacee. Die Brennhaare, von welchen 
namentlich der Blattstiel dicht besetzt ist, sind sehr kräftig und 
circa 4 Mm. lang. Der Durchmesser des der gekrümmten Spitze 
schief aufsitzenden Köpfchens beträgt circa 34Mikromm., während 
er bei Urtica dioica blos circa 18 Mikromm. erreicht. Auf der 
concaven Seite ist die Wandung unter dem Köpfchen wieder sehr 
dünn (1-5 — 2 Mikromm.). was gegenüber der Dicke der Köpfchen- 
wand (5—6 Mikromm.) und der nach unten zu angrenzenden Zell- 
wandpartie (10 — 12 Mikromm.) besonders auffällt. Auf der con- 
vexen Seite beobachtet man wieder die schon bei Loasa papaveri- 
f'olia aufgefundene starke Verdickung des die Verletzung bedin- 
genden Wandungstheiles. Dagegen fehlt bei den Jatropha-Brenn- 
haaren die verdünnte Stelle auf der convexen Seite; dieselbe ist 
nicht einmal andeutungsweise vorhanden. Wenn man nun Haare 
mit abgebrochener Spitze untersucht, so findet man, dass auf der 
convexen Seite das Abbrechen stets an der Einschnürungsstelle 
unter dem Köpfchen erfolgte, d. i. an jener Stelle, wo die Ver- 
dickungsschiehten der Wandung eine scharfe Knickung erfahren 
haben. Wenn man auf das iutacte Brennhaar ein Quellungsmittel 
einwirken lässt, so tritt diese Knickung der Zellwandschichten 
sehr deutlich hervor. (Taf. II, Fig. 18.) 

Im Bau der Brennhaarspitzen von Jatropha stimnlata macht 
sich, unbeschadet der besprochenen Einrichtungen, ein gewisser 
Polymorphismus geltend, wie aus den Abbildungen 14, 15, 16 
ersichtlich ist. Fig. 14 repräsentirt den typischen Fall. 

Die Sprödigkeit und Steifheit der Membran wird bei den 
J/^/f/'o/7Ärt-Brennhaaren nicht durch Verkieselung oder Verkalkung, 



128 Haberlandt. 

sondern durch sehr starke Verholzung hervorgerufen. Schwefel- 
saures Anilin bewirkt intensive Gelhfärhung^ deren Eintritt man 
durch Zerstückelung des Haares beschleunigt. 

Die Brennhaare von Jafroplia urens schliessen sich denen 
von Jatropha stimulata in jeder Hinsieht an. 



Es ist gewiss überraschend, dass bei Pflanzen, welche so 
verschiedenen Familien angehören, die Spitzen der Brennhaare 
so gleichartig und, man darf hinzufügen, so zweckentsprechend 
gebaut sind. Noch auffallender w^äre es aber, wenn alle pflanz- 
lichen Brennhaare die geschilderten mechanischen Einrichtungen 
in gleicher Vollkommenheit aufweisen würden. Dies ist nun, den 
Forderungen der Entwicklungslehre entsprechend, nicht der Fall; 
es lassen sich vielmehr, wenn man eine grössere Anzahl von 
Arten und Gattungen überblickt, alle Übergänge von ein- 
fachen, köpfchenlosen Brennhaarspitzen bis zu den 
oben besprochenen Formen nachweisen. 

Interessant sind in dieser Hinsicht zunächst die Brennhaare 
von Wigandia urens. (Taf. I, Fig. 15 (i — d.) Die Mehrzahl der- 
selben ist fein zugespitzt, die Spitze gerade oder etwas gekrümmt. 
Das sich gleichfalls zuspitzende Lumen endet häufig schon 
20 Mikromm. unter der Haarspitze. (Fig. I5a.) Daneben treten nun 
ziemlich häufig Haare auf, deren Spitze sich rascher verjüngt und 
deren Lumen mit einer Abrundung endet. (Fig. 156.) Diese 
Haare bilden den Übergang zu jenen Formen, bei welchen mit 
der Abrundung des Lumens zugleich eine schwache Anschwellung 
desselben verljunden ist. (Fig. 15 c.) Damit ist der Beginn der 
Köpfchenbildung gegeben. Einzelne Haare besitzen nun in der 
That gerade aufsitzende Köpfchen, welche mit einem kurzen 
Stachel versehen sind.' (Fig. Ibd.) Ungleichheiten in der Ver- 
dickung der Köpfchenwand treten nicht auf. 

Verschiedene Übergangsformen finden wir auch bei den 
Loasaceen. Die Köpfchen der Brennhaare von Cajophora lateritia 
(Taf. II, Fig. 10 und 11) sitzen wie bei Wifjandin urens gerade 



Vg-1. die Abbildung' in Schi ei dcn's Gruudzügeii, 2. Aufl., I. Th., 
pag. 260; ferner Groenland, Bull, de la soc. bot. de France, 14 Bd., 1867, 
pag. 59; Martin et, Annales d. scieuces nat. Bot., 1872, pl. 18, Fig. 212, 213. 



Zur Anatomie uiul Physiologie der ptiaiizliehen Brennhaare. 129 

auf; begreiflicherweise ist diese Stellung weniger zweckmässig, 
als die schiefe Lage des Köpfchens, welche bei allen übrigen 
Loasaceen, die untersucht wurden, Regel ist. Im unteren Theile 
des Köpfchens ist aber die Wand sehr häufig schon weniger stark 
verdickt, so dass das Abbrechen zweifelsohne etwas erleichtert 
wird. Bei Loam hispida (Taf. II, Fig. 1 und 2) besitzen die 
Brennbaare bereits schief aufsitzende Köpfchen, doch ist die 
entsprechende Krümmung der Spitze nicht so bedeutend, wie bei 
anderen Loasaceen. Die Wände sind in der Regel überall 
gleich stark verdickt und entsprechen so jenen Bildern, von 
denen eingangs die Rede w^ar. Nicht selten ist aber auf der con- 
caven Seite die Wand schon weniger stark verdickt. (Taf. II, 
Fig. 2.) Bei Loasa tricolor (Taf 11, Fig. 8, 9) ist die Krümmung 
der Brennhaarspitze eine bedeutendere, als bei der vorigen Art; 
das Köpfchen ist meistens von etwas länglicher Form. Was den 
Grad der Zellwandverdickung bctriift, so kehren dieselben 
Verhältnisse wieder, wie bei Loasa hispida. Das Gleiche gilt 
auch für die Brennhaare von Blumenbachia Hieronymi Urb. 
(Taf. II, Fig. 3, 4), deren Köpfchen kugelig sind. Die Krümmung 
der Spitzen ist oft eine sehr bedeutende. An ziemlich zahlreichen 
Haaren zeigt sich die Wand der concaven Seite beträchtlich ver- 
dünnt, während auf der convexen Seite, wie bei den früheren 
Arten, niemals eine verdünnte Stelle vorhanden ist. Dass jedoch 
auch bei allseits gleichmässig stark verdickter Membran das 
Abbrechen des Köpfchens in einer für das Eindringen der Spitze 
und für die Entleerung des Zellsaftes vortheilhafteu Richtung 
erfolgen kann, lehrt Fig. 3, welche den obersten Theil eines 
Brennhaares von Blumenbachia Hieronymi mit theilweise abge- 
brochenem Köpfchen darstellt.^ 

Einen weiteren Schritt in der Ausbildung zweckmässig 
gebauter Brennhaarspitzen haben in der oben beschriebenen 
Weise die beiden erwähnten Jafropha- Arten gemacht. Die Aus- 



^ Nicht unerwähnt will ich lassen, dass bei verschiedenen Loasaceen 
(z. B. Bei Loasa hispida und Bhimcnhachia Hii'ronymi) ( Tat". II, Fig'. 12 und 13) 
die neben den Brennhaaren auftretenden Knötchenluiare nicht selten mit 
ganz kleinen Köpfchen versehen sind. In welchem .sinne diese Ähnlichkeit 
mit den Brennhaaren zu deuten ist, lasse ich dahingestellt. 

Sitzb. d. mathem.-naturw. CI. XCIII. Bd. I. Abth. 9 



laO Haberhindt, 

bildimg' einer stark verdüuuteu Waudpartie auf der concaven 
Seite ist liier bereits zu einer constanten Eigentliiimliebkeit 
geworden. 

Mit dem Auftreten einer zweiten verdünnten Wandpartie auf 
der convexen Seite der gekrümmten Brennbaarspitze, wie sie bei 
Loasa papaverifoUu und den Urtka-kxiQw vorkommt, ist dann die 
weitestgebende Vervollkommnung im Bau der Brennbaarspitze er- 
rcicbt. Von Interesse ist es, dass aucb bei den f/rh*ca- Arten hin und 
wieder Breunbaare zu finden sind, welcbe auf der concaven Seite 
ihrer gekrümmten Spitzen die verdünnte Wandpartie nicht auf- 
weisen. (Taf. I, Fig. 11.) Einmal beobachtete ich bei Urtica dioica 
sogar ein Brennhaar, welches köpfcbenlos war und mit einer fein 
ausgezogenen Spitze endigte; hier lag wohl zweifellos eine Rück- 
schlagserscheinung vor. 

Mit der Ausbildung der besprochenen Eigenthümlichkeiten 
des Waudungsbaues ging die stärkere Verdickung des die Ver- 
wundung bedingenden Wandungstheiles insoferne nicht parallel, 
als sie einerseits bei den Ja/yoy7/i«-Brenuhaaren sehr deutlich 
vorhanden ist, anderseits wieder bei den Brennhaaren der Nessel- 
arten fehlt. Bios an den Brennbaarspitzen von Loasa i^apaveri- 
f'olia treten alle diese mechanisch vortheilhaften Einrichtungen 
vereinigt auf. 

IL Das Gift der Brecnhaare. 

In den meisten Hand- und Lehrbüchern der Botanik, welche 
in den letzten Jahrzehnten erschienen sind, wird als die giftig 
wirkende Substanz der Brennhaare — speciell bei den Nessel- 
arten, auf welche auch wir uns im Nachfolgenden beschränken 
wollen — die Ameisensäure angegeben. Im Jahre 1849 ver- 
öffentlichte nämlich Gorup- Besanez eine kurze „Notiz über 
das Vorkommen von Ameisensäure in den Brennesseln",^ deren 
Inhalt all den vorhin erwähnten Angaben zu Grunde liegt. 

Angeregt durch einige von Fr. Will angestellte „mikro- 
chemische und mikroskopische Versuche", als deren Ergebniss 
sich angeblich herausstellte, „dass die Hautentzündung erregende 



1 Journal f. praktiselie Chemie, 48. Bd., pag. 191, 192. 



Zur Anatomie imd Physiologie der pflanzlichen Brennhaare. 131 

Flüssigkeit in den Haaren der sogenannte Processionsraupe, 
sowie in den G-iftorganen einiger Insekten nichts Anderes sei, 
wie Ameisensäure", stellte sich Gornp-Besanez die Frage, ob 
nicht auch die giftige Substanz der pflanzlichen Brennhaare aus 
der genannten vSäure bestehe. Zu diesem Behufe wurden grössere 
Quantitäten frischen Brennesselkrautes {Urtica urens und dioica) 
mit und ohne Schwefelsäure der Destillation unterworfen und 
thatsächlich festgestellt, dass in den Brennesseln geringe 
Mengen von Ameisensäure vorhanden sind. „Dies kann aber 
nicht befremden, wenn man annimmt, dass diese Säure nur in 
den Brennhaaren enthalten ist, eine Annahme, welche ihre 
Berechtigung in mikroskopischen Beobachtungen findet, die Will 
und Lucas anstellten. Wenn nämlich unter dem Mikroskop zur 
Pflanze Silberlösung gesetzt und gelinde erwärmt wird, so erfolgt 
die Reduction immer zuerst an der Mündung der Brennhaare." 
Mit diesen Worten beschliesst Gorup-Besanez seinen Aufsatz. 

Wenn es nun auch nach diesen Mittheilungen, sowie nach 
einigen von mir angestellten mikrochemischen Versuchen, höchst 
wahrscheinlich ist, dass die stark saure Reaction des Zellsaftes der 
Brennhaare durch Ameisensäure bedingt wird, so ist damit doch 
noch keineswegs der Beweis erbracht, dass die Ameisensäure 
thatsächlich die das Nesseln hervorrufende Substanz ist. Im 
gleichen Sinne äussert sich auch de Bary,^ wenn er sagt: „Im 
Grunde ist also über die hier wirksame Substanz nichts bekannt, 
nicht einmal, ob sie in der sauren Flüssigkeit oder in dem Proto- 
plasma zu suchen ist".^ 

Bevor ich nun zur detailhrteren Schilderung meiner Ver- 
suche übergehe, welche mir über die chemische Natur des Giftes 
der Brennhaare einigen Aofschluss geben sollten, möchte ich 



1 Vergl. Anatomie, pag. 72. 

- Da beim Eindringen der Brennhaarspitze in die Haut blos die Ent- 
leerung von Zellsaft zweifellos sicher ist, so hat man meines Erachtens in 
dieser Frage von der Annahme auszugehen, dass die giftige Substanz im 
Zellsafte auftritt. Die von de Bary angedeutete Möglichkeit, dass dieselbe 
eventuell im Protoplasma zu suchen wäre, könnte erst dann in Betracht 
kommen, wenn bestimmte Thatsachen gegen die erstere Annahme sprechen 
würden. 



132 Haberlandt, 

vorerst noch auf zwei Punkte aufmerksam machen, die schon von 
vorneherein gegen die Annahme, dass die Ameisensäure das 
fragliche Gift sei, Bedenken erwecken müssen. 

Der Gesammtinhalt eines mittelgrossen Brennhaares von 
Urtica dioica beträgt ungefähr 0-007 — 0*008 Cub. millim. Wenn 
man ein Brennhaar, mit welchem man sieh soeben in wirksamer 
Weise gestochen hat, unter dem Mikroskop betrachtet, so sieht 
man, dass nur ein kleiner Bruchtheil des Zellinhaltes in die 
Wunde entleert wurde. An Stelle der entleerten Flüssigkeit ist 
gewöhnlich eine grössere oder kleinere Luftblase in das Haar 
getreten, deren Grösse ich in einem bestimmten Falle auf 
0-0003 Cub. millim. berechnete. Nehmen wir als Maximalgrösse 
selbst das Doppelte an und machen wir ferner die Annahme, dass 
der Zellsaft des Brennhaares 10 Gewichtsprocente Ameisensäure 
enthalte,^ so gelangen wir zu dem Ergebniss, dass beim Stich 
eines f/r^/c«-Brennhaares höchstens 0*00006 Milligr. Ameisensäure 
in die Wunde gelangen.^ Welch überaus giftige Substanz mUsste 
nun die Ameisensäure sein, wenn sie in solch verschwindend 
geringer Menge, und noch dazu so rasch wirkend, die bekannten 
Hautentzündungen hervorrufen würde! 

Um mir von der entzündungserregenden Eigenschaft der 
Ameisensäure eine bestimmte Vorstellung zu verschaffen, stellte 
ich mit einer llprocentigen Lösung einige Impfversuche an. 
Dieselben wurden, wie auch alle später zu beschreibenden Impf- 
vcrsuclie, in der Weise durchgeführt, dass ich mir an der oberen 
Handfläche oder am Unterarme mit einer vorerst in die betreffende 
Flüssigkeit getauchten feinen Nadelspitze kleine Hautverletzungen 
beibrachte. Gewöhnlich wurden die Versuche auch in der Weise 
variirt, dass ich zunächst einen Tropfen der Flüssigkeit auf die 
Haut brachte und durch denselben hindurchstach, um eine 
grössere Menge der betreffenden Substanz in die Wunde zu 
bringen. Die Wirkung der llprocentigen Ameisensäure-Lösung 



1 Diese Conceiitratiou ist jedenfalls eher viel zu hoch als zu niedrig- 
angenommen. Die sauerste aller Früchte, die Citrone, enthält blos 6—7% 
Säure. (ET»erniayer, Physiolog. Chemie der Pflanzen, pag. 273). 

- Der durch die Annahme, dass das specifische Gewicht des Zell- 
sat'tes = 1 sei, begangene Fehler kommt hier nicht in Betracht. 



Zur Anatomie luid Physiologie der pflauzlic-hen Bicnnhaare. 133 

war nun eine weitaus schwächere, als die des Zellsaftes der 
Kessel-Brennhaare. Das Gefühl des Nesseins war höchst unbe- 
deutend, und die Röthuug der Haut beschränkte sich auf eine weit 
kleinere Fläche, als nach einem Brenuhaarstiche, Nur ausnahms- 
weise kam es zur Bildung- kleiner Stippen. Nach 20 — 30 Minuten 
waren alle diese Erscheinungen wieder vollkommen ver- 
schwunden. Da nun bei diesen Versuchen zweifellos eine 
g-rössere Menge von Ameisensäure in die Hautwunde eindrang, 
als bei dem Stiche eines ?7r^<ca-Brennhaares, so folgt daraus mit 
grosser Wahrscheinlichkeit, dass die weit heftigere Wirkung des 
letzteren nicht auf das Vorhandensein von Ameisensäure im Zell- 
inhalte zurückzuführen ist. 

Eine andere Thatsache, welche hier in Betracht kommt, ist 
die, dass bei einigen tropischen Urtica-Arten der Stich der Brenn- 
haare von noch weit intensiveren Wirkungen begleitet wird. In 
einem 1819 von Leschenault de la Tour, Direktor des k. 
bot. Gartens zu Pondichery an Jussieu gerichteten Schreiben^ be- 
richtet derselbe über die Giftwirkung der Brennhaare von Urtica 
cremilata im botanischen Garten von Calcutta. „Ich streifte mit 
der linken Hand und zwar mit der oberen Fläche der ersten drei 
Finger nur ganz leise an ein Blatt und fühlte anfangs ein ganz 
schwaches Brennen, worauf ich nicht achtete. Es war Morgens 
7 Uhr, der Schmerz nahm immer zu und war in Zeit von einer 
Stunde schon nicht mehr auszuhalten. Es war nicht anders als 
w^enn man mit einer glühenden Eisenplatte über die Finger führe. 
Indessen sah man weder Geschwulst noch Blattern, noch irgend 
eine Entzündung, Schnell breitete sich der Schmerz über den 
ganzen Arm bis unter die Achsel aus. Hierauf musste ich häufig 
niessen und eine Menge Feuchtigkeit floss aus den Nasenlöchern 
gerade wie bei einem heftigen Schnupfen. Gegen Mittag fühlte 
ich ein so schmerzhaftes Zusammenziehen in dem hinteren Theil 
der Kinnladen, dass ich einen Anfall von Starrkrampf fürchten 
musste. Ich legte mich nieder in der Hoffnung, dass mir die 
Ruhe gut thun würde; allein die Schmerzen Hessen nicht nach, 
sondern dauerten die ganze folgende Nacht unaufhörlich fort; 



1 Dasselbe findet sich auszug-s weise in der Flora (Jahrg. 1821, 
pag. G93 ff), abgedruckt. 



134 Haberlaudt, 

blos das Zusammenziehen der Kiuubackeu hatte Abends gegen 
8 Uhr nachgelassen. Erst den anderen Morgen folgte merkliehe 
Besserung und ich schlief ein. Die beiden folgenden Tage hatte 
ich noch viel zu leiden, und die Schmerzen stellten sich augen- 
blicklich in ihrer ganzen Heftigkeit wieder ein, als ich die Hand 
in's Wasser steckte. Nach und nach wurden sie immer schwächer, 
verlo)"en sich aber nicht eher gänzlich, als bis den neunten Tag-'. 

Leschenault berichtet dann noch über einen zweiten Fall, 
welcher unter ganz denselben Symptomen verlief. Er erwähnt 
dann noch Urtica stimnkms auf Java, welche gleichfalls sehr 
giftig ist und spricht schliesslich von einer dritten Species, 
welche auf der Insel Timor vorkommt und von den sie sehr 
fürchtenden Einwohnern Daoun setan (Taufelsblatt) genannt wird. 
Schieiden ' führt diese Art unter der Bezeichnung Urtica uren- 
tissima an und erwähnt, dass der Stich ihrer Brennhaare 
Jahre lang andauernde Schmerzen hervorrufe, die besonders bei 
feuchtem Wetter unerträglich werden, ja bisweilen sogar den 
Tod (durch Starrkrampf) nach sich ziehen können. 

Auch die Brennhaare von Laportea f/ifjas, welche hin und 
wieder in Europa, z. B. im botanischen Garten zu Berlin cultivirt 
wird, zeichnen sich, wie mir Herr Prof. Eichler brieflich mit- 
theilte, dadurch aus, dass sie bei ihrer Berührung ein besonders 
heftiges Brennen verursachen. Bemerkenswerth ist dabei, dass 
die Breunhaarc dieser Pflanze kleiner und unansehnlicher sind, 
als die unserer einheimischen Nesselarten. Auch von Urtica 
crenulata heisst es in Leschenault's oben citirtem Briefe, dass 
auf den Blattflächen und an den Blüthenstielen „kaum einige 
kleine Haare" zu sehen sind. Hieher gehöit auch die Angabe 
0. Kuntze's,^ dass „gerade die gefährlichsten Urticaceen- 
Bäume Blätter mit kleiner, unscheinbarer Behaarung" besitzen. 
Man sieht hieraus, dass es in erster Linie auf den specifischen 
Charakter und nicht auf die Quantität des entleerten Giftes 
ankommt. 

Wenn man nun für die geschiklerten Giftwirkungen der 
Brennhaare einiger tropischer Urticaceen gewiss nicht die 



3 Griuiclz. der wisseiisch. Botanik, IL Aufl., 1. Th., pag-. 269. 
2 Die Schutzmittel der Pflanzen, Leipzig 1877, pag-. 35. 



Znr Anatomie und Physiologie der pflanzlichen Brennhaare. 135 

Ameiseusäure verantwortlich machen kann, sondern für diese 
Arten die Existenz specifischer Giftstoffe anzunehmen gezwungen 
ist, so liegt der Analogieschluss sehr nahe, dass auch bei unseren 
einheimischen Nesselarten die giftige Substanz der Brennhaare 
nicht mit der Ameisensäure identisch ist. 

Ich gehe nunmehr zur Besprechung jener Versuche über? 
welche ich zur Entscheidung der aufgeworfenen Frage angestellt 
habe. 

Wenn man einige, von der lebenden Pflanze (Urtica dtoica) 
frisch abgeschnittene Brennhaare mit einer Nadelspitze zerdrückt 
und zerquetscht, so dass ein Theil des Haarinhaltes an 
der Nadel haften bleibt und sich dann nach einiger 
Zeit mit der inzwischen vollkommen trocken ge- 
wordenen Nadelspitze sticht, so stellt sich nach 
wenigen Sekunden das charakteristische Nesselgefühl 
ein, verbunden mit Eöthung der Haut und Stippen- 
bildung. Da nun von dem au der Nadelspitze haften gebliebenen 
Haarinhalte die flüchtige Ameisensäure mit dem Wasser vorher 
verdampfte, so ergibt sich aus diesem Versuche: 1) dass das 
Gift der Brennhaare nicht Ameisensäure ist und 2), dass dieses 
Gift nur eine nicht flüchtige Substanz sein kann. 

Einige weitere Anhaltspunkte gab mir folgende Beobachtung: 
Wenn man ein mit Brennhaaren versehenes Stengelstück oder 
ein Blatt von Urtica dioica 10 — 20 Sekunden lang in siedendes 
Wasser taucht und dann die Brennhaare untersucht, so findet 
man, dass nunmehr im Zellsaftraum der Brennhaarzelle ein 
substanzreiches, feinkörniges Congulum vorhanden ist, 
welches eine maschige Structur zeigt und das früher durch- 
scheinende Haar ganz undurchsichtig macht. i^Taf. I, Fig. 8.) 
Schon dem freien Auge fällt die weissliche Färbung des abgebrühten 
Brennhaares auf. Besonders dicht ist das Coagulum im unteren, 
blasig erweiterten Haarende. Die nahe liegende Vermuthung, 
dass es sich hier um einen coagulirten Ei we isskör per — ein 
Pflanzenalbumin — handle, welcher früher im Zellsafte gelöst war, 
wird durch die Resultate der mikrochemischen Untersuchung bestä- 
tigt. Brennhaare, welche sich eine Zeitlang in Alkohol befanden, 
weisen im Zellsaftraum gleichfalls einen reichen, feinkörnigen 
Niederschlag auf, welcher in Wasser unlöslich ist und durch das 



136 Haberhindt, 

Millüii'sche Ifeagens intensiv roth gefärbt wird.^ Das durch 
Kochen entstandene Coagiilum zeigt bei Anwendung dieses 
Reagens eine ziegelrothe, häufiger blos eine rothbraune Färbung. 
Die RaspaiTsche Reaction (Zuckerlösung und Schwefelsäure) 
führt gewöhnlich zu keinem befriedigenden Ergebniss. Doch habe 
ich nach unmittelbarem Zusatz von Schwefelsäure eine sehr lebhaft 
rosenrothe Färbung des Zellsaftes frischer Brennhaare beobachtet, 
als ich im Spätherbste einige r/r^/tv^-Pflanzen aus dem Freien in 
das geheizte Zimmer gebracht und hier einige Tage lang stehen 
gelassen hatte. Legt man Brennhaare mit geöffneter Spitze in 
eine Lösung von Kupfersulfat oder von essigsaurem Blei und 
bring-t man durch einen leichten Druck auf das Deckglas den 
Zellsaft des Brennhaares zur Entleerung, so bildet sich sofort in 
der Umgebung der Haarspitze ein gelbbrauner, dichter, sehr fein- 
körniger Niederschlag. Conceutrirte Salpetersäure bewirkt Gelb- 
färbung des durch Alkoholzusatz oder durch Kochen entstandenen 
Niederschlages. Jodtiuctur bewirkt eine gelbbraune Färbung. 

Der so beträchtliche Eiweissgehalt des Zellsaftes 
der Nessel-Brennhaare, welcher schon an und für sich 
bemerkcnswerth ist, durfte bei den Versuchen, die Natur des 
Brenuhaar-Giftes näher zu bestimmen, nicht ausser Acht gelassen 
werden. Es wird sich gleich zeigen, in welcher Hinsicht dieser 
Eiweissgehalt für die vorliegende Frage von Bedeutung ist. 

Nachdem die Veränderung erkannt war, welche der Zellsaft 
der Brennhaare durch die Siedespitze erleidet, musste natürlich 
festgestellt werden, ob abgebrühte Brennhaare noch im Stande 
sind eine Hautentzündung hervorzurufen. In dieser Beziehung 
ergab sich nun Folgendes: Brennhaare, w^elche 10 — 20 Sekunden 
lang in siedendem Wasser verweilten, haben ihre entzündungs- 
erregende Eigenschaft cingebüsst oder dieselbe ist mindestens 
um ein Bedeutendes abgeschwächt worden. Es war nun von 
vorneherein ziemlich wahrscheinlich, dass dieses Verhalten der 
Brennhaare mit der Coagulirung des Eiweisskörpers des Zellsaftes 
in irgend einem Zusammenhange steht, und es frug sich jetzt, was 
für Möglichkeiten in dieser Hinsicht vorhanden sind. 



1 Um dem Reagens deu Eintritt iu dasBreiinh.'iar zu ei-leichtern, ist es 
nothwendig-, das etztere mit der Nadelspitze stellenweise zu zerquetschen, 
oder es in einige Stücke zu zertheilen. 



Zur Auatumie und Physiologie der pflauzliclien Breunhaare. 137 

Zunächst wäre es möglich, wenn auch gewiss nicht wahr- 
scheinlich, dass die im Zellsafte gelöste eiweissartige Substanz 
mit dem gesuchten Gifte identisch ist: beim Kochen coagulirt 
dieselbe und wird so unwirksam. Eine andere Möglichkeit ist 
die, dass das im Zellsafte gelöste Gift von dem coagulirenden 
Eiweiss nach Art eines Enzyms (oder „ungeformten Fermentes'') 
niedergerissen und so unwirksam gemacht wird. Es ist aber auch 
denkbar, dass der Verlust der entzündungserregenden Eigenschaft 
des Brennhaarinhaltes mit der Coagulirung der Eiweisssubstanz 
weder in einem directen noch in einem indirecten Zusammenhange 
steht. Die Siedehitze zerstört eben das Gift, wie ja dieselbe 
bekanntlich auch die meisten Enzyme zerstört und unwirksam 
macht. ^ 

Das weitere Untersuchungsverfahren musste also darauf 
gerichtet sein, zu entscheiden, ob der im Zellsafte gelöste Eiweiss- 
körper das zu eruirende Gift ist, oder ob dasselbe als besondere 
Substanz neben dem Eiweisskörper auftritt. Betreffs dieser 
letzteren Eventualität war die Vermuthung nicht ungerechtfertigt, 
dass es sich hier vielleicht um eine ferment- oder enzym- 
artige Substanz handle. Bei dem Umstände, dass durch 
Alkohol niedergeschlagene Eiweisskörper in Wasser nicht wieder 
löslich sind, während sich die durch Alkohol gefällten Enzyme in 
Wasser gewöhnlich neuerdings lösen, war das Aveitere Unter- 
suchungsverfahreu klar vorgezeichnet. 

Eine grössere Anzahl (circa 200) frischer Brennhaare^ 
wurde in einem Uhrglase mit einigen Tropfen destillirten Wassers 
zerrieben; dann wurde 95"/(jiger Alkohol zugesetzt, abfiltrirt, der 
Rückstand mit Alkohol gewaschen und nach der Trocknung 
wieder mit einigen Tropfen destillirten Wassers behandelt. Um 
eine concentrirtere Lösung zu erhalten, liess ich einen Theil des 
Wassers verdunsten; mit dem Reste der Flüssigkeit wurden nun- 
mehr Impfversuche durchgeführt, und zwar in der Regel mit mehr 



1 Die vierte Möglichkeit, dass das gelöste Gift durch Diffusion aus dem 
getödteten Brennhaare entwichen sei, ist wegen der Kürze der Zeit und der 
beträchtlich verdickten Zellwände kaum ernstlich iu's Auge zu fassen. 

2 Die Brennhaare wurden bei diesem, wie bei den später zu 
beschreibenden Versuchen mit dem ßasirmesser an ihren Insertionsstellen 
abgeschnitten. 



138 H;il»erlandt, 

oder minder positivem Erfolge: Es stellte sich das Gefühl des 
Nesseins ein, die Haut röthete sieh und zuweilen kam es aucli zur 
Bildung kleiner Stippen. Dass die Eeaction keine so aus- 
gesprochene war, wie wenn man direct vom Brennhaar gestochen 
wird, erscheint begreiflich, da die Lösung des Giftes natürlich 
eine geringere Concentration besass. Auch ist es nicht unwahr- 
scheinlich, dass das Gift, gleichwie verschiedene Enzyme, durch 
Alkohol in seiner Wirksamkeit geschädigt wird. 

"Weil die Ausführung dieses Versuches etwas umständlich 
ist und sein Ergebniss nicht so deutlich sprach, als wünschens- 
wertli war, so habe ich denselben in folgender Weise modificirt, 
respective vereinfacht: Frische Brennesselpflanzen wurden in 
Qö^'/pigen Alkohol gebracht und in demselben 14 Tage laug 
liegen gelassen. Nach Ablauf dieser Zeit zerrieb man eine 
grössere Anzahl ihrer Brennhaare mit ein bis zwei Tropfen destil- 
lirten Wassers, Hess die Lösung zu grösserer Concentration ein- 
dunsten und stellte mit ihr nunmehr Impfversuche an. Das 
Resultat war noch entschiedener als bei dem frühereu 
Versuche, die Hautentzündung stellte sich in ver- 
stärktem Maasse ein. 

Aus dem Vorstehenden ergibt sich Folgendes: 1) der bereits 
früher bewiesene Satz, dass das Gift der Brennhaare nicht mit 
der Ameisensäure identisch ist, erscheint hiermit bestätigt; 2) der 
im Zellsnfte des Brennhnares gelöste Eiweisskörper ist gleichfalls 
nicht als das fragliche Gift anzusprechen; 3) dieses letztereist 
vielmehr eine Substanz, welche gleich einem Enzym durch 
Alkohol, fällbar und in Wasser neuerdings löslich ist. 
Damit ist auch die Möglichkeit , dass ein Alkaloid vorliege, 
ausgeschlossen. 

Eine weitere Ähnlichkeit des Brennhaargiftes mit den 
Enzymen ergibt sich aus Folgendem. Bekanntlich lassen sich die 
Enzyme aus den betreibenden pflanzlichen oder thierischen 
Organen durch Glycerin extrahiren; hierauf beruht auch das 
von Wittich, Htifner u. A. mit bestem Erfolge angewendete 
und in verschiedener Weise variirte Verfahren zur Dai'stellnng 
wirksamer Enzympräparate. Um zu erfahren, ob sich das Brenn- 
haargift ähnlich verhalte, zerrieb ich eine grössere Anzahl 
(60 — 80) von Brennhaaren einer in 957o igen Alkohol gelegenen 



Zur Anatomie und Physiologie der pflanzliclien Brennhnave. 139 

Nesselpflanze mit einem kleineu Tropfen sympdicken Glycerins 
lind nahm dann nach einer Stunde die Impfversuche vor. Die- 
selben ergaben dasselbe positive Resultat wie die vorhin 
erwähnten Versuche. Der einzige Unterschied bestand darin^ 
dass sich das Brennen und die Eöthung- der Haut erst nach 
einigen Minuten einstellten. Fast ausnahmslos bildeten sich auch 
kleine Stippen. 

Die vorliegenden Angaben beziehen sich zunächst auf 
Urtica dioica, doch zweifle ich nicht, dass die übrigen Nessel- 
arten sich gleich verhalten. Bei Laportea f/igas wird im Zellsaft 
der Brennhaare durch Kochen gleichfalls ein dichtes Eiweiss- 
Coagiilum ausgeschieden. Alkoholexemplare von Loasa papaveri- 
f'olia zeigen im Zellsaftraum ihrer Brennhaare den gleichen 
dichten Niederschlag, wie die 6^r^/t'«-Brennhaare. Ausserdem 
treten hier noch bisweilen grosse Sphärokrystalle auf, die ich 
jedoch nicht näher untersucht habe. Bei Loasa hispida sind die 
coagulirten Massen stellenweise besonders substanzreich und 
bilden förmliche Pfropfen von gelbbrauner Farbe. Diese That- 
sachen lassen vermnthen, dass das Brennhaargift der Loasaceen 
dem Brennesselgift sehr ähnlich ist. 

Vorläufig scheint mir also festzustehen, dass das ent- 
zündungerregende Gift der Brennhaare von Urtica 
dioica eine Substanz ist, welche sich in Bezug auf 
manche Eigenschaften den ungeformten Fermenten 
oder Enzymen anschliesst. Eingehendere Untersuchungen 
müssen lehren, wie w^eit diese Ähnlichkeit geht, und ob man hier 
thatsächlich von einem „enzymotischen Gifte" sprechen darf. 
Dem physiologischen Chemiker eröffnet sich hier ein vielleicht 
nicht undankbares Arbeitsgebiet.^ 



Ich habe jetzt noch einige Fragen mehr secundärer Natur zu 
besprechen, welche mit unserem Gegenstande zusammenhängen. 



1 Es wird sich jetzt unter Anderem auch fragen, ob die wirksame 
Substanz der Brenuhaare und Giftorgane verschiedener Insekten in der 
That Ameisensäure ist, wie gewiihnlich behauptet wird, oder ob es sich 



140 Haberlaiidt, 

Die eine dieser Fragen betrifft die chemisch-physiologische 
Bedeutung- des so beträchtlichen Ei weiss gehaltes im Zellsafte 
der untersuchten Brenuhaare. Die Annahme, dass der betreffende 
Eiweisskörper mit der Entstehung des Giftes in einem Zusammen- 
hange steht, ist jedenfalls der Erwägung werth. Bei dem Umstände, 
dass die Enzyme den Eiweissstoffeu nahe verwandt sind und 
sehr wahrscheinlich aus diesen durch chemische Umänderung 
hervorgehen, liegt die Vorstellung nahe, dass der im Zellsaft 
gelöste Eiweisskörper die Muttersubstanz des Giftes ist; dem 
lebenden Plasma des Brennhaares käme sodann die Aufgabe 
zu, den chemischen Vorgang anzuregen, der zur Entstehung des 
Giftes führt. 

Eine Frage für sich ist es ferner, ob die im Zellsaft gelösten 
Eiweissmengen an Ort und Stelle, d. h. im Brennhaare selbst 
gebildet wurden, oder ob sie demselben von dem betreffenden 
Mutterorgane zugeführt worden sind. Ohne der Beantwortung 
dieser Frage vorgreifen zu wollen, möchte ich doch das Erstere 
für wahrscheinlicher halten. 

Wir haben ferner nochmals auf die Ameisensäure in den 
Nessel-Brennhaaren zurückzukommen, vorausgesetzt, dass die 
stark saure Reaction ihres Zellsaftes thatsächlich auf dem Vor- 
handensein dieser Säure beruht. Wenn man erwägt, wie leicht 
bei der Oxydation verschiedener organischer Substanzen, besonders 
der Eiweissstoffe und Kohlehydrate, Ameisensäure gebildet wird 
so liegt die Auffassung dieser letzteren als eines unvollständigen 
Oxydationsproductes sehr nahe; die lebhaften Plasmaströmungen 



hier uiclit um ähnliche Gifte handelt, wie bei den pflanzlichen Brcunhaaren. 
Für letztere Annahme sprechen Beobachtungen von Th. Goossens. 
(Annales de Im soci6t6 entomologique de France, 6. Serie, I. Bd.; Referat 
in Maly's Jahresbericht über die Fortschritte der Thierchemie, 1882, 
pag. 330.) Derselbe erwähnt zunächst, dass Raupen von Cnethocampa, 
Ocneria u. A. die Fähigkeit besitzen, bei ihrer Berührung ein heftiges 
Jucken zu erzeugen und Störungen im Organismus hervorzurufen, die sich 
bis zum Fieber steigern, ja selbst den Tod veranlassen können. Das 
aus besonderen Drüsen entströmende Sekret hängt sich an die benachbarten 
Haare, wo es zu Staub vertrocknet. Als der Verfasser solchen Staub 
yow Cnethocampa plljiocampa auf die befeuchtete Hand brachte, so ergritf 
unter bedeutendem Aufschwellen den ganzen Körper ein unerträgliches 
Jucken. 



Zui- Anatomie uud Physiologie der pflanzlichen Brennliaarc. 141 

in den Brenuhaaren deuten auf lebhafte Athmung hin und bei 
dem Umstände, dass die Versorgung der nahezu allseitig stark 
verdickte Membranen besitzenden Brennhaarzelle mit Sauerstoff 
keine sehr rasche sein dürfte/ erscheint die obige Autfassung um 
so berechtigter. Es würde sonach der Ameisensäure in den 
Nessel-Brennhaaren dieselbe Bedeutung im Stoffwechsel zu- 
kommen, wie den übrigen organischen Säuren in Pflanzenzellen. ^ 
Autfallend bleibt es jedocii immerhin, dass in den Brennhaaren 
gerade die sonst nicht eben häufige Ameisensäure auftritt, zumal 
wenn man bedenkt, dass auch in den Brennhaareu und Gift- 
organen verschiedener Insekten Ameisensäure nachgewiesen 
wurde. Es scheint hier eine gewisse Gleichartigkeit der Stoff- 
wechselprocesse vorzuliegen, vorausgesetzt, dass von den betref- 
fenden Thieren Gifte erzeugt werden, welche den pflanzlichen 
Brennhaargiften ähnlich sind. In diesem Falle würde also die 
Ameisensäure gewissermassen ein Nebenproduct bei der Bildung 
dieser giftigen Substanzen vorstellen. 

So wie die Bedeutung der übrigen Pflanzensäuren mit dem 
Hinweise auf ihre Stellung im Stoffwechsel noch nicht erschöpfend 
gewürdigt ist, so gilt dies auch betreffs der Ameisensäure der 
Brennhaare. Seit den Untersuchungen von de Vries und Anderen 
gilt es bekanntlich als feststehend, dass die organischen Säuren, 
respective deren Salze, in Folge ihrer bedeutenden osmotischen 
Leistungsfähigkeit für den Turgor der Zellen von grosser 
Wichtigkeit sind. Wie nun bereits Duval- Jouve^ gezeigt hat, 
ist der beträchtliche Turgor der Brennhaarzelle für die Ent- 
leerung des giftigen Zellinhaltes von Bedeutung. Wenn man nach 
dem Vorgange des genannten Forschers mit einer Nadelspitze 
das Köpfchen eines Nessel-Brennhaares berührt, so bricht das- 
selbe ab und aus der Öffnung tritt ein kleines Tröpfchen Zellsaft 



1 Ich halte es nicht für undenkbar, dass die relativ weit hinabreichende, 
stark verdünnte Wandiingspartie auf der concaven Seite der Brennhaar- 
spitze von Jatiopha iirens und stimulata, sowie von Loasa papnverifolia 
abgesehen von ihrer mechanischen Bedeutung auch noch als Aufuahmsstelle 
für Sauerstoff zu fungiren hat. 

- Vergl. Sachs, Vorlesungen über Pflanzenphysiologie, pag. J:S<Si 
ferner 0. War bürg, Berichte der deutsch, bot. Gesellsch. 1885, pag. 280 ff. 

a L. c. p. U ff. 



142 Hsiberlaiult, 

aus. Bisweilen wird dasselbe förmlich ausgespritzt. Nach Duval- 
J Olive soll sich dabei der Durchmesser des eigentlichen Haares 
(poin9on) um ^15 bis V20 verringern, während der Durchmesser des 
blasig erweiterten Haarendes (bulbe) angeblich der gleiche 
bleibt. Bei dem Umstände, dass die AYanduiigen des Haares bis 
zur Anschwellung hinab verkieselt, respective verkalkt sind, 
während die Membran des Bulbus aus verhältnissmässig reiner 
Cellulose besteht, möchte man eher das Umgekehrte erwarten. 
In der That habe ich nach dem Abbrechen des Köpfchens niemals 
eine Verengerung des eigentlichen Haares constatiren können, 
wohl aber eine Verkleinerung des Querdurchmessers des Bulbus 
um 2 — 5^0 1 li<iufig Hess jedoch auch dieser unterste Theil der 
Brennhaarzelle keine Dimensionsänderung erkennen.* Jedenfalls 
ist dieser Punkt noch einer genaueren Untersuchung bedürftig. 
Uns genügt es jedoch zu wissen, dass die zur Ejaculation 
des Zellsaftes erforderliche Kraft durch Turgorspannung erzielt 
werden kann, womit aber nicht gesagt ist, dass die Mechanik 
der Entlerung eines Theiles des Zellinhaltes ausschliesslich und 
immer die eben geschilderte ist, wie Duval-Jouve behauptet. 
Zweifellos kommt die von älteren Forschern, z. B. von Bahr dt, 
angenommene Mechanik dieses Vorganges,wonach die Entleerung 
eines Theiles des Zellsaftes auf den Druck zurückzuführen ist, 
welchen das blasig erweiterte Ende der Zelle durch den berühren- 
den Körper erfährt, gleichfalls zur Geltung. Es geht dies unter 
Anderem sehr deutlich aus der Thatsache hervor, dass man sich 
mit ein und demselben Brennhaare zweimal hintereinander in 
wirksamer Weise stechen kann. Selbstverständlich ist beim 
zweiten Stiche, welcher nicht minder wirksam ist als der erste,- 
die Mitwirkung der Turgorspannung ausgeschlossen; die Ent- 
leerung des Giftes erfolgt ausschliesshch nach dem zweit- 
erwähnten Modus. Der gewöhnliche Fall wird allerdings der 
sein, dass sich die Mechanik der Entleerung aus beiderlei Arten 
conibinirt. Bei sehr leiser Berührung des Brennhaares, die zur 
Hervorrufung der Hautentzündung oft schon ausreicht, wird 



1 Die« w;ir mucIi bei jeuem Brcnuhnare der Fall, welches zur oben 
(pag. I;i2) crwähnteu Bestimmuug' der beim Stiche entleerten Zellsaftmenge 
diente. 



Zur Anatomie imd Physiologie der pflanzlichen Brenuhaare. 143 

dagegen die Ejaciilatiou des Zellsaftes ausschliesslich oder doch 
hauptsächlich auf Rechnuug der Turgorspanuung zu setzen sein. 
Ziini Schlüsse möchte ich noch auf die denBecher des Nessel- 
Breunliaares bildenden Zellen zu sprechen kommen, welche den 
Bulbus der Brenuhaarzelle umschliessen. (Taf. I, Fig. 6.) Die- 
selben sind stark plattgedrückt und bilden im oberen Theile des 
Bechers eine, im unteren gewöhnlich zwei Lagen. Von den älteren 
Autoren sind diese Zellen häufig als Drltsenzellen angesprochen 
worden, welche das Gift des Brennhaares secerniren. Es weist 
jedoch nichts auf eine derartige Function hin: Ihr Zeilsaft bleibt 
nach dem Abbrühen des Brennhaares ungetrübt, enthält also 
keine constatirbaren Eiweissmengen und auch sein Säuregebalt 
kann kein beträchtlicher sein, was aus dem Umstände zu folgern 
ist, dass die Chlorophyllkörner dieser Zellen auch nach dem 
Abbrühen ihre grüne Farbe unverändert behalten.^ Wie ich schon 
bei früherer Gelegenheit^ hervorgehoben habe, zeichnen sich die 
in Rede stehenden Zellen durch einen verhältnissmässig beträcht- 
liclien Chlorophyllgehalt (30 — 40 Körner pro Zelle ) ans, so dass 
dieselben wahrscheinlich als localer Assimilatiousapparat des 
Brennhaares aufzufassen sind. Hiefür spricht auch der Umstand, 
dass an den verdickten .'^eitenwänden des Bulbus zahlreiche 
runde oder quer elliptische Tüpfel auftreten, welche auf einen 
lebhaften Stoffverkehr zwischen der Brennhaarzelle und den 
Zellen des Bechers hindeuten. Bemerkeuswerth ist, dass die 
Tüpfel am Grunde des Bulbus fehlen oder doch spärlich auf- 
treten, was sich nach unserer Auffassung dadurch erklärt, dass 
die hier angrenzenden Zellen im Inneren der das Brennhaar 
tragenden Gewebesäule chlorophyllärmer sind. 



1 Wie Wiesner gezeigt hat ("Elemeute der Anat. und Physiol. von 
Pflanzen, pag. 229), nehmen grüne Laubblätter von Oxalis acetosella, wenn 
man dieselben in kochendesWasser taucht, alsbald eine bräunliche Färbung 
an; die Säure des Zellsaftes kann nunmehr, da das Protoplasma getödtet 
ist, bis zu den Chlorophyllköruern gelangen und verfärbt dieselben. 

■- Pringsheim's Jahrbücher für wisseusch. Botanik. XIII. B. p. 168. 



144 Haberlandt, 



Erkläruno- der Abbilduno-en. 



Tafel I. 



Fig. 1, 2, 3 Brennhaarspitzen von Urtica dioica. In Fig. 1 bezeichnet die 
punktirte Linie ab die Abbruchstelle des Köpfchens. Vergr. 560. 

„ 4. Brennhaarspitze von Urtica dioica nach dem Abbrechen des 
Köpfchens. Vergr. 560. 

„ 5. Oberer Theil des Brennhaares von Urtica dioica. Die weiss 
gelassenen Wandungstheile sind verkieselt; die grau gefärbten mit 
kohlensaurem Kalk imprägnirt. Vergr. 520. 

„ 6. Längsschnitt durch den Bulbus und die becherförmige Emergenz 
eines Brennhaares von Urtica dioica. Vergr. 205. 

„ 7. Unterer Theil eines Brennhaares von Urtica dioica nach Zusatz von 
Schwefelsäure. Die nicht verkalkte Wandung des Bulbus und die 
darangrenzenden Membranpartien des Haares, in welchen der 
kohlensaure Kalk bereits gelöst ist, erscheinen stark gequollen. 
Vergr. 90. 

„ 8. Partie eines abgebrühten Brennhaares von Urtica dioica; im Zellsaft 
hat sich ein Eiweiss-Coaguliim ausgeschieden. Verg. 170. 

„ 9, 10, 11. Brennhaarspitzen von Urtica nrens. Vergr. 540. 

„ 12. Brennhaarspitze von Urtica pilulifera. Vergr. 620. 

„ 13. Brenuhaarspitze von Urtica meiiibranacea. Vergr. 520. 

„ 14. Brenuhaarspitze von Laportea ffiffas. Vergr. 490. 

,, loa — (/Brennhaarspitzen von Wigandiaurens., diesuccessivenÜbergangs- 
formen von köpfchenlosen bis zu köpfchentragenden Brennhaar- 
spitzen darstellend. Vergr. 530. 



Tafel II. 

Fig. 1 und 2. Brennhaarspitzen von Loasa hiapida. Vergr. 400. 
,, 3 und 4. Brennhaarspitzen von Bltimenbachia Hieronymi. Fig. 3 mit 

tlieilweise abgebrochenem Köpfchen. Vergr. 410. 
„ 5, 6, 7. Breunhaarspitzen von Loasa papaverifolia, Fig. 7 nach dem 

Abbrechen des Köpfchens. Vergr. 550. 
., 8 und 9. Brennhaarspitzen von Loasa tricolor. Vergr. 480. 
., 10 und 11. Brennhaiirspitzen von Cnjop/iora /a/critia. Yvrgr. 520 



G. Haberlandt ; Zur-Änatoime lüiä. Physiologie der pilar.zliclierL'Breimhs.are . 

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G. Haberlandt . Zur Ar^atomie isid Physiologie der pilanzliclieiiBreimhaare . 



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Sitzmiösl)er. d. kaiserl. Akad.d.Mlss.math.natunv. n.XCIff.Bd.Libtk.1886. 



Zur Anatomie und Physiologie der pflanzlichen Brennhaare. 145 

Fig. 12. Oberes Ende eines Knötchenhaares von Blumenbachia Hieronymi. 

„ 13. Desgleichen von Loasa hispida. Vergr. 440. 

„ 14, 15, 16. Breunhaarspitzen von Jatropha stimidata; Fig. 14 stellt den 
typischen Fall dar; die gestrichelte Linie a — b gibt die Abbruch- 
linie des Köpfchens an. Vergr. 220. 

„ 17. Abnorme Brennhaarspitze von Jatropha stimulata. Vergr. 220. 

„ 18. Wandungspartie von der convexen Seite einer Brennhaarspitze von 
Jatropha stimulata nach Behandlung mit verdünnter Kalilauge. 
Vergr. 260. 



Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 10 



146 



VI. SITZUNG VOM 18. FEBRUAR 1886. 



Das w. M. Herr Hofrath Intendant Dr. F. Ritter v. Hauer 
übermittelt das eben erschienene erste Heft der von ihm redi- 
girten „Annalen des k. k. Naturhistorischen Hof- 
niuseums", enthaltend den Jahresbericht für 1885. 

Die Direction des k. k. niilitär - geographischen In- 
stitutes übermittelt die 31. Lieferung- (14 Blätter) der neuen 
iSpecialkarte der österr.-ungar. Monarchie (1 : 75000). 

Der akademische Maler Herr Josef Ho ff mann in Wien 
übermittelt als Geschenk für die kaiserliche Akademie eine Reihe 
von Photographien nach seinen für das k. k. Naturhistorische 
Hofmuseum ausgeführten geologischen Gemälden. 

Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. Ludwig Boltzmann 
übersendet eine Abhandlung des Herrn Anton Lampel in Graz: 
„Über Drehschwingungen einer Kugel mit Luft- 
widerstand." 

Das c. M. Herr Prof. L. Gegenbauer in Innsbruck über- 
sendet eine Abhandlung unter dem Titel: ,,Neue Classen- 
anzahl-Relationen". 

Der Secretär legt eine Abhandlung von Herrn C. Zahälka, 
Lehrer am Obergymnasium in Raudnitz a/E., betitelt: „Bei- 
trag zur Kenntniss der Phymatellen der böhmischen 
Kreideformation" vor. 

Das w. M. Herr Prof. E. Wcyr überreicht eine Abhandlung 
des Herrn Dr. Gustav Kohn, Privatdocenten au der Wiener 
Universität: „Über das Vierseit und sein associirtes 
Viereck, das Flinfflach und sein associirtes Fünfeck." 



147 

Herr Major Albert v. Obermayer des k. k. Artillerie-Stabes 
überreicht eine von ihm in Gemeinschaft mit Herrn Civil -Ingenieur 
Moritz Ritter von Pichler ausgeführte Untersuchung: ,,Über 
die Einwirkung der Entladung hochgespannter Elek- 
tricität auf feste in Luft suspendirte Theilchen." 

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bislier nicht 
zugekommene, Periodica sind eingelangt. 

Commission geologique et d'histoire naturelle et Musee du Ca- 
nada: Rapport des Operations 1882 — 83 — 84 et Mappes. 
Ottawa, 1885. 8«. 



10 



148 



Untersuchungen über Laubfall, 

Von Dr. Haus Molisch, 

Privatdocenten a,i der Wiener Uinveraität. 

(Arbeiten des pflanzenphysiologischen Institutes der k. k. Wiener 
Universität. XXXI.) 

(Vorgelegt in der Sitzung am 11. Februar 1886.) 

In den meisten bisher über Blattfall erschienenen Unter- 
siichiing-en handelte es sieh fast ausschliesslich um die Fest- 
stellung- anatomischer Thatsaehen, namentlich um die kurz vor 
oder während des Laubfalles im Blattg-elenke vor sich gehenden 
Veränderungeu, Dies war auch in der grundlegenden Arbeit 
H. V. Mohl's* der Fall. Die Physiologie des Laubfalles jedoch 
ist meines Wissens nur ein einziges Mal mit Erfolg in Angriff 
genommen worden, und zwar von Wiesner^ 

Wir werden im Laufe der eigenen Untersuchungen vielfach 
Gelegenheit haben, auf die zahlreichen von dem genannten 
Forscher festgestellten Thatsaehen zurückzukommen, hier sei nur 
bemerkt, dass Wiesner's Experimente sich ausschliesslich auf 
die herbstliche Entlaubung der Holzgewächse beziehen, die Frage 
nach den Ursachen des Laubfalles überhaupt hiebei jedoch noch 
nicht in Betracht kam. Diese Frage, wenn auch nicht in ihrem 
ganzen Umfange, so doch theilweise ihrer Lösung entgegenzii- 
führen, schien mir eine dankbare Aufgabe, dies um so mehr, als 
wir ja bis heute über ganz naheliegende Dinge, wie über den 
Einfluss des Lichtabschhisses, der gesteigerten Transspiration, der 
mangelhaften Wasserzufuhr, des Sauerstoffes u. s. w., auf den 
Laubfall entweder gar nicht oder nur ganz oberflächlich unter- 
richtet sind. Einen historischen Abriss über die Lehre vom Laub- 



1 Über die anatomischen Veränderungen des lilattgelenkes, welche 
das Abfallen der lilätter herbc^iführen. Bot. Zeitg. 1860. 

- Untersuchungen über die herbstliche Entlaubung der Holzgewächse. 
Sitzber. d. k. Akad. d. Wissensch. zu Wien, 1S71. 



üntersuchuugen über Laubfall. 149 

fall zu bringen, halte ich für überflüssig-, da Mo hl und Wiesner 
in den beiden vorher genannten »Schriften darüljer ausführlich 
berichten und ich ohnedies auf ältere Untersuchungen, soweit sie 
mit den folgenden verknüpft sind, stets zurückgreifen werde. 

I. 

Bemerkungen zum Laubfall bei gehemmter Transspiration, 
Es ist eine namentlich von Wiesner durch genaue Ver- 
suche vollkommen erwiesene Thatsache, dass Zweige unserer Holz- 
gewächse, in einen mit Wasserdampf gesättigten Raum gebracht, 
ihre Blätter nach mehreren Tagen abwerfen.^ Wiesner's dies- 
bezügliche Versuche beziehen sich durchwegs auf in ziemlich 
trockener Luft vorkommende, an starke Transspiration gewöhnte 
einheimische Holzgewächse. Ob auch andere Pflanzen mit fal- 
lenden Blättern, ob beispielsweise Pflanzen, welche von Natur aus 
feuchte Luft lieben und für gewöhnlich wenig transspirireu, bei 
vollständiger Hemmung der Transspiration ebenfalls ihr Laub 
abwerfen, wurde bisher nicht geprüft. Das prächtige Gedeihen 
der Warmhauspflanzen in einer an Wasserdampf so reichen 
Atmosphäre, die üppige Entfaltung von Croton, Ardisia, Fi'cus 
elastica und vielen anderen Pflanzen in geschlossenen feuchten 
Mistbeeten Hess auf das Bestimmteste vermuthen, das viele der- 
selben auch in völlig dunstgesättigtemPaume ihreBlätter behalten 
werden. Dies ist auch thatsächlich der Fall. Ich habe seit drei 
Monaten, Coleushybriden, Goldfussia isophylla, Boehmeria argentea 
unter mit feuchtem Sande abgesperrten Glasglocken bei voll- 
ständig unterdrückter Verdunstung stehen, ohne eine Ablösung 
der Blätter zu bemerken. Die Pflanzen wuchsen bedeutend, 
bildeten neue, allerdings kleinere Blätter und behielten die alten. 
Derartige Pflanzen verhalten sich demnach in absolut feuchtem 
Eaume ganz anderes als unsere Holzgewächse oder, allgemeiner 
gesagt, als die stark transspirirenden , in verhältnissmässig 
trockener Luft lebenden Pflanzen und es wäre weit gefehlt, wollte 
mau die mit letzteren erhaltenen Resultate auf die ersteren über- 
tragen. 



1 Wiesner, 1. c. p. 37 etc. Unter denselben Becling-ungen lösen sich 
nach meinen Beobachtungen auch die Internodien von Ephedra graeca und 
Viscum albnm von einander ab. * 



150 M () li s c h, 

II. 

Einfluss der gesteigerten Trans spiration und der mangelhaften 
Wasserzufuhr auf den Blattfall, 

Im vorigen Capitel ist darauf hingewiesen worden, dass viele 
Pflanzen, wenn sie aus einem verhiiltnissmässig trockenen Räume 
in einen sehr feuchten gebracht werden, ihre Blätter abwerfen ; 
hier soll nun gezeigt werden, dass derselbe Effect erzielt wird, 
wofern man Pflanzen aus recht feuchter Luft in trockene bringt, 
sie also einer gesteigerten Transspiratiou aussetzt. 

Diese Erscheinung ist namentlich im Kreise der Pflanzen- 
zUchter nicht ganz unbekannt, sie hat jedoch meines Wissens von 
wissenschaftlicher Seite eine genauere Prüfung bisher nicht 
erfahren. 

Wenn der eben angedeutete Versuch gelingen soll, dann 
darf der Wechsel der Luftfeuchtigkeit nicht ein allzu schroffer 
sein, d. h. es darf die Transspiratiou nicht plötzlich allzu sehr 
gesteigert und die Wasserzufuhr nicht vollends unterbrochen 
werden. Ja es genügt in der Regel die momentane Unterbrechung 
der Wasserzuleitung bei ungeänderten Transspirationsverhält- 
nissen allein, um das Gelingen des Versuches vollends zu ver- 
eiteln. So erklärt es sich, warum beispielsweise durch Sturm oder 
sonst wie im Walde abgebrochene Zweige ihre rasch welkenden 
und eintrocknenden Blätter behalten. Das Verhalten derartiger 
Zweige ist auch ganz natürlich und begreiflich, wenn man bedenkt, 
dass sich die Ablösung der Blätter nur unter Intervention der 
sogenannten Trennungsschichte im Blattgrunde vollziehen kann, 
eine solche aber wegen der allzu vaschen Eintrocknung des 
Blattes nicht zur Ausbildung kommt. Legt man jedoch abge- 
schnittene Sprosse unserer Holzgewächse in ziemlich feuchte Luft, 
etwa auf den feuchten Sand eines Warmhauses, so welken sie, 
obwohl von jeder Wasserzufuhr entblösst, nur sehr langsam und 
verlieren viele ihrer Blätter. 

Dagegen werfen abgeschnittene Zweige von 
Pflanzen, welche ihrer Organisation wegen auf- 
fallend langsam transspiriren, selbst in verhältniss- 
mässig trockener Zimmerluft liegend, ihre Blätter nach 
und nach ab. Ein»solches Verhalten zeigen viele Succulenten, z. B. 



Untersuchnngen über Laiil»f;ill. 151 

Sprosse von Crnssula oblifjiiu, Echei^eria-Avteu, Pcpero/n'a tricho- 
carpai\ ferner Befjonia-Avten. Pereskia acideafa, Ahies perthiafa, 
Äbies excelsa und die an den Sclieinknollen haftenden Blätter 
vieler Orchideen [Xylobium squalens, Coelogyne cristata Lindl., 
Oiicifliimi microphylhmi etc.). Viele von diesen Zw^eig-en bleiben 
länger als einen Monat, Crassnla obligna sogar länger als 3 Monate 
am Leben. Während dieser Zeit beginnen die Blätter und zw^ar 
die untersten zuerst zu schrumpfen und fallen schliesslich ab. * 
Crass)fla-ZwG\gG zerfallen überdies durch Lostrennung einzelner 
Internodien von einander in mehrere Stücke. 

Bei Pelargoninm zonale kommt es unter obigen Verhält- 
nissen innerhalb 2 — 3 Wochen zur Ausbildung von Trennungs- 
schichten, aber die inzv^ischen vertrockneten Blätter bleiben, 
wenn auch nur lose, haften. Unter Wasser getaucht lösen sie sich 
offenbar in Folge einer plötzlichen Tiirgorsteigerung- in der 
Trennunjgszone binnen wenigen Stunden ab. 

Wie sehr gesteigerte Transspiration besonders in Verbindung- 
mit verminderter Wasserzufuhr die Entlaubung vieler Gewächse 
bedingt, dies tritt in besonders auffallender Weise bei jenen 
Pflanzen hervor, welche eine feuchte Atmosphäre lieben, z. B. bei 
Warmhauspflanzen. Ein sehr geeignetes Versuchsobject in dieser 
Richtung ist Boehmeria urgenten. 

Versuch. Von einem im feuchten Warmhaus befindlichen 
Stocke dieser Pflanze wurden zwei möglichst gleiche Zweige ab- 
geschnitten, beide mit ihrer Basis (Schnittfläche) ins Wasser 
getaucht, der eine {Ä) bei der Mutterpflanze im Warmhause 
belassen, der andere {B) jedoch in dem ebenso warmen, aber 
trockenen Experimentirraum ^ aufgestellt. Feuchtigkeit im Warm- 
hause =: 82—85, F. im Exper. = 56—68 Temp. 23—26° C. 

Nach 6 Stunden begann Zweig- B zu welken, nach 24 Stunden 
waren die Blätter ziemlich schlaff. Nach 2 Tagen fielen 5 Blätter 
von selbst, 7 bei der leisesten Erschütterung ab. Das jüngste und 
das älteste zufällio- unter Wasser tauchende Blatt^ verblieb auf 



1 Bei Erica nur die ältesten. 

- In diesem, zum Gewächshause des pflanzenphysiologischen Insti- 
tutes gehörigen Räume wurden fast alle meine Versuche ausgeführt. 

3 Die Erscheinung, dass imtergetauchte Blätter erst nach langer Zeit 
abfallen, ist auf pag. 171 etc. ausführlich besprochen. 



152 



M 1 i s c h, 



dem Zweige. Der zweite, im Warmhause nlso unter normalen 
Verhältnissen befindliche Spross (ß) blieb beständig- frisch, schlug 
an der unteren untergetauchten Stengelpartie Wurzel und verlor 
selbst nach vielen Wochen kein einziges Blatt. Sprosse von 
Impatiens Snltani, GoMfussia isophylla, G. fjlomeruta, Ruellia 
ockroleuca, Hlhiscns puniceus, Croton- Arten, Poinsettia sp. zeigten 
als sie demselben Versuche unterworfen wurden, ein im Wesent- 
lichen gleiches Verhalten. Innerhalb 1 — 2 Wochen verloren die 
im trockenen Kaume befindlichen Zweige die Mehrzahl ihrer 
Blätter, während die im Warmhause belassenen ihre turgescenten 
Blätter insgesammt behielten und sich gleichfalls nicht selten 
bewurzelten. 

Bemerkenswerth ist, dass derartige Zweige in trockener 
Luft anfänglich stark welken, dann aber, nachdem sie die ältesten 
und älteren Blätter abgeworfen, sich wieder erholen. Anfänglich 
wird eben in Folge der grossen verdunstenden Oberfläche bei 
Weitem mehr Wasser abgegeben als aufgenommen. Daher das 
Welken. Später wird, sobald durch die theilweise Entlaubung das 
richtige Verhältniss zwischen Transpiration und Wasseraufnahme 
wiederhergestellt ist, der Spross wieder frisch und behält sogar 
für lauge Zeit seine jüngeren nunmehr turgescenten Blätter. 

Versuche mit bewurzelten Pflauzeu. 

1. Eine dem feuchten Wariiihause (Fr= 83 — 87) entnommene 
Begoniu insigitis (kräftige Pflanze mit 22 Blättern) wurde im 
trockenen Experimentirraume aufgestellt und von nun an nicht 
mehr begossen. Feuchtigkeit im Warmhause 81 — 85, Feucht, 
im Exp. 70—75, Temp. in beiden 17—20° C. 



Vcrsiichs- 

dauer 
nach Taffcii 



Zahl der 

abgefallenen 

Blätter 



Anmerkung 



Nach 1 

:. 4 

,, 7 

„ 12 

„ 17 

. 20 



2 
6 
8 
9 
13 
18 



Pflanze welk, 
l Zweige hängen 
) schlaff abwärts. 



Uiitersuchurigeii über Laubfall. 153 

2. Zwei im leuchten Warmhause erwachsene , je mit 
8 Blättern versehene Colens wurden im trockenen Raame 
gesteigerter Transspiration ausgesetzt. Die eine Pflanze (Ä) wurde 
von jetzt an gar nicht mehr begossen, die andere (F) jedoch regel- 
mässig. Sonst Alles wie vorher. 

A Hess schon nach 5 Tagen fünf ihrer ältesten Blätter fallen, 
B eben so viele, aber erst nach 21 Tagen. Es bedurfte mithin 
im letzteren Falle, wo nur starke Transspiration im Spiele war, 
viel längerer Zeit, um die Blätter zum Fallen zu bringen, als im 
ersteren Falle, wo neben intensiver Verdunstung auch noch 
mangelhafte Wasserzufuhr mitwirkte. 

3. Ich stellte 5 kräftige an die Atmosphäre des Warmhauses 
gewöhnte Cro^//-Bäumcheu (50 — 150 Ctm. hoch) in den trockenen 
Raum. Feuchtigkeit und Temperatur wie vorher. Die Erde der 
Pflanzen wurde während der ganzen Versuclisdauer möglichst 
gleichmässig feucht gehalten. 

Innerhalb drei Wochen waren alle Bäumchen in Folge der 
gesteigerten Transspiration fast vollständig entblättert. Die eben 
angeführten Versuche beweisen zur Genüge, dass Pflanzen, 
welche in feuchter Luft zu leben gewöhnt sind, ihre 
Blätter theilweise oder völlig abwerfen, sobald sie 
trockener Luft oder ungenügender Wasserzufuhr oder 
beiden zugleich ausgesetzt werden ^ Vom biologischen 
Standpunkte ist diese Erscheinung sehr verständlich, die Pflanze 
sucht eben in Zeiten der Wassernoth ihre verdunstende Oberfläche 
durch Abstossen der Blätter möglichst zu verkleinern, um Stengel 
und Knospen vor völligem Austrocknen zu bewahren. 

Da es eigentlich bei dieser Art des Blatt falls meiner Ansicht 
nach nur darauf ankommt, den Wassergehalt der ganzen Pflanzen 



1 Es scheint uiir nicht unwichtig, darauf hinzuweisen, dass viele 
solcher Pflanzen auch in verhältnissmässig trockener Luft ihre Blätter 
behalten können, wenn sie an diese ganz allmählich gewöhnt werden. 
Bei dieser von Gärtnern mit grossem Geschick betriebenen ..Abhärtung" 
werden die anfänglich zarten und weichen Blätter derb, die Transspirations- 
widerstände werden durch starke Cuticularisirung der Membranen 
bedeutend grösser, kurz die Pflanzen passen sich den neuen Verhältnissen 
au und gedeihen, selbst im freien Lande und bei starker Besonnung, ganz 
ausgezeichnet. (Begonin, Abutilon, Colcus, Pici/s elaslica etc.) 



154 M 1 i s c h, , 

und somit auch der Blattgelenke auf ein gewisses Minimum 
herabzusetzen, so müssen auch nicht immer beide Ursachen 
zusammenwirken^ es genügt schon oft eine. 

Soviel über Warmhauspflanzen^ und wir gehen nun zu 
Gewächsen über, welche gerade keine feuchte Atmosphäre lieben. 
Da sei denn gleich bemerkt, dass solche Pflanzen in trockenem 
Räume, falls ihnen dauernd kein Wasser geboten wird, nur ihre 
ältesten Blätter abwerfen, die übrigen aber beibehalten. Die 
letzteren welken, schrumpfen, verfärben sich häufig, aber sie sitzen 
am Zweige fest. 

Es gelingt jedoch in überraschend kurzer Zeit alle oder die 
Mehrzahl der Blätter zu Falle zu bringen , sobald man die 
abgewelkte und in trockener Erde stehende Pflanze plötzlich so 
reichlich mit Wasser versieht, dass der Boden völlig durchnässt 
wird. Ich verdanke die Kenntniss dieser höchst interessanten 
Thatsache einer privaten Mittheilnng des Herrn Prof. Wiesner, 
der im Jahre 1881 darüber eine Reihe von Versuchen machte und 
mir seine Aufzeichnungen gütigst zur Verfügung stellte.^ Ich 
erlaube mir aus denselben folgende zwei Versuche dem Wortlaute 
nach hervorznheben. 

a) .,Eine im Blühen befindliche Azalea iiulicn wurde im 
trockenen Räume stehen gelassen und nicht begossen, bis 
die Blätter ganz welk wurden. Hierauf wurden die Wurzeln 
durch Begiessen der Erde stark angenässt und die Pflanze 
im trockenen Ra.ume(Zimmer)belassen. Nach einigen Stunden 
war die Pflanze entblättert. 

b) Eine ebensolche Pflanze wurde stets bis zum Welkwerden 
stehen gelassen und hierauf nicht nur der Boden, sondern 
auch die Blätter durch Besprengen feucht gehalten. Die Ent- 
blätterung trat noch früher als bei («) ein. 

Genau so verhalten sich auch abgeschnittene Zweige." 
Aus diesen Versuchen schloss Wiesner mit Recht, dass 
eine plötzliche Turgorsteigerung die Zellen der Trennungsschichte 
zum Auseinanderweiclien und das Blatt hiedurch zum Abfallen 
bringe. 



1 Hicfür sowie tür die vi(;U';iche Auregung-, die mir lueiu hochver- 
ehrter Lehrer Herr Prof. Dr. .Julius Wiesner bei der Ausführung dieser 
Arbeit zutheil werden Hess, sage ich meinen besten Dank. 



Uiitersnchungeü über Laubfall. lo& 

Ich wiederholte diese Versuche mit Azalea indicu, Evonymus 
japotncits, Fnchsia (Hybride), La/ttana sp., Goldfnssia isophylla, 
Mimosa pudica, Ficus elastica^ und gelaugte imWeseiitlicheu gauz 
zu demselben Resultate; Unterschiede traten nur insoferue ein, 
als in vielen Fällen die Entlaubung zwar schon einige Stunden 
nach der Bewässerung mid Besprengung anlmb, bis zu ihrer 
Vollendung jedoch 1 — 2 Tage und mehr verflossen. Auch blieben 
die jüngsten Blätter von der Ablösung häufig verschont, Folgender 
Versuch mit Evonymus japonicus sei hier mitgetheilt. 

Ein dem Freien entnommenes Exemplar wurde in dem 
gewöhnlichen Versuchsraume aufgestellt und durch 14 Tage 
nicht begossen. Während dieser Zeit waren 8 Blätter abgefallen, 
die anderen sehr welk geworden, manche sogar dem Vertrocknen 
nahe. Nun wurde reichlich begossen, Kach 24 Stunden fielen 75, 
nach weiteren 24 Stunden 77 und Tags darauf die übrigen 46, 
also innerhalb 3 Tagen 198 Blätter ab. Jetzt war die Pflanze kahl. 

Ich habe mich bei dieser Pflanze , sowie auch bei den 
anderen durch mikroskopische Prüfung der Blattgelenke über- 
zeugt, dass bei jenen Blättern, welche noch keine Trennungs- 
schichte besitzen, diese während des lang andauernden Welkens 
angelegt und schliesslich fertig gebildet wird. Offenbar ist bei 
dem sehr geringen Wassergehalte der ganzen Pflanze auch die 
Trennungsschichte sehr wasserarm und wir dürfen uns daher 
auch gar nicht wundern, wenn die Zellen der genannten Schichte 
in ihrem turgorlosenZustaude nicht fungiren. In der Zeit nun, wenn 
den Blättern reichlich Wasser geboten wird, nehmen die Ele- 
mente der Trennungsschichte in Folge ihres Plasmareichthums 
und hohen endosmotischen Aequivalents reichlich Wasser auf, 

1 Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass Eiipatorium adenophorum 
Sprgi., eine bei uns in Glashäusern häufig gezogene Composite, ihre 
Blätter, obwohl sie mehrjährig und von holziger Beschaffenheit ist, über- 
haupt nicht abwirft. Die alten Blätter vertrocknen, bleiben aber lange Zeit 
haften. Ich habe an dreijährigen Zweigen vertrocknete und noch immer 
festsitzende Blattstiele gefunden. — Die Blätter lösen sich von den Spros- 
sen auch nicht ab, wenn man die Pflanzen lange Zeit nicht begiesst und 
hierauf im abgewelkten Zustande plötzlich mit viel Wasser versorgt. Wir 
haben es demnach in dem Eiipatorium mit einem dicotylen Gewächs zu 
thun, welches trotz seiner Mehrjährigkeit nicht die Fähigkeit besitzt, 
Trennungsschichten zu bilden. Dies ist umso auffallender, als ja diese 
Eigenschaft vielen krautartigen, selbst einjährigenPlanzen, häufig zukommt . 



156 Molisch, 

vergrössern sich bedeutend, runden sicli ab, drücken auf einander 
und geben scbliesslich, wabrscheinlicb unter gleichzeitiger Auf- 
lösung ihrer Mittellamellen, aus dem Verbände. 

Es wurde schon früher angedeutet, dass bei all' diesen Ver- 
suchen in dem verminderten Wassergehalte des Blattes und 
Blattgruudes die wesentliche Ursache der Bildung einer Tren- 
nungsschichte 7Ai suchen sei. Auch Wiesner ^ hat unter Anderem 
aus der Thatsache, dass Blätter, an deren Basis die Stammrinde 
entfernt wurde und die in Folge dessen wasserärmer wurden, 
früher ihre Trennungsschichten bilden, als normale, geschlossen, 
dass eine bestimmte Verminderung der Wassermenge des Blattes 
zur Bildung der Trennungsschichte führt. Wir können jetzt hinzu- 
fügen, nicht nur zur Entstehung der Trennungsschichte, sondern 
häufig auch zur Ablösung des Blattes, entweder ohne jedweden 
weiteren Einfluss, wie bei allen langsam transspirirenden Pflanzen 
^^Succulenten etc.) oder nach Herbeiführung einer raschen Turgor- 
steigerung. 

Nun wird auch die von Wiesner festgestellte Thatsache 
vollkommen verständlich, wonach abgeschnittene und mit der 
Sehnittflnche ins Wasser eingestellte Zweige gewöhnlicher Holz- 
gewächse ihre Blätter früher abwerfen, als analoge am Baume 
verbliebene.^ Solche im Wasser stehende Zweige verlieren be- 
kanntlich nach den Untersuchungen von de Vries"^ und 
V. HöhneP in wenigen Tagen die Fähigkeit, mit ihrer Schnitt- 
fläche genügend Wasser aufzunehmen und verwelken. Da aber 
das langsame Abwelken, wie oben gezeigt wurde, den Anstoss 
zur Bildung der Mohl'schen Schichte und in weiterer Folge zur 
Ablösung des Blattes gibt, so dürfen wir uns nicht wundern, wenn 
derartige Zweige ihre Blätter früher abstossen, als wenn sie am 
Baume verblieben wären.'' Dass diese meine Erklärung richtig 
ist, geht auch aus interessanten von Wiesner herrührenden 

1 1. c. \r.ig. 2G. 

- 1. c. \nig. 27. 

3 Über das Welken iibgeschiüttener Sprosse. Arbeiten d. l)ot. Insti- 
tutes in Würzbnri^-, I. Bd., \)Hg. 287 etc. 

•t P>ot. Zeit-;:. 1879. pag. 296 etc. 

5 Gleiches gilt auch von den Interuodien von Ephedra graeca, da diese 
im abgewelkten Zustande sich mittelst Trennungsschichten ebenfalls von 
einander trennen. 



Uutersuchungen über Laubfall. lo7 

Versuchen hervor, denen zufolge Zweige, durch deren Schnitt- 
wunde Wasser vermittelst künstlicher Druckkraft eingepresst 
wird, ihre Entlaubung bedeutend verzögern. ' 

Ähnliche Bedingungen, wie sie künstlich in den auf p. 154 bis 
155 angeführten Experimenten geschaffen wurden, dürften nicht 
selten auch in der freien Natur zusammentreffen und eine frühzei- 
tige Entlaubung der Holzgewächse zur Folge haben. Allein es darf 
die Austrocknung des Bodens nicht allzu rasch erfolgen und nicht 
allzulange andauern, sonst tritt die von Gr. Kraus^ eingehend 
geschilderte Sommerdürre der Holzgewächse ein, welche bloss 
zur völligen Eintrocknung der Blätter und auch des Blattgelenks, 
aber nicht zum Laubfall führt. Dies ist namentlich da der Fall, 
wo die Holzgewächse, auf felsigem Untergrund und magerer 
Krume stehend, oft länger als einen Monat unter trockenen 
Winden und intensiver Besonnung zu leiden haben und lange 
Zeit vom Regen nicht erfrischt werden. Unter solchen Umständen 
welkt das Blatt zu rasch und stirbt, bevor es noch Zeit gefunden, 
eine Trennungsschichte zu bilden. Diese Erklärung erscheint mir 
deshalb richtig, weil abgeschnittene Sprosse unserer Holz- 
gewächse, an der Luft liegend, ihre vertrockneten Blätter gleich- 
falls behalten, dagegen bei langsamen Welken in massig feuchtem 
Baume das Laub abwerfen und ferner, weil man die Erscheinung 
der Sommerdürre, wie ich mich überzeugte, auch an Topfpflanzen 
(Abutilo)i) hervorrufen kann, wenn man dieselben in einen sehr 
trockenen Raum stellt und den Wurzelballen sehr rasch aus- 
trocknen lässt. 

Auf mangelhafte Wasserzufuhr ist zweifelsohne auch jener 
Blattfall zurückzuführen, der nicht selten bei Grewächsen auftritt, 
die aus dem freien Lande ausgehoben und in Blumentöpfe ge- 
pflanzt werden. Die Gärtner setzen sehr häufig Abutilon, Myrten, 
Fuchsien aus den Töpfen ins freie Land, weil sie hier üppiger 
gedeihen und in verhältnissmässig kurzer Zeit eine befleutende 
Grösse erreichen. Werden nun die betreffenden Pflanzen im 
Herbste wieder eingepflanzt, dann wird natürlicherweise das 
ganze Wurzelsystem, besonders die für die Wasseraufsaugung so 



1 1. c. pag. 28 etc. 
••; Bot. Zeitg. 1873. 



158 Moli seh, 

wichtigen feineren Auszweig'uug-en empfindlich geschädig-t. In 
Folge dessen nimmt die im Topfe befindliche Pflanze sehr wenig 
Wasser auf, fängt, oft selbst in ziemlich feuchtem Räume stehend, 
zu welken an und wirft schliesslich, namentlich, wenn die Aus- 
bildung junger Wurzeln länger auf sich warten lässt, einen grossen 
Thcil des Laubes ab. Ich habe Hunderte von Myrten gesehen, 
welche auf diese Weise ihr Laub und viele Abutilon, welche aus 
gleichen Gründen Laub und Blüthenknospeu' verloren haben. 

Als ein hieher gehöriger Fall ist höchstwahrscheinlich die 
Schütte junger Kiefer zu betrachten. Frank spricht sich über 
dieselbe in seinem Buche über Pflanzenkrankheiten folgender- 
massen nus: „Nach den vieljährigen, darüber angestellten Beob- 
achtungen Ebermeyer's ist kaum zu bezweifeln, dass die Schütte 
die Folge ist einer durch die warme Frühjahrssonne in den 
Nadeln angeregten Verdunstung, während gleichzeitig die 
Wurzeln in dem noch kalten Boden noch keine wasseraufsaugende 
Thätigkeit ausüben, so dass die Pflanzen, die noch nicht im Be- 
sitze eines sehr entwickelten Holzkörpers sind, also selbst wenig 
Wasser enthalten, alsbald den Nadeln keine genügende Feuchtig- 
keit mehr zuführen können." Diese werden daher braun oder rost- 
braun, vertrocknen und fallen endlich massenhaft ab. ^ — Ganz 
ähnliche Ursachen, wie bei der Schütte der Kiefer, sind neben 
anderen meiner Ansicht nach auch bei der herbstlichen Ent- 
laubung der Holzgewäclise im Spiele, nur in viel geringerem 
Grade. Während der kühlen Herbstnächte wird sich sehr bald 
eine bedeutende Abkühlung des Bodens und bei dem Erscheinen 
warmer Tage eine sehr beträchtliche Differenz zwischen Boden- 
und Lufttemperatur einstellen. Die Wurzeln werden mithin in dem 



1 Wie rasch sichBlütheu und deren Knospen bei geringer Wasserzufuhr 
und vcrstärlvter Transspiratiou ablösen, lässt sich sehr schön au Begonien 
beobachten. Eine im feuchten Warmhause gezogene Begonia tuberosa wurde 
im ebenso warmen geheizten Zimmei* aufgestellt und nicht mehr begossen. 
Innerhalb G Tagen waren alle (28) Blüthen und Blütheid-cnospeu abgefallen. 

- Damit soll durchaus nicht gesagt sein, dass das auffallend rasche 
Abfallen der Kiefeniblätter (Kurztriebe) immer auf den obigen Ursachen 
beruhen müsse, denn es ist ja bekannt, dass Fröste oder Pilze dieselbe 
Erscheinung hervorrufen können. Deragemäss spricht auch P. Sorauer in 
.seinem Handbuche der Pflanzenkrankheiten sehr passend von Frostschütte, 
Dürrschütte, Pilzschütte. 1. Th., 2. xVufl.. Berlin 188G, p. 332). 



Üutersuclumgeu über Laubfall. 159 

kalten Boden Wasser nicht im gehörig-en Verhältnisse zu der 
immerhin noch lehhaften Transspiration aufnehmen, weshalb der 
AVasserg-ehalt des Baumes und Blattes im Herbste um ein Be- 
deutendes sinken muss.^ Hiermit ist aber schon eine Ursache 
zur herbstlichen Entlaubung- gegeben. 

III. 

Stagnirende Bodennässe als Ursache des Laubfalls. 

Werden Topfpflanzen an ihrem gewöhnlichen Standorte so 
ins Wasser gestellt, dass der Topf mit seinem unteren Theil einige 
Centimeter unter Wasser taucht, so kann man nach längerer Zeit 
an vielen Gewächsen gleichfalls eine vollständige oder theilweise 
Entlaubung hervorrufen. Bei den ang-egebenen Verhältnissen 
füllen sich die capillaren Bäume des Bodens, die Luft aus dem- 
selben verdrängend, alsbald mit Wasser und gestatten derselben 
nur einen langsamen und mangelhaften Zutritt. 

Die Erde wird, wie man sich mittelst Lackmuspapier über- 
zeugen kann, wahrscheinlich der auftretenden Humussäureu 
wegen stark sauer und nimmt einen ausgesprochen faulen Geruch 
an. Es darf daher nicht Wunder nehmen, wenn das Wurzelsystem 
binnen einer bis wenig-en Wochen erkrankt und der Pflanze 
weniger Wasser zuführt als dies in minder feuchtem Boden bei 
gesunden Wurzeln der Fall wäre, ja das Absterben der Wurzeln 
macht uns sog-ar die Thatsache verständlich, dass Pflanzen, welche 
stagnirender Bodennässe ausgesetzt sind, nicht selten, zumal bei 
starker Transspiration, welken. 

Die Versuchspflanzen wurden an ihrem gewöhnlichen Orte im 
Gewächshause belassen und standen auf mit Wasser (3 — 5 Ctm. 
hoch) gefüllten Schalen. 

Coleus warfen unter diesem Umständen schon nach 2 bis 
3 Wochen ihre Blätter vollständig ab, ebenso entledigten sich in 
dieser Zeit Goldfv.ssia isophylla, Bef/onia-Arten und Boehmcria 



1 Nach Versuchen R. Hurtig's (Über die Vertheilung- der org. Sub- 
stanz etc. in d. Unters, aus d. forstbotauischen Institute zu München, 1882, 
IL, pag. 38 etc.) ist der Wassergehalt der Bäume thatsächlich im Oktober 
sehr gering, derselbe sinkt vom Sommer gegen den Herbst zu und erreicht 
bei der Birke zur Zeit des Blattfalles sein Minimmn. 



160 M () li s c h, 

argentea vieler ihrer Blätter, Etwas läng-er lässt die tlieilweise 
Entlaubung- bei Erotrynius japoiiictis und Rho(lodeiulro)i auf sich 
warten, bei Melaleuca (dha beschränkte sich dieselbe während 
3 Monate gar nur auf die ältesten Blätter. Das Wasser an sich 
ist gewiss nicht die Ursache dieser Erscheinung-, denn dann wäre 
es ja ganz unbegreiflich, warum die meisten Gewächse in Nähr- 
lösung-en (sogenannten Wasserculturen) sich jahrelang ganz Wohl- 
befinden. Offenbar sind es die im nassen humösen Boden zur 
Geltung kommenden Fäulnissprocesse und die Versauerung- des 
Bodens, welche die Wurzeln angreifen und schliesslich tödten. So 
kann es kommen, dass eine solche Pflanze, obwohl in ganz durch- 
nässter Erde stehend, dennoch an Wassermangel leidet, zu welken 
beginnt und die Blätter abwirft. Im Grunde genommen hätte diese 
Art von Blattfall, weil auf mangelhafter Wasserzufuhr beruhend, 
auch im vorigen Capitel behandelt werden können; ich habe dies 
jedoch absichtlich nicht g-ethan, weil in gewissen Fällen wenig- 
stens, neben der g-estörten Wasseraufuahme noch etwas Anderes 
mit im Spiele sein muss. Es fallen nämlich bei Begonia und Coleiis 
die Blätter nicht selten im anseheinend ganz turg;escenten Zustande 
ab. Welche Ursachen hier den Blattfall einleiten, ob geringe Nähr- 
stoffzufuhr, oder die Aufnahme schädlicher Stoffe aus dem faulen- 
den Boden oder irgend welche andere Momente, wage ich nicht 
zu entscheiden. 

Die verschieden lange Zeitdauer, innerhalb welcher Pflanzen 
im nassen Boden ihre Blätter verlieren, dürfte in erster Linie mit 
der Empfindlichkeit der Wurzeln gegen andauernde Bodennässe * 
und mit ihrer specifischen Transspirationsgrösse im Zusammen- 
hange stehen. 

Pflanzen, deren Wurzeln in obiger Beziehung sehr empfind- 
lich sind und überdies stark transspiriren, werden die Blätter sehr 
bald abwerfen, dagegen schon viel später solche, welche durch 
harte lederige Blätter gegen rasche Transspiration geschützt sind. 



1 Wie verschiecleu diese Empfiiullichkeit ist, geht deutlich caiis der 
bckaniiteu Thatsache hervor, dass manche Pflanzen z. B. Cyperus altenii- 
foliits, Jiic/iardia actliioplca Kth. und ^'epcnthe(i-Axi('\\ gerade dann am 
besten gedeihen, wenn sie mit ihren Töpfen in Wasserschalen tauchen. 



Untersuchungen über Laubfall. 161 

IV. 

Einfluss des Lichtabschlusses auf den Laubfall. 

In seineu vortrefflichen Untersuchungen über die herbstliche 
Entlaubung- kam Wiesner zu dem Resultate, dass die Herab- 
setzung oder gänzliche Hemmung der Transspiration die Ab- 
lösung der Blätter hervorrufe. ' Da nun die Trausspirationsgrösse 
einer Pflanze in hohem Grade beeinflusst w^irdvon der Beleuchtung, 
so zwar, dass die Verdunstung der Blätter sofort abnimmt, wenn 
die Beleuchtung sinkt, so schloss Wiesner, dass der im Herbste 
eintretenden verminderten Lichtwirkung gleichfalls ein Einfluss 
auf den Laubfall und zwar ein indirecter zukomme. 

Die Frage, ob Lichtmangel nicht auch ganz unabhängig von 
der Transspiration für den Blattfall von Bedeutung sei, ist^bisher 
noch nicht gestellt worden. Sich darüber Gewissheit zu ver- 
schaffen, konnte nicht schwer fallen. Es war nur nöthig zu 
beweisen, dass Pflanzen im dunstgesättigten Räume bei 
Lichtabschluss ihre Blätter früher verlieren als bei Lichtzutritt. 

Ich unternahm es daher, speciell diesen Gegenstand und 
sodann das Verhalten verschiedener Pflanzen im Finstern mit 
Rücksicht auf die Ablösung der Blätter überhaupt zu untersuchen; 
dies erschien mir um so nothwendiger, als hiefür in der Literatur 
gar keine experimentellen Belege aufzufinden waren — abgesehen 
von einem einzigen von Vöchting^ herrührenden Versuch, 
wonach Blätter \onHeterocentroti diversifolium im Dunkeln früher 
abfallen als im Lichte. 

Die folgenden Versuche zerfallen in zwei Gruppen. In der 
ersten {Ä) befanden sich die Pflanzen im dunstgesättigten Räume. 
Transspiration war also ausgeschlossen.^ In der zweiten (B) 
standen die Versuchsobjecte entweder auch unter geräumigen 
Glasglocken oder frei, beziehungsweise (bei Lichtabschluss) in 



1 1. c. pag. 44. 

2 Über Organbildnng im Pflanzenreiche. Bonn 1878, I. Th., pag. 232. 

3 Streng genommen ist dies eigentlich nicht wahr, da bei der langen 
Versuchsdauer vollständige Temperaturconstanz nicht zu erzielen, mithin 
nach jeder Condensirung von dampfförmigem Wasser doch wieder schwache 
Transspiration ermöglicht ist. Allein diese Transspiration ist eine so 
sch^vftche imd kurzwährende, dass man mit Beruhigung davon absehen kann. 

Sitzt», d. mathem. naturw. Cl. XCHI. Bd. I. Abth. 11 



162 



M 1 i s c h. 



einem grossen Dunkelkasten, Im letzteren Falle waren die 
Gewächse mehr normalen Verhältnissen unterworfen, denn sie 
konnten transspiriren. In Anbetracht des grossen Einflusses, den 
Feuchtigkeit und Lufttrockenheit auf den Blattfall ausüben, wurde 
stets darauf gesehen — und dies wird von nun an bei allen Laub- 
fallversuchen geschehen müssen — dass die zu vergleichenden 
Objecte stets möglichst gleicher Luft- und falls es sich um Topf- 
pflanzen handelte, auch gleicher Bodenfeuchtigkeit ausgesetzt 
waren, 

A. Versuche bei Ausschluss der Transspiration. 

Zwei gleich aussehende, ziemlich reich belaubte Lantanu sp. 
(Topfpflanzen) wurden unter mit Wasser abgesperrten Glasglocken 
im Experimentirraum aufgestellt. Die Töpfe standen zur Ver- 
meidung von Bodennässe auf kleinen Thonpostamenten. Über die 
eine Glocke wurde des Lichtabschlusses halber ein geschwärzter 
Sturz gestülpt, Temperatur 17—20° C. 



Versuchs- 
dauer 
in Taffeu 



Nach 4 

„ 6 

n 12 

« 14 

„ 16 

„ 18 

. 22 

,, 24 

„ 27 



1. 

L((iihin(i sp. 



Finster 



Zahl der abge- 
fallenen Blätter 



2 
5 
11 
12 
17 
24 
31 
89 
41 



Licht 



Zahl der abge- 
fallenen Blätter 



Am 27. Tage war die Finsternisspflanzc vollständig kahl, 
wenn man von den paar kleinen etiolirten Blättchen absieht, die 
sich während dieser Zeit gebildet hatten. Die Lichtpflanze da- 
gegen war noch reich belaubt. 



Uutersuchimgeu über Laubfall. 

2. 

VersuchsbedinguDg-en dieselben wie bei 1. 
Goldfussia (ßomerata. 



163 





Yersuchs- 

dauer 
in Tageu 


Finster 


Anmerkung 


Licht 




Zahl der abge- 
fallenen Blätter 


Zahl der abge- 
fallenen Blätter 




Kach 2 

„ 12 
„ 15 
„ 32 
„ 35 

r 37 


'2 
3 
5 
7 

10 
15 


Pflanze kahl. 

Auch Inteniodieu 
lösten sich ab ! ! 


2 
2 
2 
2 

2 



Zu gleichem Resultate gelaugte ich bei Versucheu mit 
Pereskia acnleata und abgeschnittenen Zweigen von Mahonia 
Aquifolinm, Abies jyectinata, Ulmus campestris und Philadelphus 
coronarius: immer fielen die Blätter im Finstern viel früher ab als 
im Lichte, woraus sich ergibt, dass der Lichtabschluss 
noch in anderer Weise als durch Hemmung der Trans- 
spiration den Laubfall im hohen Grade beeinflusst. 

Wie wirkt nun die Dunkelheit? Ruft sie die Bildung- der 
Trennungsschichte hervor oder wirkt sie nur secundär, indem sie 
die Zellen der Trennuugsschichte durch chemische Processe, 
etwa durch Bildung organischer Säuren ^ aus dem Verbände 
bringt? Oder wirkt sie in beiderlei Weise? Es ist mir wahr- 
scheinlich, dass das letzte der Fall ist und es ist mir gewiss, dass 
durch den Lichtentzug der Anstoss zur Ausbildung der Trennungs- 
schichte gegeben wird, Natürlich konnte der letztere Punkt in 

1 Bekanntlich hat Wiesner zuerst darauf hingewiesen, dass Keim- 
linge und erwachsene Pflanzen im Finstern reichlicher organische Säuren 
bilden als im Lichte (Untersuch, über d. Beziehungen des Lichtes zum 
Chlorophyll. Sitzber. d. kais. Akad. zu Wien 1874. pag. 49) und ferner 
darauf, dass organische Säuren die Isolirung der Zellen in der Trenuungs- 
schichte besorgen dürften. Herbstl. Entlaubung, 1. c. pag. 39. 

11* 



164 



M o 1 i s c h, 



den vorherg-ehenden Versuchen Dicht mit jenen Gewächsen ent- 
schieden werden, welche im Lichte bei g-eliemniter Transspiration 
die Blätter abwerfen. Hier ist — so hätte man sagen können — 
die Treunungsschichte in Folge der unterdrückten Verdunstung- 
entstanden, die Dunkelheit sorgte nur durch secundäre Einflüsse 
für das raschere Auseinanderweichen der Zellen. Um diesem 
Einwand zu entgehen, experimentirte ich auch mit Goldfnssia 
glomcriäa und Pe'rcskia aculeata, zweien Pflanzen, welche durch 
zwei Monate hindurch und länger im duustgesättigten, beleuch- 
teten Eaume stehen können, ohne Trennungsschichten zu bilden, 
geschweige denn die Blätter abzustossen. Da nun auch diese 
beiden ihre Blätter im Finstern bei Ausschluss der Transspiration 
verloren, die belichteten aber nicht, so ist damit der Beweis ge- 
liefert, dass die Dunkelheit auch zur Bildung der 
Trennungsschichten Veranlassung gibt. 

B. Die Versuchsobjecte transspirirten. 

Versuche] — 4 beziehen sich auf in Töpfen cultivirte, also- 
bewurzelte Pflanzen. 

1. 
Gingko biloba. 
Beginn des Versuches 5. October. Zwei vierjährige Bäum- 



chen wurden unter 
Temp. 17—20° C. 



Glasglocken licht und finster Gestellt. 



Versuclis- 

dauer 
in Tagen 


r i n s t e r 


Licht 




F 1 = 90—94 


i)'= 91—96 




Zahl der 

abgefallenen 

Blätter 


Anmerkung 


Zahl der 

abgefallenen 

Blätter 


Anmerkimg 




Nach 14 
„ 15 
„ 16 

n 1^» 


2 
6 
6 

8 


Alle abfallen- 
Blätter gelb. 

Pflanze kahl. 


1 
1 


Am Schlüsse 
des Versuches 
sind alle Blät- 
ter noch grün. 
Die Pflanze 
behielt ihre 
Blätter bis 
über den 
lö. November 
hinaus. . 





^i<"' bedeutet in allen Tab. die r. Fcuchtii4-keit des Vcrsuchsramnes. 



Untersuchungen über Laubfall. IbÖ 

2. 
Fuchsia hybrida. 
Beginn des Versuches 17. October. Zwei kräftige, kaum 
Yg m. hohe Fuchsien wurden wie vorhin aufgestellt. Temp. 
17_20° C. 





Versuchs - 

dauer 
in Tagen 


Finster Licht 




F=90— il4 


F= 90—95 




Zahl der 

abgefallenen 

Blätter 


Anmerkung 


Zahl der 
abgefalleneu Anmerkung 
Blätter 




Nach 5 
„ 9 
„ U 
. 16 
„ 18 
„ 20 
„ 21 
„ 23 
„ 26 


3 
13 
25 
34 
42 
48 
50 
60 


Bereits alle 
Blätter gelb. 

Pflanze kahl. 


3 
5 
5 
5 
5 
9 
9 
9 
9 


Nur einzelne 
Blätter gelb. 

Pflanze fast 
im Vollbe- 
sitze ihrer 
grünenBlätter, 



Percskia acidcdta. 
Beginn des Versuches 28. September. Sonst Alles wie vorher, 





Versuchs- 
dauer 
in Tagen 


Finster 


Licht 




i^=89— 93 


i^= 90—93 




Zahl der 

abgefallenen 

Blätter 


Anmerkung 


Zahl der 

abgefallenen 

Blätter 


Anmerkung 




Nach 4 
„ 10 

n 13 

.. 17 

„ 26 
„ 29 


1 
2 
3 
4 
6 
7 
8 


Blätter werden 
meist gelblich, 
bevor sie ab- 
fallen. 

Pflanze kahl. 





Alle Blätter 
grün und fest 



166 Mo 11 seh, 

4. 

Begonia ascotiensis. 

Beginn des Versuches 3. October. Beide Pflanzen waren 
unbedeckt, die eine stand im Dunkelkasten, die andere im 
Experimentirraum. Temp. 17 — 20° C. 



Versuchs- 
dauer 
in Tagen 


Finster 


Licht 


i^=72 (Mittel) 


F^IO (Mittel) 


Zahl der 
abgefallenen Anmerkung 
Blätter 


Zahl der 
abgefallenen Anmerkung 
Blätter 


Nach 2 
„ 5 
. 1 
„ 8 
« 9 
„ 10 

. 11 
„ 12 
. 16 


3 
20 
27 
35 
45 
62 
70 
83 
99 

• 


Pflanze kahl. 

Nun beginnt 
sie auch dieln- 
ternodien ab- 
zuwerfen. 


2 
2 
2 
2 
2 





Versuche mit abgeschnittenen Zweigen. 

Beginn des Versuches 18. September. Trennungsschichten 
noch nicht angelegt. Die zu vergleichenden Zweige waren von 
demselben Baum und von möglichst gleichem Aussehen. Temp. 
17_20° C. (Tabelle siehe pag. 167.) 

Nach 13 Tagen waren also bereits im Finstern im Ganzen 
20 Blätter abgefallen, im Lichte jedoch erst 4. Am Schlüsse des 
Versuches, also nach 16 Tagen, betrug die Zahl der abgelösten 
Blätter im Finstern 26, im Lichte 13. Am deutlichsten zeigte 
sich der Einfluss des Lichtabschlusses bei Phüadelphns, denn 
innerhalb der Versuchsdauer hatte der verfinsterte Zweig sämmt- 
liche Blätter abgeworfen, der beleuchtete dagegen kein einziges. 
Ahnliche Kesultate ergaben Versuche mit Zweigen von Morus 



Untersuchungen über Laubfall. 



167 

















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168 M o 1 i s c h, 

Die verschiedenen Pflanzenarten erwiesen sich gegen Licht- 
abschluss in ungleichem Grade empfindlich. Manche, z. B. CoIchs, 
die genannte Balsamiue, ferner Begonien und Fuchsien, werfen, 
zumal wenn der Raum nicht sehr feucht ist, schon nach 
1 — 2 Wochen die meisten ihrer Blätter ab; die holzigen Azaleen, 
Lantana und Ei-onymus thun dies erst in viel späterer Zeit: den 
21. September in den Dunkelkasten gestellte Azalea-, Rhodo- 
dendron- und^yowi/mMs-Bäumchen brauchten nahezu drei Monate, 
um die Mehrzahl ihrer Blätter abzustossen. 

Die bei weitem grösste Resistenz zeigen in dieser Be- 
ziehung einzelne immergrüne Coniferen, z. B. Pinns Laricio 
Poir., Podocarpus und Taxus haceata. Die letztere Pflanze 
(bewurzelte Topfpflanze) erwies sich gegen viermonatlichen 
Lichtabschluss (^seit 5. Octo])er 1885 bis 5. Februar 1886) ganz 
unempfindlich. ^ 

Wenn ich alle Erfahrungen, die ich über den Einfluss 
dauernder Finsterniss auf den Blattfall gemacht habe, über- 
schaue, so möchte ich sagen: Die Pflanzen mit fallenden Blättern 
lassen sich in dieser Hinsicht in drei Kategorien theilen. Sehr 
empfindlich gegen Lichtmangel sind im Allgemeinen 
stark transspirirende , mit weichen Blättern ver- 
sehene Gewächse (Coleus, Fuchsia), schon bedeutend 
weniger reagiren schwächer transspirirende Pflanzen 
mit lederartigem, stark cuticularisirtem Laub (Piho- 
dodendron, Azalea^ Evotiymus, Buxus) und fast gar nicht 
empfindlich die noch weniger Wasser abgebenden 
immergrünen Coniferen (Föhre, Eibe).^ 

Auch die im Finstern entstandenen kleinen gelben Blättchen 
fallen häufig ab (Fuchsia, Evonymus, Beyonia, Coleus). Ab- 
weichend davon verhält sich Pelargonium zonale, deren etiolirte 
Blätter ziemlich mächtig heranwachsen und sodann in kräftig 
diffuses Licht gebracht, ergrünen und haften bleiben. Auf p, 169 
habe ich mitgetheilt, dass ich bei Robinien- und Fraxinus-Zweigen 



1 Auch bei Ifiug-.sameu Abwelken verliert die Eibe ihre Blätter 
nicht. 

- Die viel lebhafter traiisspirirenden anderen Coniferen, wie Gingko, 
Lärche, Tanne verhalten sich schon anders; sie werfen im Finstern die 
Blätter ab. 



Untersuchungen über Laubfall. 169 

keine klaren Resultate erhalten habe, class deren Blätter, gleieh- 
giltig- ob beleuchtet oder nicht, entweder gleichzeitig- abfielen, 
oder bald in dem einen, bald in dem anderen etwas früher. Es 
dürfte auch in diesem Falle der Lichtmangel seineu Einfluss auf 
den Blattfall geltend machen, derselbe dürfte jedoch hier durch 
andere Blattfallursachen verdeckt werden. Verläuft nämlich der 
Versuch unter Glasglocken, also in ziemlich feuchtem Baume, 
dann ist durch die Herabsetzung der Transspiration auch beim 
beleuchteten Sprosse eine gerade bei diesen Pflanzen sehr wirk- 
same Ursache der Entlaubung gegeben. Der Einfluss der Fiuster- 
uiss tritt mithin mehr in den Hintergrund und wird so gut wie 
verdeckt. Vollzieht sich hingegen der Versuch unter gewöhn- 
lichen Feuchtigkeitsverhältnissen in freier Luft oder im Zimmer, 
dann beginnen die Zweige, da deren Schnittflächen ihr Saugungs- 
vermögen bald einbüssen (vergl. das auf p. 156 Gesagte), nach 
wenigen Tagen schon zu verwelken. In Folge dessen fallen nach 
den auf p. 156 gegebenen Auseinandersetzungen auch von dem 
belichteten Zweige die Blätter schon zu einer Zeit ab, bevor die 
durch die Dunkelheit hervorgerufene Einwirkung im Parallel ver- 
suche zum Ausdruck kommen konnte. Ich zweifle jedoch nicht, 
dass diese letztere zur Geltung gelangen würde, wenn man mit 
bewurzelten Robinien oder Eschen den Versuch unter sonst natür- 
lichen Bedingungen anstellen würde. 

Bei dieser Gelegenheit will ich bemerken, dass langsames 
Welken — gleichgiltig ob herbeigeführt durch gesteigerte Trans- 
spiration oder durch geringe Wasserzufuhr — auf die Entlaubung 
viel energischer wirkt als Lichtmangel. Dies gilt wahrscheinlich 
von allen Gewächsen, besonders aber von jenen, welche feuchte 
Atmosphäre lieben. Boehmeria argeiitea, Goldf'ussla fjlomerata, G. 
isophylla, Chloranthus erectus etc. werfen die Blätter im dunst- 
gesättigten, finsteren Räume oft erst nach einem Monat ab, im 
hellen trockenen Räume dagegen schon in der Hälfte der 
Zeit oder sogar noch früher. Noch rascher kann man den Laub- 
fall hervorrufen, wenn man beide Factoren, Wasserentzug und 
Lichtabschluss auf die Pflanze gleichzeitig einwirken lässt. 

Zum Schlüsse dieses Capitels sei noch ein Versuch mit- 
getheilt, welcher den Beweis liefern soll, dass die Beeren von 



170 



M 1 i s c h, 



Ligustriim vulgare sich gegen Lichtabschluss ganz so verhalten 
wie Blätter. 

Zwei mit vielen reifen Früchten besetzte, möglichst gleiche 
Zweige der genannten Pflanze wurden mit ihrer Schnittfläche ins 
Wasser eingestellt und sodann mit Glasglocken bedeckt. Zur Her- 
stellung eines dunstgesättigten Raumes wurden beide mit Wasser 
abgesperrt und eine davon behufs Lichtabschlusses überdies noch 
mit einem schwarzen Sturz bedeckt. Temperatur 16 — 20° C. 
Versuchsdauer 10. — 18. October. 





Finster 


Licht 


Versuchsdauer 
in Tagen 


Zahl der 

abgefallenen 

Beeren 


Zahl der 

abgefallenen 

Blätter 


Zahl der 

abgefallenen 

Beeren 


Zahl der 

abgefallenen 

Blätter 


Nach 5 


85 


7 


6 





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i9 


9 


26 


— 


n 7 


72 


9 


44 


— 


„ 8 


77 

Zweig n 


9 
un kahl. 


47 





Am prägnantesten trat die Wirkung der Dunkelheit hervor 
nach dem 5. Tage. Während dieser Zeit waren im Finstern fast 
sechsmal mehr Früchte abgefallen als im Lichte. Die abgefallene 
Beere sitzt gewöhnlich auf einem kleinen Stielchen, an dessen 
Basis noch die Eeste der Trennungsschichte zu bemerken waren. 
Am 8. Tage wurde der Versuch unterbrochen, zu welcher Zeit der 
belichtete Zweig noch viele Beeren und noch alle Blätter hatte. 



V. 

Sauerstoff, eine nothwendige Bedingung des Laubfalls. 

Bei Versuchen mit abgeschnittenen Zweigen liabe ich zu 
wiederholten Malen die Beobachtung gemacht, dass die untersten 



Uutei'suchimg'en über Laubfall. 171 

zufällig unter Wasser befiudlicben Blätter eines Spros- 
ses meistens viel später abfielen als die oberen in 
Luft befindliehen.' Dies musste umsomehr auffallen, als ja 
unter normalen Verhältnissen in der Regel die ältesten Blätter 
sich stets zuerst ablösen. ^ 

Höchst anschaulich lässt sich das Gesagte an Gabelzweigen 
des ersten besten Holzgewächses demonstriren. Fixirt man einen 
Gabelspross derartig, dass der eineZweig unterWasser taucht, der 
Schwesterzweig sich im dunstgesättigten Räume befindet, so fallen 
die Blätter des Luftzweiges stets früher ab als die des Wasser- 
zweiges. 

Ich prüfte in dieser Weise Sprosse von Syringa vulgaris, Li- 
f/i(strum vulgare, Frax'mus excelsior, Vifis viiiifera. Acer cam- 
pesfre, Prunus avium, Coruus mas, C. sanguinea, Corylus Avellana, 
Philadel phus coronarius, Symphoricarpus racemosus, Kerria 
japonica, Evonymus japonicus, Bhamnus alpiuus, Azalea iudica 
und Fuchsia — immer mit demselben Erfolg. 

Und die Ursache dieser Erscheinung? Die Berührung mit 
Wasser konnte es wohl nicht sein, weil ja in der Mehrzahl der 
Fälle die Blätter auch unter Wasser abfallen, nur bedeutend 
später als in Luft, die durch das Untertauchen hervorgerufene 
Hemmung der Trausspiration ebenfalls nicht, da diese den Laubfall 
bei den eben angeführten Pflanzen gerade herbeiführen sollte. 

Ich kam alsbald auf die Vermuthung, dass der unter Wasser 
erschwerte Luft- beziehungsweise Sauerstofifzutritt die Ausbildung 
der Trennungsschichte erschweren und hiedurch den Blattfall 
verzögern dürfte. Wäre diese Vermuthung richtig, dann müssten 
Zweige im sauerstoflfreichen Wasser ihre Blätter viel früher ver- 
lieren als im sauerstoffarmen, ferner müsste, falls Sauerstoff für 
den Laubfall von wesentlicher Bedeutung ist, im sauerstofiffreieu 
Räume der Blattfall unterbleiben. Dies ist nun thatsächlich 
der Fall. 



1 Mitunter lösen sich — und dies ist gewöhnlich bei solchen Sprossen 
der Fall, deren Blätter im absolut feuchten Räume sehr lange haften blei- 
ben (Tanne) — die Blätter unter Wasser früher ab als die in der Luft. Diese 
Erscheinung ist jedoch ganz anderer Natur, denn sie beruht einfach auf 
dem Abfaulen der Blätter vom Stamme. 

-' Vgl. Wiesner 1. c. pag. 20. 



172 



M 1 i s c b . 



Den 5. November wurde je ein Zweig von Fuchsia hybrida, 
Ligustrnm vulgare, Baccharis sp. in einer mit ausgekochtem und 
selbstverständlicli abgekühltem Brunnenwasser gefüllten Glas- 
wanne untergetaucht. Durch Bedecken des Wassers mit einer 
etwa 2 Mm. dicken Olivenölschichte wurde der Luftzutritt mög- 
lichst gehemmt. In einer zweiten Wanne tauchten analoge Sprosse 
in gewöhnliches Wasser, durch welches ausserdem während der 
hellen Tagesstunden ein langsamer, aber continuirlicher Blasen- 
strom von atmosphärischer Luft geleitet wurde. Temperatur 16 
bis 20° C. 

Das Wasser wurde, um das Faulen der Blätter zu verhin- 
dern, alle drei Tage gewechselt. Geschieht dies nicht, dann 
erhält man ganz unklare Resultate, da die Blätter an ihrem 
Grunde sich in Folge einer durch Fäulniss hervorgerufenen 
Maceration ablösen. 



2 


Im sauerstoffariueii Wasser 


Im sauerstoflfreichen Wasser 














-g 'f 


Fuchsia 


Baccharis 


Ligustrum 


Fuchsia 


Baccharis 


Ligustrnm 


2^ 






1 




Zahl der abgefallenen Blätter 


Zahl der 


abgefallen eu Blätter 


Nach 7 










2 


1 


„ Kl 


1 











1 


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1 




1 


4 


12 


1 


„ 17 


1 




1 


9 


12 


4 


„ 21 


1 




1 


10 


12 


4 


„ 20 


1 




1 


11 


14 


8 

i 



Die vorstehende Tabelle zeigt wohl zur Genüge, wie durch 
gehemmten Sauerstoffzutritt der Blattfall unter Was- 
ser verzögert, durch reichlichen Zutritt dagegen 
gefördert wird. 

Es soll nun noch der Nachweis erbracht werden, dass in 
sauerstofffreier Luft eine Ablösung der Blätter überhaupt nicht 
erfolgt. Zu diesem Zwecke ging ich folgendermassen vor. 



Untersuchungen über Laubfall. 173 

In eine grosse (20 Ctm. lange, 3 Ctm. breite) Eprouvette 
wurde ein kurzer beblätterter Zweig von Azalea iudica oder 
Abutilon Danoinu möglichst weit eingeschoben, die Eprouvette 
mit ihrer Mündung nach unten in ein schmales cylindrisches 
Gefäss (sogenanntes Lapisglas) gestellt und durch Kork fixirt. 
Hierauf schüttete ich 1-5 Grm. feste Pyrogallussäure auf den 
Boden des Lapisglases, goss 60 cm^ Kalilauge vom specifischen 
Gewichte 1-050^ darauf und stürzte, um das Ganze mit einem 
möglichst kleinen Luftvolum zu umgeben, einen schmalen, mit 
Wasser abgeschlossenen Glascylinder darüber. Die Pyrogallus- 
säure löst sich unter Braunwerden fast momentan in der Kali- 
lauge auf, gelangt in die Eprouvette und kann hier durch vor- 
sichtige Neigung derselben sehr leicht auf ein höheres Niveau 
als ausserhalb (im Lapisglas) gebracht werden. Einige Zeit darauf 
fängt die inzAvischen ganz dunkel gewordene Pyrogallussäure in 
der Eprouvette an zu steigen und bleibt, wenn schliesslich aller 
Sauerstoff absorbirt ist, stehen. Von diesem Augenblicke an 
befindet sich der Spross im sauerstofffreien Räume. Als Parallel- 
versuch stellt man eine mit einem analogen Zweige versehene 
Eprouvette daneben auf und sperrt dieselbe nur mit einer dünnen 
Wasserschichte ab. Durch täglich 1 — 2 mal stattfindendes Empor- 
heben konnte die Luft in dieser Eprouvette wieder erneuert 
werden. Sodann wurde das Ganze im Dunkelkasten bei einer 
Temperatur von 16 — 20° C. aufgestellt. 

Obwohl in beiden Fällen zwei für die Entlaubung ungemein 
günstige Bedingungen vorhanden waren: 1. vollständige Hemmung 
der Trausspiration und 2. Lichtabschluss, so fielen die Blät- 
ter doch stets nur in der sauerstofferfüllten Eprouvette 
ab, in der anderen (sauerstofffreien) aber nicht. Bei Abutilon 
stellte sich der Blattfall innerhalb zwei, bei Azaleu nach 2 bis 
3 Wochen ein. 

Die Nothw^endigkeit des Sauerstoffes für den Laubfall zeigt 
wieder auf das Deutlichste, dass wir es entgegen der Ansicht 



' Nach Th. Weyl und X. Zeitler (Liebig's Annal. d. Chemie, 
Bd. 205, Jahrg. 18S0, 2. Heft, pag. 255) erreicht die Pyrogallussäure in 
diesem Gewichtsverhältniss mit Kalilauge gemengt für die Sauerstoff- 
absorption ihr Optimum. 



174 Molisch, 

älterer Physiologen (z, B. Duhamel^) im Blattfalle mit einem 
Lebensact, mit einem org-anischen Process zu tkun haben, der 
sich, wie MohF zuerst erkannte, am Grunde des Blattes in der 
sogenannten Trennungssehichte abspielt. Die Abhängigkeit der 
Entlaubung von der Gegenwart des Sauerstoifes wird auch voll- 
kommen einleuchtend, wenn man bedenkt, dass die Ablösung 
des Blattes durch Theilung und das Wachsthum von Zellen ein- 
geleitet wird — zwei physiologische Erscheinungen, deren 
Zustandekommen ja in der Regel an das Vorhandensein dieses 
Gases geknüpft ist. 

VI. 

Beziehungen zwischen Temperatur und Laubfall, •* 

Der Zusammenhang zwischen Entlaubung und Temperatur 
ist ein viel complicirterer, als es bei oberflächlicher Betrachtung 
erscheinen möchte. Bekanntlich ist die Transspiration der 
Gewächse im hohen Grade von der Temperatur abhängig. 
Mit dem Steigen oder Sinken der letzteren steigt und sinkt 
auch die Transspiration. Nun wissen wir aber, dass eine 
bedeutende Herabsetzung der Transspiration den Blattfall bei 
vielen Gewächsen hervorruft, desgleichen eine ungewöhnliche 
Steigerung. Wir müssen daher schliessen, dass sowohl niedrige 
Temperatur, insoferne sie die Wasserverdunstung der Blätter 
bedeutend hemmt,* als auch erhöhte Temperatur, insoferne sie 
die Transspiration abnorm steigert, den Eintritt des Blattfalles 
begünstigen. 

Ausserdem ist aber noch die Frage zu untersuchen, ob denn 
die Wärme nicht als solche, also ganz unabhängig von ihrer Be- 
ziehung zur Transspiration beim Blattfall eine Rolle spiele. Mir 
erschien dies um so wahrscheinlicher, als ja fast jeder physio- 



1 Vgl. Mohl, 1. c. pag. 2. 

- Ebenda pag. 14. 

3 Auf die Ablösung der Blätter durch Frost ist hier keine Rücksicht 
genommen; man vergleiche darüber die Untersuchungen von Mohl (1. c. 
pag. 16—17) und Wiesner. (Herbstl. Entlaubung, 1. c. pag. 42 und 43.) 

i Dieser indirecte Einfluss auf den Laubfall wurde bereits von 
Wiesner in seinen Untersuchungen über die herbstliche Entlaubung, 1. c. 
pag. 86 und 44 erkannt. 



Untersuchungen über Laubfall. 175 

logische Vorgang in einem bestimmten Abhäng-igkeitsverhältniss 
zur Temperatur steht und sich innerhalb bestimmter Temperatur- 
grenzen mit verschiedener Energie vollzieht. Dies ist auch beim 
Blattfall zu erwarten, da die Ausbildung- der Trennungssebichte 
— im Wesentlichen auf der Theilung und dem Wachsthum von 
Zellen beruhend — sich offenbar bei verschiedenen Temperaturen 
ungleich rasch vollziehen wird. Man wird auch hier die drei 
bekannten Cardinalpunkte: Minimum, Optimum und Maximum, 
annehmen müssen, obwohl auf den ersten Blick dagegen die 
alte Erfahrung zu sprechen scheint, dass die Blätter für gewöhn- 
lich im kühlen Herbst und nicht im warmen Sommer abfallen. 
Bei der herbstlichen Entlaubung arbeiten eben, abgesehen von 
inneren Ursachen, eine Reihe von äusseren Factoren mit, so dass 
der Antheil. welcher jedem einzelnen Factor bei der Ablösung 
des Blattes gebührt, nicht klar ersichtlich, ja manchmal geradezu 
verdeckt wird. Dies letztere gilt wohl auch von dem directen 
Einfluss der Temperatur auf den Laubfall. 

Ich begann leider meine Untersuchungen darüber erst im 
Spätherbst 1885, zu einer Zeit, in welcher die Blätter ihre 
Trennungsschichten schon besassen. Unter solchen Umständen 
konnte ich keine prägnanten Unterschiede in der Raschheit der 
Entlaubung wahrnehmen, als ich Zweige bei niederer (+1 bis 
10° C) und mittlerer (17 bis 22° C) Temperatur im dunst- 
gesättigten hellen Räume beobachtete. Ich suchte daher nach 
Zweigen, welche oft bis in den Winter hinein ihr Laub behal- 
ten, da ich hoffen durfte, dass diese ihre Trennungsschichten 
noch nicht oder nur zum Theil ausgebildet hatten. Solche 
Zweige warfen thatsächlich ihre Blätter bei höherer 
Temperatur reichlicher und früher ab, als bei 
niederer. 

Die Sprosse befanden sich, hellem diffusen Licht ausge- 
setzt und mit ihrer Basis in Wassergefässe tauchend, unter Glas- 
glocken im absolut feuchten Räume. Beginn des Versuches den 
1. Dezember. Hier die tabellarische Übersicht der Versuchs- 
resultate: 



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üutersiichimg-en über Laubfall. 177 

VII. 

Anatomisclie.s nebst Schlussbemerkungen. 

Von der Ansicht ausgehend, dass ein klarer Einblick in die 
Physiologie des Laubfalls nur unter gleichzeitiger Berücksich- 
tigung der im Hlattgrunde vorhandenen und sich kurz vor der 
Ablösung li ervorbildenden anatomischen Verhältnisse möglich ist, 
habe ich diesen gelegentlich der vorhergehenden Untersuchungen 
stets Beachtung geschenkt und hiebei einzelne Beobachtungen 
gemacht, die hier kurz zusamniengefasst werden sollen. 

Verholzung von Grundgew^ebszelleu in der Nähe 
der Trennungsschichte. Bei sehr vielen Blättern unserer 
Holzgewächse verholzen in unmittelbarer Nähe der Trennungs- 
schichte bald grössere, bald kleinere Zellcomplexe, wovon man 
sich leicht überzeugen kann, wenn man geeignete Schnitte mit 
einem der bekannten Wiesner'schen Holzreagentien, z. B. mit 
Phloroglucin und Salzsäure behandelt. Die verholzten Zellgruppen 
oder Zelllagen geben sich dem Auge bereits unter Zuhilfenahme 
der Loupe als rothe Flecken oder Linien kund. Eine derartige 
Ausfärbung des Präparates empfiehlt sich schon deshalb, weil 
die etwa vorhandenen Schichten, w ie Periderm, rundzellige Schichte, 
Treunungsschichte und die knapp darüber liegenden Zelllagen 
sich von einander ungemein scharf abheben, wodurch eine rasche 
Orientirung über die Anatomie des Blattgrundes ermöglicht wird. 
Bezüglich der Verholzung im Blattgrunde konnte ich bei dicotylen 
Pflanzen folgende Fälle unterscheiden. 

Die Verholzung erstreckte sich J. nur auf das unterhalb 
der Trennungsschichte liegende Periderm, 2. nur auf die rund- 
zeilige Schichte (Ulmus catnpestris), 3. nur auf die oberhalb der 
Trennungsschichten gelegenen Zelllagen (Tilia 'parvifoUa), 4. auf 
zwei (Gymnocladus cauadensis) oder alle drei der genannten 
Lagen, 5. auf gar keine (Lifiustrtim vuUjwre). 

Die Verholzung greift in den einzelnen Schichten entweder 
durch den ganzen Querschnitt des Blattgrundes um sich — und 
dies ist der gewöhnliche Fall — oder nur in den perifer gelegenen 
Partien. 

Einschnürung des Gefässbündels im Blattgrunde. 
Auf diese für die erleichterte Ablösung des Blattes offenbar sehr 

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abtli. 12 



178 Molisch, 

wichtige Thatsache hat zuerst Wiesuer aufmerksam g-emacht.* 
Der genannte Autor sagt: „Durch Anfertigung von Querschnitten 
durch die Blattbasis kann man sich leicht überzeugen, dass die 
nach unten zu an allen Laubblättern sich theileuden Gefäss- 
bündel an Volumen abnehmen, indem ihre Querschnitte nach 
unten hin kleiner werden. Die grösste Verengung finde ich in 
jenem Abschnitte des Blattgelenkes, den die Trennungsschichte 
einnimmt. . . . Stets aber habe ich in dem herbstlich veränderten 
Blattgelenke nach dem Grunde hin eine Verminderung der Bast- 
zellen und Gefässe beobachtet." 

Diese interessanten Angaben sind merkwürdigerweise bis- 
her so gut wie unbeachtet geblieben, obwohl es leicht gelingt, 
sich bei vielen Blättern von der Richtigkeit derselben zu über- 
zeugen. Ich habe an zahlreichen Blättern die selbstverständlich 
schon von Anfang an vorhandene Einschnürung des Gefäss- 
btindels, sowie die Reduciruug der derberen Elemente in der 
Trennungslinie bemerkt und empfehle als ein in dieser Beziehung 
sehr günstiges Object Äzalea indica. Hier ist der Holzkörper in 
der Trennungsschichte ungefähr '/gmal schmäler als unmittelbar 
darüber. Ganz analoge Verhältnisse sind von v. HöhneP 
für viele Zweigsabsprünge (Salix) beobachtet worden. 

Einschnürung des Blattgrundes. Die Blätter mancher 
Pflanzen zeigen am Blattgrunde eine höchst auffallende, oft ganz 
unvermittelt auftretende Verschmälerung. Betrachtet man die 
Blattbasis einer Echeveriti, Peret^kiu oder Crassula, so würde man 
bei oberflächlicher Beobachtung glauben, dass der Blattgrund 
mit breiter Fläche dem Stengel aufgewachsen ist. Dies ist jedoch 
keineswegs der Fall, denn thatsächlich wird der organische 
Verband zwischen Blatt und Stengel nur durch eine kleine cen- 
trale Partie des Blattgelenkes vermittelt, wie man sich leicht 
überzeugen kann, wenn man das Blatt an seiner Basis vom 
Stamme ablöst. Folgende Zahlen sollen die Grösse der Ein- 
schnürung veranschaulichen. 



1 Herbstl. Eutl:uil)inig-, 1. c. pa.^-. 41. 

- Fr. V. II ohne , weitere Untersuchuug-eu über den Ablösungsvor- 
gung von verholzten Zweigen. Mitth. aus d. forstl. Versiichswesen Österr.. 
Bd. II. 2. Tieft, Separatabdr. pag. 11. Wien 1879. 



Untevsuchunfi-en über Laubfall. 



179 







Grüsster Blatt- 
grimddnrchmesser 


Breite des schmalen 
Yerbindimgsstückes 




Pereskia aculeata . . . 

Echeveria sp 

Crasstila obligtia .... 


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0-8 Mm. 
1-4 .. 
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Erwägt man, dass bei manchen dieser Pflanzen (Pereskia) 
an der eingeschnürten Stelle die derben Elemente des Gefäss- 
bündels bedeutend zurücktreten und viel zarter ausgebildet sind, 
so leuchtet ein, dass bei derlei anatomischen Einrichtungen die 
Ablösung des Blattes sich sehr leicht vollziehen wird. 

Die geschilderten Verhältnisse sind keineswegs auf die 
genannten Pflanzen beschränkt, sie finden sieh mitunter auch bei 
Holzgewächsen, nur in viel minderem Grade, oft gar nur auf 
einer Seite des Blattgrundes ' (Juniperns communisj Gingko 
biloba^ Lif/ustrum vulf/m-e, Viscnm album etc.) 

Trennungszone einiger Coniferen. Obwohl man die 
Anatomie des Blattgelenkes bei den verschiedensten Pflanzen- 
ordnungen genau untersucht hat, existiren doch keine diesbezüg- 
lichen Angaben über die Blätter der Coniferen. Ich fand nur eine 
einzige Bemerkung bei v. Mohl^ über Gingko biloba, aus welcher 
hervorgeht, dass der Blattgrund ganz ähnlich gebaut ist wie der 
vieler Laubhölzer und nichts Abweichendes darbietet. Dagegen 
bieten die Blätter anderer Coniferen so viel Eigenartiges und 
auch Interessantes, dass ich es mir nicht versagen will, das 
Wichtigste darüber mitzutheilen. 

Abies excelsa. Das Blatt der Fichte sitzt auf einem soge- 
nannten „Blattkisseu", welches nach der Ablösung des Blattes 
am Stamme verbleibt. Ein Längsschnitt durch die Basis einer 



5 Ähnliches findet sich nach v. Höhnel fAblösimgsvorgang, 1. c. 
pag. 11.) bei Zvveigabsprüngen von Thuja occidentalis und den Kurztrieben 
der Kiefer, nach meinen Beobachtungen an den abfallenden Zweigen von 
Tnmarix gallica. 

2 1. c. pag. 9 und 12. 

12* 



180 Mo lisch, 

ein- oder mehrjälirig'en Nadel zeigt sofort au der Grenze zwischen 
Blattkissen und Blattgrimd eine höchst aufFallend gebildete 
Trennnngszone. Diese verläuft in einem flachen nach oben con- 
vexen Bogen und besteht aus zwei Schichten. Die eine setzt sich 
gewöhnlich aus zwei bis drei Lagen von in der Richtung der 
Blattachse ziemlich gestreckten Sklerenchymzellen zusammen. 
Dieselben sind porös verdickt, stark verholzt und besitzen je 
einen Zellkern. Die andere ist viel weniger auffallend, weil 
geringer entwickelt und besteht aus kurzen, polyedrischen, gleich- 
falls in zwei bis drei Lagen vorhandenen Sklerenchymzellen. An 
der Grenze zwischen diesen beiden Sklerenchym- 
schichten findet die Ablösung des Blattes statt. 
Daher findet man den Grund der abgetrennten Nadel von der 
oberen die Narbe des Blattkissens von der unteren Sklerenchym- 
platte bedeckt. Von der letzteren haften gewöhnlich einige au 
dem fallenden Blattgrund fest. Ob in der kleinzelligen Skleren- 
chymzone vor dem Blattfall Theilungen eintreten, konnte ich 
nicht beobachten. 

Abies pect'muta. Das Blatt sitzt am Zweige mit verbreitertem 
Grunde fest. An der Grenze zwischen beiden ist eine unbedeutende 
Einschnürung zu bemerken, von welcher die mehr minder braun- 
gefärbte, zumeist aus 2 — 3 Zelllagen bestehende Trennungs- 
zone ausgeht. Auch hier besitzen die Zellen einen wenn auch nur 
wenig ausgesprochenen sklerenchymatischen Charakter. Sie sind 
polyedrisch, verholzt und führen nicht selten kleine Krystalle von 
oxalsauremKalk. Unmittelbar darüber bildet sichdieTrennungs- 
schichte, eine gewöhnlich nur zwei Zelllagen umfassende, klein- 
zellige, plasmareiche Gewebsplatte, die sich von dem darüber 
liegenden Grundgewebe nur wenig abhebt. Beim Blattfall bleibt 
dieSklerenchymschichte am Zweige zurück undbedeckt die Narbe. 

Lariv eiiropaea. Durch das unvermittelte Aufeinanderstossen 
von kleinen polyedrischen Sklerenchymzellen auf zarte, fast eben 
so grosse Parenchymzellen kommt eine scharf markirteTrennungs- 
zoue zu Staude. Die verholzten Parenchymzellen gehen nach unten 
allmählich in Periderm, nach oben ohne Übergang in zartwandiges 
Parenchym über, aus welchem offenbar die Treunungsschicht sich 
hervovbildet. Ganz ähnlich verhält sich Cednts Deodora, deren 
Nadeln auf einem ziemlich lauü-en Blattkisseu sitzen. 



Uütersucluuigeu über Laubfall. 181 

Taccus baccata. Ich untersuchte verschieden alte, selbst fünf- 
jährig-e Nadeln, konnte jedoch weder das Vorhandensein einer 
Trennung'szone, noch einer Trennung-sschichte nachweisen. Offen- 
bar bildet sich die letztere erst ganz kurz vor dem Abfall des 
Blattes aus. Ich suchte die Bildung der Mohl'schen Schichte 
durch Einstellen der Zweige in einem finsteren, dunstgesättigten 
Raum, oder durch mangelhafte Wasserzufuhr hervorzurufen — 
allein vergebens. Die Eibe ist diesen Einflüssen gegenüber 
ungemein resistent. 

Auf pag. 176 — 178 wurden einige anatomische Thatsachen 
angeführt, welche eine leichtere Lostrennung des Blattes vom 
Sprosse ermöglichen. Eine der wichtigsten Fragen jedoch, welche 
Umstände die Isolirung der Zellen in der Trennungssehichte 
überhaupt bedingen, wurde bisher noch nicht erörtert. 

Nach den Untersuchungen von Wiesner' lösen die organi- 
schen Säuren, welche bei gehemmter Transspiration in Folge der 
Stagnation der Zellsäfte nachweislich reichlich entstehen, die 
Mittellamellen der betreffenden Zellen auf. Der genannte Autor 
konnte sogar Blätter, deren Trennungsschichten bereits angelegt 
waren, durch Einlegen in Auflösungen organischer Säuren nach 
einigen Tagen zur Ablösung bringen. ^ 

Van Tieghem undGuignard^ stellten vor nicht langer 
Zeit die Behauptung auf, dass kurz vor Abfall des Blattes eine 
mittlere Zone der Trennungsschichte resorbirt wird, die übrig- 
bleibenden Zellen sodann aufeinander zuwachsen, in Folge 
grossen Turgors gegeneinander drücken und auf diese Weise das 
Gefässbündel zerreissen. Ich habe mich bei verschiedenen dico- 
tylen Blättern bemüht, eine solche Resorption aufzufinden, allein 
ich gelangte stets zu einem negativen Resultat. Abgesehen von 
dem Gefässbündel, dessen Elemente zumeist zerreissen, fand ich 
die Trennungszellen vollständig intact, oft bedeutend vergrössert, 
zusammen mitunter einen mehligen Belas' bildend. 



1 1. c. pag. 44. 

2 1. c. pag. 39. 

3 Observations sur le mecanisme de la chute des feuilles. Bull. soc. bot. 
France, T 29, pag. 312—317. Ein Referat darüber von mir findet sich im 
bot. Centralblatr, Bd. 17. pag. 72. 



182 Molisch, 

Bei BeantwortUDg- unseres Problems seheint es mir passend^ 
auf verwandte Erscheinungen vergleichend auszublicken und 
sich /u fragen, welcher Mittel sich denn die Pflanze bedient^ 
wenn es sich um die Isolirung von Zellen, um die Auflösung von 
]\Iittellamellen oder ganzer Membrantheile handelt. Solche Pro- 
cesse kommen in der Pflanze sehr oft vor: die Querwände 
junger zum AulTjau von Gelassen bestimmten Zellen verschwinden 
häufig ganz, das Celluloseendosperm vieler Palmensamen wird 
bei der Keimung resorbirt, Pilzhypheu durchbohren spielend leicht 
die Membran ihrer Wirtbe, die Zellen im Fruchtfleische von 
Liyustrum vulgare und Symphoricarpus racemosus gehen mit 
glatten Wänden aus dem Verbände, selbst todte Pflanzentheile 
zerfallen in bakteriösen Flüssigkeiten in ihre Elemente. 

Alle diese Vorgänge erklären sich in einfacher Weise durch 
die Einwirkung eines celluloselösenden Ferments. Es ist mir 
daher im hohen Grade wahrscheinlich, dass auch bei der Ab- 
lösung des Blattes in der Trennungsschichte ein 
solches Ferment auftritt und die Auflösung der Mittel- 
lamellen besorgt. 

Wiesner^ hat jüngst die schöne Entdeckung gemacht, dass 
die Gummibildung in der Pflanze durch die Wirkung eines Fer- 
mentes auf die Zellmembran zu Stande kommt. Als ich davon 
Kenntniss erhielt, kam ich auf die Vermuthung, ob nicht zur Zeit 
des Blattfalls im Blattgelenke dieses oder ein ähnliches Ferment 
auftritt und die Auflösung der Mittellamellen bedingt. In der That 
konnte ich mich bei sehr vielen Blättern von der Gegenwart eines 
solchen Fermentes überzeugen, und zwar mit Hilfe der von 
Wiesner zum Nachweis seines Gummiferments angegebenen 
prachtvollen Farbenreaction (Orcin + Salzsäure). Behandelt man 
geeignete Schnittenach der von Wie sn er emi)fohlenen Methode^ 
mit Orcin und Salzsäure, so färben sich in der Kälte bloss die ver- 
holzten Elemente violett, erwärmt man dann bis zur Siedehitze 
(am Objectträger), so färbt sich der Plasmainhalt vieler Zellen des 
Blattgrundes violett oder blau, am meisten aber der Inhalt 



1 Über das Gnmmiforment. SitzLer. d. kais. Akad. d. Wisseiisch. 
Jahrg. 1885, Bd. 92. 

- Gummiterment. 1. c. pag. 2ü etc. 



Untersuchungen über Laubfall. 183 

der die Treuuuug-sschiclite bildenden Zellen. [Evonymus 
japouicns, Äxalea hulicn, Aesculus Hippocastanum, Fra.vinus 
excelsior, Til'ta pan'if'olia etc.) Hier wird also das Gummiferment 
in grosser Menge gebildet, in grösserer als in den anderen Zellen 
des Blattgrundes und den daranstossenden Geweben. 

Hiermit lässt sich auch die Ansicht von Wiesner, wonach 
organische Säuren bei der Lsolirung der Zellen in der Trennungs- 
schichte betheiligt sind, vereinigen, da die Wirkung von Fer- 
menten durch die Gegenwart von Säuren nach mehrfachen 
Angaben unterstützt wird. 

VIII 

Die wichtigeren Eesultate der vorhergehenden Untersuchungen 
lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen. 

1. Wird die Transspiration von Zweigen, welche stark zu 
transspiriren gewöhnt sind, plötzlich gehemmt, so werfen sie die 
Blätter ab (Wiesner). 

Pflanzen, welche feuchte Atmosphäre lieben, behalten oft 
monatelang im dunstgesättigten Kaume ihr Laub. 

'2. Eine nicht allzu rasche, aber continuirliche Herabsetzung 
des Wassergehaltes im Blattgrunde führt zur Anlage der Tren- 
nuugsschichte und in vielen Fällen auch zur Ablösung der 
Blätter. 

Die letztere wird in auffallender Weise begünstigt und 
beschleunigt, wenn der Turgor des Blattgrnndes durch reiche 
Wasserzufuhr rasch gesteigert wird (Wiesner). 

3. Es ist im Wesentlichen gleichgiltig, ob das Welken der 
Pflanzen durch gesteigerte Transspiration, durch mangelhafte 
Wasserzufuhr oder durch beide zugleich herbeigeführt wird; von 
Wichtigkeit ist jedoch, dass das Welken nicht allzurasch eintritt, 
weil die Blätter sonst vertrocknen, bevor sie noch Zeit gefunden, 
ihre Trennungsschichten zu bilden. 

4. Abgeschnittene Zw^eige, welche ihrer Organisation wegen 
sehr langsam transspiriren, werfen ihre Blätter selbst an der Luft 
liegend ab. (Succulente Pflanzen, Fichte, Tanne, Begonia eto 

5. Auf mangelhafter Wasserzufuhr beruht auch die That- 
sache, dass abgeschnittene und mit ihrer Basis ins Wasser ein- 



184 Molisc'li. Untersuchungeu über Lidibfall. 

g-estellte Zweige ihr Laub tVüliev verlieren als aualoge am Baume 
verbliebene und ferner, dass viele Grewächse in Folge starker 
Schädigung des Wurzelsystems beim Verptlauzen aus freiem 
Lande in Töpfe oft einen grossen Theil ihres Laubes einbüssen. 

6. Durch stagnirende Bodennässe kann gleichfalls das 
Wurzelsystem geschädigt und bei vielen Pflanzen hiedurch theil- 
weise oder völlige Entblätterung herbeigeführt werden. 

7. Lichtmangel bewirkt Entlaubung. Am empfindlichsten 
erweisen sich stark transspirirende Pflanzen mit krautigen Blät- 
tern (Coleus), weniger empfindlich Gewächse mit lederigem, 
stark cuticularisirtem Laub (Azalea, Rhododendron, Abies pectl- 
nata), fast gar nicht empfindlich einzelne wintergrüne Coniferen 
(Eibe, Föhre). 

8. Der Einfluss der Temperatur auf den Blattfall ist ein 
sehr complicirter. Sie wirkt indirect durch Beeinflussung der 
Transspiration, aber auch direct, ganz unabhängig von der 
letzteren. Es fallen nämlich im dunstgesättigten Pvaume Blätter, 
deren Trennungschichten noch nicht oder eben erst angelegt 
wurden, l)ei höherer Temperatur (17 — 22° C.) viel reichlicher 
und früher ab als bei niederer (1 — 10° C). 

9. Sauerstoff ist eine wesentliche Bedingung des Laubfalles. 
Erschwerter Luftzutritt verzögert bereits den Laubfall, Daher 
lösen sich denn auch unter Wasser getauchte Blätter viel später 
ab^ als in feuchter Luft befindliche. 

10. Mit Rücksicht auf analoge Vorgänge in der Pflanze und 
mit Rücksicht darauf, dass Wiesner's jüngst entdecktes Gummi- 
ferment bei vielen Pflanzen gerade in der Trennungsschichte in 
reichlichem Masse nachgewiesen werden konnte, erscheint es sehr 
wahrscheinlich, dass die Auflösung der Mittellamellen beziehungs- 
weise die Tsolirung der Zellen hier durch ein celluloseumbilden- 
des Ferment vollzogen wird, wobei organische Säuren unter- 
stützend eingreifen. 

11 . Die Arbeit enthält ferner neue Beobachtungen anatomischer 
Natur über die Verholzung von Gewebeschichten in der Nähe der 
Trennungsschichte, über die Einschnürung des Blattgrundes und 
über das Blattgelenk von Coniferen, 



SITZUNGSBERICHTE 



DER 



miii üiDiE m wisisceiFfi 



MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. 



XOIII. Band. III. Heft. 



ERSTE ABTHEILUNG. 



Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik^ 
Zoologie, Geologie und Paläontologie. 



187 



VII. SITZUNG VOM 4. MÄRZ 1886. 



Die Bibliothek der Stazioue zoologica in Neapel dankt 
für die Betlieilimg derselben mit dem akademischen Anzeiger. 

Das w. M. Herr Hofrath Prof. C. Claus übermittelt für die 
akademische Bibliothek 17 Hefte der von ihm herausgegebenen: 
„Arbeiten aus dem zoologischen Institute der Uni- 
versität Wien und der zoologischen Station in Triest" 
aus den Jahren 1878—1886. 

Herr F. Friedrich, königl. preuss. Hoflieferant zu Prag, 
übermittelt ein Exemplar einer von ihm verfassteu : „Anleitung 
auf mnemonischem Wege die Kenntniss der Bedeu- 
tung sämmtlicher telegraphischer Zeichen binnen 
einem Tage sich anzueignen". 

Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. Dr. A. Rollett über- 
sendet unter dem Titel: „Beobachtungen an den geformten 
Bestandtheilen des Blutes", eine Arbeit, vpelche Herr 
Dr. Karl Laker im physiologischen Institute der Grazer Uni- 
versität ausgeführt hat. 

Herr Dr. Clemens Winkler, Professor der Chemie an der 
königl. sächsischen Bergakademie in Freiberg, macht mit Schrei- 
ben vom 21. Februar 1. J. die Mittheilung, dass er im Argyrodit 
von Freiberg ein neues, dem Arsen und Antimon nahestehendes, 
nicht metallisches Element aufgefunden und demselben den 
Namen „Germanium" beigelegt habe. 

Das w. M. Herr Professor v. Kerner hält einen Vortrag: 
„Über die Ernährungsgenossenschaften von Pilzen 
und Blüthenpflanzen." 

Das w. M. Herr Hofrath C. Claus überreicht eine Mit- 
theilung: „Über die Charaktere der Gattung Artemia im 
Gegen Satze zu Braiichlpus.'^ 



188 

Das w. M. Herr Prof. Ad. Lieben überreicht eine von ihm 
in Gemeinschaft mit Herrn Dr. S. Zeisel ausgeführte Arbeit: 
„über Condensationsproducte der Aldehyde", lY. Ab- 
handlimg. 

Das w. M. Herr Hofrath Intendant Ritter v. Hauer über- 
reicht eine Mittheihing aus dem geologischen Institute der 
deutschen Universität zu Prag unter dem Titel: „Neue Beiträge 
zur Kenntniss der Juraablagerungeu im nördlichen 
Böhmen". (IL) von Herrn G. Bruder. 

Herr Dr. Eduard Mahler, Assistent der k. k. österreichischen 
Gradmessung in Wien, überreicht eine Abhandlung unter dem 
Titel: „Untersuchung einer im Buche „Nahum" auf den 
Untergang Ninive's bezogenen Finsterniss." 

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zu- 
gekommene Periodica sind eingelangt : 
South African Philosophical Society: The Transactions, Vol. III. 

Part 1 (1881—83), Part 2 (1883—85). Cape Town, 1884, 

1885; 8^ 
Bergens Museum: Bidrag til Myrostomernes anatomi og histologi 

af Fridtjof Nansen. (Med 9 Planchers.) Bergen, 2885. Fol. 
Stoliczka Ferdinand: Scientific Eesults of the second Yarkaud 

Mission: Araneidea. Calcutta, 1885; Fol. 



1 



189 



YIII. SITZUNG VOM 18, MÄRZ 1886. 



Se. Excellenz der Herr Curator-Stellvertreter Kitter 
V. Schmerling- spricht in einem an den Herrn Präsidenten 
der Akademie gerichteten Schreiben seinen verbindlichsten Dank 
aus für die ihm gewordene auszeichnende Begrüssung anlässlich 
der am 10, März d. J. zu Ehren des Curatoriums abgehaltenen 
feierlichen Sitzung der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften. 

Der S e c r e t ä r macht im Namen der akademischen Commission 
für die Herausgabe der wissenschaftlichen Publicationen über die 
ö s t e r r e i c h i s c h e J an M ay e n -E X p e d i t i n die IMittheilung von 
dem Abschlüsse und dem unmittelbar bevorstehenden Erscheinen 
des ersten Bandes diesesWerkes, mit dem Bemerken, dass von den 
14 Polarstationen, welche im Jahre 1882/83 über Anregung des 
Polarfahrers C arl Weyp recht und des Grafen HansWilczek 
zu dem Zwecke gleichzeitig in Thätigkeit gesetzt wurden, um 
nach einem gemeinsamen Programme Beobachtungsdaten zu 
sammeln und wissenschaftliche Untersuchungen in den eiserfüllten 
Kegionen anzustellen, die von der österreichischen Expedition 
activirte Station auf der Insel Jan Mayen erfreulicher Weise die 
erste Station sein dürfte, deren wissenschaftliche Errungen- 
schaften als ein Beitrag zu dem grossen internationalen Unter- 
nehmen der Erforschung des Polargebietes schon jetzt vor die 
Öffentlichkeit treten. 

Herr A. B. Meyer, königi. sächs. Hofrath und Director des 
zoologischen und autbropologisch-ethnographischen Museums in 
Dresden, übermittelt für die akademische Bibliothek folgende 
von ihm herausgegebene Druckwerke mit Illustrationen: 

1. ..Gurina im Obergailthal (Kärnthen). Ergebnisse der 
im Auftrage der anthropologischen Gesellschaft zu Wien 
im Jahre 1884 vorgenommeneu Ausgrabungen." 

2. „Das Gräberfeld von Hallstadt." 



190 

Das w. M. Herr Prof. V. v. Laug übersendet eine für die 
Sitzungsberichte bestimmte Abliandhing: „Bestimmung der 
Tonhöhe einer Stimmgabel mit dem Hipp'schen Chrouo- 
skop," über welche derselbe bereits in der Sitzuug vom 11. No- 
vember V. J. berichtet hat. 

Das w. M. Herr Prof. E. Hering übersendet eine Arbeit 
aus dem physiologischen Institute der deutschen Universität zu 
Prag: „Beiträge zur allgemeinen Nerven- und Muskel- 
physiologie. XIX. Mittheilung. Über das elektromoto- 
rische Verhalten des Muskelnerven bei galvanischer 
Reizung," von Herrn Prof. Dr. Wilh. Biedermann. 

Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. L. Boltzmann in 
Graz übersendet eine in seinem Institute ausgeführte Arbeit: 
„Untersuchungen über das Verhältniss zwischen dem 
elektrischen und elektromagnetischen Maasssystem" 
(IL), von Herrn Dr. Jgn. Klemencic. 

Das c. M. Herr Prof. V. v. Ebner übersendet eine im 
Institute für Histologie und Embryologie in Graz von dem 
Assistenten dieses Institutes Herrn Dr. Ludwig Merk ausge- 
führte Arbeit: „Über die Schleimabsonderung an der 
Oberhaut der Forellenembryonen." 

Das c. M. Herr Prof. L. Gegenbauer in Innsbruck über- 
sendet eine Abhandlung unter dem Titel: „Arithmetische 
Notiz." 

Herr Prof. Dr. J. H()rl)aczewski in Prag übersendet eine 
Abhandlung unter dem Titel: „Versuche über die Ent- 
stehung der Harnsäure im Organismus des Menschen." 

Herr Prof. Dr. Sigmund Mayer in Prag übersendet eine 
zweite (vorläufige) Mittheihmg: „Studien zur Histologie 
und Physiologie des Blutgefässsysteras". 

Der S e c r e tä r legt folgende eingesendete Abhandlungen vor : 

1. „Untersuchungen über Strychnin. IL Über Xantho- 
strychnol und Strychnol", von den Herren Prof. Dr. W. 
F. Loebisch und Dr. P. Schoop in Innsbruck. 

2. „Einwirkung von Cyankalium auf Dinitroaniliu", 
von den Herren Prof. Dr. E. Li pp mann und F. Fleissner 
in Wien. 



191 

3. ,,Über das Cyanhydriu des Nitrosodipropyl- 
anilins", von Herrn A. Man dl in Wien. 

4. „Über den Zusammenhang zwischen den voll- 
ständigen Integralen und der allgemeinen Lösung 
bei partiellen Differentialgleichungen höherer 
Ordnung", von Herrn Dr. V. Sersawy in Wien. 

5. j,Über Einlagerung von Calciumoxalat in die 
Zellwand bei Nyctagineen", vonHerrn Anton Heimerl 
in Wien. 

6. „Über hyperelliptische Curven", von Herrn Dr. K. 
Bobek in Prag. 

7. „Über die innere Reibungscoustante und die 
specifische Zähigkeit organischer Flüssigkeiten 
und ihrer flüssigen Lösungen" und 

8. „Über Tropfengewichte und deren Beziehung zu 
den C api 11 aritätscons tauten; über die Endlichkeit 
und Constanz des Randwinkels und über den 
Einfluss der Krümmung der Wand auf die 
Capillaritäts Constanten", letztere beiden Arbeiten von 
Herrn Dr. J. Traube in Hildesheim (Prov. Hannover). 

Ferner legt der Secretär ein versiegeltes Schreiben vor, 
welches Herr J. Rieh. Harkup, Realitätenbesitzer in Krems, 
behufs Wahrung der Priorität eingesendet hat. Dasselbe führt die 
Aufschrift: „Beschreibung einer Verbesserung in der 
gegenwärtigen Art der Hinterlader". 

Das wirkliche Mitglied Herr Hofrath C. Claus übergibt 
folgende Mittheilung: „Über die Entwicklung und den 
feineren Bau der Stilaugen von Branchipus.'-^ 

Das w. M. Herr Prof. J. Loschmidt überreicht eine 
Abhandlung unter dem Titel: „Die Schwingungszahlen 
einer elastischen Hohlkugel". 

Herr Prof. Dr. Ernst Fleischl v. Marxow überreicht eine 
nachträgliche Mittheilung zu seiner in den Sitzungsberichten 
veröffentlichten Theorie der optischen Eigenschaften 
eines homogenen magnetischen Feldes. 



192 

Herr Friedrich Biclschof in Wien übeiTeicht eine Abhand- 
lung: „Untersuchung-en über die Bahn des Planeten 
(220) Stephanie/' 

Selbständige Werke oder neue , der Akademie bisher nicht zu- 
gekommene, Periodica sind eingelangt: 

M. Mendelssohn und Ch. Riebet: Archives Slaves de Bio- 
logie. Tome I. Tome I. Fase. 1, Paris. 1886; 8". 



193 



Neue Beiträge zur Kenntniss der Juraablagerungen 
im nördlichen Böhmen. 11. 

Von Georg Bruder. 

(Mit 1 Tafel und 1 Holzschnitt.) 

(Mittheilungen aus dem geologischen Institute der k. k. deutschen 
Universität in Prag Nr. 6.) 

Vorgelegt in der Sitzung am 4. März 1886.) 

Zu Beginn des verflossenen Jahres machte mich Herr 
Geheimrath H. B. Geinitz auf eine sehr reichhaltige und 
interessante »Sammlung böhmischer Jurafossilien aufmerksam, die 
sich im Besitze des HeiTn August Weise, Vorstandes des Hum- 
boldt Vereines zu Ebersbach in der Oberlausitz, befindet. 

Auf mein Ansuchen wurde mir von demselben nicht nur die 
besagte Sammlung auf das bereitwilligste zur Verfügung gestellt, 
sondern es gelang Herrn Weise's gütigen Bemühungen auch 
noch weitere Suiten auszuforschen, welche mir durch seine Ver- 
mittlung gleichfalls fi*eundlichst anvertraut wurden; so vom 
Hen-n Carl Kögler zu Schönbüchel bei Schönlinde. 

Unter den mir also zur Bestimmung vorgelegten böhmischen 
Juraversteinerungen aus Sternberg und Khaa erregten beson- 
ders einige Brachiopoden meine Aufmerksamkeit, welche mir bis 
dahin weder aus Böhmen noch aus Sachsen bekannt geworden 
waren. Um wo möglich noch weiteres Material zu erhalten, erbat 
ich mir die von Dr. 0. Lenz* gesammelten und theilweise 
beschriebenen Brachiopoden von Sternberg aus der Sammlung 
der k. k. geologischen Eeichsanstalt zur Revision, und wurde 
dieser meiner Bitte vom Herrn Director Oberbergrath D. Stur in 
zuvorkommendster Weise entsprochen. 



1 0. Lenz: Über Auftreten jurassischer Gebilde in Böhmen. Zeitsch. 
für die gesammten Naturwiss. Bd. XXXV. 

Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. XCIII. Bd. I. Ablh. 13 



194 Bruder, 

Wenn ich beute in der Lage bin, neuerdings einen Beitrag 
zur Kenntniss der Juraablagerungen im nördlicben Böhmen vor- 
zulegen^ so danke ich dieses nur der liebenswürdigen Unter- 
stützung, welche mir von den genannten hochverehrten Herren in 
der oben bezeichneten Weise zu Theil wurde. Desgleichen bin 
ich meinem hochgeehrten Vorstande Herrn Professor Dr. G. C. 
Laube und Herrn Oberbergrath Prof. W. Waagen für die 
freundlichst zu Gebote gestellte Literatur zu innigem Danke ver- 
bunden. 

A. Allgemeines. 

Die nachstehend angeführten Versteinerungen stammen 
grösstentheils aus dem Sternberger Bruche, nur einige aus der 
verlassenen Grube bei Khaa. Dieersteren lassen an der Beschaffen- 
heit ihres Versteinerungsmateriales und an der Art ihres 
Erhaltungszustandes zumeist leicht erkennen, in welcher Schichte 
sie eingebettet waren. 8ie vertheilen sich auf dieselben wie folgt: 

A. Ammonitenkalke. 

(Zone der Oppelia teiiuilobata.') 

1 . Aspuloceras sp. (W. ) ^ 

2. Simoceras sp, (W. ) 

3. Perisphmctes cf. crusoUensis Font sp. (W.) 

4. Perisphinctes cf. Ernesti P. d. Loriol sp. (W.) 

5. Oppelia trachynota Opp. sp. (W.) 

6. Oppelia tenuilohata 0])p. sp. (W.) 

7. Aptychus o-asnicauda Q neust. (W.) 

8. Nautilus franconicus Opp. (W.) 

9. Astarie cf. snpracorallina d'Orb. (W.) 

B. Thonig-mergeiige Zwischenschichte. 

(Schwammlager.) 

10. Lima cf. fcfpdata Münster (W.) 

11. Blast inia äff. costa/a Qucnst. sp. (W.) 



1 (W) zeigt an, da«s sicli die betreffendcü Exemplare in der Sammlung 
des Herrn August Weise; in Ebersbach befinden. 



Neue Beiträge zur Kenntniss der Juraablagerungen etc. 195 

12. Myrmecium he7nisphnericiim Gold f. sp. (W.) 

13. Cory Hella Quenstedfi Zittel i^W.) 

14. Eusiphonell n perple.va Quenst. sp. 

15. Enden perforata Quenst. sp. (Geolog-. Inst. Prag.) 

16. Pachyteichisma jugosa Quenst, sp. (TV.) 

17. Pachyteichisma microstoma Quenst. sp. (TV.) 

18. Trochobolus culeiis Quenst. sp. (W.) 

19. Trochobolus barbatus Quenst. sp. (W.) 

20. Oophyma labyritithica nov. gen. nov. sp. (G. Inst. Prag.) 

21. Cylindrophyma heteroporacea nov. sp. (W.) 

22. Hyalotrayos fistulosinn Quenst. sp. (W.) 

23. Hyalotrayos cf. pezizoides Goldf. sp. (W.) 

24. Cnemidiastnim cf. condliiuim Quenst. sp. (W.) 

25. Cnemidiastrum striata- punctat um Goldf. sp. (W.) 

C. Brachiopodenkalk. 

(Zone des Peltoceras bimammatum.) 

26. Amalthens ühligii Bruder (Geolog-. Inst. Prag.) 

27. Pecten äff. paraphorus Böhm. (Kögler in Schönbücliel.) 

28. Spondylus moravicus Böhm. (SV.) 

29. Hinnites sp. (TV.) 

30. Terebratula ( Waldh eimia) äff. pseudolugenalis (M o e s c li) 

31. Terebratula [Waldheimia) magasif'ormis Zeusch (TV.) 

32. Terebratula imma)iis Zeusch. ysiv. jucunda Schi oss. 

(Geolog. Inst. Prag.) 

33. Terebratula cerricula Quenst. (k. k. geol. Reichsanst.) 

34. Terebratida cyclogonia Zeusch. (TV.) 

35. Terebratula formosa Suess (Geolog. Inst. Prag-.) 

36. Terebratula saxonica Bruder (k. k. geolog. Eeichsanst.) 

37. Terebratula subbararica v. Ammon (TT^.) 

38. Rhynchonella moravica Uhlig (k. k. geolog. Reichsanst.) 

39. Rhynchonella Laubei Brudev (Geolog. Inst. Prag.) 

40. Rhynchonella lacu?iosa var. dichotoma Quenst. (k. k. 

geolog'. Reichsanst.) 

41. Crania porosa Goldf. (Geolog. Inst, in Prag.) 



12* 



196 Bruder, 

Aus clem^ durch eine Halde von Lesesteinen verschütteten 
Kalkbruche auf dem sogenannten „Peschkeus Räumigt", etwas 
östlich von den ersten Häusern des Dorfes K haa, sind nur drei 
bisher aus den böhmischen Juragebilden unbekannt gebliebene 
Arten zu nennen. Dieselben stammen aus dem dünnschieferigen 
Mergelkalke, über dessen Petrefactenführung ich bereits Aus- 
führliches berichtet habe. ^ Es sind dies folgende: 

42. Pecoptichins refr actus Rein. sp. (W.) 

43. Harpoceras hecticiim Rein. sp. (W.) 

44- Amaltheus dorsocavntus Quenst. sp. (W.) 

Für die Sternberger Ammonitenkalke ist besonders das Vor- 
kommen der OppeUa tenuilobata^ des wichtigsten Leitfossiles für 
die Bestimmung des Horizontes, hervorzuheben. 

Das Schwammlager lieferte abermals eine Anzahl von Arten, 
welche in der westliehen Schweiz, Süddeutschland, Polen und 
Schlesien im mittleren Malm (Qu enstedts weisser Jura 7 und 0) 
verbreitet sind, nur einige wenige finden sich in den genannten 
Juradistricten in etwas höherem Niveau, das dem schwäbischen 
£ entspricht. 

Betreff der Brachiopodenkalke ist das Auftreten kieseliger 
Concretionen von grossem Interesse, das auf Grund eines in der 
Sammlung des Herrn Weise befindlichen Belegstückes mit 
umgebendem G-esteine nachgewiesen werden konnte. Durch 
dieses Verhalten, nämlich Einschluss von Kiesel- 
concretionen, ist auch in der petrographischen Be- 
schaffenheit eine auffallende Übereinstimmung des 
hellen dichten Brachiopodenkalkes der böhmischen 
Juragebilde mit den Kieselnierenkalken Nieder- 
baierns, den Ruditzer Schichten Mährens, sowie den 
plumpen Felsenkalken Polens und Oberschlesiens 
ausgedrückt; mit welchen sie, wie ich bereits nachgewiesen 
habe, zufolge ihrer Petrefactenführung als gleichalterig aufzu- 
fassen sind. ^ 



1 Bruder, Neue Beiträge etc. p. 18, Sitzber. der k. Akad. d. Wiss. 
Bd. LXXXV, p. 467—468. 

- Bruder, Zur Kenutniss der Juraablageruugen von Steruberg etc. 
Sitzb. d. k. Akad. d. Wiss. Bd. LXXXIII, p. 58— .-)9. 



Neue Beiträge zur Keuntuiss der Juraablag-eriingen etc. 19 < 

Aber auch die ueuerding-s aus dieser Schichte vorliegeiideu 
Fossilien verdienen einige Beachtung-. Abgesehen von den nicht 
genau bestimmbaren Bivalven, welche mit Stramberger und Kel- 
heimer Vorkommnissen verglichen werden konnten, kommen in 
dieser Hinsicht in erster Reihe die Brachiopoden in Betracht. 
Eine nicht unbedeutende Zahl derselben findet sich nämlich vor- 
herrschend in den tithonischen Ablagerungen von lunwald, Stram- 
berg, Wimmis und Sicilien, so z. B. Waldheimia magasiformis, 
Terebratula immanis vüy. jucunda, T. cycloi/o?iiff und T. formosoj 
dagegen sind W. pseudola(/ena/is, T. sitbbav urica, Rhynchonclla 
moravica, Rh. lacunosa var. dichotoma und Cranla j^orosa vor- 
züglich im mittleren weissen Jura der westlichen Schweiz, Süd- 
deutschlands, Mährens und Polens verbreitet. Den letzteren reihen 
sich an die bereits früher aus dieser Schichte beschriebenen 
Arten: W. Moeschi, T. Zieteni, T. eUiptoides, T. bisujfarcinata, 
Rh. Astieriana, Rh. lacunosa var. subsimilis und var. cracoviensis, 
Dictyothivis Kurri xmd Meyerlea loricata. Die Formen mit jurassi- 
schem Charakter treten somit sowohl nach Zahl der Gattungen 
und Arten, als auch nach der Menge der Individuen gegenüber 
den wenigen und selteneren tithonischen Arten entschieden in 
den Vordergrund und können allein für die Altersbestimmung 
massgebend sein. 

Dieses merkwürdige Zusammenvorkommen sogenannter 
tithonischer und jurassischer Brachiopoden, welches auch von 
Schlosser' für die Diceraskalke von Kelheim, und von Uhlig^ 
betreff der hellen Kieselnierenkalksteine der Schwedenschanze 
in der Umgebung von Brunn nachgewiesen wurde, lehrt aber- 
mals, dass den Brachiopoden im weissen Jura bei Feststellung 
des Horizontes nicht die Bedeutung von Leitfossilien zuerkannt 
werden darf. 

Dagegen scheint dieses Vorkommen für die Beurtheilung 
der Verbindungswege, welche gewiss zwischen den verschiedenen 
Meeresbecken während der Jurazeit bestanden haben, von nicht 
zu unterschätzender "Wichtigkeit zu sein. 

Es kann nicht als ein Ergebniss des Zufalles aufgefasst 
werden, dass aus den böhmischen Juraablagerungen von Stern- 

1 Schlosser, Brachiopoden des Kelheimer Diceraskalkes. p. 208. 
- Uhlig. Die Jurabilduugen in der Umgebung von Brunn, p. 29. 



198 Bruder, 

berg- und Khaa sogeuaunte tithonische Brachiopoden in vier 
Arten und zehn Exemplaren vorliegen, während unter den mir in 
mehr als dreifacher Individuenauzahl zur Verfügung gestellten 
Hohnsteiner Brachiopoden sich nur ein einziges Exemplar von 
T. äff. formosa vorfand, und anderseits die entschieden nord- 
deutschen Formen Waldheimia hnmeralis und Rhynchnnella 
pinyuis bisher in Böhmen nicht gefunden worden sind. 

Für Hohnstein habe ich bereits a. a. 0. * den Einfluss her- 
vorgehoben; w^elchen die Nachbarschaft der jurassischen Nord- 
see auf die Zusammensetzung der Fauna dieser Ablagerung 
genommen hat, heute muss für die böhmischen Juragebilde 
betont werden, dass in denselben mehr der Charakter jener 
Faunen zum Ausdrucke kommt, welcher für die mährischen und 
niederbaierischen Jurabildungen bezeichnend ist. 

Ist auch die Möglichkeit keinesfalls ausgeschlossen, dass 
etwaige neue Funde das gänzliche Fehlen der in Rede stehenden 
Formen in der einen oder der anderen der genannten Localitäten 
nicht bestätigen würden, so dürfte doch dadurch kaum das 
bezeichnete Verhältniss gestört werden, welches in einem Über- 
wiegen südlicher Arten im Jura von Böhmen gegenüber jenem 
Sachsens besteht. 

Dieses Verhältniss lässt sich nicht in ungezwungener Weise 
erklären unter Aufrechthaltung der Ansicht: „die böhmisch- 
sächischen Juragebilde seien Ablagerungen, welche in einer 
schmalen Bucht des Jurameeres zum Absätze kamen, die sich 
entlang der Elbeniederung hinzog, ohne jedoch weiter in das 
Innere von Böhmen hinein zu reichen."^ Unter dieser Voraus- 
setzung könnte eine Zuwanderung von Lebewesen aus Baiern 
oder Mähren nach Böhmen und umgekehrt nur über Polen, Ober- 
schlesien und Sachsen erfolgt sein, es wäre somit nicht wahr- 
scheinlich, dass dieselben in den bezeichneten Gebieten keine 
Spuren ihres ehemaligen Vorkommens hinterlassen hätten, 
während sie in dem von ihren Ausgangspunkten am weitesten 
entfernten Gebiete ziemlich häufig gefunden werden. Es spricht 



1 Bruder, Fauna von Hohnstein, p. 18. 

- Hauer, Übersichtskarte der österreichischen Monarchie, Blatt I und 
11, p. 43. 



Nene Beiträge zm- Kenntuiss der Juraablagernngen etc. 3 99 

vielmehr dieser Umstand für die Amiahme einer directen Ver- 
bindimg des böbmisch-sächsisclieu Meerestheiles mit jenem, 
welcher den Südosten des Massives iimfluthete. 

Hiernach wäre eine Wasserstrasse zu denken, welche einen 
unmittelbaren Austausch von Lebewesen zwischen Böhmen und 
Mähreu möglich machte, so dass es ganz natürlich erscheint, wenn 
in den böhmischen Juragebilden, als den nähergelegenen, der 
mährische, beziehungsweise süddeutsche, Einfiuss entschiedener 
zur Geltung kam als in den sächsischen. 

Es fragt sich nun, ob diese Annahme, welche sich zunächst 
nur auf palaeontologische Vorkommnisse stützt, vom geologischen 
Standpunkte begründet werden kann, oder ob derselben strati- 
graphische Hindernisse entgegen stehen. 

Der untrüglichste Beweis für die Eichtigkeit dieser meiner 
Ansicht würde dadurch geliefert, wenn unzweifelhafte Jura- 
sedimente noch an anderen Punkten des nordöstlichen Böhmen, 
etwa zwischen Liebenau, Eisenbrod und Mährisch-Krumau nach- 
gewiesen werden könnten. Dieses ist bis heute nicht der Fall, und 
wäre ein solcher höchstens durch Tiefbohrungen in der Nähe des 
Nordrandes der böhmischen Kreidemulde zu erbringen, da in 
Folge der viel bedeutenderen Transgression des Kreidemeeres, 
gegenüber dem jurassischen Ocean, die Ablagerungendes letzteren 
von Kreidegebilden mit übergreifender Lagerung verdeckt 
wurden. Überdies muss auch der Umstand im Auge behalten 
werden, dass erwiesenermassen ein grosser Theil der Jura- 
schichteu in Böhmen und Mähren noch vor Absatz der Kreide- 
sedimente durch eine bedeutende Denudation zerstört worden 
war. ' 

Um daher die muthmasslichen Verbindungswege zwischen 
den einzelnen Meerestheilen gegen das Ende der Jurazeit fest- 
stellen zu können, sind wir augewiesen anderweitige Anhalts- 
punkte aufzusuchen. Wir gewinnen solche durch Beantwortung 
der Frage über die Terrainverhältnisse des damaligen Meeres- 
grundes. 

Die Glieder der böhmisch-sächsischen Juragebilde finden 
sich zwar in nächster Nähe, aber niemals in unmittelbarem Con- 



^ Siehe hierüber Näheres auf pag. 205 . 



200 Bruder. 

Contact mit dem Urgebirge, es lagern zwischen denselben stets 
Schichten bunter Thone von gelber, blauer oder blutrother Farbe, 
die letzteren mit grünlichen Kalkschmitzen, welche zugleich mit 
den Juraschichten emporgeschoben wurden. Dieselben sind voll- 
kommen versteinerungsleer und ihre Mächtigkeit schwankt 
zwischen 2 Meter im Bruche von Sternberg und 30 Meter in der 
Kalkgrube von Hohnstein. Wie ich bereits a. a. 0. ^ nachgewiesen 
habe, sind diese Thone kaum jurassischen Alters, denn es 
bestehen keine ihnen äquivalenten Gebilde in den benachbarten 
Juradistricten, dagegen scheinen sie zufolge ihrer petrogra- 
phischen Beschaffenheit vollkommen mit jenen bunten Letten 
übereinzustimmen, welche in Sachsen das Hangende der Zech- 
steinformation bilden. Schlemmproben nach einer Quantität des 
rothen Thones von Sternberg ergaben keine Spur organischer 
Reste, der Rückstand stellt einen groben Sand dar, welcher aus 
kleinen farblosen Quarzkörnern und grösseren grünlich-grauen 
Kalkklümpchen zusammengesetzt ist. 

Rothliegendgebilde, bestehend aus Sandsteinen, Melaphyr 
und Porphyr, treten auch bei Liebenau, also am südlichsten 
bereits von Cotta beschriebenen Punkte der böhmisch-sächsischen 
Überschiebung, unter ganz ähnlichen Lageruugsverhältnissen zu 
Tage. Nebenstehendes Profil, welches mir von Herrn Professor 

NO SW 

»Suskal Liebenau 





7 .», RM^R P CK TK 

T Phyllit, J/j AU ivielaphyr, i? Ob. Rothl. Saudsteiu, 
P Porphyr, CK Cenomane Krtüde, TK Turouc Kreide. 

Laube gütigst mitgetheilt wurde, zeigt deutlich die Aufrichtung 
der Dyasschichten am Urthonschiefer und mit denselben 
erscheint auch der Quadersandstein gehoben. 



1 Fauna, von Hohnstein, p. 14. 



Neue Beiträg-e zur Keuntniss der Juraublageruugen etc. 201 

Desgleichen finden Avir bei Harnstein südlich von Eiseu- 
brod, zwischen Kosakow und Semil^, sowie bei Stavkenbach^ 
Rotlilieg-endg-esteine und unteren Quader am Phyllit aufg-erichtet 
beziehungsweise von demselben abfallend. Es folgt ferner die 
merkwürdige sattelförmige Umbiegung des Rothliegenden bei 
Eipel •'^, welche durch einen eingesunkenen NW — SO streichenden 
schmalen Kreidezug von den Dyasablagerungen der Braunauer 
Mulde getrennt ist. In derselben haben längs dem östlichen Abfall 
des böhmisch-glätzischen Gebirges und am Rande des den 
glätzisch-mährischeu Golf begrenzenden Urgebirges, ähnliche 
Lagerungsverhältnisse platzgegriffen wie zw^ischen Liebenau und 
Meissen. Den interessantesten Aufschluss hierüber bietet der 
rothe Berg bei Glatz* dar. In überstürzter Stellung unter 50° — 73" 
gegen das Urgebirge einfallend stosseo mit krystallinischen Schie- 
fern Schichten des Roth liegenden zusammen, darauf folgen, nach 
und nach von der überkippten zur senkrechten Stellung über- 
gehend: ein conglomeratisch w^erdender Sandstein, ein ver- 
steinerungsloser Kalkstein und endlich Quadersandstein mit 
Exogyra Columba. Au die Dyasgebilde von Eipel reihen sich die 
von Hronow, Giesshübel, Mährisch-Trübau, Brünn-^ und Krems i 
letztere steil ostwärts gegen den Bruch einfallend und sich an 
den Ostrand des böhmischen Massives anschliessend.*^ 

Es kann somit ein nur auf kurze Strecken unterbrochener 
Zug von Rothliegendablagerungen verfolgt werden, der nahe- 
zu 400 Kilometer Länge besitzt, und sich aus der Gegend von 
Tharand über Loschwitz, Hohnstein, Hinter-Hermsdorf, Sternberg, 
Daubitz, dann w^eiter entlang dem Iser- und Riesengebirge bis 
nach Mähren hinzieht^; die böhmische Kreidemulde im Norden 



1 Hoehstetter, Durchschnitt d. d. Nordrand d. b. Kreideabi. etc. 
Jahrb. d. k. k. geolog. ßeichsanst. Bd. XVIII, p. 249, Fig. 1. 

•^ Jokely, Übersicht d. Eothl. etc. 1. c. Bd. XII, p. 389, Fig. 3. 

3 Schütze , Niederschi. böhm. Steinkohlenbecken. Abh. z, geol. 
Karte v. Pi-enssen. Bd. III, p. 5. Fig. a. 

^ Beyrich, Lagerung der Kreidet', im schl. Geb., p. 75. 

5 ßeuss, Beiträge zur geogr. Kenntn. v. Mähren. Jahrb. d. k. k. geol. 
ßeichsanst. Bd. V, p. G63. 

6 Suess, Antlitz der Erde, p. 252. 

' Suess, Entstehung d. Alpen, p. 94. 



202 Bruder. 

und Osten uni-säuuiend. Weiter südlich folgen dieselben der Tiefen- 
linie, welche das Rrünner Syenitgebirg-e vom böhmischen Massiv 
trennt. 

Am Südrande der böhmischen Kreidemulde treten ebenfalls, 
aber räumlich mehr von einander abstehend, Rothliegendgebilde 
bei See, Rudov^, Scliwarzkostelec, Böhmisch-Brod, Schlan etc. 
mit synklinalem Einfallen in ziemlicher Ausdehnung zu Tage. Es 
gilt somit als sehr v^ahrscheinlich, dass die Rothliegendschichten 
des Riesengebirges unter den mächtig entwickelten Kreide und 
Diluvialgebilden der Elbe- und Isergebiete mit jenen des mittleren 
Böhmens in unmittelbarem Zusammenhange stehen^, was darauf 
hinweiset, dass während der Dyaszeit sich ein grosser See im 
nördlichen Böhmen ausgebreitet habe, welcher im Norden bis 
nach Sachsen, im Süden mittelst eines verhältnissmäsig schmäleren 
Armes nach Mähren und Niederösterreich bis in die Gegend von 
Krems reichte. Ganz analoge Bedingungen für ihre Ausbreitung 
haben auch die Gewässer des Kreidemeeres noch angetroffen; denn 
auch die Ablagerung der Kreideformation, welche die oben näher 
begrenzte Mulde erfüllen, stehen einerseits im Norden entlang 
dem Elbethale im directen Zusammenhange mit jenen Sachsens, 
anderseits erstrecken sie sich nach Südost mit einer weit vor- 
springenden Zunge bis in die Nähe von Brunn. 

Es müssen demnach hier sehr alte, bereits vor der Ab- 
lagerung der Rothliegendgebilde entstandene Reliefformen des 
Gebirges bestehen, welche im Wesentlichen unverändert bis 
zur Tertiärzeit hin die Anordnung der einander folgenden For- 
mationen bestimmten.-' 



1 Krejci, Eisengebirg-e. Archiv, der Lamlesf. v. Bölunen. V. Bfind, 
p. tjT. 

- Hauer, geol. Karte. Bl. I u. II, p. 4!. 

'•' Beyrich a. a. 0. p. 70. Nur im Süden der ;ilteu (Waldeiiburger) 
Mulde sind die Urgebirgsränder verschwunden und die Art und Weise, wie 
die Kreideformatioh allein sich südlich des Heuscheuergebirges weiter ver- 
breitet, liefert den Beweis, dass liier in der Zwischenzeit zwischen der 
Ablagerung des Rothlicgenden und der Kreideformation (wahrscheinlich 
nach dem Rückzug des Jurameeres) in einer wegen des Fehlens der zwischen- 
liegenden Formationen nicht näher zu bestimmenden Zeit grosse Ver- 
änderungen in den Formen des Gebirges eingetreten sein müssen. (Welche 
als locale Einbrüche in diesem Gebirgstheile eine weitere Ausdehnung des 
Kreidemeeres gestatteten.) 



Neue Beiträge zur Kemitniss der Juranblagerungen etc. 203- 

War den jedenfalls seichten Dyasgewässern die Möglichkeit 
geboten, in der oben bezeichneten Weise, nach Sachsen und 
Mähren überzugreifen, so raussteu sich diese Verbin dnng-swege 
auch den bedeutenden Wassermassen des jurassischen Oceans 
erschliessen. 

Versucht man unter Berücksichtigung der vorangehend näher 
erörterten Verhältnisse ein Bild zu entwerfen über die Gliederung 
von Festland und Meer des besprochenen Gebietes gegen das 
Ende der Jurazeit, so gelangt man zur Darstellung des bei- 
gefügten Kärtchens, ohne dass jedoch selbes Anspruch auf 
Genauigkeit erheben könnte; denn zur Feststellung der einstigen 
Uferlinien fehlen fast jegliche Anhaltspunkte, Jedenfalls dürfte 
sich aber die Annahme rechtfertigen lassen, dass das böhmische 
Massiv während der Dyas-Jura und Kreidepeiiode durch einen 
Canal vollständig vom Sudetenmassiv getrennt war. Hiebei fasse 
ich unter letzterer Bezeichnung das zu einem langen schmalen 
insularen Vorlande vereinigte krystallinische System desLausitzer-^ 
Iser-, Riesen- und Altvatergebirges zusammen, welches sich auch 
durch die petrographische Beschaffenheit seiner archäischen 
Gesteine wesentlich von jenem des mittleren Böhmens und des 
Erzgebirges unterscheidet. 

Dieser Canal scheint sichln der Mitte zu einem „böhmischen 
Becken'- erweitert zu haben, während er sich im Süden zu einer 
mährischen, im Norden zu einer sächsischen Strasse ver- 
schmälerte. Zur Jurazeit hat er jedoch keinesfalls jene bedeu- 
tende Breite erreicht, welche hier später das Kreidemeer einnahm. 
Seine Küsten scheinen nur längs der Sudeteninsel steil gewesen 
zu sein \ entlang dem Nordrande des Massives mochten dieselben 
flacher abfallen. Absätze aus tiefem Wasser mögen daher wohl nur 
durch einen schmalen Zug von Kalksteinen, der sich nahe dem 
Südrande der Sudeten hinziehen dürfte, vertreten sein. Die gleich- 
zeitigen Ablagerungen nahe der gegenüberliegenden Küste 
des Canales Avaren wahrscheinlich von ab weichenderNatur, viel- 
leicht aus lockeren Sandsteinen oder Conglomeraten bestehend. 

In Böhmen und Sachsen herrscht ein ähnliches bemerkens- 
werthes Verhältniss wie in Oberschlesien und Polen, auf welches 



1 Bruder, Fauna von Hohnstein, p. IG. 



204 B r u der, 

bereits Herr Prof. Römer' aufmerksam gemacht hat. Dort über- 
lagern die Eisenoolithe des mittleren brauneu Jura buute zumTheile 
blutrothe Thone des Keuper, hier lagern Doggersandsteine über 
eben so beschaffenen „Letten", welche als Hangendes der 
Dyasformation auftreten und entweder noch dieser zugerechnet^, 
oder auch als ältestes Triasgebilde aufgefasst werden.^ Diese 
Thatsache berechtigt jedoch nicht zu der Annahme, dass hier 
zwischen dem Schluss der Dyas- und dem Beginn der Dogger- 
periode keine Unterbrechung der Niederschläge stattgefunden 
habe. Denn erstens kann, in Folge der durch die Dislocation 
bedingten Verschiebungen in der gegenseitigen Lagerung der 
emporgedrängten Schichten, nicht mehr mit Bestimmtheit ent- 
schieden werden, ob zwischen denselben ursprünglich eine Dis- 
cordanz bestanden habe; und zweitens ist eine solche in bedeu- 
tenderem C4rade wohl kaum zu erwarten, da in dem in Betracht 
gezogenen Gebiete nachweisbar während der mesozoischen Zeit 
keine erheblichen Störungen im Relief des Grundgebirges 
stattgefunden hatten. Immerhin erscheint es möglich und sogar 
walirscheinlicli, dass auch Glieder der Zechstein- und Trias- 
formation, welche nördlich der Sudeten ihre normale Entwicklung 
gefunden haben, südlich derselben, also im böhmischen Becken, 
sich in den sehr mächtigen rothen Sandsteinmassen verbergen; 
was Herr Prof. Beyrich* für den ersteren angenommen hat, und 
wie anderseits Herr Prof. Geinitz^ die Hang end-T hone 
derselben als ältestes Glied des Buntsandsteiues auffasst. Ganz 
besonders auf dieses Gebilde möchte ich daher Herrn v. Haue r's*^ 
Satz angewendet wissen: „Es sind nicht immer scheinbare 
Lücken einem wirklichen Fehlen der betreffenden Schichten- 
gruppe zuzuschreiben; gewisse Faciesgel)ilde, die in einem 
Gebiete eine eng umgrenzte Forniationsstufe repräsentiren. 



1 Röraer, Geologie v. Oberschlesien, p. 275. 

- Credner, Die ol:)ere Zechsteinforniation in Sachsen. Sitzb. d. kg. 
Sachs. Ges. d. W. ISSb, p. ii»2. 

3 Geinitz, Nachträge zur Dyas I, p. 40. 

* Beyrich, Über Eutwicklung des FKitzgebirges in Schlesien 
p. 0—71. 

•"' Geiiiitz, Dyasformation, p. 175. 

*> Haner Geologie der österr.-nngar. Monarchie IT. Anfl. p. 521. 



Neue Beiträge zur Kenutuiss rter Juraablagerungeii etc. 205 

können in einem anderen Ablagerungen einer längeren Zeit- 
periode umfassen. 

Dagegen bat erwieseuermassen naeb Ablagerung der Tenul- 
/o6«^;<s-Scbichten in Folge von Oscillationen des Meeres inSacbsen^ 
Böbmen und Mähren eine Unterbrecbung der Nicderscbläge 
stattgefunden. Die Grenzen von Festland und Meer wurden ver- 
scboben, ein Tbeil des trockengelegten Meeresgrundes dureb 
Denudation zerstört, und in vertieften Stellen desselben, von Seen 
und Flüssen, Süsswassergebilde abgesetzt. Diese Vorgänge 
bedingten die lückenbafte Ausbildung von Jura und Kreide, indem 
einerseits die böchsten Malmborizonte anderseits die Neocom- 
uud Gault-Bildungen nicbt zum Absätze kamen. Sie erklären 
ferner die Einscblüsse von Fragmenten jurassiscber Kalksteine 
in den Quadercouglomeraten von Zescbnig bei Hobnstein, sowie 
den Umstand, dass dieselben sehr häufig von Gastrochaena ostrea 
und LHhodomns rufjosus angebohrt und die Höhlungen mit dattel- 
bis feigenförmigen Sandsteinkernen erfüllt sind; was nur 
möglich war, wenn die betreffenden Kalkfragmente noch vor der 
Bildung dieses Trümmergesteines längere Zeit vom Meere über- 
deckt wurden.^ 

Das Nordmeer musste zur Maimzeit durch mehre Arme mit 
den südlicher gelegenen helvetisch-germanischen, mährischen und 
polnischen Meerestheilen in Verbindung gestanden sein, deren 
Jeder für die Verbreitung bestimmter Lebewesen besonders 
günstig gewesen sein mochte; worauf Tiefenverhältnisse und 
Strömungen wohl von massgebendem Einfluss waren. So scheinen 
viele Brachiopoden und Bivalven ihre Wohnplätze in Nord oder 
Süd unter Benützung jener AVasserstrasse, die das böhmische 
Massiv von dem der Sudeten abtrennte, vertauscht zu haben. 
Hiefür spricht auch die Thatsache, dass in dem den böhmisch- 
sächsischen Juragebilden zunächstgelegenen Jnravorkommen bei 
Goslar^ unter 148 Arten sich mehr als zwanzig befinden, welche 
auch den ersteren eigen sind. 

Und zwar: 1. Aus den Mergelthonen der Kellowaygruppe 
(Macrocephalus und Ornathenthon) Gryphaea dilatata Sow., 

1 Creclner, Gliederung des oberen Juni in Norddeutschlaud. p, 96. 

2 Würtenberger, Über Jura bei Goslar etc. Zeitscli. d. deutsch- 
geol. Gesellseh. Bd. XXXVI, p. 58.5. 



206 B 1- u d e r, 

Pholüdomya Murchisoni Sow.^ Pleurotomitria gritimhitd Defr., 
Belemnites cannHcuJatus Sclil. 

2. Aus den Mergelkalken des unteren und oberen Coralleu- 
oolitli und den Scliicliten der Terebrdtula humeralis: Cidaris 
Blumenbachi M^tr., Pseudodiadema niomillnnum A.B.., Holcctypus 
coiallhiu.'i d'Orb., Tercbratuln humeralh A. R., T. hiaignls Selil. 
T. äff, muf/asif'ormis Ze nsch., Bhy/ichone/ld puu/uis A. R., Östren 
mrdiiformi.9 Dkr., 0. Römeri Quen.st., 0. rasfrllaris Mstr., 
Grypluied ddatata Sow., Pecten subtextorius Phill,, P. vimhieus 
•Sow., Tricfonia papiUatu K<;^., Pleuromya sinuosa A. R., P. ttdlina 
Ag-., Mactromya riu/osa A. R. 

Die identischen Arten sind also hauptsäehlieh nur durch 
Brachiopoden, Bivalven und einige Echiniden vertreten. Es darf 
aber nicht unerwähnt bleiben, dass Würtenberger auch 
mehrere Spongien anführt, wodurch in der Znsammensetzung der 
Fauna eine weitere Annäherung an den süddeutschen und 
polnischen Typus zum Ausdrucke kommt. Diese Juraablagerungen 
ziehen sich am Nordrande des Harzes von Harzburg über Oker bis 
nach Goslar hin, bilden also eine geradlinigeNW — SO streichende 
Fortsetzung zu dem Zuge von Juraschollen, welche an der Grauit- 
Quadersandsteingrenze emporgedrängt wurden. Wie in Böhmen 
und Sachsen belinden sich auch die obgenannten Juraschichten 
in umgestürzter Lagerung und wurden mit ihnen alle dortselbst 
vertretenen Schichten vom Buntsandstein bis zum Senon, von der 
Dislocation getroöen. Ihre Überkippung ist durch einen vom 
Massive des Harzes ausgeübten in NO-Richtung wirkenden 
Horizontaldruck verursacht worden. Durch einen ebenfalls von 
SW nach NO gerichteten Druck erscheint am nordöstlichen 
Fusse des Erzgebirges, bei Niederwarta am linken Elbeufer, der 
Granit gegen den Südrand der Kreidemulde vorgeschoben, 
wodurch eineAufifaltung und thcilweise Überschiebung der Pläner- 
schichten hervorgerufen wurde. Im Gegensatze liiezu ist die 
grosse Überschiebung und Verwerfung am Nordrande derselben 
durch eine Bewegung der Masse des Riesen- und Isergebirges in 
nordöstlicher Richtung erzeugt worden. Es erscheinen also die 
Jura- und Krcideablagerungen, welche die Mulde erfüllen, 
an den sie begrenzenden Massiven abgesunken, während die 
Ränder der letzteren sich stellenweise über die gesunkene Scholle 



Neue Beiträge zur Keuntiiiss der Juraablageruugen etc. 207 

vorgeschoben haben. Das sächisch-böhmiscbe Kreidebeeken ist 
demuacb als einSenkuiigsgebiet aufzufassen, welches mit den aus- 
gedehnten Senkungsfeldern im Osten, Süden und Westen der 
alten böhmisclien Festlandsmasse in inniger Beziehung steht. 

Auch die Ränder dieser Senkungsgebiete zeigen ähnliche 
tektonische Verhältnisse. So finden wir zwischen Regeusburg und 
Passau Jura- und Kreideschichten, denen sich bei Donanstauf 
auch noch Rothliegendes anschliesst, steil aufgerichtet. Bei Vog- 
larn erscheinen sogar Juraschichten in einer Synklinalen Falte 
überworfen, deren Mitte aus Gneiss besteht und welche von 
Kreidegebilden uuterteuft wird. Die mesozoischen Schichten der 
nach Südosten geneigten Sudetenscholle sind von den Karpathen 
überfaltet worden. Dessgleichen kann die Bildung derkarpatischen 
Juraklippenzüge darauf zurückgeführt werden, dass die meso- 
zoischen Ablagerungen, die in bedeutender Mächtigkeit und Aus- 
dehnung die Karpathen im Norden umsäumen, am Massive 
derselben abgesunken seien und letzteres sich gegen Nord 
bewegt habe. Hiedurch wurden dieselben in der Richtung von 
Süd nach Nord zusammengepresst, was zur Folge hatte, dass sie 
sich in parallel zum Gebirge gestellten Falten hoch aufwölbten, 
welche stellenweise sogar aufbarsten. 

Ebenso ist am Nordrande der Sudeten die Kreideformation 
am Urgebirge abgesunken, und der Umstand, dass bei Wehrau 
und Hermsdorf in Schlesien Muschelkalk als Hangendes der 
Kreideglieder auftritt, beweist die Theilnahme noch älterer 
mesozoischer Schiebten an dieser Bewegung.* 

Die Ursache des fast allgemein zu beobachtenden Abbruches 
der mesozoischen Ablagerungen an alten Festländern ist nach 
Probst^ in der, durch die langandauernde Meeresbedeckung 
bedingten, rascheren Abkühlung und der ebenfalls damit zu- 
sammenhängenden stärkeren Contraction des damaligen Meeres- 
grundes, gegenüber den hievon in geringerem Grade betroffenen 
Landmassen, zu suchen. 

Dort wo steilere Küstenbildungen geherrscht haben, also die 
Gegensätze in den TTirkungen von Festland und Tiefsee einander 



1 Beyrich, Lagerung- d. Kreidef. i. schl. Geb. p. 64 — (i5. 
'•^ Probst, Natürl. Warmwasserheizung etc. Abhandlung der Senkeub. 
nat. Gesellsch. Bd. XIIL p. 372— 3S0. 



208 B r u d V, 

unvermittelt g-egenüber standen,' mussten umso bedeutendere 
Spannungen auftreten, die hier allem Anscheine nach zumeist in 
der späteren Tertiärzeit zur Auslösung kamen, und welche deut- 
lich niarkirte Bruchlinien als Spuren hinterlassen haben. So am 
Südfusse des Riesen- und Isergebirges, und am Westabhange 
des Böhmerwaldes. 

Wenn im Vorstehenden die Folgerungen dargelegt erscheinen^ 
zu welchen ich auf Grund meinerStudien derböhmisch-sächsischen 
Juragebilde gekommen bin, so erwächst mir zum Schlüsse noch 
die Aufgabe, dieselben mit den Resultaten zu vergleichen, welche 
Herr Professor M. Neumayer in seiner erst vor Kurzem 
erschienenen Abhandlung: „Die geographische Verbreitung der 
Juraformation" (Denksch. d. k. Akad. Bd. 50, p. 1 — 86) ver- 
öffentlicht hat. Es gereicht mir zur besonderen Befriedigung, das» 
ein so ausgezeichneter Juraforscher im Wesentlichen zu derselben 
Annahme über Vertheilung von Festland und Meer während der 
jüngeren Jurazeit in dem in Rede stehenden Gebiete gekommen 
ist, zu der auch ich mich veranlasst sah, und welche darin 
besteht, dass der böhmisch-sächsische Meerestheil einerseits mit 
jenem des nordwestlichen Deutschland, anderseits mit dem 
mährisch-polnischen Becken in unmittelbarer Verbindung gestan- 
den sein müsse. Hingegen wird abweichend von meiner Auffassung 
angenommen: 

1. Das Malmmeer habe sich auch längs dem Nordfiisse des 
sächsischen Erzgebirges hingezogen, so dass, wie sich Herr Prof. 
Neumayr ausspricht, der böhmisch-sächsische Jura ein Stück 
Frankenjura sei (1. c. p. 9). 

2. Sollen die Sudeten vollständig überfluthet gewesen sein 
(1. c. p. 17). 

Die Annahme eines ehemaligen Zusammenhanges der 
böhmisch-sächsischen Juraablagerungen mit jenen von Franken 
scheint in der That vom palaeontologischen Standpunkte gereciit- 
fertigt, und habe ich diesbezüglich bereits ebenfalls darauf hin- 
gewiesen^, dass die beiden Flügel der in einem gegen NW 
geöffneten Bogen rings um das böhmische Massiv auftretenden 
Juraablagerungen in Böhmen und Sachsen einerseits und in 

1 Linien schwächsten Widerstandes nach Schiaparelli. 

2 Brnder, Fanna v. Hohnstein, p. 14. 



Neue Beiti-äge znr Kenntniss der Juraablagenmgen etc. 209 

Frauken anderseits, eine merkwürdige Übereinstimmung- in der 
Entwickehmg gleichaltriger Schiebten in Bezug auf ihre Facies 
und somit auch hinsichtlich des Charakters ihrer Faunen erkennen 
lassen. Ich wage jedoch nicht zu entscheiden, ob diese Überein- 
stimmung nur durch den, von Herrn Neumayr angenommenen 
Zusammenhang des fränkischen und böhmischen Beckens längs 
dem Erzgebirge erklärt werden könne. Einige Thatsachen 
scheinen sogar gegen denselben zu sprechen. 

Zunächst erweisen sich die Sedimente der böhmisch- sächsi- 
schen Juraablagerungen ihrer petrographischen Beschatfen- 
heit nach in auffallender Übereinstimmung mit den äquivalenten 
Jiiraschichten, die südlich und östlich des böhmischen Massives 
angetroffen werden, eine solche besteht jedoch in gleichem Grade 
mit jenen des fränkischen Jura nicht. 

Schon die Eigentbümlicbkeit der sandigen Entwickelung des 
oberen Doggers, mit einer ähnlichen Concentrirung der Fauna, 
wie sie in den Macrocepha/us-Schichten des nordwestlichen 
Deutschlands und des Krakauer Gebietes festgestellt wurde, 
welche eine Trennung von Bathonien und Callovien nicht 
gestattet, steht im Gegensatze zu den gleichalterigen Gebilden 
in Franken. Die Oxfordschichten sind in Hohnstein gleich jenen 
Mährens und Polens durch das Fehlen des Impressahorizontes * 
ausgezeichnet, und ist für dieselben auch das Vorkommen grosser 
Peltoceras-Arten bezeichnend, so dass sie hiedurch wesentlich 
vom Typus der Biarmatus- und TratisversariusStufQ in Franken 
und Schwaben abweichen. Auch die hellen, kieselige Concretionen 
einschliessenden Brachiopodenkalke von Sternberg und Khaa 
finden ihr Aualogum nur in den gleichalterigen Kieselnieren- 
kalken, welche in Niederbaiern, Mähren, Polen und Oberschlesien 
allgemeine Verbreitung gefunden haben. Selbst in palaeontologi- 
scher Beziehung haben diese Schichten einen gemeinsamen 
Charakter, welcher in dem häufigen Vorkommen feinrippiger 
und hochgewölbter Rhynchonellen aus den Formenkreisen der 
Rh. moravica, Rh. cracoviensis und Rh. subsimilis seinen Aus- 



1 Die typische T. impressa findet sich nur im unteren Weissen des 
südwestlichen Franken, im nordöstlichen dagegen wird sie durch eine sehr 
nahestehende kleinere Form vertreten. Schürfer, Jura in Franken, p. 67. 

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 1 i 



210 Bruder, 

druck findet. Ferner ersclieinen die Eingangs erwähnten soge- 
nannten titlionisclien Arten; darunter T. njr/of/onin Z. (=7". 
striativ(i) in Mähren bereits in den Kieselnierenkalken der 
Schwedenschanze, während dieselben bei Kelheim erst in den 
jüngeren Diceraskalken auftreten. 

Die Ammonitenkalke zeigen allerdings in ihrer Petrefaeten- 
führung eine überraschende Verwandtschaft mit den Tenuilobatns- 
Schichten Frankens, doch muss es anderseits auffallen, dass 
sie sich von denselben durch ihre blaugraue Färbung und 
grösseren Thongehalt unterscheiden. Während der sogenannte 
Kragenplanulaten - Horizont in der östlichen Schweiz, 
Schwaben und Franken sehr viel Übereinstimmendes in seinem 
Aussehen und in seinen Eigenschaften besitzt, nähern sich die 
böhmisch-sächsischen Ammonitenkalke mehr jener Entwicklung 
der unter Kimmeridgschichten, welche einerseits im nordwest- 
lichen Deutschland, anderseits im Gebiete von Krakau durch 
dunklere Färbung und reichlichen Thongehalt ausgezeichnet 
sind. Erwägt man endlich, dass die TennHobatuH-HchiGhian in 
Mähren ursprünglich vorhanden gewesen ^ und dieselben höchst- 
wahrscheinlich nach dem Typus der Söldenauer Schichten Nieder- 
baierns entwickelt waren, so dürfte das Vorkommen von zahl- 
reichen Ammoniten der Gattungen Aspldoceras, Perisphi7icfes, 
Olcostephanus, Oppelia, Ifaploceras etc. ^ nicht mehr befremden, 
sondern geradezu bei der Übereinstimmung der Facies dieser 
Gebilde erwartet werden. Umgekehrt spricht das gänzliche 
Fehlen von entschieden norddeutschen Fossilien im mittleren 
weissen Jura von Franken, wogegen solche in den Hohnsteiner 
Mergelkalken ziemlich häufig vorkommen, nicht zu Gunsten der 
Annahme, dass ein unmittelbarer Zusammenhang jener Mceres- 
theile, in welchen sie gebildet wurden, gegen das Ende der 
Malmperiode bestanden habe. Hiebei ist der Umstand noch beson- 
ders zu berücksichtigen, dass sowohl in Franken als in Sachsen 
und Böhmen, die in Betracht gezogenen Schichten in derselben 
Facies entwickelt sind.^ 



1 Conf. Neiimayr 1. c. p, 7. 

-' Animo n, Jiirjiabkg-erimi^-en zwisclieu Regeusburg uud Passau. 
p. 155—157. 

^ See b ach, Der hainiover'sche Jura. p. 70. 



Xeue Beiträge zur Kenntniss des Juraal)lagerungen etc. 21 1 

Der Ansicht einer Überfluthung- der Sudeten in ilirer Totalität 
durch die Gewässer des Malmmeeres kann ich ebenfalls nicht 
unbedingt beipflichten. Ist es auch gegenwärtig nicht mehr mög- 
lich, in Folge der bedeutenden Denudation, welcher die Jura- 
schichten sowohl vor als nach Ablagerung der Kreidesedimente 
ausgesetzt waren, die Vertheilung von Festland und Meer zur 
Malmzeit genau festzustellen, so dürfte das von mir entworfene 
Kärtchen doch in den Hauptzügeu die tieferen Meeres- 
regioneu jener Periode zur Darstellung bringen, 
welche auch für die Verbreitung von Tiefseeorganis- 
men in erster Reihe massgebend gewesen sein mussteu. 

Augenscheinlich deutet die verschiedene Entwickelung, 
welche Zechstein, Trias, Jura und Kreide ' diesseits und jenseits 
der Sudeten erfahren, auf eine während dieser Perioden ununter- 
brochen bestehende räumliche Trennung der beiden Becken hin, 
in denen die einen und die anderen Absätze stattgefunden haben. 
Die Verbindungen, die gewiss zwischen den Gewässern der 
beiden Becken zur Jura und Kreidezeit vorhanden waren, dürften 
kaum über die Sudeten hinweg erfolgt sein. 

Wenn Herr Professor Neumayr ferner seine Annahme auf 
das gänzliche Fehlen von Strandbildungen in den böhmisch- 
sächsischen Juraablagerungen stützt, so muss darauf hingewiesen 
werden, dass schon Cotta^ das Vorkommen von verkohlten Holz- 
stücken und kleinen Partien Pechkohle aus der Lettenschicht ^ 
Hohnsteins erwähnt. Ja die Doggersandsteine, welche daselbst 
Fragmente von Belemnites canaliculatus und CiV/«;7',«-Stacheln 
enthalten, erscheinen, wie ich mich selbst überzeugte, dicht erfüllt 
mit kohligen Partikeln, die innig gemengt sind mit dem nur lose 
verbundenen sehr feinen Sandkörnchen. Kann man auch ein 
solches Sediment wohl nicht als eine typische Littoralbildung 
bezeichnen, so spricht das Vorkommen von eingeschwemmten 
Hölzern doch kaum für eine allzugrosse Entfernung vom Fest- 
laude, und die Zerkleinerung und gleichförmige IMischung der 
Kohlenpartikel mit dem Sande scheint durch die mechanische 



1 Conf. Beyrich, Lagerung der Kreideformation im scLlcsischen 
Geb. p. 61 und Entwicklung des Flötzgeb. p. 6—74. 

- Cotta, Geogn. Wanderungen, p. 22, p. 24 und p. 31. Bruder, 
Fauna v. Hohnstein, p. 10. 

14* 



212 Bruder. 

Wirkung der Brandung hervorgebracht. Übrigens hat Herr Gustos 
Th. Fu ch s ^ gezeigt, dass bei einer Küste mit mittleren Neigungs- 
winkel bereits in einer Entfernung von weniger als -y^ Meilen vom 
Ufer schon ausgesprochene Tiefseefauna anzutreffen ist. Endlich 
müssen die ursprünglich gewiss vorhandenen Strandbildungen, 
nach Rückzug des Jurameeres vermöge ihrer leichteren Zerstör- 
barkeit gegenüber den Kalken der Tiefsee und zufolge ihrer 
höheren Lage am Eande der Mulde auch zuerst durch die Denu- 
dation beseitigt worden sein. 

B. Palaeontologisclie Notizen 

zu dem auf Seite 194 — 195 augeführten Petrefactenverzeichniss. 

Nr. 2. Simoceras sp. ind. (Bruder Fauna v. Hohnsteiu 
p. 26.) Ein Fragment eines Glehäuses dieser Gattung lässt 7 Um- 
gänge erkennen, dieselben sind sehr wenig involut und mit 
geraden radial gestellten Rippen geziert. 

Nr, 3. Oophyma Inbyrinfhica nov. gen. nov, sp. Diese neue 
Spongiengattung hat eine eiförmige Gestalt (L=:70Mm., äquatoria- 
ler D = 50Mm.) Die Centralhöhle ist röhrig, breit, im letzten 
Drittheil der Länge in vvurzelförmige Aste sich spaltend. Die 
Wand derselben mit vertical von einander abstehendenKreisen 
dicht nebeneinander liegender Ostien besetzt. Diese führen in mehr 
weniger horizontal verlaufende sich mehrfach theilende Haupt- 
canäle, welche stets gleiche Stärke behalten. Die Hauptcanäle 
sind verzweigt und durch Quercomndssuren verbunden. E in- 
st römungscanä le dendritisch verzweigt von unten und innen 
nach oben und aussen aufsteigend, treten mit den Hauptcanäleu in 
Communication. Ob e r f 1 ä ch e auf der Oberseite dicht mit Grübchen 
bedeckt, genarbt erscheinend. Unterseite glatt. Grübchen isolirt 
oder unregelmässig verschmolzen. Gittergerüst feinmaschig. 
Skeletelemente aus vier oder mehr glatten, in einem verdickten 
Centrum zusammenstossenden Armen bestehend. 

Nr. 4. Cylindrophyma lieteroporueea nov. sp. (L =: 110, 
D =r 85 Mm.) Die Mündungen der Einströmungscanäle bilden auf 
dem verdickten oberen Ende zerstreut stehende Ostien. Gegen 



1 Fuchs, Tielseebilduugeu. Neues Jahrbuch 1885, II. Beihigeband, 
p. 493— it4. 



Neue Beiträge zur Keuntuiss der Juraablugerungeü etc. 213 

die Mitte zu, und unterhalb derselben treten meist mehrere der- 
selben zu kurzen, parallel zur Schwammaxe orientirten Reihen 
zusammen, die meist am Grunde meridian gestellter Furchen 
liegen, wodurch sich die in Rede stehende Art von C. milleporata 
Goldf. sp. unterscheidet, 

Nr. 2Q. Amaltlieus Uhligi nov. sp. (Amaltheiis temdserratus 
Uhlig [non Oppel] Jura v. Brunn, p. 148, Tb. XIII, Fig. 1.) Von 
dieser Art liegt ein unvollständiges Exemplar vor. Das Verhalten 
der Sculptur stimmt vollständig mit obiger Abbildung Uhlig's 
überein, nicht aber mit jener Oppel's. Uhlig's Annahme, dass 
Oppel's Original sehr ungünstig erhalten gewesen sei, so dass 
die Rippchen zweiter und dritter Ordnung nicht mehr sichtbar 
gewesen, scheint dadurch widerlegt, dass ein vorzüglich erhaltenes 
Schalenexemplar aus der Lettenschicht von Hohnstein vollkommen 
die Sculpturverhältnisse, welche Oppel beschreibt und zeichnet, 
erkennen lässt. 

Nr. 27. Pecteii siff. paraphoros Böhm. Das böhmische Exem- 
plar unterscheidet sich von jenem aus den Diceraskalken von 
Kelheim (Palaeontogr. VIII. Bd., p. 183, T. XL, F. 7) durch 
etwas spitzeren Winkel der Randrippen und durch einen weniger 
markirten dreifachen Cyclus von Strahlen, welcher hier nur 
durch sporadisches Auftreten einer zweiten kürzeren Secundär- 
rippe angedeutet ist. 

Nr. 29. H'mnites? Drei Exemplare eines Zweischalers 
gehören höchst wahrscheinlich dem Geniia Hhmites an und dürften 
allem Anscheine nach mit jenem identisch sein, welches Böhm 
in seinen ßivalven von Stramberg unter Fig. 16 und 17. Tafel 
LXVIII abbildet. Die Zahl der Rippen schwankt zwischen 
14 — 20. Dieselben beginnen sehr fein, werden bald kräftiger und 
nehmen einen schwach welligen Verlauf. 

Nr. 30. Wuldheimia äff. psendoUnjeuaUs Mo es eh. (Aargauer 
Jura p. 313, T. IV, F. 8.) Unterscheidet sich von der typischen 
Form durch etwas gedrungenere Gestalt. 

Nr. 31. Waldheimia mdgasiformis Zeuschn. Mehrere Exem- 
plare liegen vor. welche theils der symmetrischen, theils der 
unsymmetrischen Form angehören. 

Nr. 33. Terebratula cervicida Quenst. (Brachiop. p. 389, 
T. 49, F. 3.) Der schlanke Hals, der gekielte Rücken und die 



214 Bruder, Neue Beiträge z. Kenntniss d. Juraablagerungen etc. 

etwas unsymmetrische Gestalt stimmen g-ut mit Quenstedt's 
Beschreibung und Abbildung Uberein. 

Nr. 34. Terehratula cyclogonia Zeuschner. (Jurak. v. Inn- 
wald p. 11, T. III, F. Id — 4^.) Zwei gut erhaltene Exemplare 
liegen vor. Die Schale zeigt die charakteristische Ornamentik. 

Nr. 37. Terehratula cf. suhbavarica v. Ammon. (Juraabi. 
zw. Regensburg etc. p. 199, T. I, F. 1.) L = 22 Mm., Br. — \1 Mm., 
= 17. Stimmt in allen Merkmalen mit Ammon's Art gut 
überein, ist aber etwas kleiner. 

Nr. 39. Bhynchonella Laiibei Bruder. (Neue Beiträge p. 12, 
T. II, F. 3.) Von dieser Art liegen nun mehrere Exemplare vor, 
dieselben sind durchgehends etwas grösser als das erst be- 
schriebene, welches eine Jugendform dieser neuen Art ist. Die 
ausgewachsenen Individuen von Rh. Lanbci erinnern sehr an jene 
Formen von Rhynchonella Astieriana, welche Zeuschner a. a. 
0. p. 37, T. I, F. la — 9« als Rh. snhdepressa beschreibt und 
abbildet. Den dreiseitigen Umriss, die abgerundeten Ecken, das 
Überwiegen der Breitendimension über die der Länge und den 
bogenförmigen Verlauf der Stirnlinie haben beide Arten mit- 
einander gemein. Dagegen ist bei Rkynchonella La7(hei d\e Mehr- 
zahl der 22 an der Stirnlinie endigenden Ri})pen durch dichotome 
Theilung einfacher Rippen entstanden, welche etwas oberhalb 
deren Mitte erfolgt. Durch letzteres Verhalten unterscheidet sich 
selbe sehr wesentlich von Rh. sulxlepretim Zeus eh. 



G.Bruder : Juraablagerungen im nördlichen Böhmen II . 




MUH C H üM — ' 



Sitziingsb.d.kais.Akad dA\'. math natunr (lasse XCHI.Bd I.Abth.l8Bß. 



SITZUNGSBERICHTE 



DER 



mm «1 M WISIMFFI 



MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. 



XOIII. Band. IV. Heft. 



ERSTE ABTHEILUNG. 



Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik, 
Zoologie, Geologie und Paläontologie. 



217 



IX. SITZUNG VOM 1. APRIL 1886. 



Der Secretär legt den eben erscliieneDen I. Band des 
von der kaiserlichen Akademie herausgegebenen Werkes : ,,Die 
internationale Polarforschung 1882 — 1883, die öster- 
reichische Polarstation Jan Mayen" und zugleich den zu 
diesem Werke in; einer Separatausgabe erschienenen Vo r- 
bericht, welcher den beschreibenden Theil der Expedition 
bildet, vor. 

Ferner legt der Secretär die als Separatausgabe aus den 
Sitzungsberichten erschienene Publication: „Statistik der Erd- 
beben von 1865—1885," von Prof. Dr. C. W. C. Fuchs in 
Meran vor. 

Das w. M. Herr Prof. E. Weyr überreicht im Namen des 
Verfassers das Werk: ^Correspoiidance de Renö Frangois de 
Sluse'-^, von Prof. Dr. C. LePaige an der Universität zu Lüttich. 

Herr Hofrath Dr. A. B. Meyer, Director des königl. geolo- 
gischen und anthropologisch-ethnogTaphischen Museums zu 
Dresden, übersendet folgende mit Unterstützung der General- 
direction der königl. Sammlungen für Kunst und Wissenschaft 
in Dresden herausgegebene illustrirte Publicationen: 

1. „Seltene Waffen aus Afrika, Asien und Amerika". 
(V. Lieferung.) 

2. „Abbildungen von Vogel-Skeleten". (VIIL und IX. 
Lieferung.) 

Herr Prof. J. V. Janovsky an der höheren Staatsgewerbe- 
schule in Eeichenberg übersendet eine Abhandlung: „Über 
Nitro azokörper und Bromsubstitutions-Producte". 

Herr Prof. J. M. Eder in Wien übersendet folgende Notiz: 
„Über die Wirkung verschiedener Farbstoffe auf das 
Verhalten des Bromsilbers gegen das Sonnen- 
spectrum". 

15* 



218 

Der Secretär legte folgende eingesendete Abhandlungen 
vor: 

1. „Anatomisch - physiologische Untersuchungen 
über die Keimpflanze der Dattelpalme", Arbeit aus 
dem botanischen Laboratorium der technischen Hochschule 
in Graz, von Herrn G. Firsch. 

2. „Die höheren Sinus", von den Herren Dr. J. C. Kapteyn 
und Dr. W. Kapteyn in Groningen. 

3. „Über die durch die Fortpflanzung des Lichtes 
hervorgerufeuenUngleichheiten in der Bewegung 
der physischen Doppelsterne. Analyse derBahn ^ 
ürso majoris (Struve 1523)", von Herrn Dr. L. Birken- 
maj er in Krakau. 

4. „Zur Theorie der Thetacharakteristiken", von 
Herrn A. Arnes eder in Wien. 

Das w. M, Herr Prof. E. Weyr überreicht eine Abhandlung 
von Herrn Regierungsrath Prof. Dr. F. Me rtens in Graz: „Über 
die bestimmenden Eigenschaften der Resultante von 
n Formen mit n Veränderlichen". 

Das w. M. Herr Prof. Wiesner überreicht eine im pflanzen- 
physiologischen Institute der Wiener Universität von Herrn Dr. 
K. B. J. Forsseil aus Karlstad in Schweden ausgeführte Arbeit^ 
betitelt: „Beiträge zur Mikrochemie der Flechten". 

Herr Prof. Dr. Franz Toula an der technischen Hoch- 
schule in Wien überreicht eine von ihm redigirte Abhandlung 
seines Begleiters auf den im Auftrage der kaiserlichen Akademie 
der Wissenschaften in den Jahren 1880 und 1884 ausgeführten 
Reisen im westlichen und centralen Balkan, des Herrn Georg N. 
Zlatarski in Sofia unter dem Titel: „Beiträge zurGeologie 
des nördlichen Balkan-Vorlandes zwischen den Flüs- 
sen Isker und Jantra". 

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zuge- 
kommene Periodica sind eingelangt : 

S olered er, H., Über den systematischen AVerth der Holz- 
structur bei den Dikotyledonen. München, 1885; 8". 



219 



Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 

Von Dr. K. B. J. Forsseil, 

Oberlehrer an dem Gjimnasiuin in KarJstad in Schweden. 

(Arbeiten des pflanzen-physiologischen Institutes der k. k. Wiener Univer- 
sität. XXXII.) 



Innerhalb der beschreibenden Lichenologie spielen nunmehr 
gewisse chemische Reagentieu z. B. KOH, Ca(0Cl)2, J+KJ eine 
ebenso grosse als traurige Rolle, indem die oft unbedeutenden 
Farbenreactioneu, welche bei Behandlung der Flechten mit 
den genannten chemischen Körpern hervorgerufen werden, die 
Begierde, „neue Arten" aufzustellen, nur unterstützen. Unzählig 
sind schon die ,,Arten", welche nur durch die Einwirkung der 
Jodlösung auf das Hymenium charakterisirt werden, und in jedem 
Jahre wächst deren Anzahl in einem geradezu beunruhigenden 
Grade. 

Man sollte meinen, dass unter solchen Umständen die 
Kenntniss von den chemischen Bestandtheilen der Flechten eine 
besonders gute wäre. Dies ist jedoch keineswegs der Fall. Der 
beschreibende Lichenolog bekümmert sich jetzt nicht um die 
chemischen Bestaudtheile der Flechten; für ihn ist es voll- 
ständig hinreichend, zu wissen, ob z, B. das Hymenium durch 
gewisse Reagentien blau, roth, gelb oder erst blau und dann 
roth gefärbt wird, damit allein werden ja schon die Charaktere 
für vier „Arten" gegeben. 

Als Lichenolog habe ich schon längst gewünscht, auf diese 
Fragen meine specielle Aufmerksamkeit lenken zu können. Eine 
passende Gelegenheit, mikrochemische Untersuchungen über 
Flechten anzustellen, bot sich mir indess im pflanzenphysio- 
logischen Institute zu Wien, wobei ich den grossen Vortheil 
hatte, unter Anleitung des Professors Dr. J. Wies n er zu arbeiten. 



220 Forsseil, 

welcher mir das gTösste Entgegenkommeu bezeigte und mir 
mit Eatb und Anregungen behilflich war, wofür ich ihm hier 
meinen ergebensten Dank abstatte. Obgleich meine theilweise 
auch die Pilze und Algen berührenden mikrochemischen Studien 
noch nicht abgeschlossen sind, übergebe ich nachstehende unbe- 
deutende Untersuchungen schon jetzt der Öffentlichkeit, da ich für 
die nächsteZeit diese Studien fortzusetzen keine Gelegenheit habe. 

1. Über das Vorkommen verholzter Membranen bei 
Flechten und Pilzen. 

Schon Schacht gibt an, dass die Membranen gewisser 
Pilze * verholzen, und, obgleich er keine bestimmte Flechte 
nennt, bei denen dies der Fall sei, sagt er jedoch, ^ dass auch 
in dieser Gruppe bisweilen Verholzung der Membranen vor- 
komme. 

Durch Wies n er wurde später ein zuverlässigeres Rea- 
gens auf „Lignin" in die Mikrochemie eingeführt. ^ Im Anilin- 
sulphat fand er nämlich einen Körper, welcher, im Wasser 
gelöst, Holz und verholzten Membranen (z. B. der Jutefaser, 
Gefässe der gelben Rübe) eine höchst charai^teristische gelbe 
Färbung gibt. Bei Behandlung mit diesem Reagens fand er auch 
in den Membranen gewisser, nicht näher bezeichneter Flechten 
eine schwache gelbe Färbung, welche von einer geringen Ver- 
holzuDg der Membranen herrühren sollte.* 

Alsdann hat Burger stein, der einen ausführlichen Bericht 
über das Vorkommen der Verholzung im Pflanzenreich lieferte, ^ 



1 Poliiporus (p. 35), ein nicht näher bestimmter Parasitenpilz („wahr- 
scheinlich verholzt" p. 162), Polyporus igniarivs („eine dem Holzstoif 
verwandte Substanz" p. 168), Tnber cibariuiu (p. 169), HelveUa esculeiita 
(„Holzstoff oder eine dem letzteren nahe verwandte Verbindung" p. 172). 
Schacht, Anatomie und Physiologie der Gewächse. Berlin 1856. 

2 L. c. p. 256. 

3 Anatomisches und Histochemisches über das Zucicerrohr, p. 120 
(Karsten, Botanische Untersuchungen. Bd. I. Berlin 1867). — Wiesner, 
Technische Mikroskopie, p. 64, 219. Wien 1867. 

4 Die Eohstoife des Pflanzenreiches, p. 30. Leipzig 1872. 

s Untersuchungen über das Vorkommen und die Entstehung des 
Holzstoflfos in den Geweben der Pflanzen, p. 4, 5 (Sitzungsber. der kais. 
Akad. d. Wissensch. Bd. 70. Wien 1874). 



Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 221 

eine ziemlich grosse Anzahl von Pilzen und Flechten mit Anilin - 
siilphat untersucht. Bei allen untersuchten Pilzen und bei den 
meisten Flechten blieben die Hyphen ungefärbt, während die 
Membranen einiger Flechten in geringem Grade gelb gefärbt und 
daher als schwach verholzt angesehen Avurden. 

Bald fand man eine Menge neuer Keagentien auf „Lignin": 
Phloroglucin , Indol, Eesorcin, Phenol-Salzsäure, Paratoluidin, 
Pyrogallin, Orcin und andere, von welchen jedoch ausser der 
Phenol-Salzsäure nur das von "Wiesner* in die Mikrochemie 
eingeführte Pbloroglucin und das von Niggl ^ empfohlene Indol 
in Gebrauch gekommen zu sein scheinen. 

Niggl, welcher mit Indol und HgSO^ die Verbreitung der 
Verholzung im Pflanzenreiche studirte, hat in dieser Hinsicht 
auch Pilze und Flechten untersucht und fand bei mehreren 
Arten sowohl jener als dieser mehr oder weniger roth gefärbte 
Membranen, woraus er das Vorkommen von Verholzung in den 
Membranen der betreffenden Arten erschliesst. 

Jüngst hat Harz, ^ offenbar ohne Niggl' s vorerwähnte 
Abhandlung zu kennen, mit Anilinsulphat und Phloroglucin in 
Verbindung mit HCl eine grössere Anzahl Pilze auf Verholzung 
untersucht, aber in allen Fällen ein negatives Resultat erhalten, 
ausgenommen hei Elaphoinyces cervmus H. K., bei welchem er 
das Vorkommen von „Lignin'' in den Membranen gewisser Zellen 
für unzweifelhaft hält. 

Burgerstein, Niggl und Harz haben zum Theile diesel- 
ben Arten untersucht, und stimmen die gewonnenen Resultate 
allerdings im Allgemeinen überein, weisen jedoch in gewissen 
Fällen keine gehörige Übereinstimmung auf, wie aus folgender 
Zusammenstellung hervorgeht. 



1 Das Verhalten des Phloroglucins und einiger verwandter Körper 
auf verholzte Zellmembranen (Sitzungsber. der kais. Akad. d. Wissenseh. 
Bd. 77. Wien 1878). 

- Das Indol als Eeagens auf verholzte Membranen (Flora. Regens- 
burg 1881). Auch separat als Inauguraldissertation erschienen. 

3 Über das Vorkommen von Lignin in Pilzen (Botanisches Central- 
blatt von ühlworm und Behrens. VI. Jahrg., Bd. 23. Kassel 1885, 
p. 371j. 



2'2'2 F 


r s s e 1 1 , 






Burg-erat 


ein Niggl 


A. Pilze. 




Ligninreaction 


Mucor Mucedo Mich 


keine 


keine 


Daedalea querchia Pers, . . 


n 


57 


Polyporus sulphureus 

„ fomentarius Fr... 

„ officinaUs Fr. . . . 
Aspergillus glaucus Liuk . . 
Penicillium glaucum Link. 




deutliche 
keine 


B. Flechten. 







Harz 



keine 



Cladonia furcata (Huds.) . 

„ graciUs (L.) „ 

„ deformis (L.) keine 

„ rangiferina (^L.) ... „ 

Parmelia physodes ( L.) „ 

Physcia ciliaris (L.) „ 



schwache 
keine 

deutliche 
keine 



Bei Vergleich der von Bürger stein, Niggl und Harz 
erzielten Resultate findet man: In mehreren Fällen, in welchen 
durch Indol und Hg SO^ deutliche Färbung erzielt wurde, färbten 
sich die Hyphen mit Anilinsulphat nur schwach; in einem Falle 
gab Indol und HgSO^ schwache, aber Anilinsulphat gar keine 
Reaction, und in einem dritten gab Indol in Verbindung mit 
HgSO^ deutliche Reaction, aber weder Anilinsulphat noch Phloro- 
glucin und HCl irgend eine solche. 

Auch mag hervorgehoben werden, dass sowohl Cetraria 
islandica (L.) als Cladonia rangiferina (L.), bei welchen bei- 
den Arten der Thallus durchwegs aus Hyphen besteht, welche 
mit Jod blau gefärbt werden, nach Burger stein und Niggl 
schwach verholzte Hyphen besitzen. Bei diesen beiden Arten 
würden demnach die Hyphen gleichzeitig aus jodblauendem Liche- 
nin^ (Dextrolichenin Flückiger) und „Lignin" bestehen. 



1 Unter den Botanikern scheinen die Untersuchung'en von Th. Berg 
(Zur Keuntniss des in der Cetraria islandica vorkommenden Lichenins 
und jodblauenden Stoffes. Inauguraldissert. Dorpat 1872) unberücksich- 
tigt geblieben zu sein, wonach zwei Arten vonLichenin: „jodblauender 



Beiträge zur Mikrochemie der Flechteu. 223 

Unter solchen Verhältnissen scheint eine erneuerte Unter- 
suchung der angegebenen Verholzung bei Flechten- und Pilz- 
hyphen erwünscht zu sein, besonders da die Verholzung bei den 
Flechten nicht unter Anwendung der für diesen Zweck jedenfalls 
besten Reagens: Phloroglucin in Verbindung mit HCl studirt 
wurde. Zuerst mögen jedoch einige allgemeine Bemerkungen 
über das „Lignin" und dessen Keagentien vorausgeschickt 
Averden. 

Vor Langem schon waren die verholzten Zellenmembranen 
Gegenstand der Untersuchungen sowohl der Botaniker als der 
Chemiker, ohne dass jedoch die Natur der „Verholzung" ermit- 
telt wurde. Man war der Ansicht, dass die verholzten Zellen- 
membranen einen durch chemische Umwandlung gebildeten 
hypothetischen Körper „Lignin'- enthielten. Bis jetzt ist es noch 
Niemand mit Sicherheit gelungen, diesen Körper darzustellen, 



Stoff" (Dextrolichenin, Flechteustärke , Lichenin-Cellulose , Stärke-Cellu- 
lose) und nicht jodblauendes Licheuin bei gewissen Flechten vorkommen. 
Das Vorhandensein des Dextrolichenins bei den Flechten sowohl im Hyme- 
nium, als in den sterilen Theilen des Thallus ist freilich verhältuissmässig 
sehr wohl studirt, aber von der Verbreitung des nicht jodblauenden 
Lichenins scheint sehr wenig bekannt zu sein. Ebensowenig hat man 
untersucht, in welchem Verhältnisse der bei vielen Flechten und Pilzen im 
Hymenium vorkommende Körper, welcher mit Jod weinroth gefärbt wird, 
zum Dextrolichenin steht. Nach Th. Berg's Methode habe ich von Cetraria 
islandica {L.) sowohl das Dextrolichenin als das nicht jödblauende Liche- 
nin dargestellt. — Im Zusammenhang mit der Frage von den chemischen 
Bestandtheilen der Flechteuhyphen mag erwähnt werden, dass ich nach 
C. Rieht er 's Methode (Beiträge zur genaueren Kenntniss der chemischen 
Beschaffenheit der Zellmembranen bei den Pilzen. Sitzuugsber. der kais. 
Akad. d. Wissensch. Bd. 83. Wien 1881) die Hyphen mehrerer Flechten 
uud zweier Pilze von „incrustirenden Substanzen' mit KOH zu reinigen 
versuchte, um nachher Cellulose-Reaction zu erhalten. Folgende Flechten 
uud Pilze wurden untersucht: Cetraria islandica (L.), Evernia vulpina (L.), 
Parmelia saxatilis (L.), Peltidea aphthosa (L.), Peltigera canina (L.), Raina- 
lina pollinaria Ach., Usrwa longissima Ach., Xanthoria parietina (L.), Aga- 
rrus i e oh] < f^tris P r. und ein l'v/iporvs. ^iii bei Fciti(/<ra cai/ina (L.) und Ag 
ricus eampestris Fr. färbten sich die Hyphen freihch schon nach vier 
Wochen, aber weder bei jener noch bei dieser Art wurden sie in Kupfer^: 
oxydamoniak gelöst. Die beim Versuche angewandte KOH war die ersten 
Wochen etwa 7— So^o stark, nachher 20— .30%. 



224 Forssell, 

welcher, wie es scheint, aus mehr Kohlenstoff imcl Wasserstoff 
als Cellulose besteht, über dessen chemische Zusammensetzung 
im Übrigen aber die Ansichten getheilt sind. 

Indessen wurde in der letzten Zeit die Kenntniss der Natur 
der Verholzung und der ., in crustir enden Substanzen" wesentlich 
erweitert, speciell durch Untersuchungen, welche unter Wies- 
ner 's Anleitung von Singer ^ im pflanzenphysiologischen Insti- 
tute in Wien ausgeführt wurden. Aus den Untersuchungen 
Höhnel's^ und Singer 's geht hervor, dass in verholzten Mem- 
branen ein Glycosid Coniferin, so weit bis jetzt bekannt ist, 
constant vorkommt. Zudem Singer (1. c.) fand, dass auch 
das aus Coniferin abspaltbare Aldehyd Vanillin nebst einem 
von HCl gelb gefärbten, mit HgO extrahirbaren Körper von 
unbekannter chemischer Zusammensetzung ein in Holzsubstanz 
constant vorkommender Bestandtheil ist. Schliesslich hat 
Thomson^ bei verschiedenen Holzarten eine „incrustirende 
Substanz" Holzgummi gefunden, welcher nach Singer dem 
Arabin nahe steht, und dessen Verbreitung sich anscheinend 
auf alle verholzten Membranen erstreckt. „In welcher Bezie- 
hung diese Körper zu dem hypothetischen Lignin stehen, kann 
auf Grund der gemachten Untersuchungen nicht entschieden 
werden. Allein die Art und Weise, wie sich dieselben einer nach 
dem anderen aus dem Holze durch Wasser entfernen liessen, 
macht es wahrscheinlich, dass das, was man Lignin nennt, ein 
Gemenge von mehreren chemischen Individuen darstellt. Ob 
diese Annahme richtig, und ob die „incrustirende Substanz" mit 
den hier aufgezählten Körpern und demHolzgummi erschöpft ist, 
bleibt weiteren Untersuchungen vorbehalten."* 

Unter denjenigen Substanzen, welche zur Entdeckung von 
„Lignin" angewendet werden, reagiren, wie Singer nach- 



1 



Beiträge zur näheren Kenntniss der Holzsubstanz und der verholz- 
ten Gewebe. (Sitzungsber.d. kais.Akad. d.Wissensch. Bd. 85. Wien 1882.) 

2 Histochemische Untersuchungen über das Xylophllin und das Coni- 
ferin. (Sitzuugsber. der kais. Akad. d. Wissensch. Bd. 76. Wien 1877.) 

3 Chemische Untersuchungen über die Zusammensetzung des Holzes, 
p. 148. (Kolbe u. Meyer, Jouru. für praktische Chemie. Bd. 19. Leipzig 
1879.) 

■* Singer 1. c. p. 1)60. 



Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 225 

gewiesen hat, Aiiilinsulpbat, Phlorogiucin in Verbindung mit 
HCl oder H^SO^ nnd ludol in Verbindung mit H^SO^ auf Vanil- 
lin ^, wogegen Phenolsalzsäure auf Coniferin ^ reagirt. Singer 
Aveist mit Recht darauf hin, dass die Farbenveränderungen, 
welche durch die Behandlung reinen Vanillins mit „Ligniu"- 
Reagentien entstehen, nicht immer vollständig übereinstimmen 
mit jenen, welche diesen Stoff in verholzten Membranen oder in 
wässerigen Holzextracten hervorrufen, indem nämlich Vanillin 
mit Phlorogiucin mit HgSO^ eine ziegelrothe, mit Resorcin und 
derselben Säure eine zinnoberrothe Farbe gibt, während verholzte 
Gewebe durch das erstgenannte Reagens roth bis violett und 
durch das letztere je nach der Menge der assistirenden Säure 
violett oder violettroth gefärbt werden. Diese abweichende Fär- 
bung kann jedoch durch das Vorkommen anderer Substanzen in 
verholzten Glewebeu, welche bis zu einem gewissen Grad auf die 
Färbung modificirend wirken, erklärt werden. 

Nach Singer sind indessen die durch Phlorogiucin und 
HCl, Anilin, Pyrol und Indol in Verbindung mit der zugehörigen 
Säure mit Vanillin oder in verholzten Geweben hervorgerufenen 
Reactionen vollständig gleich. Das ist auch richtig (mit Pyrol 
habe ich keine Untersuchungen vorgenommen), aber es scheint 
doch, als müsse die Färbung bei Anwendung reinen Vanillins 
bedeutend intensiver sein, als wenn es verholzte Gewebe 
betrifft, in welchen Vanillin in äusserst geringer Menge vor- 
kommt; eher wird Holz intensiver als reines Vanillin mit den 
genannten Reagentien gefärbt. Dieses unerwartete Verhältniss 
tritt noch deutlicher hervor, wenn Vanillin in einer Flüssigkeit 
gelöst wird. Eine wässerige, stark nach Vanillin riechende 
Lösung gab nach Zusatz von Anilinsulphat keine gelbe Färbung; 
auch nach Zusatz von Phlorogiucin oder Indol in Verbindung mit 



1 C. Etti hat diejenige Verbindung, welche bei Einwirkung von 
Phlorogiucin auf Vanillin erzeugt wird, und welche er Phloroghiciu- 
vanillein nennt, näher untersucht. Siehe hierüber Etti, Über Verbin- 
dungen des Vanillins mit Pyrogallol und Phlorogiucin (Sitzungsber. d. kais. 
Akad. d. Wissensch. Bd. 86. Wien 1882j. 

'•i Tb. H artig, Jahrb. für Förster. Bd. I, p. 2(33. 1861. — (Nach 
Singer citirt.j Kugel im Journal für Chemie von Beilstein, Fittig 
und Hübner. 1866, p. 399. 



226 Forsse 11, 

assistirender Säure konnte zuerst keine oder nur eine undeut- 
liche Färbung wahrgenommen werden, welche aber (bei Anwen- 
dung des Indols) nach einigen Stunden ersichtlicher wurde. Die 
durch Anilinsulphat bei verholzten Membranen verursachte gelbe 
Färbung und die durch Phloroglucin oder Indol in Verbindung 
mit gehöriger Säure hervorgerufene rothviolette Färbung dürfte 
demnach kaum allein dem Vanillin zuzuschreiben sein, sondern 
die Färbungen dürften auch von anderen in den verholzten Mem- 
branen vorkommenden, noch nicht näher studirten „incrustiren- 
den Substanzen" erzeugt werden. Da indessen Vanillin und 
Coniferin, so weit bis jetzt bekannt ist, constant in den ver- 
holzten Membranen vorkommen, können die oben genannten auf 
Vanillin und Coniferin reagirenden Körper für den Nachweis der 
Verholzung angewendet werden. 

Eine grosse Anzahl von Flechten, unter diesen alle oben 
aufgezählten, sowie mehrere Pilze (z. B. Elaphomyus grannlatus 
H. K., Trametes snaveolens und mehrere Polyporns- Arten) wur- 
den theils mit Anilinsulphat, theils mit Phloroglucin und HCl 
behandelt. 

Was zuerst die Anwendung von Anilinsulphat betrifft, so 
würde in keinem Falle „Lignin^-Keaction erhalten. Indessen 
kann man bisweilen, z. B. hex Alectoria ochrolenca (Ehrh.) a ri- 
gida (Vi 11.) eine gelbe Färbung wahrnehmen, aber es ist leicht 
nachzuweisen, dass diese nicht auf Verholzung beruht. Überdies 
scheinen bisweilen die Hyphen und Schnitte durch den Thallus 
der Archilichenen schon an und für sich etwas gelb gefärbt, und 
Täuschungen sind bei Anwendung des Anilinsulphats in solchen 
Fällen erklärlich. 

Grössere Vortheile bietet das weit empfindlichere Phloro- 
glucin und HCl, aber auch damit konnte bei den geprüften 
Flechten und Pilzen keine Verholzung wahrgenommen werden. 
Nicht einmal bei Elaphomijces gra/ni/aiiis H. K., welcher beson- 
ders erwähnt werden mag, da, wie bemerkt, Harz jüngst bei 
diesem das Vorkommen von Verholzung behauptet hat. Das Peri- 
dium besteht bei dieser Art aus zwei, deutlich verschiedenen 
Schichten: die äussere ist aussen braun, innen gelb, die in- 
nere ungefärbt, weicher und dicker. Nach Harz kommt in der 
äusseren und mit ihr parallel verlaufend, in einiger Entfernung 



Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 227 

von der Oberfläche eine harte, gelbe Zone vor, welche durch 
Aniliusulphat stark gelb gefärbt, durch Phloroglucin und HCl 
lebhaft geröthet wird, and es liegt demnach nach dem erwähnten 
Verfasser hier unzweifelhaft ein Fall von echter Verholzung bei 
einem Pilz vor. Bei dem von mir mit Anilinsulphat untersuchten 
Exemplar trat die Färbung dieser gelben Schichte nicht deutlicher 
hervor, auch nahm dieselbe weder mit Phloroglucin uud HCl, 
noch mit Indol und HgSO^ rothe Färbung an. 

Allerdings fand Singer, dass Indol, auf 0-0007 7o ver- 
dünnt, noch das Fichtenholz färbte, während für das Phloro- 
glucin nach Wiesner die Empfindlichkeitsgrenze bei 0-001% 
liegt, ' aber hieraus folgt nicht mit Nothwendigkeit, dass um- 
gekehrt ein geringerer Grad von Verholzung sicherer durch Indol 
als durch Phloroglucin nachgewiesen werden kann. Allerdings 
wäre dies möglich, und dann wäre es erklärlich, warum Niggl 
mit Indol undHgSO^ das„Lignin" nachweisen konnte, wo es mit 
Phloroglucin und HCl nicht zu entdecken war. 

Um darüber ins Klare zu kommen, ob Indol oder Phloro- 
glucin ein empfindlicheres Eeagens auf Vanillin sei, verfuhr ich 
auf folgende Weise. Einige dünne Späne von Fichtenholz wur- 
den im Luftbad bis auf 220° C. erhitzt, wobei ein deutlicher 
Vanillingeruch wahrgenommen wurde. Hernach zeigte Phloro- 
glucin mit HCl deutliche, Indol mit H^SO^ äusserst undeutliche 
Reaction. Die Temperatur wurde alsdann bis zu 228° C. erhöht. 
Mit Phloroglucin konnte Vanillinreaction noch wahrgenommen 
werden, mit Indol jedoch nicht. Demnach scheint Phloroglucin 
ein empfindlicheres Reagens als Indol zu sein. 

Die mit Anilinsulphat und Phloroglucin geprüften Flechten 
wurden auch mit Indol und HgSO^ behandelt. Einige — z. B. 
Loharia pulmonaria Hoffm., Lecanora pallesceus (L.) — färbten 



1 Singer 1. c. p. 358. Schon Runge hat diese ausserordentliche 
Empfindlichkeit der Anilin- und Pyrolsalze hervorgehoben. Nach ihm 
(Annalen der Physik und Chemie von Poggendorff. Bd. 31, p. 66, 67. 
Leipzig 1834) ist Fichtenholzfärbung durch Aniliusalze so stark, dass ein 
Tröpfchen, welches nur V500000 Anilin enthält, noch eine bemerkbare 
Gelbfärbung auf dem Holze hervorbringt. Noch empfindlicher sind nach 
Runge (1. c. Bd. 32, p. 332) Pyrolsalze, indem mittelst des salzsauren 
Fichtenholzes nur 0* 000001 Pyrol zu entdecken ist. 



228 Forssell, 

sich nach wenigen Minuten schwach roth und nahmen nachher 
eine .starke rothe Färbung an, die übrigen färbten sich jedoch, 
allerdings erst nach ungefähr 20 Stunden, durchwegs roth, ob- 
gleich die Farbe bei verschiedenen Arten in Bezug auf Intensität 
und Nuancirung wechselte. Dieselben Flechten wurden mit Indol 
und HCl behandelt und auch hierbei trat früher oder später in 
allen Fällen Rotlifärbung ein. 

Schon aus Niggl's eigenen Untersuchungen geht hervor, 
dass mit Indol und H^ SO^ auch in anderen Fällen, als da, wo 
Verholzung vorhanden ist, Färbung eintritt. So wird nach ihm 
der Zellinhalt in den Brennliaaren von Urtica mit Indol und 
H2SO4 durchgängig roth gefärbt.^ Niggl gibt auch an, dass 
die Cuticiila an sehr jungen Sprossen von Aesculus Hippocasta- 
tium L., Acer Pseudoplat<inus L. und Hippuris vulgaris L. roth 
gefärbt wird, aber „da in älterem Zustande diese Rothfärbung 
nicht bemerkbar war, so kann wohl keine Verholzung angenom- 
men werden, und die Färbung dürfte sich eher durch ein Durch- 
dringen plasmatischer oder anderer Stoffe erklären lassen".^ 

Auch andere Substanzen als „Lignin" färben sich demnach 
mit Indol und H2S0^ roth. Aus Anlass dieser Thatsache wurden 
andere Körper: Kartoffelstärke, Weizenstärke, Gummi arabicum, 
Baumwolle und Rohrzucker mit Indol und H^ SO^ behandelt, wo- 
bei im Allgemeinen schon nach V4? bisweilen erst nach 1 Stunde 
eine schwache rothe Färbung eintrat. Nach 20 Stunden waren 
die beiden ersten Körper schön rosa gefärbt, Gummi schwach 
und spärlich roth gefärbt, Baumwolle schwach, aber durchaus 
gefärbt und der Rohrzucker in eine röthliche Flüssigkeit auf- 
gelöst. Ja, eine verdünnte IndoUösung färbte sich sogar nach 
Zusatz von H^SO^ allein schwach roth, aber die Farbe war in 
diesem Falle schwächer als beiAnwesenheit der eben erwähnten 
Körper. 

Indol muss in Folge dessen als Reagens auf „Lignin" mit 
grösster Vorsicht angewendet werden, da ja auch andere als 
verholzte Steife mehr oder weniger lebhaft roth gefärbt werden. 



1 Nigs'l 1- c. p. 560. 

2 Niggl 1. c. p. 549, 5()2 Note. 



Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 229 

Die rothe Farbe, welche Flechten nach Behandlung mit Indol in 
Verbindung mit Hg SO^ zeigen, braucht nicht auf Verholzung zu 
beruhen, und die Behandlung dieser Flechten mit Phloroglucin 
und HCl zeigte leicht, dass Verholzung in diesen Fällen nicht 
vorkommt. 

2. Das Verhalten der Zellwand zu Raspail's und 
Millon's Reagens. 

Dass Lichenin bei Behandlung mit einer Säure sehr leicht 
in Zucker umgewandelt wird, ist durch Stenberg's Unter- 
suchungen bekannt. * Man konnte demnach vermuthen, dass die 
rothe Farbe, welche Flechten bei Behandlung mit Hg SO^ (ohne 
Indol) zeigen, auf Raspail's Reaction beruhe. Es glückte mir 
nämlich bisweilen, die Membranen der Hyphen von Cladonia 
gracilis (L.) xmiiLobnria imlmoiiaria Hoffm. mit H^SO^ schwach 
roth zu färben, wesshalb man vielleicht annehmen könnte, dass 
die Säure das Lichenin in Zucker verwandelt, welcher mit der 
8äure und Eiweisskörpern Raspail's Reaction gibt. Fort- 
gesetzte Versuche in dieser Richtung gaben indessen nur nega- 
tive Resultate, vielleicht darauf beruhend, dass ein passender 
Concentrationsgrad der Säure nicht angewendet wurde. Ich 
untersuchte daher mit Millon's Reagens mehrere Flechten, 
Pilze und Algen. Von ersteren wurden besonders solche mit 
dicken Membranen gewählt; bei den meisten konnte ich eine 
mehr oder weniger deutliche Rothfärbung constatiren. Besonders 
hei Lobaria pulmouaria Hoffm. undPeltigera canina (L.) wurden 
die Membranen deutlich ziegelroth gefärbt. 

Von den untersuchten Pilzen {Polyporus- und Agaricus- 
Arten) wurde wohl der Zellinhalt gefärbt, aber deren Mem- 
branen waren zu dünn, um eine Färbung hervortreten lassen zu 
können. Prof. Wiesner hat mir indessen gütigst mitgetheilt, 
dass er bei den Membranen von Polyporus fomentarius Fr. die 
auf Eiweiss deutende Xanthoproteinsäure-Reaction deutlich ge- 
sehen hat. 

Von Algen wurden Gelidium cartilagineiim , Ecklonia bac- 
cata undEuchema spinosum untersucht. Hier trat bei Anwendung 



1 Flora 1869, p. 517. 



230 Forssell, Beiträge zur Mikrochemie der Flechten. 

von Millon's Keagens die rotbe Farbe in den Membranen sebr 
deutlicb bervor ; speciell war dies der Fall in den äussersten im 
Tballus liegenden Zellenscbicbten. 

Inwieweit diese Reaetionen darauf berubten, dass in den 
Membranen Eiweisskörper vorbanden waren, mag ein fort- 
gesetztes Studium dieser Frage darlegen. Indessen steben meine 
Untersuebungen im Einklänge mit den Resultaten, zu welcben 
Wiesner^ in Betreff der Organisation der vegetabiliscben Zell- 
wand gelangte, denen zufolge die letztere, zum mindesten so 
lange sie wäcbst, Protoplasma entbält. 



1 Untersuchungen über die Organisation der vegetabilischen Zell- 
wand (Sitzungsber. der kais. Akad. d. Wissensch. Bd. 92. Wien 1886). 



231 



Über Einlagerung von Oalciumoxalat in die Zellwand 
bei Nyctagineen. 

Von Anton Heimerl, 

Lehrer an der k. k. Staats- Ober rcajschule in Sechskaus fWienJ. 
(Mit 1 Tafel.) 

Bei Gelegenheit der Vorarbeiten zu einer monograpMsehen. 
Bearbeitung der Nyctagineen war mir bei der nordamerikanischen 
Gattung Acleisanthes Asa Gray die lichte grauweisse Farbe der 
Stengel-Interuodien dieser Pflanzen, sowie die ganz besondere 
Sprödigkeit des Hautgewebes aufgefallen^ und die weitere Unter- 
suchung ergab als Grund für diese Eigenthümlichkeit den 
Umstand, dass in den Aussenwänden der Epidermiszelieu des 
Stengels Calciumoxalat in Körnchen massenhaft eingelagert war, 
welches so die eigenthümliche Färbung, sowie die Sprödigkeit 
der Epidermis von Acleisanthes bedingte. Die nächste sich hier 
naturgemäss anschliessende Aufgabe musste wohl darin liegen, 
die übrigen Gattungen und möglichst viele Arten der Nyctagineen 
in vergleichender Hinsieht zu untersuchen, um so einestheils 
überhaupt über die Vertheilung der Calciumoxalat-Einlagerung 
in der Familie Thatsächliches zu bieten, andererseits etwas über 
die vermuthliche Rolle, welche dieser Einlagerung zukommt, 
erschliessen zu können. 

Wie Graf Solms-Lanbach in seiner bekannten Arbeit^ 
über Einlagerung von Calcinmoxalatin Zellmembranen nachweist, 
sind derlei Fälle bei den Angiospermen überhaupt als sehr 
seltene zu bezeichnen und werden von ihm an der citirten Stelle 
einige Mesembryanthemum-Aiten {M. stramineum, Lehmannif 
rhombeurn, lacerum etc.), dann das Sempervivum calcareum 
Jordan aufgeführt, in deren Blattepidermis, und zwar zum 



1 Botanische Zeitung von Mohl und De Bary, 1871. pag. 51:3 ff. 

SUzb. fl. matheni.-naturw. Cl. XCIII. Bd. 1. Abth. 16 



232 Heimeil, 

g-rösstea Theil in der Ausseuwaud der Epidermis-Zellen, das 
Calciumoxalat iu Form von ungemein kleinen Körneben erscheint, 
an welche Art des Vorkommens sich nun aufs engste unsere 
Nyctagineen anschliessen.* 

Es wurden von dieser merkwürdigen Familie, in deren 
Umgrenzung und Gliederung wir uns an die treffliche Bearbeitung 
der Gattungen in Bentham-Hooker: Genera pkmtarum III., 
pag. 1 — 11, balten wollen, neunzehn Gattungen näher untersucht, 
während von den übrig bleibenden 6 Gattungen (Hermidmm 
Watson, Timeroy a Montrousier, Andradaea Allemao, 
Senkenbergia Schauer, Seluiocurpus Asa Gray, Ec/gersia 
Hook er) der scliweren Beschaffbarkeit von Material halber 
(diese sehr seltenen Gattungen fehlen beispielsweise den Her- 
barien des Wiener Hofmuseums und des königlichen Museums 
zu Berlin; Andradaea ist überhaupt nur aus einer Abbildung 
bekannt) Abstand genommen werden musste. Von den nun in 
Rede stehenden 19 Gattungen sind als für die weitere Betrachtung 
gegenstandslos folgende, durchwegs strauch- oder baumartige 
Gattungen auszuscheiden, bei denen weder in jungen, der Kork- 
bildung noch entbehrenden Zweigen, noch iu den Blättern 
Einlagerung von Calciumoxalat constatirt werden konnte; es sind 
dies die Gattungen : Leucaster C h o i s y , Cephalotomatidra 
Karsten et Trian., iV(?t^« Ruiz et Pavon, Plsonia Plumier, 
Collignonia EndL, Boldoa Cav., Bougainvillea Co mm., Tricycla 
Cav. , Phaeoptilum Radlk.,^ Cryptocarpus Kunth., Reichen- 



1 Die übrigen mir bekannt gewordenen Vorkommnisse von solcher 
Einlagerung- bei Angiospermen gehören folgenden Familien an: Haemodo- 
raceae (Blattgewebe von Aletris fragrans; H. Molis ch in Österr. botanischer 
Zeitung 1882, pag. 382), Smüaceae (Blattgewebe von Dracaena-Axie\i\ 
Pfitz er in Flora 1872, pag. 97 ff., H. Molisch \. c), Sapotaceae {^nme,Ti- 
schale von Achras Sapota und Omplidlocarpimi proceniur^ ßadlkofer ex 
Just, Botanischer Jahresbericht für 1882, pag. 483), Ni/mphaeaceae (innere 
Haare, Zellwände des Schwammparenchyms der Blatt- und Blüthenstiele 
von Njiniphaea alba miA Nuphar luteum. ; H. Moli seh 1. c.), Loranthaceae 
(Steinzeiten der primären und s''cun(läreu Rinde einiger Loraiitfuis-ArU'Ai 
nach Mentovich ex Just, Botanischer Jahresbericht für 1883, pag. 180). 

'-i Radlkofer in Verhandlungen des naturwissenschaftlichen Vereines 
in Bremen, VIII., pag. 435 (1881). 



über Einlagerung- von Calciumoxalat etc. 233 

bacliia Spreng-el/ woraus sich sofort der für den Systematiker 
nicht uninteressante Schluss ziehen lässt, dass (abgesehen von 
den nicht untersuchten hiehergehörigen drei Gattungen) hier 
Calciumoxalat-Einlagerung und systematische Trennung gut 
Hand in Hand gehen, indem von den drei Tribus der Nyctagineen 
im Sinne Bentham-Hooker's die letzteren zwei Tribus, d. i. 
jene der Pisonieae und Leiicasterae keine Einlagerung zeigen, 
sowie ebenfalls zwei Subtribus des ersten Tribus der Mirabileae, 
d. i. die Bougahivilleae und Boldoeae einer solchen entbehren und 
daher nur die restirenden Subtribus: Boerhavieae und Abronieae 
für das "Weitere in Betracht kommen . 

Kachfolgende Tabelle gibt nun Aufschluss über das sehr 
wechselnde Detail des Vorkommens bei den Mirabileae und 
Abronieae. wobei A. W. : Aussenwand , I. W.: Innenwand, 
endlich S. W.: Seitenwand der Epidermis-Zellen bedeutet. 

Die Epidermis des Stengels der in vorhergehender Tabelle 
angeführten Gattungen und Arten, welche der Hauptsitz des 
Calciumoxalates ist, zeigt bei den untersuchten Ptlanzen einen 
ziemlich gleichmässigen Bau, der in den meisten Punkten mit 
der Schilderung, welche Graf Solms-Laubach 1. c. für 
Mesembryanthemum gibt, übereinstimmt. Die im Querschnitt 
flachen Zellen der Epidermis grenzen nach einwärts an ein 
Rindenparenchym, welches an den Stengelkanten und Riefen 
einem Collenchyme Platz macht und sehr häufig Rhaphiden- 
Schläuche führt; die Aussenwand der Epidermis-Zellen ist nun in 
mehr minderem Grade, oft (vergl. Fig. 1 von Acleisanthes) ganz 
enorm verdickt, so dass dann das Lumen der Zellen (Fig. 1) auf 
einen ganz unbedeutenden Raum reducirt erscheint. Bei Behand- 
lung zarter Querschnitte mit Chlorzinkjod nimmt die Cuticula (c 
in Fig. 1), sowie die meist ganz schmale darunter liegende Schichte 
(s) intensiv rothbraune Färbung an, letztere documentirt sieb 



1 Untersucht wurden Ncca lanceolata Horti Botauici Vindo- 
bonensis. N. Caparrosa Schmidt, Pisonia aculeata L., cxcci a Blume, 
Pacwrrtea Kunth, hirtella H. B. K., Olfcrsiana Lk. & Kitsch., ColUgnonia 
parviflora Choisy, Baldoa lanceolata La gase a, BougaiuvilLa spectahilis 
Willd. und B. stipitata Griseb., Cn/ptocarpus pyriformis Kunth.: die 
übrigen Gattungen besitzen nur je eine Art. 



234 



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über Einlagerung von Calciumoxalat etc. 



235 



Blatt- Oberseite frei von Einlage- 
rung; Unterseite mit sehr dünner 
Lage in der A. W. der Ep. 


Zerstreute Körnchen in der A.W. 
der Ep. beider Blattseiten. 


Sehr spärliche Einlagerung in 
die Ep. A.W. beider Blattseiten. 


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Leg. Hooker. 


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Cnltivirt im Wiener 
botanischen Garten. 




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Körnchen; untere Blattseite mit 
vielen Körneren in der A. W. 
und wenigen in der S. W. und 
I. W. der Ep. Zellen. 


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Blattunterseite sehr sparsam 

Körnchen führend, Blattüberseite 

etwas reicher daran. 


Blattoberseite frei von Körnern. 

Blattunterseite mit reichlicher 

Einlagerung in die Ep. 


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über Einlagerung von Calciumoxalat etc. 



237 



Dünne Lage von Körnern in der 
Ep. A. W. beider Hlatts(^iten. 


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Massig dichte Lage in den A. W. 
der Ep. beider Blattseiten. 


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Blattoberseite fast frei. Unter- 
seite mit reichlicher Einlagerung 
in die A. W. der Ep. Trichomc 
frei von Einlagerung. 


Ep. A.W. fast frei von Körnern. 


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Schwache Lage in der A. W., 

dann spärliche Körner in (hu- 

S. W. und L W. der Ep. Tii- 

chome frei von Kalk. 


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Wie bei voriger Art, dann auch 

einige Körnchen in der L W. 

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Wie bei voriger Art, Körner 

aber auch in .S. W. und I. W. 

Trichome frei. 


In der Ep. A. W. beider Blatt- 
seiten. 


In der Ep. A. W. beider Blatt- 
seiten sehr sparsam auf der Ober- 
seite, reicher auf der Unterseite. 


A. W. der Ep. reichlich beider- 
seits mit Körnern, spärliL-lie in 
der 1. W. 


Sehr wenige Körner in der Ober- 
seite, mehr in der A.W. der Ep. 
der Blattunterseite. 


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Massenhaft in der A. W. und 

1. W., sparsamer in der 8. W. 

der Ep. Zellen. 


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über Einlagerung- von Calciumoxalat etc. 



239 



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und sparsamer in der L W. mit 

Körnern. 


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unterseite mit massig reicher 
Einlagerung in die A. W. der 
Epidermis. 


Körner massenhaft in A. W., 
spärlichiu' in der L W. der Ep. 
Zellen und indeu darunterliegen- 
den Rindenzellen. 


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von Würtemberg. 


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(non. Choisy.) 


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240 Heimerl, 

somit als Cuticular-Scliichte, während, der übrige Theil der 
Membran, zngleicli der weitaus mächtigere, (k, i) ein umso inten- 
siveres Violett zeigt, je näher er dem Lumen der Zelle zu liegt; 
die unmittelbar unter den oft sehr schwach entwickelten Cuticular- 
Schichten liegenden Membran-Partien bleiben mit Chlorzinkjod 
farblos oder nehmen blassgelbliche Farbe an, was wohl auf 
einen geringen Grad von Cntinisirung derselben hindeutet. Die 
Grenzlamellen der einzelnen Epidermiszellen (in Fig. 1), welche 
in die Mittellamellen des darunter liegenden Parenchymes sich 
fortsetzen, nehmen unter diesen Umständen blassgelbliche 
Färbung an; endlich wäre noch anzufügen, dass Schwefelsäure 
bei beginnender Einwirkung in der Aussenwand schwache 
Schichtung hervorruft. 

In jener Partie der Aussenwand der Epidermiszellen, 
Avelche nach aussen von der Cuticula, nach einw^ärts von der 
lunenlauielle (/) begrenzt wird, liegen nun ( vergl. die Abbildungen) 
die Körnchen des Calciumoxalates, so dass die Einlagerung nach 
aussen bis zur Cuticula reicht, während die körnerführende 
Schichte gegen das Zelllumen hin von einer oft sehr breiten und 
ungemein deutlichen körnerfreien Schichte (/, z. B. Fig. 2 und 5) 
abgeschlossen wird. In solchen Fällen, wo die Einlagerung der 
Körner in die Wand eine besonders massenhafte ist (Fig. 1), 
kann man nur an den dünnsten Stellen der Präparate diese 
körnerfrei Schichte erkennen, sowie andererseits, wenigstens bei 
Acleiscmthes in den Trichomen dieser Pflanze leicht constatirt 
werden kann, dass die Körnchen über die Cuticula hervorragen 
und so lebhaft an die Einlagerung bei Nymphaea erinnern. 

Die Seitenwände der Epidermiszellen des Stengels und der 
Blätter führen nicht eben häufig — das Detail ist aus der Tabelle 
zu ersehen, — in ihren massig dicken Wänden Kalktheilchen, 
während hingegen bei vielen Arten eine reichliche Einlagerung 
von Calciumoxalat in die Innenwände der Epidermiszellen 
(Fig. 2) in oft sehr regelmässiger Anordnung zu constatiren ist. 
(Fig. 5). Auch hier bleibt die Innenschichte der Epidermiszellen 
frei von Körnchen und es erscheinen dieselben an den verdickten 
Wandstellen, wo mehrere Zellen aneinander grenzen, besonders 
reichlich vertreten (Fig. 2). Die eben gemachte Bemerkung, dass 
in jenen Fällen, wo sehr reichliche Einlagerung erfolgt, die 



über Einlagenmg von Calciumoxalat etc. 241 

körnclienfreie Innenlamelle immer schwieriger sichtbar werde, 
g'ilt auch hier und in den Blättern von Boerhavla- Arten scheinen 
die Körner geradezu an das ZelUumeu anzugrenzen. 

Bekanntlich zeichnet sich die Familie der Nyctagineae, wie 
die verwandte Familie der Phytolaccaceae, durch die Menge von 
Raphidenschläuchen aus, welche in fast allen Theilen der Pflanzen 
(Stengeln, Blättern, Perigonen, Authocarpwänden etc.) anzu- 
treffen sind, sowie besonders bei den strauch- und bäumchen- 
artigen Gattungen (z. B. Bouf/ainvillea) grosse Einzelkrystalle, 
dann auch Drusen von oxalsaurem Kalke im Parenchyme, neben 
den Rhaphiden, nicht selten vorkommen. Bei der Untersuchung 
der Zellwände der von der Epidermis umschlossenen Gewebs- 
partien konnte ich auch bei Anwendung des Polarisations- 
Mikroskopes nirgends mit Bestimmtheit eine Einlagerung in 
andere Gewebstheile, als die vorstehend angeführten, con- 
statiren. Vollkommen frei erscheint immer der Holzkörper und 
nur manchmal (z. B. bei Boerhavia repens L.) treten im Piinden- 
und Markparenchym spärliche, bei gekreuzten Nicols auf- 
leuchtende Pünktchen auf, welche den Zellhäuten anliegen, doch 
konnte ich bei den trockenen Exemplaren mir darüber nicht 
genügende Sicherheit verschaffen, ob sie nicht etwa der Wand 
mechanisch anhaftende Theilchen von Rhaphiden seien. 

Das Calciumoxalat selbst, dessen Nachweis auf die bekannten 
Reactionen gestützt (starkes Aufleuchten bei gekreuzten Nicols, 
scheinbare Unveränderlicbkeit beim Glühen, Unlösliehkeit in 
Essigsäure, leichte Löslichkeit in Salzsäure, Bildung von Gyps- 
nadeln mit verdünnter Schwefelsäure) erbracht wurde, erscheint 
in den Membranen in oft sehr dicht gedrängten körnerähnlichen 
Partikeln, über deren Begrenzung durch scharfe Ecken und 
Kanten bei den meisten untersuchten Arten, der ausserordentlichen 
Kleinheit halber (sie messen kaum 1/j.) nichts weiter gesagt 
werden kann. Xur in einigen wenigen günstigeren Fällen, so 
z. B. bei Oxyhaphus ovatus H. B. Vind., wo die grösseren 
Körner fast l-5rj. erreichen, konnte ich an denselben deutliche 
Ecken, sowie auffallende Grössenunterschiede erkennen, indem 
in buntem Wechsel grössere, 2 bis 3 mal längere als breitere 
Körner und kleinere rundliche neben einander vorhanden 
waren. 



242 Heimerl, 

Die beigeg-ebene Figur 5, entnommen der stidamerikanischen 
Alliouia Mendochia Pliilippi, lässt deutlicli erkennen, dass hier 
die Calciumoxalat-Körner längliche Form besitzen und dass der 
längere Durchmesser fast genau parallel zur Oberfläche des 
betreffenden Pflauzentheiles gerichtet ist, zugleich tritt bei dieser 
Pflanze die schon früher erwähnte Regelmässigkeit der 
Anordnung in parallelen Reihen sehr auffallend hervor. Gewisse 
Stellen, die Grenz-Lamellen der Aussenwände der Epidermis- 
zellen bleiben (bei x) hier ganz frei von Einlagerung, ein 
Verhalten, welches auch bei Fig. 2., dem Steng-elquerschnitte 
von Boerhavia repe7is L. , (bei x) wenn auch viel subtiler, bemerkt 
werden kann. Von derlei etwas grösseren Körnern bis zu 
ungemein kleinen, eben nur als Pünktchen erscheinenden (z. B. 
bei Ahrotna turbinata Torrey ), gibt es nun alle Mittelstufen der 
Grössenverhältnisse, wobei wohl unzweifelhaft bei der starken 
Wirkung, welche allen diesen Ausscheidungen auf das polarisirte 
Licht zukommt, diese Körner als Krystalle zu bezeichnen sind, 
und der Ausdruck „Körner" eben nur der Kürze halber, mit 
Bezug auf ihre äussere Erscheinung gebraucht werden möge. 

Von besonderer Wichtigkeit erscheint mir der Umstand, 
dass — wie übrigens schon Graf Solms- Laub ach 1. c. 
angibt — die Schiiesszellen der Spaltöffnungen (Fig. 3) des 
Stengels und der Blätter, in welchen sie zumeist auf beiden 
Seiten vorkommen, völlig frei sind von jeder Einlagerung, so 
dass, wenn die Aussen- und Innenwand der Epidermiszellen 
Calciumoxalat führt, die Körnchen scharf an der Grenze von 
gewöhnlichen Epidermiszellen und Schliesszellen aufhören und 
nur die Cuticula sowie die Cuticularschichten über letztere 
weiter verlaufen. Unzweifelhaft hängt dies mit den von den 
Schliesszellen bei der Transpiration auszuführenden Bewegungen, 
welche eine biegsame und nicht durch Calciumoxalat-Einlagerung 
spröde Membran voraussetzen, zusammen. Die bei allen unter- 
suchten Arten vorhandenen, meist kurzen, aus ein Paar Zellen 
bestehenden Trichome stimmen meist in der Art der Einlagerung 
des Calciumoxalates mit den unmittelbar angrenzenden Epidermi>!- 
zelleu überein, docli sind sie bei eigenen Nyctagineen (z. B. 
Okenin hypogaea Schiede, Ahronia mellij'erd Douglas etc.) 
ganz frei von Körnern. 



über Einlagerung von Calciumoxalat etc. 243 

Da die meisten der im tabellarischen Verzeichnisse ange- 
gebenen, beträchtlichere Einlagerung zeigenden Arten nur selten 
in botanischen Gärten cultivirt werden, so gelang es nur von 
einer einzigen, d. i. von (Nr. 18) Oxybaphus ocatns H, Vind. 
(einer mit Oxybaphus violaceiis Choisy verwandten Pflanze) 
nach Spiritus- Material die Entwicklungsgeschichte der in Rede 
stehenden Verhältnisse zu untersuchen, Querschnitte junger 
Stengel-Internodien von circa 5 Mm. Länge und kaum 1 Mm. 
Dicke lassen beim Behandeln mit Chlorzinkjod eine sich scharf 
abhebende, zarte Cuticula (c in Fig. 6\ die mit dem Reagens 
die bekannte braune Färbung annimmt, sehr dünne Greuzlamelleu 
der Seiten wände der Epidermiszelleu {x in Fig. 6), endlich 
relativ mächtigere und besonders nach auswärts mehr verdickte 
Innenschiebten [i in obiger Figur) der Zellen erkennen. Diese 
letzteren färben sich unter dem Einfiuss des Chlorzinkjods violett 
und zeigen hiebei zugleich Andeutungen von Schichtung. 

Da die Innenschichten der Epidermiszelleu besonders nach 
auswärts stark bogig gewölbt sind, die Cnticula hingegen als 
wenig eingebogenes Häutchen über die Zellen hinzieht, so bleiben 
unmittelbar unter der Cuticula zwischen je zwei Epidermiszeilen 
(bei b in Fig. 6) Membranpartien von im Querschnitt ungefähr 
dreieckiger Gestalt, welche sich an dünnen Stellen der Prä- 
parate durch mehr schmutzig- violette Färbung, dann durch ab- 
weichende Lichtbrechung deutlich bemerkbar machen. Von 
Calciumoxalatkörnchen ist weder auf gewöhnliche Weise, noch 
mit Hilfe des Polarisations-Mikroskopes auch nur eine Spur zu 
bemerken. 

Werden dann durch nächst ältere, ungefähr 15 Mm. Länge 
und etwas mehr als 1 Mm. Dicke zeigende Stengel, Querschnitte 
geführt, so erkennt man auf den ersten Blick, dass die Aussen wand 
der Epidermiszeilen (Fig. 7) an Dicke bemerklich zugenommen 
hat, während die Seitenwände und das angrenzende Collenchym 
keine besonderen Veränderungen zeigen. An der uns nun 
besonders interessirenden Aussenwand ist mit Chlorzinkjod vor 
Allem die Ausbildung einer schmalen Cuticularschicbte [s inFig 7) 
zu constatiren, welche sich sammt der Cuticula [c) durch inten- 
sives Kothbraun sehr scharf von den darunter liegenden Schichten 
abhebt, w^elch letztere schwache Violettfärbung (in der Zone 6), 



244 Heimeii, 

und in der innersten Lage (/) — wie im frUbereu Stadium — 
starke Violettfiirbung annimmt. 

In der eben erwäbnten Zone (h) zwiseben Innenscbicbte und 
Cuticularscbicbten, welcbe Zone offenbar den in Figur 6 des 
früberen Stadiums ebenfalls mit h bezeichneten Membranstellen 
entspricht, sind nun punktförmige Körnchen zu bemerken, welche 
offenbar die erste Ausscheidung des Calciumoxalates vorstellen, 
wenn auch angeführt werden muss, dass bei der ausserordent- 
lichen Kleinheit derselben, eben nur mit Hilfe des polarisirten 
Licbtes und der leichten Löslicldceit in Salzsäure — die übrigen 
Reactionen lassen uns hier im Stiche — auf diesen Körper 
geschlossen wurde. 

Von diesem Stadium bis zu dem Bilde, welches dickere Aste 
und Zweige dieser Oxybnphns-kxi zeigt, ist nur ein kleiner 
Schritt. Wie die Figur 8 zeigt, ist auch ohne Reageutien sehr 
deutlich das Vorhandensein von gegen 3/ji messenden Cuticular- 
schichten (.s) zu constatiren, darauf folgt die nun reichlich 
Calciumoxalat führende Schichte b (Dicke 3— 5/ji.), endlich kommt 
die körnerfreie circa 2 |l». dicke Innenschichte. In den Seiten- 
wänden, dann den Grenzwänden von Epidermiszellen und 
Collenchym finden sich hier nirgends Körner wie sie auch 
dem übrigen Gewebe völlig fehlen. 

Es ergibt sich nun aus allen diesen Befunden, dass 
wenigstens bei Oxybaphus die Einlagerung des Calciumoxalates 
relativ spät im Stengel nach völlig abgeschlossener Gewebe- 
Differenzirung erfolgt, und dass innerhalb der des öfteren 
erwähnten Zwischenschichte der Epidermis-Aussenwand die 
Ausscheidung des Salzes vor sich gehen muss. An eine directe 
Ausscheidung der Körner aus dem Protoplasma der Epidermis- 
zellen, welcher Vorgang ja für andere Pflanzen constatirt ist 
(vergl. Pfitzer's Untersuchungen über Bildung der schönen 
Membrankrystalle von Citrus in Flora 1872, pag. 114 ff.), kann 
hier, da das Calciumoxalat im Momente des Sichtbarwerdens 
in der Membran selbst auftritt und fernerhin durch eine mehr 
oder weniger breite, körnerfreie Lamelle vom Plasma geschieden 
ist, wohl nicht gedacht werden. — 

Die im vorhergehenden tabellarisch aufgeführten Daten über 
Vorkommen des Calciumoxalates in der Epidermis einzelner 



über Einlagerimg' von Ciilciumoxalat etc. 245 

Gattungen und Arten von Nyctagiueen stehen nun in einem 
deutlichen Zusammenhange mit den klimatischen Verhältnissen, 
unter welchen sich die betreffenden Arten entwickelten. Vor 
Allem constatirten wir, dass eine solche Einlagerung den 
Blättern und Zweigen von bäum- und strauchartigen Nyctagiueen, 
welche in den eigentlichen tropischen, d. i. feuchtwarmeu 
Gebieten der alten und ganz besonders der neuen Welt 
zu Hause sind (z. B. Neeo, Pisonia, Leucaster, Boiif/ainvillea) 
völlig fehlt. Die beiden Gattungen Trkycla Ca van. und Phae- 
optilmn Eadlk. , welche beide in heisseu und trockenen Gebieten 
auftreten und ebenfalls einer solchen Einlagerung entbehren, sind 
durch ihre kleinen in dichten Büscheln beisammen stehenden 
Blätter, deren Epidermis stark cutinisirt ist, ebenfalls gut zum 
Ertragen von Dürre und grosser Lufttrockeuheit befähigt. 

Gehen wir nun aber zu den in der Tabelle vertretenen 
krautigen Arten über, d. i. solchen, welche aus unterirdischen 
Achsentheilen krautige, durch keine Korkbildung vor dem 
Wasserverluste durch Verdunstung geschützte Stengel mit 
Blättern und Blüthen emporsenden, so zeigt sich im Allgemeinen 
die Thatsache bestätigt, dass die Calciumoxalat-Einlagerung um 
so reichlicher stattfindet, je mehr die Arten aus solchen Gegenden 
herstammen, in denen sie zur Entwicklungszeit bedeutender 
Lufttrockenheit und Hitze, somit der hiedurch bedingten, besonders 
energischen Verdunstung, ausgesetzt sind. Es wäre hiebei 
besonders auf die Arten der Gattung Boerhavln aufmerksam zu 
machen, welche das Wüstengebiet Nord-Afrika's und West- 
Asiens (Nubien, Arabien, Persien etc.) bewohnen und sich schon 
äusserlich durch grau- bis kreideweisse Stengel mit graugrünen 
Blättern von den tropischen Arten (z. B. Boerhavla jjcuiiculata L. 
und Boerhavia scmulens L.) auszeichnen und in der That ganz 
bedeutende Mengen des Kalksalzes enthalten. 

Zum Schlüsse möchte ich noch anführen^ dass die bekannte 
anatomische Verwandtschaft, welche im Bau des Stengels 
zwischen den Nyctagineen und Mesembryanthemeen sich kund 
gibt, auch in der Art der Einlagerung des Kalkoxalates besteht, 
und dass die Arten von Mescmbryantheynum, Semperirivum und 
Ephedra, die alle Einlagerung zeigen, in Bezug auf das Vorkommen 



246 Heimerl, Über Einlagerung von Calciumoxalat etc. 

an dürren, wasserarmen Stellen mit den erwähnten Nyctagineen 
übereinstimmen. 

Von den Phytolaccaceen hingegen, deren systematische 
Verwandtschaft mit unseren Nyctagineen des öfteren betont 
wurde und die auch in dem massenhaften Vorkommen von 
Khaphidenschläuchen eine anatomische Verwandtschaft erkennen 
lassen, erwiesen sich die untersuchten Arten {Phytolacca pruinosa 
Fenzl, Phytolacca decandra L., Giseckia rube/la Höchst., 
Giseckia pharnaceo'ides L., Limenm viscosum Fenzl, Semoiivillea 
pterocarpa Gay) als frei von Calciumoxalat. 



Übersicht der A b b i 1 d u n g- e n. 



Fig. 1. Querschnitt eines circa 1-5 Mm. dicken Zweigchens von Acleisanthes 
loiigifiora A. Gray (Lindheimer, Flora Tcxana). 570/1. Die sehr 
verdickte Epidermis-Aussenwand ist fast ganz von den Kalk- 
körnern ik) erfüllt; <?. .Cuticula, s .. Cuticnlarschicbte, A: .. Körner- 
schichte, i. .Inuenlamelle, x. .Oreuzlamelle. 

„ 2. Querschnitt eines St<ämmchens von circa 3 Mm. Dicke von Boerhai'ia 
repens L. (Africa, Sip-ta Nitbica leg. Prinz Paul v. Würtemberg). 
570/1. Bei «-Querschnitt eines Rhaphidenschlauches; in zweien 
der sehr ungleich grossen Epidermiszellen bemerkt man grosse 
Klumpen einer spröden rothbraunen Masse, welche starke Gerb- 
stofifreaction gibt und au die in den Gerbstoifschläuchen der 
Saxifragen oder in den Schläuchen der Markperipherie von 
Sartibiiciis vorkommenden Inhaltskörper erinnert (vergl. De Bary 
Anatomie pag. 155). 

,, 3. Spaltöffnung mit den Nebenzellen von der oberen Blattflächc der- 
selben Boerhavia. 570/1- Man erkennt deutlich das Fehlen der Kalk- 
einlagcrung in den Schliesszellen. 

„ 4. Epidermisquerschnitt von der oberen Blattfläche derselben Bof^- 
havle mit den Gerbstoffharz-Schläuchen. 360/1. 

„ 5. a) Rinde des Stengels von Allion ia mendocina Vh-iVi^^^'i {Mendoza, 
leg. Philip pi) im Querschnitte. 570/1. Die reihenweise Anordnung 
der Körner des Calciumoxalates, ihre längliche Form, das Fehlen 
der Einlagerung in den Seitenwänden und in den Grenzschichten 
(bei x) der einzelnen Epidermiszellen ist hier gut ausgesprochen. 

„ 5. b) Partie vona- etwas stärker vergrössert; man bemerkt das unregel- 
mässige Auskeilen und Verschmälern der einzelnen Körner-Lagen. 

„ 6, 7, 8. Quei'schnitte junger Steugelinternodien von Oxi/baphus ovittu. 
Horti bot. Vindob. 570/1. Erklärung im Texte; Bezeichnung wie in 
den früheren Figuren. 



A Heimerl •- Über Einlagerung von Calciumozakt in die Zellwand bei I^yctagmeen. 



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Sitzunester.d -kaiserl. Akad.d.Mlss.matli.natunr. Cl.XCIlI.Bd.LAbtk.l886. 



247 



X. SITZUNG VOM 8. APRIL 1886. 



Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. L. Boltzmann in 
Graz übersendet eine vorläufige Notiz über allgemeine Gleichun- 
gen für die Elektricitätsbewegung. 

Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. A. Rollett über- 
sendet eine Abhandlung der Herren Ernst Smreker und Oscar 
Zoth, Assistenten am physiologischen Institute der Universität in 
Graz: „Über die Darstellung der Hämoglobinkrystalle 
mittelst Balsamen und einige verwandte Gewinnungs- 
weisen". 

Herr Professor Dr. Ph. Knoll in Prag übersendet eine Ab- 
handlung: „Über die Druckschwankungen in der Cere- 
brospinalflüssigkeit und den Wechsel in der Blutfülle 
des centralen Nervensystems". 

Der Secretär legt eine eingesendete Abhandlung von 
Herrn Moriz Feil, Gewerbeschullehrer in Brunn: „Über Euler'- 
sche Polyeder etc." vor. 

Das w. M. Herr Hofrath Th. Ritter v. Oppolzer macht 
eine Mittheilung über Beobachtungen an einem von ihm 
construirten Apparate zur absoluten Bestimmung der 
Hchwingungszahl einer Stimmgabel. 

Ferner überreicht Herr Hofrath v. Oppolzer den von 
Prof. E. Pasquier in Löwen ins Französische übersetzten 
I.Band seines Werkes : „Lehrbuch zur Bahnbestimmung^ 
der Kometen und Planeten". 

Herr Prof. Dr. Zd. H. Skraup, Professor an der Handels- 
akademie in Wien, überreichte eine von ihm in Gemeinschaft mit 
Herrn Dr. Ph, B runner ausgeführte Untersuchung, betitelt: 
„Constitution einiger Chinolinderi vate". 

Sitzt), d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 17 



248 

Selbständige Werke oder neue, der Akademie bisher nicht zuge- 
kommene Periodioa sind eingelangt: 

E. Pasquier: Traite de la determination des orbites des Come- 
tes et des Planetes par le Chevalier Theodore d'Oppolzer. 
(Edition fran^aise publiee d'apres la deuxieme editiou alle- 
maüde). Vol. I, Paris, 1886; gr. 8^ 

J. W. Mouehketow: Turkestau. Bd. I, St. Petersburg 1886; 
gr. 8°. 



249 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan und 
in den angrenzenden Gebieten. 



Beiträge zur Geologie des nördlichen Balkanvorlandes 
zwischen den Flüssen Isker und Jantra. 

(Mit 3 Tafeln und 1 Holzschnitte.) 

Von Georg N. Zlatarski in Sofia. 
(Vorgelegt in der Sitzung am 1. April 1886.) 



Einleitung. 

Als Herr Professor Fr. Toula im Jahre 1880 Vorbereitimgeu 
traf für seine zweite Reise in den westlichen Balkan, erwirkte 
Herr Professor Dr. Constantin Jirecek, damals Generalsecretär 
im fürstlich biilg-arischen T'nterrichtsministerium, von Seite des 
fürstlich bulgarischen Finanzministeriums für mich den Auftrag, 
Herrn Pofessor Toula auf seinen Reisen zu begleiten, wodurch 
ich in den Stand gesetzt wurde, die zu geologischen Aufnahmen 
nöthigen Erfahrungen zu sammeln. 

Für die Sommer- und Herbstmonate des Jahres 1884 hatte 
ich mir die Aufgabe gestellt, mich mit der geologischen Be- 
schaffenheit Mittel-Bulgariens bekannt zu machen. Als ich die 
Erlaubniss meiner Behörde erhalten hatte, den zwischen den 
Flüssen Isker und Jantra gelegenen Theil des Fürstenthums 
Bulgarien zu durchforschen, traf von Seite des Herrn Professors 
Toula die Mittheilung ein, dass er die Absicht habe, seine 
geologischen Forschungen auf den centralen Balkan auszudehnen. 
Auf seine Frage, ob ich ihn wieder begleiten wolle, sprach ich 
ihm meine volle Bereitwilligkeit aus, worauf er mich aufforderte, 
die Zeit vor seinem Eintreffen zur Bereisung des Balkan-Vor- 
landes zu benützen, damit er seine ganze Reisezeit dem Gebirge 
widmen könne. ^ 



1 Ein vorläufiger Bericht über die von Professor Toula ausgeführten 
Reisen im centralen Balkan, auf welchen ich sein Begleiter war, findet 
sich in den Sitzungsberichten der kaiserl. Akademie, 1884, XC. Bd., 
pag. 274 — 317. 

17* 



250 Zlatarski, 

Ich überschritt das Gebirge zwischen Jelesnica und Orhanie 
und führte eine grössere Anzahl von Touren im Balkanvorlande 
aus, die sich auf der, dem angeführten Berichte beigegebenen 
Karte eingezeichnet finden. Über die Ergebnisse meiner Reise 
verfasste ich eine ausführliche Darstellung in bulgarisclier 
Sprache, liess dieselbe ins Deutsche übersetzen und sandte die 
Übersetzung an Herrn Professor Toula mit dem Ersuchen, eine 
Durchsicht und die etwa nöthigen Änderungen vornehmen zu 
wollen. Herr Professor Toula unterzog sich thatsächlich der 
mühevollen und zeitraubenden Arbeit, wofür ich ihm meinen ver- 
bindlichsten Dank sage. 



In dem von mir bereisten Gebiete kann man folgende 
Formationen unterscheiden: 

Alluvium in Form von Lehm, der die Becken und Thal- 
ztige an fast allen Flussläufen ausfülllt, so am Isker, Vid, Osam, 
an der Jantra u. s. w. 

Diluvium. Hierher gehört der Lüss, der den grössten 
Theil der Donauebene bedeckt, sowie gewisse Schottermassen, 
welche man in einigen Thalbecken vorfindet, in welchen auch 
pliocäne Bildungen vertreten sein mögen. 

Die sarmatische Stufe. Sehr schön ausgebildet sieht 
man die Ablagerungen derselben am Unterlaufe des Isker, von 
Devenci bis Gigeu-Mahala gegenüber von Moselievo, nicht weit 
vom Flusse Osam, südwestlich von Nikopol. 

Marinen Tegel der zweiten Mediterran stufe, ausgebildet 
wie bei Baden im Wiener Becken, findet man nur am rechten 
Ufer des Vid, westlieh von Pleven. (Vergl. die betreffenden Ab- 
handlungen von Foetterle und v. Fritsch.) 

Eocän mit Nummuliten findet sich nur in einer kleinen 
Zone südlich von Trnovo. (Übersicht d. Reiserouten etc. I.e. S.277.) 

Kreide -Ablagerungen bedecken den grössten Theil des 
von mir durchforschten Gebietes. Obere Kreide: Senon und 
Turon besteht in Bulgarien, sowie im nördlichen Europa aus 
reiner Kreide und aus Kalkfelsen. Senon zeigt sich ausgezeichnet 
bei Nikopol, Turon dagegen in der Gegend von Pleven. Dem 
Cenoman und Gault entsprechen vielleicht gewisse Kalke und 



fteolooische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 2ol 

Sandsteine; in der unteren Kreideformation finden wir dagegen 
nicht nur Aptien-Urgonien-Kalk, sondern auch Sandsteine 
und sandigen Mergel, dazu noch Kalkmergel, der sehr reich ist 
an Fossilien, (Besonders Ammoniten des unteren Neocom.) 

Westlich von Trojan in der Gegend von Sipkovo bemerkte 
ich ausserdem Ablagerungen der Jura-Formation (Lias?), 
welche bei Teteven ihr Maximum erreichen. 

In Hinsicht auf Eruptiv-Gesteine ist der von mir durchforschte 
Theil sehr arm, da ich hier nur Andesit porphy rit mit Horu- 
blenfle (Porphyrite (mdesitique ä Amphibole) und Basalt 
gefunden habe. Die erstgenannten Gesteine sind im Thale der 
Lakavica zwischen Pravee und Kalngerovo zu finden und die 
basaltischen zwischen Osma und Jautra nördlich von Suhindol 
bis Svistov. 

Im Curjak-Balkan, auf meinem Wege von Sofia nach Orhanie, 
fand ich Kreide-Sandsteine und mergelige Kalke, ähnlich wie 
bei Lozen (SO von Sofia), die auf den rothen Sandsteinen und 
Conglomeraten unmittelbar aufliegen. In diesem Profil des 
Balkans fehlen ganz die dioritischen Gänge, die Toula östlich 
im Orhanie-Balkan, nördlich von Araba-Konak nachgewiesen hat. 



I. Ton Sofia über Curjakund längs des Isker nach der Donau. 

1. Das Becken von Sofia. Dieses Becken liegt südlich 
vom Balkan und dehnt sich (in der Richtung von NNW — SSO") 
etwa 55 — 60 Km, in der Länge und 20 — 30 Km. in der Breite 
aus. Umgeben ist es im Norden vom Sofia- und Murgas-Balkan, im 
Süden von Lilin, Vitosa und dem Ichtimangebirge. Die östlichen 
und die westlichen Gebirge sind unbedeutend. 

Dieses breite Becken, welches eine mittlere Höhe von 
566 Meter über dem Meeresspiegel erreicht, ist von Pliocänen, 
Süsswasserablagerungen, Sand, Lehm und sandigem Mergel er- 
füllt und nur oberflächlich mit diluvialem Geröll und mit alluvialen 
Lehmmassen bedeckt. 

Die diluviale Ablagerung breitet sich terrassenförmig um 
die Gebirge aus und waltet im W und S vor; das Alluvium ist 
mehr an den Isker gebunden. Das Material der quaternären 
Formation bleibt sich in diesem Becken nicht an allen Orten 



I 



252 Zlatarski, 

gleich; es hängt von der Beschaffenheit der Gebirgsstöcke ab, 
um deren Fiiss es sich ausbreitet. So z. B. besteht die Ablagerung 
im SW und S aus krystallinischen eruptiven Gesteinsmassen, 
dagegen im K und aus Quarzit, rothem Sandstein und 
Phylliten; gegen NW ist dieselbe mehr sandig. Genaue Grenzen 
zwischen diesen einzelneu Gebieten lassen sich jedoch nicht 
ziehen, weil diese letzteren ihren Charakter oftmals verändern 
und sehr gern in einander übergehen. 

Ein anschaulicheres und geuaueres Bild von der Beschaffen- 
heit des Beckens gewährt ein Aufschluss, der beim Abteufen eines 
Brunnens für das Truppenlager im Jahre 1883 gewonnen wurde. 
Der betreffende Punkt liegt rechts von der Strasse, welche nach 
Knjazevo (Bali effendi) führt, drei Kilometer südwestlich von der 
Kesidenz. Die Tiefe des Brunnenschachtes beträgt 21 Meter. 

Von oben nach unten fand man: 

1. Ungefähr einen Meter Ackerkrume; 

2. gegen drei Meter Gerolle: die Grösse der einzelnen 
Trümmer erreicht Faustgrösse. Die Rollstücke rühren meist von 
Eruptivfelsen her, doch treffen wir auch Quarzite und rothen 
Sandstein. Eine Art gelblich-schwarzer Lehm verkittet die ein- 
zelneu GeröUe. In den unteren Lagen dieser Schichte und in den 
oberen der folgenden findet man Stücke von Feldspath; 

3. bläulichen, fetten, feuchten Thoumergel von ungefähr 
2-7 Meter Dicke; in demselben kommen nur kleinere Stückchen 
der obgenannten Gesteine vor; 

4. gegen 3 Meter Flugsand, reich an weissem Glimmer, vor- 
waltend aus feinen, weissen Quarzkörnchen zusammengesetzt; 

5. 2 Meter festen Mergel mit unscheinlichen Sandlagen, in 
denen Fischknochen gefunden wurden. ^ In dem Mergel selbst 
sah ich kleine Gastropodenschalen (^Helix [?]); 

6. 1 Meter feinen Flugsand ; 

7. 1'5 Meter Sand mit Lehm vermischt; 

8. 1 Meter grauweisse Thonerde; 

9. 0-15 Meter feinkörnigen weissen Sand mit Glimmer; in 
dieser dünnen Schichte findet man auch gelben Ocker ; 



1 Prot. Toula konnte dieselben mit voller Sicherheit auf Sihirus 
znrückt'ühren. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 



253 



10. gegen 1-5 Meter sandig-en Thon- 
mergel mit tveissem G-limmer, in dem sieh 
Abdrücke von plioeänen Pflanzen finden 
[Quercus u. and.); tiefer unten geht diese 
Schichte in blauen Tlionmergel über; 

11. 0-3 Meter weissen, feinkörnigen 
Quarzsand; 

12. 2-2 Meter desgleichen^ doch grob- 
körnig; in dieser Schichte kommen abgerun- 
dete und eckige Quarzit-, Andesit- und Quarz- 
stücke vor ; 

13. sandigen Thon, in dem man auf 
Wasser stiess. (Yergl. Fig. 1. ) 

Vergleichen wir dieses Profil mit irgend 
einem beliebigen anderen desselben Beckens, 
so werden wir die nämliche Vertheilung 
finden. Der Unterschied besteht nur in der 
Mächtigkeit der Schichten. An der Strasse 
nach Constantinopel stösst man auf grünlichen 
Mer gelthon schon in einer Tiefe von einem 
Meter, beim Truppenlager in vier Meter 
Tiefe, dagegen bei Gornja-Bauja (Jokari 
Banja) erst in einer Tiefe von circa 12 Meter. 

Bei Dobroshivci (Iskrezer Kreis), Ger- 
man (Kreis von Sofia), wie auch an anderen 
Orten unseres Beckens findet man in diesem 
Schichten- Complexe ausser Geröll, Thon und 
Sand auch Lignit, doch ist dieser von gerin- 
ger Qualität und dünnschichtig, desshalb 
kann auch an seine Ausbeutung nicht gedacht 
werden. ^ 

Weitere Details über das Becken von 
Sofia enthalten meine in dem Organ der 



Fi-. 1. 



Mater 



iZlatarski, Geologisches Profil von Sofia 
über Saranci (Taskeseu), Orhanie und Etropole bis 
zu den Höhen des Zlatica-Balkan. Periodicesko 
Spisanije etc. Nr. IV, 1883, pag. 2. (Balg.) 















254 Zlatarski, 

bulgarischen literarischen Gesellschaften veröffentlichten Abhand- 
lungen. ^ 

2. Von Sofia über Curjak nach Orhanie. Die dilu- 
vialen Terrassen, die sich von den nördlichen Abhängen der 
Yitosa in das Thal senken, reichen bis zur ersten Brücke der 
Strasse nach Orhanie. Die Ebene, die hier beginnt und sich 
gegen Osten ausdehnt, ist auf beiden Seiten des Isker mit allu- 
vialen Ablagerungen bedeckt; sie wechseln in ihrer Beschaffen- 
heit — bald sind sie sandig, bald lehmig — und erstrecken sich 
ununterbrochen bis Novo-selo. (Viele Tumuli.) 

Im allernächsten Grebiet des Isker ist das Alluvium sandig 
nnd wenig fruchtbar, daher auch weniger cultivirt, als zwischen 
Podujene und Vrazdebua. Dasselbe ist auch jenseits des Isker 
der Fall, wo die Ebene mit fein- und grobkörnigem Sand bedeckt 
ist und worauf ausser einigen ärmlichen Riedgräsern fast nichts 
anderes gedeiht. 

In einer Entfernung von IGYg Kilometern (von Sofia aus 
gerechnet) verliess ich die Hauptstrasse und lenkte nach links 
gegen Jelesnica ein, um einem Wunsche Professor Toula's zu 
entsprechen, über die problematische Verbreitung der dioritischen 
Gesteine nach W Gewissheit zu erhalten. Der Weg führte mich an 
dem Südabhange einer Diluvialterrasse hin. Die Diluvialab- 
lagerungen bestehen vorzüglich aus glatten, doch nicht voll- 
kommen abgerundeten Phyllitstücken; bei einigen sind die Ecken 
noch ganz unversehrt; Quarzit und Sand sind weniger vertreten. 
Der Boden ist ausserordentlich arm an jeglicher Vegetation. Die 
Bevölkerung sieht sich gezwungen, die Acker reichlich zu düngen, 
um kümmerliche Ernten zu erzielen. 

Die vom Balkan herabstürzenden Wildbäche haben tiefe 
Furchen eingerissen und diese geben die beste Gelegenheit, sich 
mit der Beschaffenheit der alluvialen Ablagerung genauer bekannt 
zu machen. Zu oberst sieht man eine Art grauweisser, lockerer 
Erde; dieselbe ist glimmerig, reich an Thon und arm an Kalk und 
Sand. Unter dieser Erdschichte kommt wieder das oberwähnte 
Phyllitgeröll, stark mit Thon vermischt, zum Vorschein; tiefer 

1 a) Periodicesko Spisauije etc. etc. Nr. IV, pag-. 1—32. h) Petro- 
graphische Untersucliimgen über die eruptiven und luetamorphischeu Felsen 
Bulgariens. Period. Sp. Nr. IX, 188 i, pag. 52—82. (^Bulg.) 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 2o5 

unten aschg-rauer Thon und zu Unterst vrieder das dunkelfarbige 
Phyllitgerölle. 

Der Weg führt zuerst im Thale des Baches in der Richtung 
nach X hin, lenkt aber bald nach NO ein, indem er eine neue, 
ziemlich hohe Terrasse erklimmt, die sich sehr schnell gegen das 
Flüsscheu von Zeljava erhebt. Auf dieser Terrasse verschwinden 
die Phyllite zu allererst unter dem prächtigen Humus, doch 
zeigen sie sich bald wieder in südlicher Richtung von Zeljava. 
In dem tiefen Thale des gleichnamigen Baches finden wir von 
oben nach unten: 

1. 0-5 Meter lockeren, röthlichen Ackerboden. 

2. Zwei Schichten (0- 1—0-3 Meter) feines Phyllitgeröll. 

3. Eine Schichte desselben Gerölls, die einzelnen Stücke 
sind jedoch hier grösser; ausserdem bemerkt man unter den- 
selben auch abgerundete Stücke von rothem und weissem Sand- 
stein, wie auch von Quarzit und Dioritgranit. 

4. Wieder ungefähr ein Meter Geröll, die weissrothen 
Quarzite und der Sandstein walten vor gegenüber den Phylliten. 
In dieser letzten Schichte findet sich auch ein Einschluss von 
röthlichgelbem Thon. 

5. Zu allerimterst waltet der Lehm vor; in diesem gewahren 
wir graugrünliches Phyllitgeröll. ähnlich jenem von Araba- 
Konak, weissen und rothen Sandstein und Quarzit. 

Aus dem dargestellten Profil können wir sehr leicht eine 
Andeutung erhalten von der geologischen Beschaffenheit jenes 
Theiles des Balkangebirges, der sich nördlich von Zeljava er- 
streckt. Weisser und rother Sandstein dürfte grauschwarze 
Phyllitgesteine bedecken oder bedeckt haben, granitiscb-diori- 
tische Gesteine müssen im Bereiche der Wasserläufe angenommen 
werden. Das heutige Flüsschen freilich führt zumeist dunkle 
Phyllite und nur hie und da auch Sandsteinstücke. 

Einen Kilometer südlicher von Jelesnica gewahrt man plötz- 
lich einen Gebirgsstock, der sich von SO nach NW erstreckt. 
In seiner ganzen Ausdehnung sichtbar wird er erst am linken 
Ufer des Jelesnica-Baches, wenn man auf die Terrasse steigt. 
Das Material dieses Gebirgsgliedes besteht aus feinkörnigem 
Quarzit, die Körnchen sind grauweiss oder röthlich, doch 
erscheinen sie in Folge der Impräguirung mit wasserhaltigen 



256 Zlatarski, 

EiseDverbiuduiigeu öfters auch dunkelroth gefärbt. Der grössere 
Theil dieser Gesteinsmassen lässt sich leicht blättern, doch finden 
sich darunter auch ganz massige Partien wie echte Quarzite. 
Diese letzteren enthalten auch zum Theil wohl ausgebildete 

Pyritkrystalle ooOoo, . Zumeist wurden diese jedoch durch 

äussere Einwirkungen umgewandelt und haben ihre ursprüngliche 
Form und Farbe ganz eingebüsst. Manche erscheinen geschwärzt, 
andere in rothe Farbe verwandelt. Der Pyrit hat sicher eine 
Hauptrolle bei der Zerbröckelung dieser Gesteinsmassen gespielt. 

So viel es ersichtlich ist, haben die Sandsteine und Quar- 
zite keine beträchtliche Mächtigkeit (30 — 40 Meter) und reichen 
dieselben hier nicht sehr weit nach W. Bei Zeljava verschwinden 
sie und zeigen sich nur in den niedrigen Hügeln. So unklar die 
Stratification dieses Gesteines auch sein mag, so massig es auch 
erscheint, man kann dennoch sehen, dass seine Schichten nicht 
dicker sind als 0-3 — 0-4 Meter. Sie verflachen mit 30° gegen NW. 

Südwärts vonJelesnica treffen wir dieselben Felsarten an. Das 
genannte Dorf liegt am Bächlein, eingeklemmt zwischen den felsi- 
gen Wänden eines Defiles, welches den ganzen Gebirgsstock in der 
Richtung von N nach S durchbricht. Die Dächer der Häuser sind 
mit Ziegeln oder Ph3'llitplatten bedeckt, als Baumaterial werden ' 
meist thoniger Kalkstein und mergeliger Sandstein verwendet. 

Mitten im Dorfe brechen die letzteren aus den anderen 
Gesteinen unvermittelt hervor. Sie enthalten sehr viele Glimm er- 
blättchen. Mit der Lupe kann man auch bläuliche Calcitadern 
bemerken; schon mit freiem Auge aber wird man der bekannten 
Hieroglyphen gewahr, wie sie dem Karpathensandsteine eigen 
sind. Diese Saudsteine wechseln mit thonigem Kalk und dünnen 
Mergelschichten ab und zeichnen sich durch ihre dunkelrothe, 
aschgraue oder grünliche Färbung aus. Die rothen Kalkmergel 
haben eine grosse Ähnlichkeit mit jenen, die in dem Hügel ober- 
halb Lozen vorkommen, und die v. Höchst et ter für Gault hielt. * 
Die hier erwähnten Felsen spalten sich sehr leicht in dünne 
Platten und fallen nach S (h. 14) unter einem Winkel von 74°. 

iDie geologischen Verhältnisse des östlichen Theiles der europäischen 
Türkei; I. Theil, 1870. Jahrbuch der geologischen Eeichsanstalt, 20 Bd . 
p. 439. 



Geologische Untersuchungeu im ceutralen Balkan etc. 257 

Die Kreideschichten, die bei Jelesnica beginnen, breiten sieh 
auch ausserhalb des Dorfes in nördlicher Eichtung aus. Der 
Bach durchbricht sie der Quere nach; die zwei felsigen Ufer, die 
dadurch gebildet werden, weisen die grösste Übereinstimmung 
auf. In den obersten Schichten bemerkt man Gllimmersandsteine 
mit den oberwähnten Hieroglyphen, darunter auch sandigen Thon; 
beide Gesteine gehen zuletzt in Glimmerkalkstein und Kalk- 
mergel über. Gegen die Mitte des geschichteten Complexes zeigt 
sich ein nicht besonders mächtiges Conglomerat, welches ausser 
den gewöhnlichen Bestandtheilen auch Thon und Sand enthält; 
dasselbe hat eine grünliche Färbung. Trotz der Armut dieser 
Formation an Versteinerungen konnte ich in den untersten 
Schichten eine reichliche Anzahl von grossen Ostreen entdecken, 
die sich leider aus dem Gesteine nicht unversehrt herausschlagen 
Hessen. 

Diese Kreideschichten breiten sich östlich und westlich von 
Jelesnica aus. Als südliche Grenze müssen wir das Dorf selbst 
annehmen, als Scheide gegen N aber den Bach von Curjak, der 
hier in der Richtung von nach W fliesst. Bis wohin dieses 
Kreidesystem nach und W reicht, kann ich jetzt nicht be- 
stimmen. Ebenso bleibt es mir unbekannt, ob dasselbe einstens 
nicht einen grösseren Raum im südlichen Theile der Baikaukette 
eingenommen hat. * 

Bevor sich der Weg nach gegen Potop wendet^ und die 
Längsrichtung des Bächleins einschlägt, kommen unter den 
thonig-kalkigen Kreideschichten schwarze Thonschiefer zum Vor- 
schein, die sich blattförmig spalten lassen, aber sich sehr unregel- 
mässig zerstückeln. Ihre Mächtigkeit übersteigt kaum zehn 
Meter: ihre Lage ist ganz der Lage der kalkthonigen Schichten 
concordant. Sie haben eine grosse Ähnlichkeit mit jenen 
schwarzen Schiefern, die man südlich vom Kloster Trojan längs 



1 In Betracht zu ziehen wären „die problematischen Thoumergel bei 
Eonca" (am nördlichen Ende der Enge von Kurilo, nördlich von Sofia, am 
Isker). M. vergl. Toula's Angaben darüber, Sitz. B. LXXVII. Bd. 1878 
Am Schlüsse der Abhandlung. 

2 Die Karte des österreichischen Generalstabes erweist sich hier als 
ganz und gar unrichtig. 



258 Zlatarski, 

des schwarzen Vid antrifft und die Dr. Fritsch' als Neoeomien 
bezeielinete, womit ich übereinstimme. ^ 

Unter den Thonschiefern kommen wieder jene sandigen 
Quarzite zum Vorschein, die wir bei Jelesnica zu sehen Gelegen- 
heit hatten; dieselben weisen jedoch auch diesmal keine beträcht- 
liche Mächtigkeit auf. Weiter bemerkt man rothes Conglomerat 
und rothen, festen quarzitähnlichen Sandstein. Alle diese Fels- 
massen stehen in grosser Concordanz mit den obersten Gesteinen. 

Der Weg wendet sich nun gegen und geht auf die rechte 
Seite des Baches Curjak über, dessen Thal mit Diluvium erfüllt ist. 
Dieser Bach kann als Grenze zwischen der Dyas- und der Kreide- 
formation angenommen werden; nördlich von demselben erstreckt 
sich die Dyas-, südlich die Kreideformation. Nur bei Potop geht 
die thonige Kreide auch auf die rechte Seite des Bächleins über, 
jedoch nur in einer ganz unbedeutenden Ausdehnung. 

Um Potop herum sehen wir nur weisse Sandsteine und 
Quarzite; darunter sind manche Partien durch die Einwirkung 
des in denselben eingesprengt sich vorfindenden Pyrites zersetzt, 
bröcklig und röthlich gefärbt. Diese Felsmassen ragen an den 
kahlen Abhängen des rechten Bachufers, wo die Einwirkung der 
Atmosphäriliensich am stärksten bethätigen konnten, ruinenähnlich 
steil empor. In den Tiefen der von den Sturzbächen ausgewühlten 
Gräben bemerkt man hie und da unter dem rothen Conglomerat 
auch paläozoische Phyllite. Zwischen Potop und Curjak herrschen 
diese letzteren vor, doch zeigen sich auf dem Wege nach Curjak 
vereinzelt auchQuarzitblöckc; so aufhalbemWege zwischen jenen 
Dörfern. Die Phyllite sind meistentheils schwarz, doch weisen sie 
in manchen Partien auch eine grünlichgraue oder aschgraue, ja 
sogar weissliche Färbung auf. Die Hausdächer in Curjak, Potop und 
zum grossen Theile jene in Jelesni ca sind mit Phyllitplatten bedeckt. 

Curjak ist das höchst gelegene Dorf in diesem Theile des 
Balkangebirges. Es zeichnet sich durch seine pittoreske Lage 
aus. Wäre seine reizende Tlialmulde von höheren Gebirgsketten 
umgeben, so könnte Curjak in Bezug auf die Naturschönheit mit 



1 Beitrag zur Geognosie des Balkan, pag. 3. 

- Geologische und paläontologische Notizen, aufgezeichnet zwischen 
Pleven und Trojanski Balkan. — Periodicesko Spisanije, Nr. X, Jahrg. 1884, 
pag. 72. (Bulg.) 



Geologische Uutersuchimgen im centralen Balkan etc. 259 

dem wegen seiner malerisclien Lage berühmten Eilokloster wett- 
eifern. 

Mitten durch das Dorf fliesst der gleichnamige, krystallhelle 
Bach, in welchen sich die Metlikovica ergiesst, welche ihre Quellen 
auf der Zla-poljana hat. 

Drei Saumwege führen von Curjak nach Orhanie : der erste 
an Baba und Svadbaruik vorüber, über den Hügel von Curjak, 
längs des Flüsschens Orla bis zur Chaussee von Klissura; der 
zweite über den Kamik, an Radin-Kladenec, Oseuov-preslop vor- 
bei, längs der Osenica nach Vraces und der dritte über Eayovo, 
Ljubena, Jocova livada, Murgas, Zla-poljana, Novo-sel grb, längs 
der Osenica über Vraces nach Orhanie. 

Ich wählte den dritten Weg. Dieser führt erst im Thale der 
Metlikovica, biegt aber bald uach rechts und schlägt über den 
Pobit-kamik die Richtung gegen Murgas ein. Dieser Weg ist 
felsig, steil und ausserordentlich beschwerlich, besonders zu 
Regenzeiten, doch wird man für die Mühseligkeiten andererseits 
vielfach durch die Schönheit der Gegend entschädigt. 

Die paläozoischen Schiefer fallen bei Curjak mit 65 — 75° 
nach S undSW; sie haben also fast den nämlichen Neigungs- 
winkel und dieselbe Richtung wie die rothen Sandsteine und die 
sandigen Glimmerschiefer des Malinabaches, oder wie die Schiefer 
von Araba- und Baba-Konak. ^ 

Jenseits Curjak haben die Phyllite eine mehr dunkelgraue 
oder schwärzliche Färbung und unterscheiden sich fast in keiner 
Beziehung von dem Carbouschiefer bei Ljutidol, im Iskerthale.^ 
Die grauschwarzen Platten, die wir hier sehen, sind Thonschiefer 
(Phyllite); sie haben eine ziemlich feste Structur, lassen sich 
leicht in dünne Blätter spalten, in denen reichlicher Glimmer in 
Form von winzigen Blättchen enthalten ist, sind ziemlich schwer 
und hart und geben beim Anschlagen einen hellen Klang; Wasser 
saugen sie nicht auf, Säuren wirken auf sie fast gar nicht ein, in 
grosser Hitze werden sie fester und härter, weisse Quarzadern 
sind spärlich vorhanden. 



1 Fr. T Olli a, Grundlinien etc., S. 15.— Period.spis.Nr. IV,pag.llu.l5. 
'^Fr. Toula, Grundlinien der Geologie des westlichen Balkan. Denk- 
schriften. 44. Bd. 1881, pag. 16. 



260 Zlatarski. 

Gegen die Höhen des Balkan gehen die Phyllite in Thou- 
schiefer über; diese letzteren zeichnen sich durch ihre grünlich- 
aschgraue Farbe aus und dadurch, dass sie nach N unter einem 
Winkel von nur 45° fallen. Manche Partien dieses Thonschiefers 
ragen steil empor und weisse zerklüftete^ zerbröckelte Quarzite 
und Sandsteinmassen füllen den Weg so aus, dass man nur mit 
grosser Mühe fortkommen kann. 

Im Cnrjakbalkan, wie auch in der Nähe von Potop stiess ich 
auf ansehnliche Haufen von Eisenschlacken, von denen mir die 
umwohnende Bevölkerung jedoch nichts zu berichten wusste. Die 
Frage, ob hier Eisenerze vorkommen, oder ob Eisenerze zur Ver- 
hüttung hierhergebracht, dem Brennmaterial zugeführt wurde, 
ist eine offene.* 

Nordwestlich von Curjak liegt im Murgasgebirge der Ort 
Ljuben. Der hier vorkommende Thonschiefer ist aschgrau, spaltet 
sich leicht in dünne Platten und scheint glimmerreieher zu sein, 
als die schwarzen Phyllite. Ahnliche Schiefer sahen wir auch 
früher. 

Eine wunderschöne Aussicht geniesst man von Ljuben aus: 
vor allem in weiter Ferne das imposante Rilogebirge mit seinen 
gigantischen (obwohl schon Ende Mai) noch immer schnee- 
bedeckten Höhen. 

Gegen Jocova-livada werden die Thonschiefer intensiver 
blau, ebenso wie auch die von Zla-poljana. An dem letzten 
Orte kommen über den paläozoischen Schiefern auch mächtige 
Quarzsandsteine in Form von ruinenartigen Felsen zum Vor- 
schein. Die Schieferschichten streichen von SO nach NW und 
fallen mit 17° nach SW (h. 16). Sie enthalten graue, festere 
Schiefer und echte glimmerige Kieselschiefer, welche wider- 
standsfähiger riffartig aufragen,^ 

Von Zla-poljaiia führt der Weg in nordöstlicher Richtung 
weiter; er senkt sich über einen ziemlich steilen Abhang in das 



1 Mau vergl. über das Vorkommen von Manganerzspuren etwas östl. 
von dieser Stelle: Denksclir., Grundlinien etc., S. 15. 

- Man verg-l. Fr. Toula, Grimdlluien etc. 1881, p;ig. 19 ff. über die 
überaus ähnlichen Verhältnisse auf der westlich gelegenen Profilstrecke 
Osenovlak-Ogoja, sowie Sitzungsb. 1878 über die paläozoischen Thon- 
schiefer mit Qiuirziteiulageruugen im Isker-Defilö nördlich von Ronca. 



Geologische Untersuchimgen im centralen Balkan etc. 261 

Thal der Ceskovica niid verfolgt die bezeichnete Richtung" 
zwischen diesem Bache nnd seinem Nebenflüsschen Ossenica, 
welches sehr bald erreicht wird. Wir befinden uns hier schon auf 
dem Nordabhange des Balkan, immer noch im Gebiete derselben 
Schieferformation mit den bläulichen Kieselschiefern. Von anste- 
henden Eruptivgesteinen fand sich auf dieser Strecke nicht die 
geringste Spur, auch bei Vraces nicht. Es herrsehen demnach auf 
derEoute Jelesnica-Vraces ganz ähnliche Verhältnisse wie sie Prof. 
Toula in seinen unten citirten Profilen constatiren konnte. Die 
Eruptivgesteine („Grünsteine"), die auf der Route Baba-Konak- 
Orhanie von Prof. Toula angetroffen wurden (Grundlinien etc., 
pag. 15), reichen jedoch nicht so weit nach W, wie auf der 
Karte hypothetisch angenommen wurde. Dies wird uns am 
klarsten durch den Umstand bewiesen, dass die Eruptivfelsen 
im Defile von Etropoie die Phyllite in Form von Gängen durch- 
brechen, und dass sie sich keineswegs ununterbrochen in östlicher 
und westlicher Richtung vom genannten Defile erstrecken. 

Somit herrscht auf der Nordseite des Balkans eine grössere 
Monotonie als auf der südlichen, wo wir auch Überreste von 
Ablagerungen der Dyas und Kreide fanden. Im N walten aus- 
schliesslich die Thonschiefer vor; dieselben fallen unter 
wechselnden Neigungen nach S und SW. Erst gegen Ossenica 
hin verflachen sie nach N, um jedoch bei Vraces wieder südwärts 
einzufallen (mit 20—30°). 

Der Bach Ossenica durchbricht die Thonschiefer ; sie sind 
hier von dunkelgrauer Färbung, blättern sich unregelmässig und 
zeigen die dem Karpathensandsteine eigenthUmlichen Hiero- 
glyphen; der weisse Glimmer ist nicht gleichmässig vertheilt, 
bald erscheint er gehäuft, bald fehlt er ganz und gar. 

3. Von Orhanie über Hubavene und Karlukovo 
nach Lukovit. Orhanie liegt in der Mitte der südlichen 
Hälfte des gleichnamigen Beckens, welches in vielen Beziehungen 
dem Becken von Sofia ähnlich ist. Es ist wie dieses letztere 
von hohen Gebirgsketten eingeschlossen, die sich nach immer 
mehr und mehr nähern, bis sie sich bei Pravec vereinigen. 
Auch dieses kleine Süsswasserbecken weist einen ausser- 
ordentlich fruchtbaren Ackerboden auf. Die Feuchtigkeit, die 
demselben niemals ermangelt, wie auch die sorgfältige Pflege, 



262 Zlatarski, 

die ihm seitens der fleissigen Bevölkenmg zu Theil wird, bringen 
es mit sich, dass seine Fluren selbst während der heissesten 
Sommer in saftigem Grün prangen. 

Das Becken von Orhanie weist in seinen obersten Schichten 
einen schönen, grauweissen Lehm auf, der hier zur Fabrikation 
von vortrefflichem Geschirr verwendet wird. Der Diluvialschotter 
beschränkt sich meist auf die Terrassen, die sich von dem um- 
gebenden Gebirgsgürtel aus von verschiedenen Seiten allmählich 
in das Thal senken. 

Bei den Pravecer Herbergen erblicken wir zu allererst 
Thonglimmerschiefer, die ihrer Schichtung und ihrer Beschaff'en- 
heit nach dem Glimmerschiefer sehr ähnlich sind. Der Fels ist 
grünlich und reich an Glimmer, Felds}Dath und Quarz; ausserdem 
gewahren wir in diesen Schiefern rein weissen, feinkörnigen 
Kalkstein (Kieselkalk'?) in Form von gTösseren und kleineren 
Adern. 

Diese Thonglimmerschiefer halten jedoch nicht lange an und 
schon bei Lakavica kommt ein halbkrystallinisches Gestein zum 
Vorschein, in dem fast gar keine Schichtung oder plattige Ab- 
sonderung bemerkt werden kann. In Dünnschliffen und unter 
dem Mikroskope betrachtet, weist es ausser Quarz- und Feld- 
spathkörnchen noch Eisenoxydhydrat in kleinen Bröckchen 
und unregelmässigen Einlagerungen auf. Der Quarz ist rein und 
durchsichtig, der Feldspath unrein und trüb. 

Höchstwahrscheinlich sind auch die Felsen von Lakavica, 
die bald weisslich und grobkörnig, bald grünlich und talkähnlich 
sind, nichts anderes als durch die Einwirkung der benachbarten 
Eruptivgesteine umgewandelte Schiefer. Ahnliche Felsarten trifft 
man sehr oft in Südwest-Bulgarien an, besonders in den Grenz- 
gebieten gegen Macedonien (um Kjustendil herum). 

Der Weg nach dem Dorfe Lakavica trennt sich von dem 
Ablanica-Weg bei der Drvniker Brücke. Bis hieher ersti-ecken 
sich die Schiefer und die halbkrystallischeu Gesteine. Im weiteren 
Verlaufe weichen sie einem ziemlich harten Quarzsandsteine 
mit kalkigthonigem Bindemittel. Die Saudsteinschichten wech- 
seln mit Mergel und Thonlagen, sowie auch mit blaufärbigen 
Kalksandsteinen ab. Dieser ganze Complex fällt nach SO (mit 
45°) ein. 



Geologische Unter suchungeu im centralen Balkan etc. 263 

Die stratigraphisch-tektonischen Verhältnisse dieser Ge- 
steine habe ich an anderer Stelle ausführlich beschrieben. 

Bevor wir noch den ersten Hauptzufluss der Lakavica, der 
aus der Gegend der Weiler von Ossikovica herabstürzt, erreichen, 
gewahren wir den ersten Andesitgang, welcher hier eine Dicke 
von 7 — 10 Metern aufweist, und die Sandstein- und Mergel- 
kreidefelsen durchbricht und bis an die Oberfläche gelangt. 
Die diesem vulkanischen Durchbruch benachbarten Gesteine 
haben bedeutende Veränderungen erlitten; sie sind schwarz, 
schieferig und haben eine grosse Ähnlichkeit mit schwarzen 
Thonschiefern. Die Schichtung ist nicht au allen Stellen gleich 
klar ersichtlich. Wo sie wirklich beobachtet werden kann, sind 
die Schichten fast vertical aufgerichtet und blättern sich in der 
Richtung von SO nach NW. Ein zweiter Andesitgang, ungefähr 
ebenso stark als der erste, zeigt sich in einer Entfernung von 
drei bis vier Metern an dem Bache selbst, doch durchbricht der- 
selbe nicht alle Schichten und kommt nicht bis an die Oberfläche ; 
mau kann ihn nur im verticalen Durchschnitt am rechten Lakavica- 
ufer sehen. Auf dem Wege nach Lakavica passiren wir noch 
drei ziemlich mächtige und zwei weniger mächtige Eruptivgänge. 
Bevor man das Dorf selbst erreicht, findet man am Bache körnigen 
Feldspathfels mit Markasiteinschlüssen. Durch die Verwitterung 
dieses Minerals wird das Gestein aufgelockert, es bilden sich 
Ocker und Vitriole, welche jedwede Vegetation verhindern. Ahn- 
liche Markasit enthaltende Felsarten finden sich auch in der 
Gegend von Celopec, in dem Kreise von Zlatica. ^ 

Die eruptiven Ganggesteine können nach mikroskopischer Unter- 
suchung folgendermassen unterschieden werden: 

a) Gesteine mit weissgrauer Grundmasse, iu der kleine, dunkelgrüne bis 
schwarze Amphibolkrystalle und etwas grössere, weisse Feldspath- 
krystalle eingesprengt erscheinen. 

h) Gesteine mit dunkelgraugrüner Grandmasse, mit kleineren Feldspath- 
und grösseren Amphibolkrystallen. Hiebei gibt es noch einige 
Übergänge. 



1 Geologisches Profil von Orhanie über Ablanica, um Dragovika,. 
Panega, Goljama, Bresnica, Dermanci bis Pleven. Per, Spis. VII. 1883. (Bulg). 

2Man vergl. F. Toula, Grundlinien etc., pag. 22. Prof. Toula be- 
spricht dieses Eruptivgebiet auf der Route Pravec-Osikovo in den Grund- 
linien etc., pag. 26. 

Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 18 



264 Zlatarski, 

Ihrem Äusseren nach tragen diese Gesteine die Hauptmerkmale der 
Porphyre; auf dem grauen oder grünen Grunde sieht man zierliche, weisse 
Feldspathkrystalle und grüne oder schwarze Amphibolprismen. Die anderen 
Elemente kann man nicht mit freiem Auge unterscheiden. Unter dem 
Mikroskop erscheint als vorwaltendes Mineral der Feldspath; derselbe 
kommt meist in Krystallformen, aber auch in Körnern vor, diese letzteren 
machen hauptsächlich die Grundmasse aus. Der Feldspath ist trüb, unrein 
und oft so weit kaolinisirt, dass man kaum den Plagioklas vom Orthoklas 
unterscheiden kann. Die grösseren Krystalle sind häufiger vertreten als die 
Mikrolithe. Polygonale Durchschnitte sind häufiger als rechteckige. Den 
zonalen Aufbau mancher Krystalle kann man auch mit freiem Auge unter- 
scheiden. Der Plagioklas waltet über dem Orthoklas vor; das letztere 
Mineral erscheint in einzelnen Krystallen oder in Zwillingen nach dem 
Karlsbader Gesetz; sehr klar ist die polysynthetische Structiir der Plagio- 
klase. Einschlüsse von Magnetitkörnchen, Trümmer von Amphibol und 
kleinen Apatitnadeln etc. sind häufig. Das zweite Hauptmineral ist die 
Hornblende. Sie kommt meistens in säulenförmigen Krystallen vor, in 
welchen jedoch die Zersetzung sehr weit vorgeschritten ist. Von den 
grösseren Krystallen gewahrt man sehr oft nur noch die Umrisse und einige 
grüne, netzartige Flecken, um die sich Magnetitkörnchen gruppiren. Ihrer 
Farbe nach ist die Hornblende grasgrün oder braun; ihr Dichroismus ist 
sehr matt; man gewahrt sie auch in der Grundmasse eingesprengt in Form 
von unregelmässigen Bruchstücken. Ausser diesen beiden Mineralien finden 
wir noch Magnetit, selten krystallisirt oder in grösseren Körnern. Ausser 
in Mikrolithen erscheint der Apatit auch in prismatischen Krystallen. 
Ausserdemfinden wir noch: Quarz, Calcit, Chlorit und Limonit. Der Quarz 
kommt vor in Körnern und in Krystallen, deren Kanten entweder schwach 
abgerundet oder scharf sind. Dieses Mineral findet sich gewöhnlich neben 
Calcit, von dem es jedoch sehr leicht unterschieden werden kann: die 
Quarzkörnchen zeichnen sich nämlich auch hier durch ihre Durchsichtigkeit 
und Reinheit aus. Der gi-össte Theil der Hornblende ist in Chlorit umge- 
wandelt, der Magnetit hingegen geht in Limonit über. In der mikrofel- 
sitischen Basis, die in dünnen Schliffen ganz farblos erscheint, erblickt 
mau meistens Magnetitkörnchen und Bruchstückchen von Hornblende, 
Chlorit oder Limonit, die der Basis ein ganz eigenthümliches Aussehen 
verleihen. 

In Anbetracht der inneren Beschaffenheit dieser Gesteine 
und der Minerale, die in denselben enthalten sind, können wir 
nur zu der Überzeugung kommen, dass man dieselben entweder 
zu den Andesiten oder zu den Porphyriten zählen muss. Die 
Eruption kann unmöglich in einer Zeit vor der Kreideformation 
geschehen sein, weil die Neocommergel und die Kalksandsteine 
durchbrochen werden; um wie viel sie aber jünger sind als das 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 265 

Neocom, dies lässt sich nicht einmal annähernd bestimmen. Ich 
bin zu der Annahme geneigt, dass die Eruption in der Kreide- 
periode vor sich gegangen ist und desshalb nenne ich diese Fels- 
art nach der Classification von Fouque und Levj Audesit- 
porphyrit mit Hornblende (Porphyrite andesitique ä 
Amphibole). ^ 

Diese Plagioklasamphibolgesteine kommen sowohl bei Ossi- 
kovica^ als zwischen Ossikovica und Vidrari^ vor, doch sind die 
Oesteinsbestandtheile an diesen Stellen sehr verwittert, so dass 
eine genauere Bestimmung derselben unmöglich ist. Professor 
Toula hat sie als „Trachyte mit Porphyrstructur" bezeichnet. 

Von der Drwniker Brücke bis zum Dorfe Lakavica und 
weiter nördlich haben die Sedimente, soweit die Eruptivgesteine 
reichen, bedeutende Veränderungen erlitten. Sie erscheinen 
schwarz, schieferig-sandig, thonig oder sandig-kalkig und unter- 
scheiden sich in keiner Beziehung von jenen Gesteinen, die wir 
bei der Brücke von Ossikovica sehen können. Aufschlüsse finden 
sich nur auf dem rechten Ufer, die linke Seite ist mit dichtem 
Gebüsch und mit jungem Walde bedeckt. 

Unweit Lakavica, in dem Thale, welches sich rechts vom 
Dorfe hinzieht, finden wir Trümmer von Conglomeraten und 
rothen Sandsteinen, die wahrscheinlich aus den Gebirgshöhen 
hergeschwemmt sind; mit diesen zusammen kommt noch eine 
Art grauschwarzen Mergelkalksteins vor, der eigentlich nichts 
Anderes ist als umgew^andelter kalkiger Kreidesandsteiu. Mitten 
im Dorfe bemerkt man wieder einen Eruptivgang von derselben 
Felsart; dieselbe erstreckt sieb auch über den Fluss. 

Mit dem Verschwinden der vulkanischen Gesteine geht auch 
die Spur der schwarzen, leicht veränderlichen Gesteine verloren, 
die neben denselben vorkommen. Beim nördlichen Ausgang des 
Dorfes Lakavica gewahrt man schon aschgraue Mergelschiefer, 
welche weiter nach N in bläulichen, für unser Neocom ausser- 



1 Mineralogie micrographique, Roches eruptives ti-an^aises. Paris 1879, 
p. 156, 166. 

■^ Fr. Toula, Grundlinien etc. etc. p. 26. — Zlatarski, Periocl. Spis, 
IX, p. 59. 

3 Period. Spis. IX, p. 60. 

18* 



266 Zlatarski, 

ordentlich charakteristischen Mergel übergehen. Sowohl die einen, 
als die anderen schliessen einen Winkel von 30° ein und fallen 
nach S. 

Unweit Lakavica, auf dem Wege nach Kalugerovo, an der 
Stelle wo der Bach eine genau nördliche Kichtung einschlägt, 
beginnen über den blauen Mergeln die Kalksandsteine, Sandkalk- 
steine und Schieferthone. Dieselben unterliegen einer fort- 
währenden Veränderung und enthalten eine Menge von Fossilien. 
Diese Gesteine verflachen ungefähr in der Richtung von nach W 
und fallen, anfangs ziemlich steil, nach N (li. 23) unter einem 
Winkel von 72—78°. 

Schichtenfolge von unten nach oben: 

Über dem bläulichen Mergel liegen: 

1. Eine meterdicke Schichte von sandigem Kalkstein, der in 
frischem Zustande blau gefärbt erscheint und neben anderen 
eine grosse Menge von genauer nicht bestimmbaren Ostreen 
enthält. 

2. Eine 2-5 Meter dicke Schichte von Thon und sandigem 
Mergel. 

3. Kalkstein mit dünnen Lagen von Mergelsandstein. 

4. Grau röthlicher, dichter, sandiger Kalkstein, der ausser- 
ordentlich hart und reich an Fossilien ist. Leicht kenntlich sind 
die Ostreen und eine Lima. Dieser Kalkstein hat eine grosse 
Ähnlichkeit mit dem unter 1 beschriebenen. 

5. Aschgrauer, fester Kalkmergel und mergeliger Sandstein. 

6. Eöthlicher Kalkstein, reich an Ostreen, ähnlich dem 
unter Punkt 4 erwähnten, jedoch olme Sandsteineinlagerungen. 

7. Röthlich-blaue Kalksteine. 

8. Aschgrauer sandig-thoniger Kalkstein mit Fossilien, 
darunter auch Ostrea. In dieser Schichte finden wir noch eine 
Eufjyrü, die eine sehr grosse Ähnlichkeit hat mit Eiigyra 
interrupta E. de From. (Palöontol. frangaise, Terrain crötace, 
T. VIII, p. 444, pl. 115, Fig. 3.) Diese Korallenart fand S. Gras 
bei Sault (Vaucluse) in Frankreich vor. * Ausser Eugyra kommen 
noch Cidariten-Stachel vor. 



1 Das kleine Koralleustöckchen, ein schlecht erhaltenes Bruchstück, 
Btimmt nach Prüf. Toiila recht gut überein mit den schönen Stöcken einer 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 26 < 

9. Gvauröthlicher, fester Kalkstein mit dünnen Calcitadern, 
reich an schlecht erhaltenen Versteinerungen. Es kommen 
Korallen, Bivalven etc. A'or. 

10. Eine Schichte grauen Mergelthons, reich an Gastropoden 
und Bivalven {Cyprina, möglicherweise Cyprina rostrata Fitton, 
Nation [Ampullina?] etc.). 

11. Blauer, fester Mergelkalk; derselbe enthält grössere 
Mengen von Ostreen und anderen Bivalven; hier fand ich ein 
schönes Exemplar von Cidaria cfr. Lardyi Desor und von Rhyn- 
chonella lata d'Orb. 

12. Feinkörniger, thoniger Sandstein mit nicht genaubestimm- 
baren Bivalven. 

13. Aschgrauer Kalksandstein; in demselben finden sich 
Cidaritenstacheln. 

14. Dichter, grauer Mergelkalk. 

15. Dichter Kalk, mit Fossilien, Bryozoen, Gastropoden und 
Bivalven überfüllt; derselbe sieht dem unter 6 beschriebenen sehr 
ähnlich. ^ 

In derselben Reihenfolge erstrecken sich die Schichten auch 
gegen N. Zum Zwecke der Altersbestimmung wird es geboten 
sein, das Profil des Gebirgssattels, der zwischen Orese und Bjelinci 
unweit dieses letzteren Ortes in nordöstlicher Richtung liegt, zu 
einem Vergleiche herbeizuziehen.^ 

Gegen Kalugerovo hin kommen unter den obgenannten 
Felsen auch noch Mergel, Thon und verschiedenartige Sand- 
steine zum Vorscbeiu. Diese Schichten fallen nach N unter einem 
Winkel von nur 15°. 



confluenten Koralle, welche er im Jahre 1875 bei Pirot sammelte, und als 
Maeandrina Pirotensis n. sp. beschrieb und abbildete (Sitz. Ber. 88. Bd., 
pag. 1317, Taf. VI. Fig. 1—3), ein Vorkommen, das auch in Bezug auf die 
Facies sonst in Übereinstimmung stehen dürfte imd durch das Zusammen- 
vorkommen mit Orbitolina lenticularis nach Prof. Toula's Meinung auf 
oberes Neocom hinweist. 

1 Das mir vorliegende Stück erinnert mich lebhaft an die Kalke mit 
Exogura columba am Kosmaticarücken bei Kremeua (Grundlinien etc., S. 35 
nd 3 0). Eines der Fossilieu von Lakavica dürfte als Exogip-a columba zu 
bestimmen sein und auch die grösseren Cidaritenkeulen sind vorhanden. 
(Toula.) 

2 Fr. Toula. Grundlinien etc., p. 28 und folg. 



268 Zlatarski, 

Die Gegend zwischen Lakaviea und Kalugerovo gewährt 
einen imposanten Anblick; das Thal verengt sich zwischen den 
hohen, mit saftigem Grün bedeckten Gebirgen. 

Unweit Kalugerovo bemerken wir blauen Mergelkalk, der 
ziemlich reich an Fossilien ist. Ausser kleinen hochgewundeuen 
Gastropoden und Bryozoenstöckchen finden sich viele Bivalven. 
Unter diesen sind am besten erhalten kleine Astarten und eine 
Nerinea, die einer neuen Art angehört. Mit diesen gemeinsam 
finden wir noch Neaera sehr ähnlich der Ä'.sabandicma'Pict. et 
Camp. (Pal.Suisse,IV.s.p.40,pl. 100,Fig.5 — 7). Im Gestein einge- 
sprengt findet sich auch Markasit in Form von kleiuenKörnchen. 

Auf den oberen Kalkstein folgt eine ungefähr vier Meter 
dicke ThoE- und Mergelschichte, in welcher auch einige bis zu 
zwei Centimeter dicke Braunkohlenschmitzchen bemerkt werden. 
Über dieser Schiebte nun liegt ein sandiger fester, bläulich- oder 
grünlichfarbiger Kalk (Kalksaudstein). In der Nähe des Dorfes 
gewahren wir nur Sandsteine, welche die bekannten Hieroglyphen 
und viele weisse Glimmerblättchen führen. In dem blauen Mergel 
glaube ich auch Orbitoline n gesehen zu haben. 

Das Dorf Kalugerovo liegt an der Mündung der Lakaviea in 
den kleinen Isker, der seine Quellen auf den Höhen des Etropol- 
und des Zlaticabalkan hat; es ist auf der Nordseite des letzteren 
Flusses, mit der Aussicht auf das Gebirge erbaut. 

Von Kalugerovo bis Svode sind nur etwa drei Viertelstunden. 
Das Thal des kleinen Isker wird allmälig breiter, als das Thal 
der Lakaviea; längs des rechten Ufers zieht sich ein bequemer 
Fusspfad hin. Die Gehänge sind hier mit Ackerboden bedeckt, 
und nur an manchen Orten kommen die anstehenden Gesteine 
zum Vorschein, vorzüglich auf dem rechten Ufer des Isker, mit 
einem Neigungswinkel von kaum 5 — 10°. An einigen Stellen 
liegen die Schichten vollkommen horizontal, manche erscheinen 
auf den Oberflächen wellenförmig gerunzelt. Ausser Flyschsand- 
steinen und dünnen Lettenschichten ist nichts zu sehen. 

Die bläulichen und die grauen Sandsteine breiten sich auch 
im N von Svode aus. Bis zu einer Entfernung von vier Kilometern 
fallen die Schichten unter 6° nach SW, doch variiren sie ausser- 
ordentlich stark; bald sind sie dick, bald dünn, bestehen bald 
aus Mergel, bald aus echten Sandsteinen — an manchen Stellen 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 269 

kommen auch Lettenschichten vor, an anderen ausschliesslich 
Sandsteine. Die Richtung der Schicliten ist übrigens nicht 
constant; bald fallen sie gegen N, bald nach S. 

Im ersten rechtsseitigen Querthal des kleinen Isker (drei 
Viertelstunden von Svode) finden v^ir feinkörnigen, grauen Sand- 
stein mit kalkig-thonigem Bindemittel. Die Bruchflächen desselben 
sind reich an Glimmer und schwarzen, kohligen Theilchen. Doch 
findet man in dem nämlichen Thale auch Trümmer von bläu- 
lichem Sandmergel, der gewiss aus den nahen Gebirgshöheu 
stammt. Derselbe ist mit Orbitolinen, Korallen, Nerineen, 
Ostreen und anderen Bivalven überfüllt. Die aus den östlichen 
Höhen stammenden blauen Mergel haben die grösste Ähnlichkeit 
mit jenen von Kalugerovo (unweit der Braunkohlenschmitzchen), 
nur dass in den letzteren der Kalkstein, in den ersteren aber 
der Mergel vorwaltet. 

Von den Petrefacten konnte ich folgende bestimmen: 

Orbitolina bulfjaricaDesh.-^ diese hochgewölbte Form findet sich an 
vielen Orten Bulgaiiens; am häufigsten kommt sie jedoch vor in dem Thale 
der Lukavica — unweit Caribrod — bei Lovec, dann bei Hubavene u. s. w. 

Daneben findet sich auch ebenso häufig die flache Orbitolina lenti- 
cularis Blum. 

Trochosmilia sp. 

Trigonia lonija Agass. (Mater, p. 1. pal. 8uisse I. p. 102, pl. XIV, 
Fig. 3). Von dieser Muschel fand sich nur die rechte Schale, die ziemlich 
wohl erhalten ist; sie unterscheidet sieh in keiner Beziehung von jenen 
Arten, die man im gelben und bläulichen Mergel aus dem Aptien iuferieur 
bei Perte du Ehöne findet. 

Turbo sp. 

Nerinea n. sp. stimmt mit der oben erwähnten Form vollkommen 
überein. i 

Die Sandsteine breiten sich auch weiter gegen die Karaski-kolibi aus, 
hier haben dieselben eine mehr südUche Richtung h. 17 (Neigungswinkel 
= 8°). Unter ihnen liegen ganz concordant bläuliche imd aschgraue, sandige 
Mergel, in welchen eingewachsen folgende Fossilien bemerkt werden : 

Orbitolina lenticularis Blum. 

Verschiedene Korallen. 

Pecten, vielleicht P. Cottaldinus d'Orb. 



1 Die Übereinstimmung auch des Nerineen- Gesteines ist nach Prof. 
Toula eine vollkommene. Es ist nach seiner Meinung nicht zu bezweifeln, 
dass die betreffenden Schichten mit den Orbitolinenschichten bei Vraca 
(Sitz. Ber, 77. Bd. pag. 30, Schichte 9) und bei Kalnia Karaula (Sitz. Ber. 
75. Bd., pag. 70) übereinstimmen. 



270 Zlatarski, 

Panopaea cf. plicata S o w. (Pal. Suisse I, Fossiles du terrain aptien, 
p. 57, pl. VI, Fig. 4, 5). Nur bei einem von den drei vorliegenden Exemplaren 
kann man die Form und die concentrische Streifung genau sehen, i 

TurritcUa cf. helvetica Fi ct. et Camp. (Pal. Suisse I, Fosa. d. terr. 
aptien, p. 28, pl. III, Fig. 2 a, b, c) zwei Exemplare, 

Einige Nerineen stimmen mit der obigen Form tiberein. 
Nach Prof. Toula etwas an N. palmata P. ii.C, 8t. Croix, Taf. 69, 
Fig. 2, erinnernd, ist die Form der Schale jedoch weitaus stumpfer 
und an der Spindel finden sich nur zwei Falten, so dass die 
Figur des Röhrenschnittes mehr an N. esserteiisis erinnert. Wir 
haben es auf jeden Fall mit einer neuen Art zu thun. 

Der sandige Mergel enthält auch dünne Schichten von bläu- 
lichem Sandstein, der reich an weissem Glimmer ist. Unweit 
Karas bemerken wir im letzteren Gestein auch einige von den 
oberwähnten Fossilien. Die Schichten fallen von neuem nach NW, 
doch unter verschiedenen Winkeln. 

Ich verliess nun das Thal des Isker und indem ich einen 
hohen und steilen Berg überstieg, sah ich mich schon vor Karas. 

Auf einer der Höhen liegen die Ruinen einer Veste: „Kriv- 
grad". Von Kriv-grad aus überblickt mau alle Krümmungen und 
Windungen des kleinen Isker. 

Dieselben mergeligen und glimmerigen Sandsteine mit 
denselben Fossilien treffen wir auch hei Karas an, wo die 
Schichten einen Neigungswinkel von 12° (Richtung NO) haben. 

Eine viertel Stunde von Karas bei Hubavene, an der Strasse 
die zum nahegelegenen Meierhofe führt, fanden sich Orbitolina 
bulgarica Desh., Orbitolina lenticularis d'Orb., Orbitolina 
concava var. und Östren sp. 

In dem Thale unterhalb des Meierhofes enthalten die 
Mergel- und Sandsteinschichten gleichfalls Orbitolinen. Die 
Schichten fallen auch hier nach N (h. 1 — 2) und sind steil auf- 
gerichtet (<$ 50°). Unter ihnen liegen concordant gegen 
bläuliche Mergel. 

Der Landstrich zwischen dem Meierhofe und Karlukovo ist 
mit Humus und schönem, jungen Wald bedeckt. Die Beschaffen- 
heit der Felsen kann desshalb nur in den Thalrissen beobachtet 



1 Nach Prof. Toula scheint das vorliegende Stück kaum von Panopaea 
iieocomicnsis d'Orb. abzuweichen. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 271 

werden. Im zweiten Querthale finden sich Cong-lomeratsandsteine, 
und unter denselben sehr bald die nämlichen blauen, sandigen 
Mergel; Orbitolinen und andere Fossilien konnten hier jedoch 
nicht aufgefunden werden. 

Von den Höhen aus erblickt man die gelblich weissen, 
zerklüfteten Kalksteinufer des Isker oberhalb Kunino. 

Einen Kilometer südlich von Karlukovo verschwinden die 
Sandsteine; nun kommen unter denselben thonige Kalkfelsen zum 
Vorschein, die einen grossen Keichthum an dunkelgrauen oder 
aschgrauen Feuersteinen aufweisen, und sich durch ihre weisse 
oder gebliche Farbe, ihre Härte und ihren muscheligen Bruch 
auszeichnen; sie sind echte obere Kreide. Die gesammte Kalk- 
zone erstreckt sich von nach W. Man gräbt hier an einigen 
Orten auch weisse, schöne, lockere Kreide aus, die in grösseren 
Tiefen eine bläuliche oder röthliche Färbung annimmt. Die Ge- 
steine liaben eine undeutliche Schichtung, hie und da erkennt 
man nördliches Einfallen (h. 23 — 24). 

Die Grenze zwischen den sandigen Mergeln und den Kalk- 
steinen ist scharf bestimmt. Das Land bis wohin sich die ersteren 
erstrecken, ist fruchtbar und mit Grün bedeckt, so wie man aber 
in die Kalkregion eintritt, wird das Terrain plötzlich steril. An dem 
ziemlich hohen Hügel, der sich in SW von Karlukovo erhebt, 
finden wir auf dem SW-Abhange schöne Weingärten, Frucht- 
bäume und üppigen jungen Wald, im NO dagegen kahles Kalk- 
gestein, echte Karstscenerie. 

Unweit Karlukovo findet man auch halbkystallinische, nicht 
vollkommen reinweisse Kalksteine, welchen — W streichen 
und mit 10° nach N fallen. Gegen Osten (1 Km.) von Karlukovo 
aus gerechnet, kommt man auf weissgrau oder gelblich gefärbten 
halbkrystallinischen, fossilienreichen Kalk. Die Fossilien sind 
mit dem Gesteine so fest verwachsen, dass man sie kaum heraus- 
schlagen kann. Wir haben es dabei offenbar mit demselben 
Formationsgliede zu thun, welches wir, Professor Toula und ich, 
im Jahre 1880 zuerst im Westen von Kunino (1. c. pag. 35) und 
später nördlich von Vraca bei Marmoreni (1. c, pag. 37) antrafen. 

Das bezeichnendste Fossil ist &iü.eE.vof/yra^ welche Professor 
Toula als Östren (Exogyra) spec. aus der Foriuenreihe der 
Exogyra columba Gldf. (am ähnlichsten der Exogyra conica 



272 Z 1 a t a r s k i, 

d'Orb.) bestimmte und zur Abbildung- brachte (1. c. Taf. IV, 
Fig. 20). Als ich im Jahre 1882 das Vidthal zu geologischen 
Zwecken bereiste, constatirte ich das Vorkommen ganz und gar 
übereinstimmender Gesteine auch bei Aglen und bei Mirovec, 
unweit Swinar. Der Kalk dieser letzteren Ortschaft enthält eine 
glaukonitähnliche Chloritmasse; an Fossilien ist er ebenso reich 
wie die Kreide von Karlukovo. * 

Was die Altersfrage dieser Kalke anbelangt, so ist festzu- 
halten, dass im Liegenden die Sandsteine and Mergel mit Orbi- 
tolinen auftreten, während über denselben, wie wir später sehen 
werden, tlionige Kalksteine sicher turonen Alters folgen. Professor 
Toula^ stellt die betreffenden Kalke mit dein Caprotinen- 
Horizont in gleiches Alter. 

Um Lukovit herum walten die nämlichen Gesteine vor; die 
Gegend ist felsig und fast vollständig kahl, und zeigt vollkommenen 
Karstcharakter. An vielen Orten kommen trichterförmige Boden- 
einsenkungen vor; einige sind mit Erde, andere mit Wasser 
angefüllt; manche wieder sind leer und erreichen beträchtliche 
Tiefen. Nur hie und da erblickt man unansehnliche junge Wald- 
complexe. Die felsigen Ufer des Isk er sind fast vertical und erheben 
sich hoch über das Flussniveau. Die Gesteinsschichten sind nach 
Norden geneigt und versehwinden zuletzt unter dem fruchtbaren 
Boden. 

In dieser Kalkzone kommen vielfach Höhlen vor; manche 
darunter sind leer, andere wieder mit Knochen und Zähnen an- 
gefüllt. Eine solche geräumige Höhle findet sich unweit des 
Klosters St. Gregorius, drei Kilometer nördlich von Karlukovski 
Monastir, am linken Ufer des Isker. Die Knochen, welche in 
dieser Höhle vorkommen, sind sehr porös und zerbrechlieh, 
liegen in einem braunrothen Lehm und durch Kalk fest ver- 
bunden, so dass sie sich nur schwierig unzerbrochen freimachen 
lassen. Die meisten Knochen und Zähne rühren von fossilen 
Pferdearten her, und zwar entweder von Equns Stenonis ajfinis 



1 Period. Spisanije VII, pag. 88. 

Auf das Vorkommen von Kalken mit Exogyren, Eudisten etc. im 
Vidgebiete hat schon Foetterle im Jahre 1869 hingewiesen. Verh. d. k. k. 
geol. R. Anst. 1869, S. 374. 

- F. Toula, Grundlinien etc., pag. 42. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 273 

Woldr. oder vonE. cabalhtsf'ossilis'RütimejQT. Am besten sind 
die Zähne erhalten. Ich besitze einige Mahlzähne ans dem 
Ober- und Unterkiefer und ein Bruchstück von dem Vordertheile 
eines Unterkiefers mit etlichen Zähnen. Von anderen Knochen 
sammelte ich nur: Femur, Humerus, Tibia, Radius und 
Cubitus, 

Jenseits des Waldes (zwischen Karlukovo und Lukovit) 
erscheinen dieselben Kalke, die wir auch bei Karlukovo 
gewahrten; sie sind fast schneeweiss und halbkrystallinisch 
(zuckerkörnig). In denselben fanden sich, wenn auch sehr selten, 
unbestimmbare xlbdrücke , bei welchen man an Inoceramns 
denken möchte. Ich verglich diese Gesteine mit jenen aus der 
Umgebung von Marmoreni (nördlich von Yraca') und konnte 
petrographisch kaum einen Unterschied herausfinden. ^ 

Vor Lukovit sind die weissen Kreidefelsen nur ganz leicht 
geneigt. In denselben kommen viele, leider schlecht erhaltene 
Fossilien (zumeist Bivalven) vor, darunter auch kleinere und 
grössere Exemplare von Exogyra spec. 

4. Von Lukovit nach Glava Panega (Quellen der 
Panega). Sowie man Lukovit verlässt, gewahrt man sogleich, 
dass hier die weissen fossilienreichen Kalkfelsen etwas dichter 
sind als jene, die man vor dem Doile erblickt. 

Nach 2 Yg Kilometern (von Lukovit ausgerechnet) erreicht man 
die Strassenhöhe ; der Weg senkt sich sodann sehr rasch gegen das 
Flussbett der Panega. Hier lässt sich der Kalk ziemlich leicht in 
Platten spalten, der Farbe nach ist er weiss ,• seine Festigkeit ist 
nicht besonders gross. Das Terrain ist nicht so kahl und vegetations- 
los, wie dies östlich vor Karlukovo der Fall ist. Die Kalkfelsen 
erschliessen sich am schönsten und deutlichsten an den Ufern der 
Panega, und zwar westlich von der Strasse. Sie erheben sich 
hier an beiden Seiten des Flusses schroff und steil bis zu 



1 Unter den Kalken bei Marmoreni finden sich auch echte Caprotinen- 
kalke mit C. ammonia G 1 d f. und grösseren Orbitolinen (Orbitolina concava D i.) 
m. vergl. F. Toula Grundlinien etc., pag. 37. Auch oolitische Kalke, ganz 
ähnlich jenen, welche Professor Toula seinerzeit im Iskerdefile bei 
Ljutibrod beschrieb. Sitzb. (1877, Bd. 77, pag. 42 und 43). Die Inoceramen- 
schichten von Celopec (Vraca SO.) und Kvmina sind nach Professor Toula 
dichte merffelisre Kalke. 



2~4 Zlatarski, 

zehn Meter hoch und liegen fast horizontal (fallen unter 3° nach 
SO, h. 9). 

Einen Kilometer vor Petrovene verschwinden die Kalk- 
felsen und unter denselben kommen nun Mergel zum Vorschein. 

Weiter südlich sieht mau mergeligsandige Schichten, Vielehe 
nach oben kalkreicher v^erden. In diesen Hangendlagen finden 
sich viele Hieroglyphen auf den Schichtflächen, sowie verkohlte 
unscheinbare Pflanzenreste vor. Unweit Petrovene bemerkte ich 
einen verzweigten gerunzelten Wulst, bei dem man etwa an 
Caulinites denken könnte. Die Kalksandsteine werden 
gebrochen und nach Lukovit und Umgegend zu Brücken- 
bauten trausportirt. Die Schichten fallen concordant unter den 
Kalkstein nach SO, h. 9, in derselben ganz geringen Neigung 
(3°!)ein. 

Bei Blasnicevo fallen die Mergelschi chteu nach N (h. 1 
unter 11°). An dem südlichen Ende des Dorfes kommt wieder 
der Kalkstein von Lukovit zum Vorschein, doch führt er hier 
keine Fossilien; seine Schichten werden gegen S steiler. 

Zwei Kilometer südlich von Blasnicevo gewahren wir unter 
den nach N steilabfallenden Kalkfelsen die obenerwähnten 
Mergel in Gemeinschaft mit Kalksandstein; doch fallen hier die 
Schichten wieder nach SO (h. 10), zuerst steil (40°), im weiteren 
Verlaufe werden sie aber immer flacher. Zwischen den Sandsteinen 
und den Mergeln treffen wir hier auch ein oolithisches Gestein. 

Bei der Mühle des alten Marko finden wir in den Mergel- 
und Sandsteinfelsen reichliche Mengen von Fossilien. Vor allen: 
Orhitolina lenticularis d'Orb., C/^ar<.s - Stacheln und Ostren. 
Die Schichten sind steil aufgerichtet und fallen (mit 79°) 
nach N (h. 2). * 

Der Kalkstein, den wir auf den Höhen gegen die Bresnica 
gewahren, ist höchstwahrscheinlich Caprotiiienkalk. Über dem- 
selben sehen wir Orbitolinenschichten, unter demselben aber nur 
Sandsteine und Mergel, bei denen die Fossilien ganz fehlen, und 
die sehr schnell in neocome Kalkmergel übergehen.^ Hier fallen 



1 Es sind dies nach Professor Toni a offenbar dieselben Schichten, 
wie sie nahebei in dem von ihm beschriebenen Profile zwischen Orese und 
Belince auftreten. Grundlinien etc., pag-. 27. 

2 Grundlinien etc. 1. c. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 275 

sie wieder nach N h. 272, ^*^^^ schliessen sie einen kleineren 
Winkel ein (18—20°). 

Die kleine Thalmulde bei den Quellen der Panega ist mit 
fruchtbarem Alluvium ausgefüllt; erst gegen das südliche Ende 
derselben, bei den Quellen selbst, erblicken wir wieder die 
ueocomen Gesteine. Diese bestehen hier aus bläulichen Kalk- 
mergeln, die sich in dünne Platten spalten lassen, und deren 
Schichten nach NO fallen (h. 3 mit 10°). Die wenigen Fossilien, 
die ich hier sammelte, genügen wohl zur Feststellung des Alters 
dieser Felsart. Es sind: Ammonites, Aptychus, Belemnites und 
Scaphites. 

In den Abhängen selbst, bei den Quellen der Panega, 
kommen unter den Mergelschiefern dichte, kalkig- thonige eben- 
falls neocome Gesteine zum Vorschein. Dieselben sind von feinen 
Calcitäderchen netzartig durchzogen. Gegen Ablanica hin findet 
sich in diesen Felsen sehr häufig Spirophyton; ^ andere Ver- 
steinerungen sind selten. Der dichte Kalkstein ist reich an 
Höhleu; eine derselben, die nur einige Meter von den Quellen 
der Panega entfernt liegt, dehnt sich nach Osten aus und ist beim 
Eingang 1-5 Meter breit und 2*5 Meter hoch. Es besteht unter 
der Bevölkerung die Ansicht, dass sie sich sehr weit erstrecke. 

Über die Quellen der Panega, wie auch über die geologische 
Beschaffenheit ihrer Umgebung habe ich seinerzeit ausführlich 
berichtet. ^ 

5. Von Lukovit über Cerveni-breg Oumakovci, 
längs des Isker zur Donau. In und um Lukovit sieht man 
noch den weissen Kalkstein; gegen Radomirci jedoch ver- 
schwindet jede Spur eines festen Gesteines; fruchtbarer Boden, 
mit Kalkscliotter gemengt, bedeckt das Land und bildet ausge- 
zeichnetes Ackerland. Auf den steilen Abhängen aber und auf 
den nächsten Höhen erblicken wir zahlreiche junge Wald- 
complexe. 

In einer Entfernung von drei Kilometern nördlich von Luko- 
vit gewahren wir in einem sterilen Thale einen 4 — 5 Meter tiefen 
Aufschluss. Unter dem cultivirten Boden folgt sandiggelb- 



1 Grundlinien etc., pag. 26. 

- Period. Spiaanije, VII, pag. 84, 85. 



276 Z 1 a t a r s k i, 

lieber Lehm (ungefähr 1 Meter), sodann eine dünne Schichte 
(0*20 Meter) kalkreicher Thon mit Sand gemengt. Weiter unten 
mürber Mergelsandstein (0-35— 0-40 Meter), Thon (0-10— 0-15 
Meter), glimmeriger Mergel und mürber, mergeliger Sandstein 
(0-80 Meter) und so fort bis zur Tiefe. In den dünnen Mergel- 
schichten, welche zwischen den Sandsteinen auftreten, finden 
sich unscheinbare Lagen von weisser mehliger Kreide; im Sand- 
steine selbst aber finden wir ockerige Einschlüsse. Alle diese 
Schichten fallen unter einem Winkel von 6° nach N (h. 27^). 

Ein flüchtiger Blick in die Runde überzeugt uns, dass 
das Gebiet des Panegabeckens von Radomirci westwärts nur 
von Mergel und Sandstein eingenommen wird. 

Das Thal der Panega ist mit Alluvium erfüllt; an den 
Gehängen finden sich die Mergel und Sandsteine. Links und 
rechts liegen an unserem Flusse die hübschen Dörfer Rubci und 
Cerveui-breg. Die steilen Abhänge ziehen sich nach Norden 
und Süden hin; auf ihren Höhen erheben sich weisse und bläu- 
lichweisse Kalkfelsen, die vollkommen concordant über den 
mergeligen Sandsteinen liegen, ^ wie zum Beispiel nördlich im 
Markova- und Devenska-Mogila, und südlich über jene Grenze 
hinaus, die wir von Lukovit als Ausgangspunkt, nach NW über 
den Isker zwischen Rosselec und Gornik und von da über Gabri 
Tlacene, Bukovec etc. ziehen könnten. 

Der Kalkstein ist thonig, erinnert theilweise an Kreidetuff 
und enthält gelbliche Kieselsteine. Hier kann man auch eine Art 
halbkrystallisirter, körniger Gesteine erblicken; doch weder in 
diesen noch in den vorerwähnten konnte ich eine Spur von Ver- 
steinerungen finden. 

Werfen wir von Markova-Mogila aus einen Blick nach dem 
Iskerthale, so werden wir gewahr, dass sich auf beiden Seiten 
des Flusses breite Alluvialflächeu ausdehnen, die im und W 
von hohen und steilen Kalkgehäugen begrenzt erscheinen. 



1 Verg'l. F. Toula's Darstellung in den Grundlinien etc., pag. 36 
und 37, Fig. 20 und 22. 

Es ist nach Professor To ul a's Meinung nun ziemlich klar, dass die von 
ihm in der Karte aufgenommene Kalkzone des Kosmatica-Rückens über 
Konina sich in das Pauegagebiet hinüber erstreckt. 



Geologische üntersuchuug-eu im centralen Balkan etc. 277 

Die Kalkzone erstreckt sieh auch jenseits des Isker nach W 
hin. Nördlich von Marko va-Mogila verschwindet hier die Kreide 
und es finden sich nur mehr tertiäre und quateruäre Ab- 
lagerimgen. 

Am Markova-Mogila kommen sowohl am Kord- als auch am 
Südgehäug-e unter den Kalken die Mergelsandsteine zum Vor- 
schein. Diese fallen hier unter 14° nach K (h. 2 — 3). 

Cumakovei liegt ungefähr 80 Meter über dem Meeresspiegel 
und ist erbaut über den erwähnten Kalken, die sich so tief senken, 
dass man sie am Isker kaum mehr gewahrt. 

Genau östlich von Cumakovei liegt Devenci, und diesem 
Dorfe gegenüber , am linken Iskerufer , erhebt sich Kojnare. 
Devenci liegt am Fusse der Miova-Mogila in einer Entfernung 
von 3 — 3^/2 Kilometer vom Hauptarme des Isker. Hiertheilt sich 
nämlich der Fluss in zwei Arme, von denen der kleinere au 
Devenci vorbeifliesst, der mächtigere aber Kojnare berührt; 
zwischen denselben breitet sich eine ziemlich grosse vegetations- 
lose Insel aus. 

Ausserhalb der AUuvialflächeu kommt man auf Lehmabla- 
gerungen. Der Lehm ist mürbe, seiner Farbe nach aschgrau, und 
enthält Bruchstücke von Granit, Diorit und Andesit, so wie auch 
von Sandstein und Quarzit, die sämmtlich aus dem Balkan 
stammen. In diesem Lehm, der in Löss übergeht, hat sich die 
Bevölkerung von Devenci wohnlich eingerichtet. Also auch hier 
wie in den Kreisen von Lom, Rahova, Nikopoli und überhaupt 
im nächsten Gebiete des Douauthales finden wir Trogloditeu. 
Seit dem letzten Kriege hat man auch einige den menschlichen 
Verhältnissen angemessenere Häuser gebaut. 

Fast alle unsere Flüsse, die ihren Ursprung im Balkan haben 
und sich in die Donau ergiessen, unterwühlen ihr rechtes Ufer 
und verlanden das linke; dies ist auch im unteren Laufe des 
Isker der Fall, wo das östliche Ufer unausgesetzt eingerissen 
und weggeschwemmt wird, während das westliche durch die 
fortwährenden Ablagerungen anwächst. Der Isker bewegt sich 
somit langsam nach Osten, ohne Anzeichen von Oscillationen. 

Wir sahen oben, dass bei Devenska- und Markova-Mogila 
(Hügel) die Kreidefelsen verschwinden, indem sie sich nur nach 
und W von diesen Hügeln ausdehnen, Miova-Mogila, welcher 



278 Z 1 a t a r s k i, 

mit der Devenska zusammenhängt, besteht nicht mehr aus Kreide, 
sondern aus einem weichen, mergelig- lehmigen und sandigen 
Materiale, welches ausschliesslich der tertiären Periode, respective 
den Miocänformation angehört. 

Zwei Kilometer nördlich von diesem letzteren Dorfe erheben 
sich am linken Iskerufer einige ziemlich hohe gelbliche Berge, 
die von den Sturzbächen sehr unregelmässig und wild zerrissen 
erscheinen. Dieselben Gewässer, welche die Zerbröckelung der 
Felsen bewirkten, haben auch unzählige SchalenstUcke von Bucci- 
num, Cerithium, Cardium, Mactra etc. vom sarmatischen Gesteine 
abgelöst, fortgetragen und anderswo zur Ablagerung gebracht. 

Die Lagerungsverhältiiisse sind die folgenden: 

1. Cultivirter Ackergrund. 

2. Gelblicher Thon. Derselbe enthält in seinem unteren 
Theile Cerithien. 

3. Bläulicher Mergel mit vielen Fossilien in seinen tieferen 
Lagen. 

4. Sandig-oolithische Schichten, an Versteinerungen ausser- 
ordentlich reich. Der Sandstein ist grobkörnig und besteht aus 
weissen und schwarzen Quarzkörnchen, die mit Kalkcement 
verbunden sind. Manche von diesen Sandkörnern sind mit dünnen 
Kalkhäutchen überzogen, so dass man das Gestein mit Recht 
Oolithsaudstein nennen kann. Hierin finden sich: MoiUola Vol- 
hynica Eichw., Mactra Podolia Eichw., Cardhnn ohsoletum 
Eichw., Bnccinum, Cerithium etc. Die Fossilien sind in diesem 
oolithischen Sandstein nicht gleichmässig vertheilt; am häufigsten 
treten sie in den dünneren Schichten auf (5 — lOCtm.), wo sie eine 
Art Conglomerat mit den Sandkörnern bilden. Die Mächtigkeit 
dieser Schichten erreicht nahezu 30 Meter. 

5. Zu Unterst erblicken wir eine Art bläulichen, fettig anzu- 
fühlenden Mergel (sehr arm an Fossilien). Morphologisch unter- 
scheidet er sich nicht im geringsten von jenem Mergel, der sich 
am Vid, unweit der Brücke von Pleven findet. Es scheint mir 
erlaubt, die Vermuthung auszusprechen, dass dieser Mergel am 
Isker eine Fortsetzung der Mergel des Vidthales ist, der durch 
das Vorkummen mediterraner Fossilien ausgezeichnet ist (Foet- 
terle und v. Fritsch), und dass sonach diese marinen Bildungen 
weit über das Plevnaer Becken hinaus reichen. 



Geologische üntersuchmigen im centralen Balkan etc. 279 

"Weiter nördlich (3 Km. von Devencr) erblickt man das 
nämliche sarmatische, sandig-oolithische Gestein. Dasselbe ist 
hier porös, weist aber reichlichere Mengen von Kalkcemeut anf, 
als der vorherbeschriebene Sandstein und erreicht demnach eine 
ziemlich bedeutende Festigkeit. Am häufigsten finden sich hier 
Mactra, Cardium und Ceritliium. Unter den Sandsteinen sind hier 
nirgends Spuren des Mergels zu sehen. 

An den obgenannten zwei Orten sammelte ich: 

]ietepora pusiUa'Eiichw. (Eichwald, LethaeaRossicalll, p. 33, pl. II, 
Fig. 21, iJ2 a. b. c). Nur einen kleinen Zweig, der etwa 4-5 Mm. lang ist; 
derselbe verzweigt sich nur an einer Stelle, besitzt eine ziemlich glatte 
Obei-fläche und ist mit sehr kleinen Poren bedeckt. Clm Sandsteine zwei 
Kilometer von Devenci.) 

Modiola VolhynicaY.ich'w. (Eichwald, op. cit. III, p. 67, pl. IV, 
Fig. 16 a, b.) 

Cardium obsolctum Eichw. (Eichwald, op. cit. III, p. 37, pl. IV, 
Fig. 10.) Reichlich in dem Sandstein bei Devenci, nach N seltener werdend. 

Mactra Podolica Eichw. (Hörnes. Die fossilen Mollusken des 
Tertiärbeekens von Wien. II, p. 62, Taf. 7, Fig. 1 — 8.) Die meisten Exem- 
plare klein und dünnschalig. An beiden Orten häufig. 

Bulla Lajonkaireana Bast. (Hörnes, op. cit. I, p. 624, Taf. 50, Fig. 9 
a, b, c. d.) Nur drei kleine Exemplare vom zweiten Fundorte. 

Helix sp. Ziemlich grosse und schöne Exemplare, leider sämmtlich 
unvollständig und nicht näher bestimmbar. 

Rissoa iiiflata Andrz. (Hörnes, op. cit. I, p. 576, Taf. 48, Fig. 22.) 
Diese Art kommt, nach Hörnes, in den untersten Schichten des brakisehen 
Tegels, im brakischen Sande bei Gaya gemeinsam mit den Cerithien vor. 
Im Iskerthale wird sie an dem zweiten Orte und beim dritten Kilometer 
(nördliche Richtung von Devenci) gefunden. 

Nerita picta Fer. (Eichw. sp.) (Hörnes, op. cit. I, p. 535, Taf. 47^ 
Fig. 14.) Entfernt erinnert sie an Hörnes' iV(?/-jVa von Ebersdorf, vollkommen 
aber an das in der Lethaea Rossica aus Kremionne in Podolien (Eichwald, 
op. cit. III, Tab. 10, Fig. 40.) Nur ein Exemplar vom zweiten Fundorte. 

*Natica helieina Br o cc. (H örnes, op. cit. I, p. 525, Taf. 47, Fig. 6—7) 
hat vollständige Ähnlichkeit mit der Nadca von Baden und dem Vidthale 
(Brücke von Pleven;; kommt gemeinsam mit der Rissoa inflata vor; nur ein 
Exemplar. 

Trochus sp. 

Monodonta angulata Eichw. (Hörnes, 1. c. I, p. 439, Taf. 44. Fig. 9, 
10.) Beide Varietäten dieser Art, wie sie bei Steiuabrunn vorkommen, 
werden auch im Iskerthale gefunden. 

Monodonfa mammillata An dvz. (Hörnes, op. cit. I, p. 488, Taf. 44, 
Fig. 8.) lu Gemeinschaft mit M. angulata beim dritten Kilometer von Devenci 
ausserordentlich häufig. 

Sitzb. d. raathem.-naturw. Cl. XCIIl. Bd. I. Abth. 19 



280 Z 1 ii t a r s k i, 

Cerithuim nodoso-plicatum Hüru. fHörnes, op. cit. I, p. 397, Taf. 41, 
Fig. 19, 20.) Sehr charakteristisch, wie auch 

Cerilhium pictum Bast. (Höraes, op. cit. I, p. 394, Taf. 41, Fig. 15 bis 
17.) Reichlich am zweiten Fundorte vertreten. 

Mnrex sitblavatns Bast. (Hörn es, op. cit. I, p. 23G, Taf. 24, Fig. 14 
"bis 16.) Dies ist der erste Ort, wo in Bulgarien Min-ex sublavatus gefunden 
worden. In der Gegend von Vidin kommt er nicht vor. 

Bnccinum sp. in festem Sandstein. 

Die Oolithsandsteine dehnen sich abwechselnd mit Thon- 
lagen, bis nach Pisavovska - Mahala aus; nur sind sie nicht 
überall sichtbar, weil sie meistentheils von Bäumen überwachsen 
sind. Wo manche Partien kahl vorliegen, bemerkt man zu oberst 
eine Art weisslichgelben Thon. An der rechten Seite des Isker 
«rheben sich die steilen Ufer bis zu 60 Meter über das Fluss- 
niveau. Dieses Höhenausmass ist jedoch nicht für die ganze 
Strecke giltig; manche Uferpartien sind terrassen- und hügel- 
förmig und gehen allmälig und unmerklich in die Alluvial- 
^bene über. In dem fruchtbaren, aschgrauen Boden, der das 
Iskerthal erfüllt, kommen Überreste von allen den oben genannten 
Fossilien vor; dieselben stammen selbstverständlich von den 
benachbarten Höhen her. 

Das linke Ufer des Isker ist ganz eben und breit ausge- 
dehnt. Die Terrassen heben erst in der Entfernung von einigen 
Kilometern an; in den höheren derselben, wie in der Gegend von 
Branica, Strupen, Jenica, Kneza, Dolnij Lukovit etc. kommt das 
sarmatische Gestein zum Vorschein. 

Nördlich vonPisarovska-Mahala beginnen die cerithienführen- 

den Kalkfelsen, die folgeudermassen eingetheilt werden können: 

a) weisslichgraue, dichte Gesteine mit spärlichen Fossilien 

(Cardium und Cerithium) ; 
h) gelblichaschgraue Gesteine, sehr dicht erfüllt von Cerithien 

und anderen Formen; und 
c) röthlichgelbliche Gesteine mit grossem Reichthum an 

Cerithien. 

Die sarmatischen Bildungen beschränken sich nicht allein 
auf das rechte Iskerufer, sie dehnen sich auch nach und W aus, 
liegen aber nicht an allen Orten offen vor, weil sie grösstentheils 
Ton aschgrauem Löss bedeckt sind. Nur an jenen Stellen ragen 
<lie Cerithienschichten aus dem Boden hervor, wo der Löss von 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 281 

den Fltisseu oder dem atmosphärischen Wasser weggeschwemmt 
worden, wie zum Beispiel bei den obgenannten Ortschaften 
Stnipen, Branica, Jenica etc. oder au den Ufern der Flüsse Gosti- 
liea, Skit, Ogost, Lom uudTimok, sämmtliche westlich vom Isker.^ 

Von dem Pisarovska-Mahala ans, in der unmittelbarsten 
Nähe des Flusses, sieht man bei der Grotte, die gegenüber der 
kleineu Insel {V/], Km. nördlich vom Dorfe) liegt, ein sehr 
hübsches Profil, das etwa 7 — 8 Meter in der Breite einnimmt. 
Der Isker fliesst unmittelbar au demselben vorbei und führt 
der Saumweg über den steilen Abbang; obwohl die Felsen hier 
mehrfach gelöst sind, ist doch die normale Reihenfolge der 
Schichten an vielen Stellen noch recht deutlich sichtbar. 

Unmittelbar an dem Flusse, das heisst in der untersten 
Partie des Ufers, bemerken wir einen mürben, fettigen Mergel, 
der aus kalkigem Lehm, sehr feinen, durch blosses Befühlen 
nicht wahrnehmbaren Sandkörnehen und kleinen Glimmer- 
schüppchen besteht. Dieser Mergel ist bläulich, so lange er feucht 
ist; in trockenem Zustande hat er eine grauweisse Farbe. In dem- 
selben finden wir dünne Schichten von grauweissem Lehm und 
fettigem, dunkelrothem Ocker. Auch Krystalle undKrystallgruppen 
von Gyps kommen vor. Li den tieferen Lagen ist der Mergel 
intensiver blau; lehmiger und lichter gefttrbt ist er nach oben zu. 

Gegen das nördliche Ende der kleinen Insel kommt wieder 
derselbe Mergel zum Vorschein und über demselben eine andere 
Art gelblichen Kalkmergels, der ausserordenthch reich an Fossilien 
ist; diese letzteren meistentheils in Form YOnSte'mkQi'nen (Cardium 
ohsoletum. Cardhtm plicatum, Tapes gregaria, Trochus, Cerithien). 

Aus dem Gebiete des erstgenannten Mergels sammelte ich in einer 
kurzen Zeit: 

Modiola VoUu/nica Eichw. 

Cardhim obsoletinn Eichw., stark verbreitet und charakteristisch; 
manche Exemplare erinnern an Cardium TYwioÄ-/ Toula. (Die sarmatischeu 
Ablagerungen zwischen Donau und Timok, p. 15.) 



1 Toula, Grundlinien etc. etc. pag. 3. 

Toula, Die sarmatischeu Ablagerungen zwischen Donau und Timok. 

Zlatarski, Geologisches Profil von Vidin, über Bojnica, Vrska- 
6uka, Makres, Belogradcik nach Goraij-Lom und von Dolnij-Lom. über 
Prevala. Ciparovci, Jelovica nach Berkovica, pag. 13 — 14. (Period. 
spis. VI, 1883.) 

19* 



282 Z 1 a t a 1- s k i, 

Cardium cfr. pUcatum Eichw. (Hörn es, op. cit. II, p. 202, Taf. 30, 
Fig. 1.) Nur einige Bruchstücke von Schalen und ein Steinkern. 

Topes gregaria Partsch. (Hörnes, op. cit. II, p. 115, Taf. 11, 
Fig. 2.) Gleich stark vertreten wie Cardium obsoletum, gesammelt habe 
ich sowohl alte, als auch junge, dünne, als auch dickschalige Exemplare. 

Donax lucida Eichw. (Hörnes, op. cit. II, p. 103, Taf. 10, Fig. 2.) 

Bulla LaJonkaireanaB ast., erreicht hier die grösste Länge; reichlich 
vertreten. 

Helix sp. Ich zog die von Hörnes angeführten Arten zum Vergleiche 
herbei, konnte jedoch bei ihm eine übereinstimmende Form nicht finden ; 
die gesammelten Exemplare sind nur unvollständig erhalten. 

Trochus qiiadristrialus Dub. (Hörnes, op. cit. I, p. 456, Taf. 45, 
Fig. 11.) Nur ein Exemplar. 

MoHodoHta angulata Eichw. Nur sechs Exemplare. 

Phasianella cfr. Bai/emi R. Hörnes (Jahrbuch der k. k. geologischen 
Eeichsaustalt 1874, p. 37, Taf. II. Fig. 8). Nur ein unvollständiges Exemplar. 

Cerithinm disjunctum Sow. (Hörnes, op. cit. I, p. 406, Taf. 42, 
Fig. 10, 11.) Weniger häufig. 

Cerithinm plicatum Brug. (^Hörues, op. cit. I, p. 4U0, Taf. 42, Fig. 6.) 
Nur ein unvollständiges Exemplar. 

Cerithinm nodoso-plicutum Hörnes. Einige junge Exemplare. 

Cerithium rubiginosum Eichw. (Hörnes, op. cit. I, p. 396, Taf. 41, 
Fig. 16, 18.) Häufiger als im Timok-Gebiete. 

Murex subluvntiis Bast. Drei dickschalige Exemplare. 

Bucciimm Verneuilii d'Orb. (Hörnes, op. cit. I, p. 158, Taf. 13, 
Fig. 10.) Erinnert am meisten an die Arten von Gaudenzdorf bei Wien. 

Biiccimtm duplieatum Sow. (Hörnes, op. cit. I, p. 156, Taf. 13, 
Fig. 6—9.) Häufig. 

Der Mergel, iu dem die aufgezählten Versteiuerungen vor- 
kommen, erinnert theilweise an jenen von Bojnica; ' er ist mehr 
oder weniger saudig, lehmig und mergellehmig, weisslieh, gelb- 
lich, aschgrau etc. und arm an Fossilien. Er ist wohl geschich- 
tet und fällt mit 15° nach N. Weiter nördlich fand ich in 
einem sandigen Mergel eine bedeutende Menge von Bulla, grosse 
und dickschalige Exemplare von Tapes, Bncchittm, Cardium 
und HeUx. 

Auf dem höchsten Hügel, der sich hier bis zu 100 Meter 
erhebt, erblickt man in dem weissen oder grauweissen, mürben, 
kalkigen und ein wenig sandigen Mergel dünne Schichten mit 
Cerithium, Buccinum, Bulla, Tapes und Cardium. Sodann gewahrt 



1 Fr. Toula, Sarm. Abi. zw. Donau und Timok. Sitzb. 1877, Bd. 75, 
pag. 17 ff. Period. Spisanije VI, pag. G3. 



Geologische Untersiichuugen im centralen Balkan etc. 2(83 

man Schichten von härterem, bläulichem Thon, in dem Abdrücke 
von Modiola Volhynica Eichw., Cardium obsoletum Eichw., 
Bulla Lajonkaireana Bast. Trochus etc. vorkommen. Tiefer unten 
sehen wir einige röthliche, dünne Schichten, darunter und 
dazwischen liegen drei Gypslag-en. 

Gegen Brest-Cesma erscheinen über den Mergelschichten 
sarmatische Kalkbänke. Die letzteren sind gelblich, schwach 
nach N geneigt und von den Sturzbächen scharf eingerissen. 
Dasselbe bemerken wir auch bei Pukalnica — eine Ebene 
gegenüber von Dolni-Lukovit — wo die schönsten tertiären 
Kalksteine zu Bauzwecken gebrochen werden. Hier sind die 
sarmatischen Felsen terrassenförmig gelagert und ihre Schichten 
fallen unter (5 — 8°) nach N. In ihren obersten Partien sind die- 
selben porös und niclit besonders fest; unter denselben liegen 
dünne und weiter unten dickere Bänke; unter den oberen 
erblickt man stellenweise sandige Mergel. 

Gegen Staroselci verschwindet der Kalkstein unter dem 
Ackerboden, und ist nur noch an den Höhen längs des Flusses 
zu erblicken. Wie bei Brest-Cesma erscheint der hiesige Kalk- 
stein gelblich gefärbt, doch unterscheidet er sich von jenem 
dadurch, dass er Cerithmm rubif/inosum ^iehw. und andere Ver- 
steinerungen enthält. Weiter nördlich wechseln die Schichten mit 
oolithähnlicheu , porösen Kalksteinen, in welchen Cardium, 
Modiola und Trochus vorkommen. Dieser Pseudo-Oolith, wenn ich 
ihn so nennen darf, ist zum grössten Theile aus Gehäusen von 
gewundenen und länglichen Foraminiferen zusammengesetzt und 
weist eine besondere, für Ungarn, die Krim, Volhynien und 
Podolien aber sehr gewöhnliche Structur auf. ^ 

Kalkterrassen bemerken wir auch am linken Ufer des Isker, 
bei Dolni Lukovit, nur sind sie viel niedriger als jene, welche 
sich am rechten Ufer ausbreiten. Die sarmatischen Kalkfelsen 
nehmen auch im W vom Isker ein ziemlich bedeutendes Gebiet ein. 

Um Staroselci herum liegen die sarmatischen Bildungen 
fast horizontal. Der Kalkstein ist porös und ziemlich weich; die 
Felsen sind hier nicht au allen Orten sichtbar, sondern nur hie 



1 Verhandlungen d. k. k. geol. Reichsanstalt, 1867, pag. 3. 
E. Favre, Etüde stratigraphique de la partie sud-ouest de la Crimee, 
1877, pag. 39. 



284 Z 1 :i t a 1- s k i, 

und da, wo die Gehäuge steiler sind. Gegen entfernen sie sich 
auf 3 — 4 Kilometer vom Isker, und verschwinden sodann unter 
dem aschgrauen Löss, ähnlich so wie bei Devenci. In Staroselci 
sind die meisten Häuser in den Löss eingehauen — echte Trog- 
loditenwohnstätten. Rings herum erheben sich pseudo-oolithische 
Felsen, die aus Myriaden von Thiergehäusen zusammengesetzt 
sind. Mit der Lupe erkennen wir : Nodosnria, Rosaüjia, Polysto- 
mella; von Mollusken finden sich Cei itliium ruhiginosum Eichw., 
Cardium obsolet nm Eichw., Trochus etc. 

Südwestlich vom Dorfe, an der Strasse nach Pleven, 
gewahren wir einen kleinen See, rais dem das Wasser, wie aus 
einem unversieglichen Quell, herausrieselt. Man erzählte mir, 
dass sich dieser See vor etwa 15 Jahren plötzlich von selbst 
gebildet und hiebei eine grosse Überschwemmung im Dorfe ver- 
ursacht habe. 

Von Staroselci aus verfolgte ich den Lauf des Isker bis 
Svirca, von wo ich über ein Querthal zu einer Quelle gelangte, 
und nach kurzer Rast den Weg über die Höhen einschlagend, 
Cengene-Seraj (jetzt in Trümmern) passirte, um nach Oreovica 
zu gelangen. Bei jener Quelle sind die sarmatischen Felsen stärker 
oolithisch, als die früheren; die Schichten sind fast horizontal. 

Bei Svirca finden wir eine Art gelblichrothen Sandstein 
von ziemlicher Festigkeit, der fast ausschliesslich aus Fora- 
miniferen zusammengesetzt ist; diese sind so dicht aneinander- 
gedrängt, dass man sie kaum mit der Lupe unterscheiden kann. 
Dieser Sandstein bildet die obere Partie der oolithischen Felsen, 
und wird in schönen Platten gebrochen. 

Der Landstrich zwischen Svirca und Oreovica erscheint 
infolge der vier Hügel, die ihn durchziehen, wellenförmig. Die 
festen Gesteine verlieren sich unter der fruchtbaren mit mürbem, 
Löss vermengten Ackererde. Von dem letzten und höchsten 
Hügel aus erblickt man die Mündung des Isker in die Donau und 
die gegenüberliegenden Flächen rumänischer Ufer. Auch hier 
treffen wir auf dieselben Kalkfelsen wie bei Svirca, und auch 
hier sind Cardium, Tapes (in geringerem Masse Cerithien) die 
gewöhnlichsten und am reichlichsten vertretenen Versteinerungen. 

Grössere Platten von sarmatischem Gestein bricht man in 
der Umgebung von Oreovica. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 28& 

Vor Slavovica, gegenüber von Kruseven, konnte ich das 
folgende Profil aufnehmen: 

1. Zu Oberst Löss. 

2. Fettiger, lehmiger Mergel (7 — 8 Meter), verschieden 
gefärbt: bläulich, grünlich, röthlich oder gelblich. Gegen die 
Mitte erblickt man eine dünne Schichte (etwa 10 Ctm.) mit 
Fossilien und darüber Gyps bis zu einem Meter; derselbe wird 
Ton der Bevölkerung fleissig abgebaut. Unter der dünnen Fos- 
silienschichte liegt eine andere noch dünnere (2 — 3 Ctm.) von 
braunem Tegel und unmittelbar darauf folgt lehmiger Mergel. 

3. 0-40 Meter dicke Sandschichte. 

4. 4 — 5 Meter Tegel und lehmiger Mergel mit Gyps; in den 
unteren Partien reichliche Mengen von Versteinerungen. 

5. 1 — 2 Meter oolithischer Kalkstein. Derselbe ist hier in 
zwei Formen vertreten; die eine besteht, wie der weiter oben 
beschriebene Kalkstein, aus den Gehäusen verschiedener Fora- 
miniferen, die andere aber ist ein pisolithischer Oolith, dessen 
einzelne Kerne gleich gross sind, und die Stärke eines Hirse- 
kornes erreichen. Sowohl in der ersten, als auch in der zweiten 
pseudo-oolithischen Felsart findet man grosse Mengen von Fos- 
silien, und zwar: Modiola Volhynica Eichw., häufig; Card'mm 
nbsoletum Eichw., sehr häufig; Bulla Lajonkaireana Bast.^ 
Trochus quadristriatus Dub. 

6. Zu allerunterst liegt eine dicke Schichte von bläulichem, 
fettigem ]\rergel, der sich im Flussbette des Isker verliert. 

Ausser den genannten Fossilien finden sich: 

Cardium plicatmn Eichw. (Nur ein unvollständiges Exemplar.) 

Tapes gregaria Part seh. Alle mögliche Formen, dickschalige Exem- 
plare. (Häufig.) 

Mactra Podolica Eichw. (Kommt auch bei Slavovica vor.) Sehr 
häufig. 

Solen sitbfragilis Eichw. i Hörn es, op. cit. II, p. 14, Tat'. 1, Fig. 12, 
13.) (Nur zwei unvollkommene Exemplare.) 

Trochus quadristriatus Dub. 

Trochus pictus Eichw. Sehr häufig. 

TrucliHS Poppelacki Part SC h. (Wohl kaum von Tv. quadristriatus vai 
unterscheiden.) Haben ihre rothbräunlichen Farbenzeichnungen bewahrt. 

Trochus Podolicus Dub. (Hörnes, op. cit. I, p. 447, Taf. 45, Fig. 2.) 
Bei Slavovica, im Iskerthale, finden wir verschiedene Varietäten von dieser 



286 Z 1 ii t a r s k i, 

Schnecke. Manche sind länglich, andere zusammengedrückt. Die Knotung 
ist überaus variabel. Unsere Formen nähern sich in Gestalt und Grösse 
jenen von Bessarabien. 

Cerithium disjunctiim Sow. Ausserordentlich häufig. 

Cerithiuin plicatuin Brug. Einige schöne Exemplare. 

Cerithiim Üitboisi Hörn es. Nur eine kleine Anzahl, doch sind die 
Individuen prächtig erhalten. 

Cerithium uodoso-plicatiim Hörne s. (Kommt häufiger vor als die vor- 
hergehende Art.) 

Cerithium ruhiginnsum Eichw. (Ein einziges Exemplar.) 

Cerithium jiictum Bast. In geringer Anzahl. 

Buccinum duplicatum Sovr. var. Schwer von dem Y'\A\nav Buccinum 
zu unterscheiden. 

An diesem Orte findet sich demnach am häufigsten Cerithium dis- 
junctum vor, und am seltensten Cardium piicatum, Solen subfragilis und 
Cerithium ruhiginosum. 

Südwestlicli A'on Gigeu-Mahala erstreckt sich ein Hügel bis 
zum Isker. Derselbe besteht in seinen obersten Partien aus Löss, 
der ungefähr 5 — 7 Meter stark ist und unregelmässige Kalkcon- 
cretionen aufweist; allmälich gebt derselbe in Sandstein über, 
und zwar zu allererst in Schotter und sodann in grobkörnigen 
schwacbzusammenhängenden Sandstein, der auch Eruptivgesteine 
enthält. Anfangs hat dieser Sandstein das Gefüge eines Conglo- 
merates, später wird er psammitisch und zu allerunterst ist er bläu- 
lich und mergelig. An dem Flusse kommen unter dem Sandsteine 
oolithische Kalkfelsen zum Vorschein. Dieselbe Reihenfolge 
constatiren wir auch am linken Iskerufcr. 

Ein wenig nördlicher erblickt man vor Gigen-Mahala den- 
selben Löss mit den Concretionen und darunter eine Schichte 
(5 — 10 Ctm. dick) von Kreidekalkschotter; sodann folgt grün- 
licher, sandiger Mergel (etwa 25 — 30 Ctm. stark), in dem eben- 
falls Kreidebruchstücke vorkommen. Zu unterst breitet sich auch 
hier oolithischer Kalkstein aus, und zwar u) dichter Oolith, 
dessen einzelne Körner kaum mit der Lupe erkannt werden 
können; erinnert stark an jenen von Svirca; b) Oolith, der seiner 
Structur nach mehr einem Muschelconglomerate ähnlich sieht; 
zusammengesetzt ist derselbe aus den Gehäusen unzähliger 
kleiner Thierchen und geringen Mengen von Lehm. In dem- 
selben kommen am häufigsten vor: Trochus pictua, Tr. quadri- 
strialus, Tapes greguria,Cardium obsoletum VLndßlodiola Volhynica. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 287 

Fassen wir das Gesagte in Kürze zusammen: 
Die sarmatischen Ablagerungen beginnen im Süden unweit 
Devenci mit einem bläulichen Mergel, den man von jener bei 
der Vidbrücke vorkommenden Art gar nicht unterscheiden kann. 
Über dem Mergel liegen Sandschichten, Sandmergel und zu oberst 
Kalkschichten. Alles concordant zu der oberen Kreideformation 
und leicht nach N geneigt. Einer ähnlichen petrographischen 
Vertheilungbegegnen wir in Westbulgarien im Gebiete des Timok ^ 
und östlich von diesem Flusse gegen St. Peter, Bojnica etc. 
Die sarmatische Stufe ist im Iskerthale durch ihre untersten 
Schichten vertreten ; sie ist hier, wie im Wiener Becken, durch 
Mure.v suhlavafus, Cerithium pictum, Cerithium rubiginosum und 
Cerithium nodoso-pUcaturn charakterisirt. Formen, welche im 
östlichen Theile Bulgariens und in der Dobrudza, Krim, in Süd- 
russland ^ fehlen, dagegen aber westwärts davon häufig vor- 
kommen. Die sarmatische Stufe kommt wohl auch an einzelnen 
Orten im östlichen Bulgarien zum Vorschein, so zum Beispiel bei 
Tropcilar und Bajram-Bunar, zwischen Sojakli und Srnebe-köj 
(sämmtlich im Kreise von Silistra), sowie an den Ufern des 
Schwarzen Meeres bei Balcik und Varna; doch gehören diese 
Schichten zu der oberen Abtheilung derselben. Bei Balcik 
zeigen sich unter den Kalkbänken mit Mactra Podolica und 
Ervilia Podolica keine cerithiumf Uhren den Ablagerungen, 
sondern ein weisser, kreidiger Mergel, der einen ausserordent- 
lichen Eeichthum an dickschaligen Exemplaren von Mactra und 
von einer Helis^ aufweist, und meines Wissens im westlichen 
Europa, noch nirgends gefunden worden ist. Man könnte den- 
selben für gleichwerthig mit den unteren Partien der sarmatischen 
Ablagerungen ansehen.* E. Favre erwähnt ähnliche Vorkomm- 
nisse aus der Dobrudza und Krim. '^ 



1 Fr. Toula, Die sarmat. Ablag, zw. Donau und Timok etc. pag. 3. 
M. vgl. auch Period. Spisanije VI, pag. 63. 

- E. Favre, Op. cit. pag. 40. 

3 Es ist Helix cincta Müll., die bis auf den heutigen Tag auf der 
Balkauhalbinsel lebt. 

■i G. Zlat arski. Geologisches Profil von Vidin über Bojnica etc. 
pag. 14. 

ö E. Favre, Op. cit. pag. 40. 



288 



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Geolos'ische Untersiichimg-en im centralen Balkan etc. 



289 



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290 Z 1 a t a r s k i, 

Von Grigen-Mahala aus erweitert sich das Iskertlial in eine 
umfangreiche mit dickem Löss bedeckte Ebene. Dieselbe erstreckt 
sich nach N bis zu den Ufern der Donau, nach W bis zu den 
sarmatischen Felsen, die sich zwischen Kriiseven und Beslij 
erheben, und nach bis zum rechten Vidufer, Der Fluss Isker, 
der hier besonders ruhig- und gelassen dem Donauthale zufliesst, 
macht noch vor seiner Mündung einige bedeutende Windungen. 
Das mangelnde Gefälle bedingt die Entstehung von, zum Theile 
ziemlich umfangreichen Lachen, deren einige während des 
Sommers austrocknen, andere aber selbst der grössten Hitze 
trotzen, und sich in wahre Pestherde verwandeln. Im östlichen 
Theile dieses Thaies erblicken wir auch einige ansehnliche 
Fischteiche. Nur in der unmittelbarsten Nähe des Isker und 
nördlich von Gigen sind einige kleinere Complexe von jungen 
Weidenbüschen zu sehen, der übrige Theil des weiten Thaies ist 
nur mit Riedgräsern und Schilf bedeckt. Das Donauufer ist in 
dieser Gegend niedrig, im Gegensatze zum walachischen, wo es 
ziemlich hoch und mit einigen hübschen Städtchen besetzt ist: 
Cilej, Korabia etc. Westlich von Beslij erhebt sich wieder das 
rechte Donauufer. Unter dem mächtigen Löss erblicken wir hier 
an vielen Orten Bänke sarmatischer Bildungen. 

In Gigen werden viele römische Alterthümer ausgegraben; 
fast in einem jeden Hause kann man archäologische Gegenstände 
gewahren : Steinplatten mit Inschriften, Sarkophage, Reliefpfeiler 
aus Marmor etc. Die alte römische Stadt, deren Trümmer zu 
Tage gefördert werden, hiess Ulpia Oescus und lag nördlich von 
Gigen. Man deckt noch immer hie und da kolossale Gebäude auf. 
Eine grossartige Wasserleitung aus dem Iskerthale zieht an der 
Mahlenska-Mogila, später auch an Gigen selbst vorbei; dieselbe, 
schon an einigen Stellen durchbrochen — bei Mahala und bei 
dem Dorfe — weist hier eine bedeutende Breite aui'; in Gigen 
beträgt sie 2 Meter, bei einer Höhe von nur 1-5 Meter; aufgebaut 
ist die betreffende Wasserleitung aus tertiären Gesteinen aus dem 
Iskerthale. Zu den Bauten der alten Stadt wurden ausser sarma- 
tischen Steinen noch Kreidefels und schöner Marmor vei*wendet; 
der erstere stammt aus dem Vidthale, der zweite aber ist gewiss 
aus sehr weitentfernten Orten hergebracht worden. (M. vergl. 
Taf. III.) 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 291 

II. Ton (xigeu längs des Flusses Yid nach Pleven. 

1. Von Gigen über Brest, Zlakuciiio, Kacamunica 
nach Pleven. Der Landstrich zwischen Gigen und Brest ist von 
ermüdender Monotonie; links von der Strasse erheben sich unweit 
der Lachen sieben Tumuli, rechts aber sieht man einige Terrassen 
im Löss. Bei Brest hebt ein ziemlich bedeutendes Plateau an, 
das manche Hügel und Thäler aufweist, und in allen Aufschlüssen 
und Wasserrissen nichts als Löss ei'kenuen lässt. Über dasselbe 
stieg ich in das Vidthal hinab. 

Von den Höhen, die Brest von Zlakucino trennen, sieht man 
sehr deutlich die Windungen des Vidflusses, sowie auch die Donau 
und die oben beschriebenen Lachen, die sich im W bis zum erst- 
genannten Fluss erstrecken. Östlich vom Vid gewahrt man in der 
Ferne weisse Kalkfelsen, die sich bei Somovit ziemlich hoch und 
steil über das Niveau der Donau erheben. Die Schichten dieser 
Felsen liegen fast horizontal und können sogar von Weitem genau 
unterschieden werden. Wie wir uns später überzeugen konnten, 
gehören diese Felsen der Kreideformation an. 

An den Abhängen gegen Zlakuceni findet man hie und da 
Kreidekalke mit Hemipneustes stinato-radiatus d'Orb., Ostrea 
vesicularis Lam., Janira cfr. quadricostata Sow. u. a,, wie sie 
auch in der Umgebung von Pleven (Kajalyk) und im Vidthale 
gefunden werden. So viel ich ersehen konnte, ist dies jedoch kein 
anstehendes Vorkommen, sondern höchst wahrscheinlich beim 
Bau der nahen Strasse aus dem östlichen Gebiete des Vidflusses 
hieher transportirt worden. Diese Strasse datirt gewiss aus den 
Zeiten, da Llpia Oescus noch florirte, rührt also von den Eömern 
her und nicht von den Türken, wie die Tradition wissen will. 

Gegenüber von Komarevo sind die weissen Kreideschichten 
fast horizontal gelagert: das Gestein ist nicht besonders fest. Aus 
den vom anderen Ufer herübergebrachten Gesteinen sammelte ich 
folgende Fossilien: 

Ostrea vesicularis Lam. in grossen Exemplaren, i 

Pecten cfr. virgattis Nils. (Zittel, Die Bivalven der Gosaugebikle, 
p. 109, Taf. 17, Fig. 8.) Das einzige kleine Exemplar in meinem Besitze 
erinnert sehr an die von Zittel beschriebene Art. 



1 Eines der an Prof. Toula eingesandten Exemplare scheint nach 
seiner Angabe mehr an Ostr. Hippopodium Nils, auzuschliessen. 



292 Z 1 a t a r s k i , 

Lima sp. Nur einige Bruchstücke einer grobrippigen Art. 

Auf eine kurze Strecke hin treten bei Komarevo, am Süd- 
ende des Dorfes, einige horizontale Schichten von aschgrauem, 
dichtem und sehr festem Kalkstein hervor, aus welchem ich 
folgende Fossilien herausschlagen konnte: 

Neitliea (Janira) cfr. qimdricostata Sow. 

Inoceramus cfr. mi/tüoides Maut. Erinnert an den Inoceramiis aus dem 
Plänersaudstein bei Trziblitz. 

Panopaea sp. nähert sich der Form nach am meisten der Panopaea 
frequens Zitt., doch unterscheidet sie sich andererseits von derselben durch 
ihre bedeutendere Grösse. Erstere wird 50 — 60 Mm., unsere Form dagegen 
90—100 Mm. hing. 

Steinkerne von Circe (?) hat grosse Ähnlichkeit mit C. disciis Math, 
sp. (Zittel, op. cit. p. 24, Taf. III, Fig. 7.) 

Pecten vielleicht P. Nilsoni Goldf. i 

t^ber den fossilienreichen Kalkbänken liegt ungefähr ein 
Meter conglomeratförmiges Greröll (wachsgelblicher Kiesel, Sand- 
und Kalkstein etc.), mit kalkigem Cement verkittet. Über dem 
Conglomerat breitet sich gelblichgrauer Löss aus. 

Dieselben Kreidekalkgesteine wie bei Komarevo stehen 
auch in Kajalyk bei Pleven an und erstrecken sich von hier 
sicher nach hin, sind jedoch unter dem weichen und weissen 
Gestein verborgen. Bei Komarevo wurden sie infolge einer Schatz- 
gräberei aufgeschlossen. 

In der Gegend von Ribiua beginnt der gelblichgraue, lehmige 
Kalk; derselbe enthält grosse Stücke von schwarzem Kiesel, und 
gehört wohl zum echten Plänerkalk. Dasselbe Gestein gewahren 
wir auch bei Kacamunica, wo viele Cidaritenstacheln, die die 
grösste Ähnlichkeit mit Cidaris Fanjas'i Desor. haben, und ver- 
schiedene Bryozoen, Sei-pula (?), Lima etc. vorkommen.^ 



1 Das Gestein dieser letzteren Vorkommen unterscheidet sieh etwas 
von dem der anderen Formen, es ist grau gefärbt und dicht. 

2 Die lichten, mehr weniger erdig-kreidigen und mürben Kalke, wie 
sie hier und bei Komarevo auftreten, stimmen nach Toula's Meinung 
ohne Zweifel mit den von Foetterle zwischen Ütchündol und Beklesch 
angeti'oifenen überein. Sogar das Vorkommen von „schwarzem Hornstein" 
findet sich erwähnt. (Verhandl. 1869, p. 192, wo sie für Eocän u. 1. c. p. 373, 
wo die Altersbestimmung richtig gestellt und die betreffenden Abi. für 
obercretacisch erklärt werden. M. vgl. auch Hochstettcr, Jahrb. d. k. k. 
g. R. 1870, p. 402. 



Geologische ÜDtersuchimgen im centralen Balkan etc. 293 

Bei Bivolari ging- ich auf die rechte Seite des Vid. Noch 
bevor wir dieses Dorf erreichen, erblicken wir auf den umliegen- 
den Höhen Leithakalk, der anzeigt, dass wir nunmehr in das 
Gebiet der Mittelmeerstufe eintreten. 

Es finden sich hier besonders wohl erhalten Korallen, ein 
wahres Korallriff bildend,^ worauf übrigens gleichfalls schon 
Foetterle aufmerksam gemacht hat (1. c. p. 374). Zwischen 
Bivolari und der Mühle Zlatan's kommt unter dem Leithakalk 
bläulicher Mergel zum Vorschein, der mit jenem bei der Vidbrücke 
übereinstimmt (man vergleiche weiter unten). 

Das Becken von Pleven öffnet sich in der Richtung von 
nach W zwischen den Hügeln von Opanec und den nahegelegenen 
Weinbergen. Inmitten dieses Beckens fliesst der Bach Tucenica, 
der unweit Opanec sich in den Vid ergiesst. Dieses kleine Becken 
ist mit Alluvium bedeckt und von bläulichem Mergel, den ich für 
miocän halte, erfüllt. Dort, wo die kleinen Querthäler sich durch- 
kreuzen, sieht man diesen letzteren ganz deutlich. Er erschliesst 
sich noch an einigen Stellen der Ränder des Beckens, doch ist er 
im südlichen Gebiete nirgends zu gewahren, weil er hier unter 
dem Tegel liegt, der sich in den Weinbergen bis an die Vidbrücke 
ausdehnt. Dies alles zeigt, dass die miocäne Mediterranstufe sich 
im N gegen Opanec und Bivolari hin ausbreitet, im S aber bis 
Trnina reicht. Die Stadt Pleven erhebt sich im südöstlichen 
Theile des Beckens. 

2. Von Pleven bis zur Vidbrücke, längs des Flusses 
nachTrnica;sodannüberKartazabeni,ücindol,Bogot, 
Tucenica, Radisevo nach Pleven zurück. In der 
unmittelbaren Nähe der Vidbrücke erschliessen sich auf der 



1 Herr Prof. Toula theilt mir über einen grösseren, ihm zur Ansicht 
zugesendeten Korallen-Stock mit, dass er mit der im österreichischen Miocän 
verbreiteten /Te/ias^raeö Äewsseöwa M. Edw. et H. vollkommen überein- 
stimmt und im Erhaltungszustande von den Stücken von Lapugy in Sieben- 
bürgen nicht unterschieden werden könne. (Reuss, Denkschr. d. k. Ak. in 
Wien XXXI. Bd. 240, Taf. IX, Fig. 2.) Liegt auch als Steinkem vor. Ein Stock- 
Bruchstück einer Form mit grösserem Zellendurchmesser lässt sich nach 
'J'oula mit ziemlicher Sicherheit als Heliastraea Defrancei M. Edw. et H.) 
fl. c. Taf. IX, Fig. 3 u. X, Fig. 1, pag. 239) bestimmen. In einem serpula- 
reichen Kalke liegt auch ein Steinkern von Cypraea sp. vor. 



294 Z 1 a t a r s k i , 

rechten Flussseite Mergel- und Lehmschiclitenj über welchen man 
eine zerbrochene Bank von Leithakalk gewahrt. In den untersten 
bläulichfarbigen Mergelschichten, die an dem Flusse zum Vor- 
schein kommen, finden wir keinerlei Versteinerungen; sie unter- 
scheiden sich in keiner Beziehung von den Mergeln aus dem 
Becken von Pleven, Opanec oder Bivolari. In dem fettigen grau- 
weissen Tegel kommen hingegen sehr viele Fossilien vor, die, 
wie schon Foetterle zeigte, ganz und gar jenen von Baden bei 
Wien ähnlich sehen. In den oberen Partien des Tegels finden wir 
Bruchstücke von „Nulliporen- oder Leithakalk" und krystallisirten 
Gyps. In Faserform erfüllt dieser Gyps die Sprünge und Risse 
des Tegels, der wieder infolge seiner starken Imprägnirung mit 
schwefelsauren Salzen unablässig weitere Gypsmassen pro- 
ducirt. 1 

Den bläulichen Mergel sieht man auch südlich von der 
Brücke, an dem rechten Vidufer, den Tegel jedoch nur zuweilen. 
Unweit Plasigas kommt dieser letztere wieder zum Vorschein; 
über ihm liegt Leithakalk, der jedoch auch hier keine compacte 
Masse bildet. In zusammenhängenderen Massen finden wir den Kalk 
nur an den höher gelegenen Orten; in den Niederungen kommt 
er nur in Form von grösseren oder kleineren Bruch- und Roll- 
stücken vor. Gegenüber von Plasigas^ stossen wir nochmals auf 
Tegel mit Gyps und Fossilien und weiter unten auf bläulichen 
Mergel. Ein prächtiges Profil erschliesst sich den Augen des 
Beschauers an den Stellen, wo der Vid das rechte Ufer immer 
mehr und mehr unterwühlt und auswäscht. (Man vergleiche auch 
V. Fritsch.) 

Auf den Hügelhöhen um Desivica und Trnina herum finden 
wir den nämlichen Leithakalk, den wir auch bei Bivolari zu 
betrachten Gelegenheit hatten. 

Bei der Vidbrücke und gegenüber von Plasigas wurden 
gesammelt: 



1 Näheres im VII. Bd. des Period. Si)isaiiije, pag. 93 — 94, Jahrg. 1884. 

2 Dieses Dorf hig noch vor dein letztem russisch-türkischen Kriege 
am rechten Ufer des Vid; erst später übersiedelten dessen Einwohner auf 
das linke Ufer. Unter den Euinen des frühereu Plasigas finden wir nur 
fossilienreichen Tegel. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 



295 



Nr. 



Name 



Bei der 

Vid- 
b rücke 



Gegen- 
über von 
Plasiffas 



1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

8 

9 

10 

11 

12 

13 

U 

15 

16 

17 

18 

19 

20 

21 

2-2 

23 

24 

25 

26 

27 

28 



Conus Diijar (Ulli De sh 

Ancillaria civ. obsoletaD Qsh. 

Riiigicula biiccinea Desh 

Colutnbella sithulatn Bell 

Ter ehr a bistriala Grat 

Buccinum Badi'iiseVsiVisch. 

Buccinum semistriatiiin B r o c c 

Buccmum costulatum Brocc 

Cassis Sabitronham 

Chenopus pes pelicaiii Vhi\ 

Pleitrotoma hirricola BroGC 

Pleurotoina spinescens Pa.vtsc\i 

Ceritliium spiita Bartsch 

Turräella siibangulaia Bvonu 

JS'atica helicma Jirocc 

Chemnitzia Reiissi Harnes 

Dentalium Badense Bartsch 

Corbida gibba 0\\Y\ 

Venus multilamella Lam 

Venus plicata Gmel 

O/therea Pedemontana A g 

Curdita Partschi Goldf. 

Cardita trapezia Bvng 

Leda fragilis Chemmn 

Limopsis anomalalhiG\i\y 

Area diluviiljaiii 

.flrfa^/s;/m Bartsch 

Pecten cir. Kokeni Fncha 

Im Ganzen 



+ 



+ 



24 



11 



Foetterle erwähnt noch folgende Fossilien, die ich hier 
nicht finden konnte: Conus Noe Brocc, Pleurotoma asperulata 
Lam., Anciliar ia glandiformis Lam., Cypraea pyriim Gmel., 
Turbinolia duodecimcostata und Flabellum cimeatum Mich.^ 

An der rechten ^Seite des Bächleins Cernelka erschliessen 
sich neue Kalklager, deren eigenartige Fossilien den Beweis 
dafür liefern, dass unweit Cernelka das tertiäre Gestein aufhört 
und nun die Eegion der oberen Kreide und des Turou beginnt. 
Au diesem Orte unterscheiden wir zweierlei Felsarten: aj f^andi- 
gen grauweissen Kreidekalk mit spärlichen glaukonitischen Körn- 
chen und ziemlich häufigen Bryozoen; bj weissen, feinkörnig- 



1 L. c. pag. 374. 

Sitzb. d. mathem.-naturw. Gl. XCIII. Bd. I. Abth. 



20 



296 Z 1 a t a r s k i , 

dichten Kreidekalk, reich an Discoporen (Discopora simplex 
Reu SS [Reuss: Die Versteinerungen d. böhm. Kreideform. 
II. Abth., p. 69, t. 15, Fig. 8). Gleichen vollkommen der Discopora 
aus dem Plänerkalke bei Biliu, Hunsdorf und Kutschling in 
Böhmen. Ausserdem findet sich auch ein Pecten (vielleicht der 
cenomane Pecten cretosus Defr., Brongiart: Geolog, des 
environs de Paris, p. 383, pl. III, fig. 7), eine flache, breite und 
radialgestreifte Form und andere unbestimmbare Bivalven. Der- 
selbe enthält auch den Eisenkies, der zum grössten Theile in 
Eisenoxyd und Melanterit umgewandelt ist. Mit der Lupe erkennt 
man auch hier die Glaukonitkörnchen. Bei dem Steinbruche auf 
dem rechten Ufer der Cernelka ist von einer Schichtung nichts 
ersichtlich. 

Bei Kartazabene erheben sich an den beiden Seiten der 
Cernelka bis zu einer Höhe von 10 — 15 Meter einige dünn- 
geschichtete und fast horizontal liegende Kalke. Bemerkenswerth 
ist es, dass dieselben nicht eine gleichmässige Höhe bewahren, 
sondern dass sie in sehr verschiedenen Niveaus auftreten. Zu 
oberst liegen die erst erwähnten; dann folgt bläulicher, mürber, 
thoniger Kalk. In den unteren Partien finden wir auch Concretio- 
nen von härterem Material; zu allerunterst ist der Fels bläulich 
und viel härter als in den oberen Schichten. 

In Kartazabene entbehrt die Cernelka eines eigentlichen 
Flussbettes; sie fliesst über kahles Gestein und zwischen steilen 
Felsen. Aus dieser Partie sammelte ich in kurzer Zeit folgende 
Fossilien: 

Pholadonuja sp. 
Venus sp. 

Isocardia cfr. Cnrantonensü d'Orb. (D'Orbigny, Pal. fr. terr. cröt.III, 
p. 48, pl. 252, Fig. 1 — 4.) Nur in Steinkerneu, entspricht fast vollkommen 
der d'Orbigny 'sehen Fig. 1. Kommt vor im Turouien und in der Etage de 
V Ammonites Rhotomagensis. 

Pecten cfr. cretosus Defr. in einigen flachen Abdrücken. 

Pecten membrunaceus Nils. (Goldfuss, Petrefacta Germaniae II, 
p. 71, Taf. 99, Fig. 7.) Diese flache und glatte Form in mehreren zumeist 
zerbrochenen grossen Exemplaren, die sich an die grossen ungefiilteten 
Formen, wie sie z. B. Geinitz (Eibthalgebirge I, Taf. 34, Fig. 8) als Tcrc' 
hratula hiplicata Sow. od. 1. c. Fig. 6 als Ter. dcpressa Lam. aus dem Unter- 
pläner von Plauen abbildet. (Im Plänerkalke.) 

Terebralula sp. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 297 

In der Nähe von Karaguj macht die Cernelka einige sehr 
starke Windungen und fliesst in einem ungemein engen Bette, 
das von den oberwähnten^ vertical in die Höhe ragenden Felsen 
begrenzt ist. An vielen Orten kommen hier Höhlen und Klüfte 
vor, in welchen unzählige Eaubvögel horsten. 

Auf dem flachen Hochplateau von Brestovec verschwindet 
der Fels unter dem fruchtbaren Ackerboden. Die Ebene ist 
wellenförmig und hat nur wenige Thaleinsenkungen. Bei Ucindol 
verliess ich die Hauptstrasse und gelangte über ein kleines 
unbeuanntes Thal zu den Weinbergen von Bogot, wo in einem 
kleinen Steinbruche der nämliche Kalk wie bei Kartazabene 
gebrochen wird. Auch die Fossilien sind dieselben: Discopora 
simplex Reuss, Pecten und andere. 

Nur ein Hügel trennt Bogot von Tncenica. Dieses letztere 
Dorf liegt in einer Thaleinsenkung an dem gleichnamigen Bache, 
an dem sich Aufschlüsse finden. 

Die Ackererde ist hierorts sehr fruchtbar, röthlich oder braun, 
mürbe und bröcklich, und erreicht eine Tiefe von 1 Meter. Unter 
dieser sieht man eine Art aschgrauer Erde mit weissen hasel- 
nussgrossen Kalkconcretionen; dieselbe wird nach der Tiefe zu 
kalkreicher, bis sich zuletzt Kalkfels einstellt. 

Das Dorf Tucenica liegt am linken Ufer, steilen Felsen 
gegenüber, die sich auch nach erstrecken, aber nicht mehr 
dieselbe Höhe erreichen wie westlich unweit Pleven in dem wild- 
romantischen Thale der Tucenica, dem sogenannten „Kajalyk", 
auf bulgarisch „Kamenec". 

Gegenüber der Tucenica kann man das folgende Profil 
beobachten: 

1. Weissen, halbkrystallisirten, mittelkörnigen Kalkstein, 
unvollkommen spaltbar; enthält Pecten sp. Ungefähr 5 Meter 
mächtig, 

2. Denselben Kalkstein, nur ein wenig thonhältig; beiläufig 
4 Meter. 

3. Bis zu 20 Meter thonigen Kalkstein; derselbe wird je 
tiefer um so thonreicher. In demselben Verhältnisse wächst auch 
sein Fossilienreichthum. Die untersten Partien dieses Gesteines 
sind thouig-mergelig, der Farbe nach bläulich und enthalten 
bedeutende Mengen von schwarzen Kieselstücken, 

20* 



298 Z 1 a t a r s k i , 

4. 7 — 8 Meter weissen, dichten Kalkstein mit weissen Spatb- 
adern, in dem wir, wie auch bei Svinar und Kajalyk, eine grün- 
liche glaukonitische Materie gewahren. Aus den tieferen Tlieilen 
dieser Kalksteiuschichte entspringen vier mächtige Quellen. 

Die oberen Schichten, welche ziemlich viele Petrefacten 
enthalten, erscheinen horizontal, fallen jedoch wenig geneigt nach 
K. In den mergeligen Kalkschichten, die am meisten dem Pläner 
ähnlich sehen, fand ich folgende Fossilien: 

Cerilhium sp. viell. Cer. stibfasciatum d'Orb. (Fric. Belohorske a mal- 
nicka vrstvy, p. Iil6, Fig. 59.) Besitze nur ein Bruchstück von einem 
Steinkerne. 

Natica lamellosa Rom. (Reuss, Verst. d. bölim. Kreideform. I, p. 50, 
tab. 10, Fig. 22.) Dieselbe Art, die Reuss als Natica vulgaris beschreibt, 
kommt in grossen, doch unvollkommenen Exemplaren vor. 

Dentalimn und Teilina (nicht näher bestimmbar). 

Cytherea sp. ähnlich der Cißherea Ilörnesi Zitt. (1. c. pag. 72, Taf. III, 
Fig. 5.) Nur im Abdruck. 

Inoceramus Crlpsi Maut. (Reuss, op. cit. II, p. 25, Taf. 37, Fig. 12.) 

Inoceramus latus Mant. (D'Orbigny, Pal. fr. terr. cret. III, p. 513, 
pl. 408, Fig. 1 — 2.) Kommt in der Tucenica in grossen Mengen vor. 

Inoceramus problematicus d'Orb. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 510, 
pl. 406.) Nur ein Exemplar, dem der Wirbel fehlt, mittlerer Grösse. Ausser 
den aufgezählten kommen noch andere Inoceramen vor, doch können die- 
selben nicht genauer bestimmt werden.^ 

Pecten cir. misoiii Goläf. (Goldfuss, op.cit.II, p. 71, Taf 99, Fig. 8.) 
Diese Muschel ist platt zusammengedrückt, dünnwandig und fast ganz glatt. 
Die Ohren haben mittlere Grösse. 

Pecten cfr. cretosus Defr. Sehr charakteristisch und jenen von Karta- 
zabeni ausserordentlich ähnlich. 

Pecten cfr. Rhotomagensis d'O rb. Platt zusammengedrückte, jedoch mit 
schönen nicht gleich weit von einander abstehenden Radialstrahlen ver- 
zierte Art; auch einige concentrische Furchen sind ersichtlich, die Ohren 
sind ziemlich gross und unsymmetrisch. 

Verschiedene andere Pecten-¥ ovmew. 

Lima (?). Em Abdruck ist ebenso breit als lang, hat eine fast qua- 
dratisch rundliche Form, ist schwach gewölbt und eben. 

Plicatiila cfr. aspera Sow. (Zittel, op. cit. p. 120, Taf. 19, Fig. 1.) 
Nur in unvollkommenen Exemplaren vorliegend. 

Ausserdem finden sich noch einige Austern in kleinen, am 
Eande leicht gefalteten Formen. 



1 Nach Tonla lassen die ihm vorliegenden Inoceramen kaum eine 
Gattungsbestimmung zu. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 299 

Der Weg von Tucenica nach Radisevo fvilirt über zwei Hügel ; 
in der dritten Thaleinsenkimg liegt das zweitgenannte Dorf. 
Alles umher ist mit aschgrauer Erde bedeckt, die auch Kalk- 
concretionen enthält; von festem Gestein ist weit und breit keine 
Spur. Beim Abstieg zur Tucenica in der Nähe des Monumentes 
„Bratska mogila" (Bruderhügel) gewahren wir zunächst die 
nämlichen mergeligen Kalksteine, die wir bei dem Dorfe Tucenica 
zu sehen Gelegenheit hatten. Hier wie dort zeichnen sich die 
Schichten durch ihren aussergewöhnlichen Reichthum an Fossi- 
lien aus: 

Pecten, Lima, Exogyra finden sich in Steinkernform und 
Ostrea hippopodium Kils. (Reuss, op. cit. II, p. 39, Taf. 21, 
Fig. 1, 2, 3) in jungen Exemplaren. Auch Terebrateln kommen vor. 

Unter diesen Kalkmergeln gewahren wir, wie auch bei 
Tucenica, ein weisses halbkrystallinisches Gestein ohne deutliche 
Schichtung. Die Mergel sind fast vertical durchbrochen und erheben 
sich mauerartig, verschieden hoch über das Niveau der Tucenica. 
Sie sind vielfach zerklüftet und höhlenveich.^ 

Hier können drei Etagen unterschieden werden: 

a) Die oberste, welche thonmergelig ist, und in welcher sich 
Feuerstein eingesprengt vorfindet; 

b) die mittlere, ein weisser zuckerartiger Kalk, in welchem 
man hie und da glaukonitische Körner findet, enthält viele 
Fossilien: Hemlpneustes, Ostrea, Pecten, Janira, Cardlum, 
Pholadomya etc., die wir weiter unten betrachten werden; 

c) die unterste, die bläulich ist, in welcher man Fliuttheilchen 
bemerkt. Sie ist arm an Versteinerungen. 

In der Nähe der grossen Höhle, die sich links vom Bache 
erstreckt, sieht man sehr gut die mittlere Stufe, reich an Ver- 
steinerungen. (Zumeist als Steinkerne erhalten). Dieser Stufe folgt 
mergeliger Kalk. In der Nähe der Mühle, nicht weit von der 
Strasse nach Lovec, ragen die an Fossilien reichen, weissen, hier 
zuckerkörnigen Kalke hervor, gehen aber in einen harten und 
dichten Kalkstein über, der gleichfalls reich an Versteinerungen 
ist. Vor Pleven verschwinden auch sie unter den thonmergeligen 



1 Zlatarski, Geologische und palaeontologische Untersuchungen 
zwischen Pleven und Trojan-Balkan. Period. .Spisauije, X, 188i, p. 59, 60. 



300 Z 1 a t a r s k i , 

Schichten, die wie ein Mantel die unteren Theile, die wir oben 
betrachteten, bedecken. Die Schichten fallen hier mit 5—6° 
nach N. 

3. Fossilien ans den mittleren Schichten des 
Tucenicathales: 

Pletirotoma sp. (cfr. perspectiva Mant. sp.) (D'Orbigny, op. cit. II, 
p. 525, Taf. 196.) Kommt mir in Form von Steiukeruen vor. 

Phasianclla cir. pusilla Sow. (Sowerby, Observations on some of the 
strata etc. p. 343, pl. 18, fig. 13.) 

Dentalium mediitm Sow. (Sowerby, Mineral Conchology of Great 
Britain, pl. 79, fig. 5, 6.) 

Pholadomya aequivalvis Gold f. sp. (D'Orbigny, Prodrome de Pale- 
outologie stratigr. iiuivers. II, b. 234) hat eine Länge von 22 Mm. und eine 
Breite von 21 Mm. Von dieser Art besitze ich zwei Exemplare in Stein- 
kernen. 

Teilina seniicostata Eeuss (Reuss, op.eit.II, p. 19, Taf. 36, Fig. 11,12.) 
Unsere Art ist niedriger, doch auch länger als die böhmische. Liegt nur in 
einem Abdrucke vor. 

Cytherea civ.polijmorpha Zittel (neue Form). Unter allen am häufigsten, 
jedoch nur in Sternkernen vorkommend; hat eine rundliche, ungleichseitige 
und schwachgewölbte Form; der Vordertheil ist abgerundet und um die 
Hälfte kürzer als der Hintertheil. Die äussere Oberfläche ist glatt. Die linke 
Schale trägt drei divergirende Schlosszähne, von denen nur die zwei 
vorderen stark und gut entwickelt sind; der hintere steht ihnen an Stärke 
weit nach. An derselben Schale bemerken wir auch einen ziemlich starken 
Lunularzahn, der eine fast horizontale Lage hat; ihm entspricht auf der 
rechten Schale eine längliche Vertiefung. 

Cardium alternatinn d'Orb. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 30, pl. 246.) 

Cardimn productum Sow. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 31, pl. 247.) 
Bei unseren Steinkernen kann man die dem kegelartigen Zahn auf der 
linken Hälfte entsprechende Vertiefung ganz genau unterscheiden. Die 
Länge des Kernes beträgt beiläufig 48 Mm., die Höhe aber 62 Mm. 

Sphaeridites sp. viell. Sph. Stjiriacus Zitt. (Zittel, op. cit. p. 75, 
Taf. 26, Fig. 5, 6, 7.) Der Abdruck, den ich in meiner Sammlung habe, ist 
sehr unvollkommen. Kommt mit Janiru (Ne.'uhea) quadricostata im Chlorit- 
kalk des Tucenica Thaies vor. 

Eriphijla lenticularis Goldf. sp. (Palaeontographica, XX, 2, p. 62, 
Taf. 17, Fig. 12; Taf. 18, Fig. 1, 2) ist viel länger als breit; die Schale ist 
gleichseitig, fast oval und endet in einen Wirbel, der nur ein wenig nach 
vorne gewunden ist und fast in der Mitte steht. Länge 36 Mm., Höhe 33 Mm. 

Pectimculina sp. viell. P. Giicrangeri d'Orb. (D'Orbigny, op. cit. III, 
p. 183. pl. 305, Fig. 1 — 4.) Diese kleine j\Iuschel, deren Höhe nur um ein 
Geringes das Ausmass der Länge übertrifft, ist fast kreisrund, wenig 
gewölbt und fast vollkommen glatt. Nur in Abdrücken vorliegend, bei 



Geologische Untersuchimgeu im centralen Baikau etc. oOl 

welchen man nach Toula's ^Meinung' auch an Limopsis calvus Sow. sp. 
denken könnte. Von den zwei Abdi'ücken, die ich besitze, ist der eine 
IJMm., der andere mir 8 Mm. lang. Limopsis sp. Ein vorliegender Steinkem 
lässt nach Toula's Angabe die Bandgrube und die grosse Zahl (15 — 18) 
schräg gestellter Zähne deutlich erkennen. 

Pecfunculus sp. viell. P. obsoletus (Goldfuss, op.cit.II, p.löO,Taf. 126, 
Fig. 4) oder P. Marrotianus d'Orb. eine oval-rundhehe Form; nur in einem 
Steinkerne vorliegend. Der Wirbel ist spitzig imd hakenfönuig gebogen : 
die Bandüächen unter demselben sind sehr gut erkennbar, sie sind ziemlich 
stark und acht an der Zahl. Länge 30 Mm., Breite fast ebensogross. 

Pinna cfr. cretacea Schloth. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 256, pl. 333, 
Fig. 4, 5.) 

Gervillia sp. Von dieser Art besitze ich nur ein Bruchstück, dessen 
Breite 23—25 Mm. beträgt. Die Oberfläche der Schalen ist glatt und mit 
concentrischen Linien bedeckt. Hat grosse Ähnlichkeit mit G. solenoides 
Defr. 

Neithea (Janira) aequicostata Lam. sp. (Palaeontographica XX, 1, 
p. 200, Taf. 45, Fig. 5—7.) In beiden Schalen vorliegend. Die oberen sind 
gewöhnlich gut erhalten, nur die Ohren fehlen ihnen. Nach d'Orbigny ist 
die Neithea aequicostata charakteristisch für die unteren Schichten des Turon 
sowohl des Pariser- als auch des mediterranen Beckens. 

Neithea quinqiiecostata Sow. sp. (Palaeontogr. XX, p. 201, Taf 45, 
Fig. 8—9.) 

Neithea quadricostata Sow. sp. (Zittel, op. cit. p. 39, Taf. 18, 
Fig. 4 a — h). Unterscheidet sich von der N. quinqiiecostata durch ihre sechs 
weniger stark convexen Hauptrippen. 
Spondiliis sp. (nur ein Bruchstück). 

Änomia truncata Geinitz (Reuss, op. cit. II, p. 45, Taf. 31, Fig. 13) . 
Grösser als die Exemplare aus dem böhmischen Plänerkalke. 
Exogyra sp. ind. 

Ostrea cfr. ungulata H. Coquand (Monographie du geure Ostrea, 
p. 58, pl. 31, Fig. 4 — 15). Diese längliche, zusammengedrückt rundliche 
und gebogene Ostrea kommt sehr häufig in dem Thale der Tucenica bei 
Pleven voi*. 

Serpula gordialis Schloth. (Palaeontogr. XX, 1, p. 283, Taf. 63 
Fig. 2-9.) 

Serpula conjuncta Gein. (Geinitz, Nachtr. zur Charakt. IV, p. 7, 
Taf. 4, Fig. 6 — 9), glatt, cylindrisch, beiläufig 1-5 Ctm. im Durchmesser. (Im 
unteren Plänerkalk.) 

Serpula Ootatoorensis Stol. iPal. Ind. Cret. F.iuna, IV. p. 65, pl. 29, 
Fig. 9, lOj hat ein längliches, rundlich-elliptisches, glattes, ebenes und sehr 
oft gewundenes Gehäuse. Der grösste Durchmesser misst bis zu 7 Mm. 

Hemipneustes striato-r ad latus d'Orb. (D'Orbigny, op. cit. VI, p. 113, 
pl. 802, 803.) Eine der verbreitetsten Fossilien aus der Umgebung von 
Pleven; unterscheidet sich von der d'Orbigny 'sehen Art nur durch die 



302 Z 1 a t a r s k i , 

beträchtlichere Grösse. Unsere Stücke erreichen eine Länge von 95 Mm., 
eine Breite von 80 und eine Höhe von 60 Mm.; folglich übertreffen sie die 
französischen in der Länge nm 17 Mm. 

III. Von Pleyen nach Nikopol. 

Gegen das uördliclie Ende von Pleven, sowie auf dem Wege 
nach Bukovlek wirdLelim 7a\ Ziegeln verarbeitet. Er verschwindet 
€rst am Fusse des Gebirgsabhanges, wo er einem bläulichen, 
undeutlich geschichteten, bröckeligen Mergel, ähnlich jenem, den 
wir früher bei Opanec, Plasigas und Dessivica sahen, Platz macht. 
Dieser Mergel ist die Fortsetzung des obgenannten Beckens. 

Auf der Höhe des Abhanges, zwischen Pleven und Bukovlek, 
von wo aus man das ganze Becken und einen Theil vom Balkan 
übersehen kann, finden wir denselben Mergel. 

In dem Bache, der auf den Grivicahöhen entspringt und 
durch Bukovlek fiiesst, kann man nichts gewahren, was den Bau 
des Hügels verrathen könnte. Erst gegen die Abhänge des zweiten 
Hügels sieht man au zwei bis drei Stellen weissen, theilweise 
gelblichen oder gelblichblauen Mergel, von derselben Art, wie der 
früher erwähnte, nur dass er einen grösseren Gehalt an Kalk 
aufweist. In der grauröthlichen Ackererde, die über dem Mergel 
liegt, finden wir viele Kalkconcretionen. 

Der kalkige Mergel oder Mergelkalk ist seinem Alter nach 
(ob tertiär oder cretacisch) kaum zu bestimmen. 

Fast genau in der Mitte des Weges, zwischen Pleven und 
Brsljanica, in dem Grundstücke, das „Pravitelsten suvat" genannt 
wird, wurde unlängst ein Steinbruch eröffnet, in dem wir die 
obere Kreide aufgeschlossen finden. Die Gesteine sind weiss, 
stellenweise grau oder gelblich und kreidig- erdig. In frischem 
Zustande ist der Fels der Farbe nach gelblich und besitzt nur 
eine mittelmässige Härte; wird er aber einige Zeit der Luft aus- 
gesetzt, so erhält er eine schneeweisse Farbe und vdrd in hohem 
Masse bröckelig. In demselben finden wir grauen, gelblichen und 
schwarzen Feuerstein, der jedoch selten grosse Concretionen 
bildet; verkieselte Spongien, Belemniten etc. kommen häufig vor. 
Diese Kreidescbichteu beginnen, ohne eine deutliche Stratification 
aufzuweisen, unter dem Ackerboden, der hier kaum 15 Ctm. 
erreicht. Von Thierresten finden Avir am häufigsten: Eschara und 



Geologische Untersiichungeü im centralen Bnlkau etc. 303 

andere Bryozoen, und zwar in grosser Menge und Mannigfaltigkeit. 
In der lockeren weissen Kreide sind noch folgende Fossilien 
reichlich vertreten : 

Te7'ebrati/la, meist zerdrückt und entstellt. Einige darunter sind sehr 
gross und erreichen eine Länge bis zu 80 — 90 Mm. Bei einer aufmerk- 
sameren Betrachtung werden wir gewahr, dass manche Exemplare an 
T. senilglohosa Sow. erinnern, andere wieder an T. Carnea Sow., mit einem 
Schlosskantenwinkel von 90 — 100°. Schafliäutl beschreibt eine grosse 
Terebraüila aus Teisenberg, die sehr au unsere Art erinnert, unter dem 
Namen T. ohesa Sow.i Die in der Paläontologie frangaise abgebildete 
T. obesa unterscheidet sich aber wesentlich von der bayerischen;- ich 
glaube, dass SchafhäutTs T. obesa eigentlich eine T. semiglobosa oder 
T. carnea ist. 

Pecten sp. viell. P. cnlosus Defr. radialrippig, mit vielen feinen con- 
centrischen Linien. Sein Vorkommen ist an jene Partien der Kreide 
gebunden, wo der Feuerstein unregelmässig vertheilt ist und gleichsam als 
Bindemittel des Grundgesteines fungirt. Dieses letztere ist aschgrau oder 
gelblich und ist überaus reich an Bryozoen und Spongien etc. deren 
Bestimmung ich mir für später vorbehalte. Auch Belemnüclla cfr. mucronota 
d'Orb. findet sich mit der Kreide verwachsen und so stark von Kiesel 
durchdrungen, dass man sie nicht unversehrt herausschlagen kann. Nach 
dem Querschnitte zu urtbeilen, hätten wir es eher mit B. mucronata als mit 
B. quadrata zu thuu. 

Zwischen Pleven und Brsljanica dehnt sich eine Plateau- 
fläche aus, welche die Beschaifenheit des Kreideuntergrundes 
nirgends verräth. Der kleine Bach, der durch Brsljanica fliesst, 
entsteht aus mehreren (4 — 5) Quellen, unweit des Dorfes selbst, 
und nicht, wie es in der Karte des russischen Generalstabes 
gezeichnet ist, in der Gegend von Vrbica; der hier gemeinte Bach 
erreicht nämlich Brsljanica gar nicht. 

Der Fels in dem letztgenannten Dorfe ist mit einer mächtigen 
Lösslage bedeckt; wie überall ist diese letztere auch hier grau, 
locker und reich an Kalkconcretionen. Der weitaus grössere Theil 
der Einwohner hat sich im Löss wohnlich eingerichtet. Da in 
Brsljanica selbst keinerlei festes Gestein zu Tage tritt, ist man 
gezwungen, Bausteine aus weiten Fernen, aus Kreta und Kaca- 
munica, zu bringen. Die ersteren haben einige Ähnlichkeit mit 
jenen von Kajalyk, doch sind sie durch ihre geringere Festigkeit 
davon unterschieden. Die Kalke von Kreta sind so reich an 



3 Süd-Bayerns Lethaea geoguostica, p. 132, Taf. 26, Fig. 1, a—c. 
2 Terrain cretace IV, p. 101, pl. 513, Fig. 1—4. 



304 Z 1 n t a r s k i , 

Bry zo eil, dass sie als Bryozoenkalk bezeichnet werden können. 
Hier sieht man noch: Pecten,Neithea qumquecostata,Hem{pneustes 
striato rudiatus, sowie ausserordentlich schöne Exemplare von 
Exogyra Matheroniana d'Orb. Ausser schwarzem Feuerstein 
gewahrt man in den Felsen von Kreta auch etwas Glaukonit. 
Der Fels von Kacamunica, der zu derselben Kreideetage gehört, 
lässt sich sehr leicht schneiden und färbt ab. In demselben sieht 
man unregelmässige Adern, erfüllt mit bläulichem Thon (auch 
Quarz findet sich ausgeschieden); Bryozoen, Pecten u. a. m. 
kommen vor. 

In der Nähe von Kopriva, nordwestlich von Brsljanica, 
gräbt man auf der rechten Thalseite einen etwas glimmerhältigen 
Quarzsand aus. Am Ufer lesen wir von oben nach unten Folgendes 
ab: 30 — 40 Ctm. graue, lockere Ackererde, darunter Gllimmer- 
sand; je tiefer, desto freier von Thon ist der Sand; in einer 
Tiefe von 4 — 5 Metern kommt ein sehr reiner Quarzsand zum 
Vorschein. Die Ablagerungen sind infolge der verschiedenen 
Farbennuancen der einzelnen Schichten sehr deutlich gegliedert; 
sie sind röthlich, bläulich, gelblich, blutroth, weisslich und zu 
Unterst wieder gelblich. Es ist kein Zweifel vorhanden, dass 
dieselben Sandschichten sich auch gegen Kopriva erstrecken. 

Von Brsljanica aus erklomm ich in einer kurzen Zeit ein 
Plateau (198-5 Meter) und stieg sodann in das Thal des Osam 
(Osma) hinab. Der felsige Abhang und das terrassenförmige 
rechte Ufer gewähren einen hübschen Anblick. Erst in jenen 
Hügeln, die sich auf der linken Seite des Flusses, gegenüber von 
Moselievo, erheben, konnte ich einen porösen, aber festen ter- 
tiären Kalk erblicken; derselbe ist von Cerithien und Cardien 
erfüllt; doch lassen sich weder die einen noch die anderen näher 
unterscheiden, weil sie nur in Steinkernen vorkommen. Der Fels 
hat eine gelbliche oder gelblichgraue Färbung, seiner Structur 
nach ist er körnig, halbkrystallinisch oder dicht. Mit Hilfe der 
Lupe erblickt man hie und da auch Glimmerschüppchen und 
weisse, mikroskopisch kleine Thiergehäuse. Die tertiären, sar- 
matischen Bänke (Felsen), um die es sich handelt, sind an einigen 
Stellen auf der linken Seite des Osam sichtbar; sie überschreiten 
jedoch diesen Fluss nicht und verschwinden in der Richtung nach 
der Donau zu unter dem Löss. 



Geologische Untersuchungeu im ceutralen Balkan etc. öOo 

Der Fluss Osam fliesst sehr ruhig- in einem wenig* breiten 
Thale, macht viele Windungen, unterwühlt, wie schon erwähnt, 
das rechte Ufer und setzt das Material auf dem linken ab, wo 
sich eine fruchtbare Alluvialebene gebildet hat. 

Von Moselievo aus erstieg ich den letzten Hügel vor dem 
Donau-Ufer; derselbe erhebt sich auf der rechten Seite des Osam 
zu einer Höhe von 45 Meter, er besteht ausschliesslich aus 
weisser Kreide, in welcher sich unregelmässige Stücke von 
Feuerstein finden. Die obersten Felsen sind härter und w'ie eine 
Decke schützen sie die unteren weichen Schichten vor dem Zer- 
fall. Das linke Osamufer ist niedrig, anstehendes Gestein ist 
nicht zu finden. 

An der Osammündung ist der Fluss nicht breiter als 6 bis 
8 Meter. 

Östlich vom Osam erhebt sich das Donau-Ufer bis zu der 
beträchtlichen Höhe von 20 — 30 Metern über das Flussniveau 
und besteht ausschliesslich aus flinthaltiger Kreide. Der Feuer- 
stein erscheint meist in runden, unregelmässigen, ja bizarren 
Stücken, und zwar gewöhnlich in Schichten g-elagert, wobei die 
einzelnen Knollen lose neben einander liegen oder, was seltener 
vorkommt, zu zweien oder mehreren verbunden sind. Ich konnte 
an dieser Stelle jedoch von Feuersteinplatten, wie sie im Pariser 
Becken und auch in den Steinbrüchen von Menden vorkommen, 
nichts gewahren. Der Flintgehalt nimmt mit der Tiefe ab. 

In der Richtung nach Nikopol sehen wir zu unterst weisse 
und sodann bläuliche Kreide, die des Flintes ganz ermangelt; 
diese Kreidebänke lassen sich leicht schneiden oder regelmässig 
spalten; manche Schichten davon sind weich, andere wieder hart 
und hellklingend. In dieser Kreide sind die Fossilien sehr reich 
vertreten, gehören jedoch nur wenigen Gattungen und Arten an. 
Es fanden sich hier: 

Echinoconjs vulgaris Breyn (D'Orbiguy, op. eit. YI, p. 82, pl. 804 
bis 806, 808, Fig. 1 — 3) vielmehr imter dem Jsamen Ananchißes ovata Leske 
sp. bekannt, wird am Donau-Ufer häufig und in schönen Exemplaren 
augetrofien, doch kommen auch plattgedrückte, und sogar ganz formlose, 
zerquetschte Einzelstücke vor. Viele sind mit Kreide, andere mit Flint aus- 
gefüllt, sie sind mehr oder weniger stark gewölbt, haben eine flache Unter- 
seite oder sind wohl auch wenig gewölbt, so dass sie gewissermassen das 
Aussehen von Echinoconjs semi-globus d'Orb. gewinnen. Diese Art charak- 



306 Z 1 a t a r 8 k i , 

terisirt in Böhmen den oberen Plänerkalk und in Frankreich die 22. Etage 
des Senon. 

Ostrea vcsicidaris Lam. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 742, pl. 487) 
ist das häufigste Fossil. Erscheint zuerst bei Dzoruovo (am Flussufer) und 
erreicht das Minimum der Verbreitung in der Nähe der Donau. Am rechten 
Ufer des Osam fand ich nur diese Muschel vor. Der Form nach ist Ostrea 
vesicularis auch hier überaus variabel. 

Belemnitclla mucronata Schloth. sp. (D'Orbigny, op. cit. I, p. 63, 
pl. 7.) Diese für die obere Kreide so charakteristische Belemnitella ist auch 
in der Kreide des unmittelbaren Donaugebietes reichlich vertreten. Ganze 
vollständige Exemplare findet man nur selten. Die meisten Individuen sind 
kegelförmig und schwach zusammengedrückt , die jungen Exemplare 
herrschen vor. Ein typisches cylinderförmiges, in einen Stachel endigendes 
Exemplar fand ich südlich von Nikopol, unweit Dzornovo. 

Ausserdem finden wir noch Spongien, Bryozoen, Foraminiferen etc. 
Manche von diesen mikroskopischen Thierresten kommen auch im Flint 
vor; man kann sie hier mit der Lupe ganz gut unterscheiden. 

An der Donau in der Nähe des Hafens von Nikopol zeigen 
diese Bildungen deutliche Schichtung und fallen unter einem 
Winkel von 12° nach N (h. 2 — 3). Die Kreide ist hier gelblich, 
mürbe und enthält wenig Flint. Die grünliche Färbung mancher 
Schichten rührt von feinen Glaukonitkornchen her. Etwas weiter 
östlich kann man folgende Übereinanderfolge wahrnehmen: Zu 
oberst weisse, weiche oder härtere, klingende und flinthaltige 
Kreide, darunter weichere Kreide ohne Feuerstein und zu unterst 
compacte, härtere Kreide als oben. 

Die atmosphärischen Gewässer und die Winterfröste machen 
das Gestein mürbe und verursachen auch öftere Erdabrutschungen 
und Felsstürze. So zum Beispiel hat sich erst zu Anfang des 
Jahres 1884 ein grosser Felsblock abgelöst, glücklicherweise 
ohne Jemanden zu treffen.^ 



1 Prof. Toula theilt mir diesbezüglich mit, dass „die Übereinstimmung 
dieses obercretacischen Schichtencomplexes mit jenem im Osten am See 
voll Kanara und am Karasu gross sei. Peters (Dobrudscha II, 48, Denk- 
schriften, Bd. XXVII, p. 192) erwähnt daselbst gleichfalls Kreide mit Feuer- 
stein, reich an Ostrea vesicularis und er führt daselbst auch das Vorkommen 
von Belemnitclla viucronata an. Die Foraminii'eren und Ostracoden hat 
bekanntlich Reuss, Sitzber. LH, p. 445 beschrieben, v. Fritsch erwähnt in 
seinem Vortrage ('Beitrag zur Geognosie des Balkan, Halle 1874) nur bei- 
läufig das Vorkommen von Senonbildungen bei Nikopol". 



Geologische Untersuchimgeu im centralen Balkan etc. 307 

IT. Von Nikopol längs des Osam nach Lovec. 

1, Die Stadt Nikopol ist auf beiden Seiten eines Thaies 
gelegen, das sich von S nach N erstreckt und von festem Gestein 
keine Spur aufweist. Der Boden besteht zumeist aus Löss. 

An dem Abhänge, über welchen der Weg nach Vabel und 
Dzornovo führt, bemerkt man hie und da unter dem Löss auch 
weisse Kreidefelsen. Die Stärke der Lössschichten variirt zwischen 
1 und 10 Meter. Auf dem Plateau verschwindet wieder jegliches 
feste Gestein und erst dort, wo sich der Weg nach dem Osmathal 
senkt, kommen die Felsen von Nikopol mit ihren charakteristi- 
schen Versteinerungen (Ostrea vesicularis Lam. und Belemnitella 
mucronata Schloth. sp.) nochmals zum Vorschein und erstrecken 
sich bis oberhalb Moselievo. Die Ebene zwischen diesem letzteren 
Orte und Dzornovo ist mit Alluvium bedeckt. 

Die rechte Seite des Osam ist felsig und besteht aus Kreide 
mit Flint. Die obersten Schichten sind härter, die unteren wie 
auch die an der Donau dagegen bestehen aus weicher Kreide; 
desshalb sind auch nur die obersten Partien der Ufer von der 
Zerbröckelung bewahrt, dagegen erscheinen die unteren Theile 
vielfach ausge wühlt. Die Bäche Mrsevska und Lohvicka sind es, 
die das Kreidematerial an die Oberfläche tördern. 

Vor Novaceni sieht man unter den hier zu Ende gehenden 
weissen Kreidefelsen sandigen, grünlichen, unter dem senonischen 
Kalk concordant liegenden Mergel. Die Schichten dieses Gesteins 
sind verschieden an Härte, doch durchwegs von dem nämlichen 
Material; sie lassen sich in ziemlich dünne Platten spalten und 
enthalten fein krystallisirten Markasit, der infolge seiner Auf- 
lösung und Umwandlung seiner Umgebung eine röthliche oder 
gelbliche Farbe verleiht. 

Der Weg von Novo-Novacene nach Boceva Mahala führt über 
eine mit Löss bedeckte Ebene. Hier ist das linke Ufer des Osam 
felsig und reicht dicht an den Fluss. Bei Boceva Mahala führt 
der Weg nach Trncevica quer über den Osam. Hier trifft man am 
rechten Ufer nur blaue Mergel; dasselbe ist kaum 1 Meter höher 
als das Niveau des Flusses. 

Im Paulikianer-Dorf Trncevica sind die meisten Hausdächer 
mit Sandsteinplatten bedeckt, die aus einer Entfernung von 



308 Z 1 a t a r s k i , 

3 — 4 Kilometer aus NO hergebvaclit werden. An demselben Orte 
bricht man dort: a) gelblich-röthlicben, dichten Kalkstein^ der 
Quarzkörner in grösseren oder in kleineren Mengen enthält und 
demnach bald mehr und bald minder sandig erscheint. In diesem 
Gestein finden sich Versteinerungen in Form von Steinkernen, 
so unter anderen Trigonien, Pecten, kleine Inoceramen 
u.a.; b) buntgraueu, grobkörnigen Sandstein mit weissen Glimmer- 
blättcheu und ausserordentlichem Reichthum an Petrefacten. Vor 
allen häufig ist Orbitolinn cojicava Lam.; diese Felsart ist hart 
und kann zu Mühlsteinen verwerthet werden; c) grauen, auch 
Sand enthaltenden Kalkstein oder Kalksandstein. Von den in ihm 
vorkommenden Fossilien sind Trigonien und unbestimmbare 
Bivalven zu erwähnen, auch verkohlte Pflanzenreste kann man 
hie und da ganz deutlich gewahren. 

Über das stratigraphische Verhältniss dieser Felsarten ist 
mir nichts Näheres bekannt. 

Dieselben Orbitolinenscbichten finden wir auch bei Peti- 
Kladenci, Tatari und Ores; auf der kleinen Halbinsel aber, welche 
der Osam westlich von Trncevica bildet, erblicken wir nur gelb- 
lichen, thonigen, sandhaltigen Kalk, ähnlich jenem aus der Gegend 
von Pleven, Kacamunica und Suvatlyk. 

Auch in Dervisko-selo bedient mau sich wie in Trncevica 
anstatt der Dachziegel oder sonstigen Deckmaterials der aus 
weiter Ferne transportirten Kalksaudsteinplatten mit Orbito- 
linen.* 

Auf der Strasse, die von Pleven nach Ruscuk führt, fand 
ich zum ersten Male in Bulgarien Basaltstücke, die aus Ovca- 
Mogila, Cervena und der Umgebung von Slomer stammen. (Man 
vergleiche weiter unten.) 

Das rechte Osma-Ufer ist auf der Strecke Balgareni-Kozar- 
beleni vielfach zerrissen. Wir erblicken in demselben bläuliche 
Mergel mit dünnen Ockerlagen. Ein hübsches Profil bietet sich 
uns dar bei der Brücke, wo wir auf den Abhängen des hoben 
Ufers auch abgeschliffene und abgerundete Stücke von wachs- 



1 Wir liätten es dabei, wie Toula meint, offenbar mit Äquivalenten 
fler Orbitolinensandsteine und Orbitoliuenkalke zu tliun, welche er in den 
Grundlinien zur Geologie des westlichen Balkan (p. 47) als oberurgonen 
Alters oder als unteres Apt annahm. 



Geologische Uutersuchuugeu im ceutraleu Baikau etc. 309 

gelbem Fliut finden, wie auch eckige Brocken von hartem Sand- 
stein. 

Die linke Seite des Osam ist ganz eben und nur mit Löss 
bedeckt. Das Flussbett hat sich bis zu einer Tiefe von 2 Metern 
in das weiche Material eingegraben. Der Lössuntergrund ist 
nirgends sichtbar. Unmerklich hebt sich die Ebene in der Richtung 
nach W gegen Pleven hin. Erst unweit Pelisat zeigen sich im 
Thal unter dem Löss mergelige Kalkt'elsen, deren Beschaffenheit 
mit jenen von Tucenica ziemlich genau übereinstimmt. 

Lazene, Orta-kjöj, Kara-ac, Kalugerovo und Letnica liegen 
in der fruchtbaren Ebene des Osam, auf der linken Flussseite. 
Gegenüber von Letnica unweit Krusin erblicken wir zum ersten 
Male weisse Kalkfelsen, die folgendermassen eingetheilt werden 
können: a) Vollkommen weisser, dichter Kalk, der spä^hige 
Calcitkörnchen enthält. Im felsen Felsen gewahrt man schöne 
Orbitolinen, wahrscheinlich Orh. concava; h) körniger, bunter 
Kalkstein, meist von gelblich-grau-weisser Färbung, weist eben- 
falls grosse Mengen von Orbifolina cfr. concava und anderen 
Fossilien auf; die hiesigen Orbitolinen sind stärker gewölbt und 
dickwandiger als jene, die wir gelegentlich bei Trncevica 
betrachtet haben. Denselben Orbitolinenkalksteinen werden wir 
später auch östlich von Suhindol begegnen. 

Die Felsen von Krusiu sind nur in der Nähe des Dorfes 
selbst sichtbar, im weiteren Verlaufe nach S verschwinden sie 
unter den Waldcomplexen und erscheinen erst wieder, wenig 
aufgeschlossen, bei Lazene und bei Karahasan. In dem Juruci, 
zwischen Karahasan und Kojovci, werden graue, thonig-sandige 
Steine gebrochen, die ziemlich reich an Orbitolinen sind. 

Einige Kilometer südwestlich von Karahasan gewinnen die 
Kalkfelsen eine grössere Entwickelung. Sie erstrecken sich auch 
auf das linke Osraa-Ufer und ragen hier an vielen Stellen mitten 
aus dem Wald hervor; auch hier enthalten sie Orbitolinen, doch 
erreichen sie in Bezug auf die Menge bei weitem nicht die unter 
ihnen liegenden Schichten. Diese letzteren treten am deutlichsten 
hervor, wenn man den Hügel von Karahasan übersteigt und nun 
nuch der Ebene zulenkt. In den harten und bunten Kalksteinen 
kommen ausser Orbitolinen auch Korallen und andere Fossi- 
lien vor, wie sie in den Orbitolinenschichten oder im Aptien nicht 



310 Z 1 a t a r s k i , 

selten sind. Die einzelnen Schichten liegen concordant und fallen 
unter einem Winkel von 8 — 10° nach NW. 

Vor Iglav sieht man noch die Orbitolinenschichten; bei 
Setovo und Zalkovo werden dieselben sandig und nehmen au 
Orbitolinenreichtlium zu, gerade wie vor Lovec. 

Der Fluss Osam bespült bis Omarelo das rechte Ufer, doch 
wendet er sich in seinem weiteren Laufe nach S von diesem ab 
und streicht nun näher an das felsige linke Ufer, während sich 
auf der rechten Seite eine Alluvialebene auszubreiten beginnt. 
Das Gestein ist hier kalkig und röthlichgrau, manche Partien 
sind körnig, andere wieder ganz dicht, die letzteren sind ausser- 
dem von feinen, bläulichen Calcitadern durchzogen, doch enthalten 
weder die einen, noch die anderen Spuren von Fossilien. 

Auf dem linken Osma^Ufer kommt ein Conglomerat mit 
kalkig- thonigem Bindemittel zum Vorschein. Die abgeschlitfenen 
Einzelstücke erreichen Faustgrösse und bestehen meist aus Ober- 
kreide, aschgrauem und rothem Sandstein, sowie auch aus Eruptiv- 
gesteinen. Ähnliche Conglomerate finden wir auch in der Jantra 
unweit Tirnovo. 

Bei der Mühle sind beide Ufer felsig und weisen echten 
Requienienkalk auf; dieser letztere zieht sich nach Lovec hin, 
ist in seineu obersten Partien bläulich, buntgrau, halbkrystalli- 
nisch und geht allmälig in thonigen und mergeligen Kalk über; 
zu allerunterst erblicken wir bläuliche, sandig-mergelige Schichten, 
reich an OrbitoUna lenticularis, Orb. bulgarica, Orb. concava und. 
verschiedenen Korallen, die man am deutlichsten auf der 
rechten Seite der Landstrasse, noch vor dem Erreichen der Stadt 
Lovec (Loftscha) (wo die Schichten unter einem Winkel von 
4—6° nach N fallen) sehen kann. Der nämlichen Felsart be- 
gegnen wir auch im S von Lovec, hier fallen sie mit 10° nach S; 
in der Mitte der Stadt sind sie fast horizontal gelagert. So hätten 
wir denn hier eigentlich einen Sattel vor uns, dessen mittlere 
Partie von den Wässern abgetragen und zu einer Mulde um- 
geschaffen worden ist. Inmitten dieser Mulde erhebt sich nun 
Lovec. 

Um die Vertheilung der Schichten besser zu charakterisiren, 
erlaube ich mir an dieser Stelle ein Profil anzuführen, das ich der 
Ortschaft Stratis (auf der rechten Seite des Flusses) entnehme: 



Geologische Untersiicliimgen im centraleu Balkan etc. 311 

a) Zu Unterst erscheint bläulicher mergeliger Kalk mit Rhyn- 
chonella] derselbe geht allmälig in harten und dichten, 
bläulich -rothen, orbitoliuenhältigen Kalk über. Hierauf 
folgen in der Eichtung nach oben 

()) bläulicher Mergel (1 — 1 -5 Meter) mit dünnen Schichten von 
bläulichem Kalk und Orbit oliuen; 

c) eine dicke Schichte von aschgrauem, ziemlich hartem, tho- 
nigem Kalk mit Requienia oder Caprotina; 

d) harter, röthlich-blauer, fein krystallinischer Kalk, weniger 
reich an Orbitolinen; 

e) Knollenkalk mit weissen Calcitadern und grossen Nerineen, 
geht nach oben in röthlichen compacten Kalk über, enthält 
aber nicht viel Orbitolinen. Auf dieser Schichte ist das erste 
Kriegerdenkmal errichtet. Weiter verzeichnen wir: 

f) Eine Schichte von bläulichem Mergel, reich an allen jenen 
Petrefacten, die wir in unmittelbarster Nähe der Stadt 
fanden; 

<l) thonig-mergeliger und kalkiger Sandstein; enthält verkohlte 

Pflanzenüberreste ; 
h) eine Schichte von röthlichem Gestein, worin die Orbitolinen, 
Latimaeandra und andere vorwalten.Oben sind die Kequienien 
die vorherrschende Art.^ 

In der Nähe des Hügels „Krali Markov Kaipak" finden wir 
in den obersten Schichten, sowie in dem röthlichen thonigen 
Kalk reichliche Mengen von Nerineen, Eequienien, doch sehr 
wenige Orbitolinen. 

2. Fossilien aus der Gegend von Lovec. 

Turbo /n?/mV«s Forbes(Fossües du terr, aptien, p.38, pl.IV, Fig. 1—2). 
^ur ein kleines, junges und schön erhaltenes Exemplar ; dasselbe fand ich 
in der Nähe von Lovec in den ilergelschichten, und zwar mit verschiedenen 
Korallen und Orbitolinen. Diese Schnecke, obwohl nicht vollkommen ent- 
wickelt, zeigt alle die charakteristischen Zeichen der Arten von Perte du 
Rhone und St. Croix. 



1 Dieses Profil steht, wie Prof. Toula meint, „in bester Übereinstim- 
mimg mit jenem, welches wir v. Fritsch (1. c. p. 3) verdanken, wobei die 
Glieder c, d und e dem als ,, drittes Glied" bezeichneten Complex bei 
Fritsch, /" und ^ aber dem „vierten Gliede" entsprechen würden. Für das 
oberste Glied (hl) hielt es v. Fritsch für nicht unmöglich, dass wir es 
dabei mit einem verworfenen älteren Gliede zu thun haben könnten". 

Sitzb. d. mathem.-natunv. Gl. XCllI. Bd. I, Ablh. 21 



312 Zlatarski, 

Nerinea cfr. Renauxiana d'Orb. (D'Orbiguy, op. cit.II, p.76, pl.l57.) 
Kommt in kleineu Exemplaren mit Requienien zusammen in dem zuletzt 
erwähnten Hügel vor. N. Renauxiana gehört zu den Arten mit einer breiten, 
konische Räume besitzenden Spindel, sie nähert sich dagegen den ebenfalls 
lU'gonen Arten : N. Coquandiana d'Orb. und N.travernensis VictQt et Camp. 
Die grösste Ähnlichkeit zeigen N. Renauxiana und N. Coquandiana \ nicht 
selten werden deswegen beide miteinander verwechselt-, nur bei einer 
grösseren Aufmerksamkeit gewahrt man folgende Unterschiede: a) N. Co- 
(juandiana besitzt stärker gewölbte, weniger zahlreiche Knoten; b) der Nabel 
der N. Renauxiana ist breiter als bei der N. Coquandiana und c) ist die Höhe 
der Umgänge im Verhältniss zum Durchmesser beider ersteren geringer.i 

Requienia Loveensis n. sp. (Taf. II), Durchmesser 12*5 Ctm., Höhe 
11-3 Ctm. Diese grosse, dickschalige Bivalve hat eine dreieckige, herz- 
förmige Gestalt. Die linke oder untere Klappe ist fast ebenso lang als die 
obere, an einer Seite zusammengedrückt und endigt mit einer kurzen, runden 
Spirale. Die obere oder rechte Schale ist sehr stark gewölbt, ihr höchster 
Punkt liegt in dem vorderen Drittel. Der Wirbel der kleineren Schale ist 
schwach gewunden, der grössere etwas stärker. Die vereinigten Mund- 
ränder der beiden Klappen sind aufgeworfen. Die rechte Schale ist glatt, 
mit unmerklichen concentrischen, ungleichweit von einander abstehenden 
Linien; die linke dagegen hat sehr grobe und tiefe Furchen und zeigt einen 
lamellareu Bau der äusseren Schichte der Schale. Die anderen zwei Schichten 
sind glatt und ganz dünn. 

Die allgemeine Form, die fast gleich grossen Schalen und deren 
Sculptur deuten auf eine neue Art hin und reichen wohl aus, um sie von 
den ähnlichen Arten, etwa //. Archiaciana d'Orb. und R. subaequalis d'Orb. 
zu unterscheiden. Diese besitzen wohl ähnliche Klappen, doch sind die 
Schalen der ersteren höher als breit und gleich stark gewölbt. R. subaequalis 
hat ganz glatte, symmetrisch gewundene Klappen, ausserdem ist ihre Form 
fast kugelförmig und nicht kantig, wie bei unserer Form. R. subaequalis 
bleibt überdies viel kleiner (7 Ctm.). 

Requienia Drinovi nov. form. Tat". III, Durchmesser 13 — 16 Ctm., 
Höhe 10 — 11 Ctm. Form länglich. Diese Bivalve besteht aus zwei ungleichen 
Schalen; die obere ist kleiner imd kürzer als die untere und endigt mit 
einer kurzen Spirale; beide sind glatt, mit feinen concentrischen Linien. 
Der vordere Theil der Schale ist zusammengedrückt, der hintere aufgebläht. 
Die obere Klappe ist stumpf, kegelförmig gewölbt imd ihr Wirbel nur 
schwach seitwärts gebogen. Das Schloss hat einen gut entwickelten, schief 
nach aussen gekehrten Zahn. Die Dicke der Schalen ist beträchtlich. Die 
untere Hälfte der R. Drinovi ist nur gegen den Wirbel zu scharf gekielt. Die 
eine Hälfte dieser Schale ist nur schwach gewölbt, die andere stark convex.2 



1 Prof. Toula erklärt das ihm zugesendete Stück für eine etwas 
stumpfere Form der typischen N. Renauxiana d'Orb. 

2 Die vorliegende neue Form von Requienia schliesst sich nach 
Toula ziemlich innig an die Requienia Lousdalii{iiOV7.) d'Orb. an, doch ist 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 313 

Beide Requienien stammen aus Urgon-Schichten bei „Krali Markov 
Kaipak^, zwei Kilometer südöstlich von Lovec, sie kommen auch in der 
Umgebung von Tirnovo vor (in Kamenec), auf dem Wege nach Orehovica. i 

Ich benenne sie zu Ehren des bulgarischen Historikers Professor 
Martin St. Drinov. 

Die Orbitolinen-Schichten bei Lovec enthalten auch viele Korall en.2 

Von Ci/clolites liegen zwei schöne Exemplare vor; dieselben haben 
eine entfernte Ähnlichkeit mit Fimgia discoidea Goldf. (Petrefacta Ger- 
maniae I, p. 47, Taf. 14, Fig. 9) und kommen mit den obenerwähnten Re- 
quienien zusammen vor. 

Orbitulina biilgarica, Orh. lenticularis und Orb. concava var. sind 
unmittelbar vor der Stadt Lovec neben den Korallen am reichlichsten 
vertreteu.3 

T. Ton Lovec über Novoselo^ Trojan, Sipkovo nach 

Sevlievo. 

1. Von Lovec über Biiil, Debnevo längs der Vidima 
nach Novoselo. — Wir wollen zuerst der Hauptstrasse, die 
nach Sevlievo führt, folgen, und sodann bei Gorni-Pavlikeni 
(Ober-Pavlikeni) nach S einlenken. 

Sobald man den Kamm des im von Lovec gelegenen 
Gebirges (man vergl. oben) ersteigt, gewahrt man auf der 
rechten Seite der Landstrasse röthlichen urgonen Kalk, dessen 



sie viel grösser, weniger scharf gekielt und sind die Furchen der Bandgrube 
weniger scharf ausgeprägt, so dass diese gegen den Schalem-and hin fast 
Acrschwindet. Ganz ähnliche grosse Requienien fand Toula seinerzeit (187.5) 
auch an der Botunja bei Vraca und hatte die betreifende Form (Sitzber. 
LXXVII. Bd. 1878, p. 26) als wahrscheinlich zu Bequienia Lonsdalii d'Orb. 
gehörig bezeichnet. 

1 Diese beiden sind in der X. Lieferung der Zeitschrift der bulg.- 
liter. Gesellschaft beschrieben worden. 

2 Darunter finden sich nach Toula sowohl Einzelkorallen, wie: 
Lophosmilia, Axosmilia als auch, und zwar noch häufiger, Stockkoralleu, wie: 
BhabdophjiUia, Porites (Actinacis) , Latomaeandra und Hi/dnophora, je in einem 
grossen Stücke. Von Hydnophora (?) liegen auch kleinere Stücke vor, 
Astraeideen in mehreren Stücken. Der Reichthum an Korallen in diesen 
Schichten ist sehr gross und würde seiner Zeit gewiss reiches Material für 
eine Bearbeitung liefern können. Auch Bryozoen fehlen nicht. 

3 Es unterliegt nach Prof. Toula wohl keinem Zweifel, dass diese 
orbitolinenreiche Korallen etage übereinstimmt mit den betrefi'enden Schich- 
ten von Kalnia-Karaula, Pirot, an der Luberasda, und vor allen mit jenen 
bei Orese.(M. vergl. Toula, Sitz. Ber. 1877, Bd. LXXV, 1880; Bd. LXXXL 
1884; Bd. LXXXVII ; Denkschriften 1881, Bd. XLIV.) 

21* 



314 Z 1 a t a r s k i , 

Schichten nach SW fallen und eine grössere Menge von Ver- 
steinerungen enthalten, die sich leider nicht unversehrt heraus- 
schlagen lassen. Weiter östlich sieht der nämliche Fels grauweiss 
aus und ist von w^eissen Calcitadern durchzogen; auch ist er an 
Fossilien ziemlich reich {Rynchonella, Cidariten-Stacheln etc.), 
doch bald weicht dieser Kalk einem dichteren, festeren, bläu- 
lichen und versteineruugslosen Kalke. Derselbe nimmt auch 
die Höhen ein, die sich rechts und links von der Strasse 
erheben. 

Oberhalb Pavlikeni, oder genauer dort, wo sich der Feld- 
weg nach diesem Orte von der Hauptstrasse abzweigt, finden 
wir einen röthlichen oder bläulichen, dichten, mergeligen Kalk 
ohne Fossilien, der allmälig in Dolomit übergeht. Die Schichten 
dieses Kalkes fallen wenig geneigt nach N und erheben sich 
wandartig über das Dorf, von wo aus sie ganz gut gesehen 
werden können, während man sie von der Chaussee aus nur 
undeutlich unterscheiden kann. Es ist wohl kein Zweifel, dass 
diese Schichten als Fortsetzung der Felsen von Loveß ebenfalls 
zum Urgon gehören. 

Unter diesem Kalksteine kommt an der Strasse nach Biul 
ein bunter, kalkiger Sandstein zum Vorschein, der sehr häufig mit 
dünnen thonig-sandigen Lagen abwechselt. Die Schichten fallen 
zuerst nach NO, unweit Gorni-Biul aber nach SW, und zwar 
unter verschiedenen Winkeln gerade wie oben. Der zweite 
Sattel ist bei Vraca, wo die Sandschichten wieder ihre ursprüng- 
liche Fallrichtung einnehmen (nämlich NO). Diese kalkigen 
Sandsteine sind, meist mit Thon gemengt, nirgends ganz rein ; 
Fossilien enthalten sie nur stellenweise (meist Ostred). Sie 
wechseln sehr oft mit Thonlagen ab und zeigen mannigfache 
Farbentöne. 

Von den Höhen um Vraca herum kann man die höchsten 
Partien des Balkangebirges ganz genau unterscheiden — 
Jumrukcal, Ostra-Mogila etc., die sich steil, wnndartig über das 
vorbalkanische Gebiet erheben. Die höchsten Gipfel sind, wie 
z. B. die Vitosa, während der Dauer des ganzen Sommers mit 
Schnee bedeckt. 

In dem Thal unterhalb Vraca zeigen sich auch mergelige, 
feinkörnige Sandsteine, reich an Glimmer und kohligen Spuren, 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 315 

sowie auch echte Mergel. Weiter südlich erblickt man nur 
sandige Mergelschicbten, die unter einem Winkel von 14 ° nach 
N fallen, und darunter bläuliche Mergel mit Korallen, 
Pecten, Rynchoyiella lata, Trigonia cfr. ornata und anderen, 
so wie auch mit unscheinbaren Kohlen spuren. In den mergelig- 
sandigen Schichten zeigen sich auch die Hieroglyphen 
des Flysches. Die nämlichen Felsen erstrecken sich bis zum 
Flussbett des Vidimo, wo die kleinen Querthäler so stark von 
den Sturzbächeu zerrissen sind, dass man einen sehr guten Ein- 
blick in die Stratification des bläulichen Mergels, wie auch der 
Sandsteine gewinnt. So sehen wir zum Beispiel, dass bei dem 
DorfeDebnevo dieSchichten fast vertical stehen (unter 75° — 85°), 
von NO nach SW streichen und nach NW fallen ; au den Ufern 
der Vidinia kommen nur bläuliebe Mergel und Sandsteine vor. 
Das Dorf Debnevo ist zweifach getheilt, erstens von der Vidima 
in der Richtung von W nach 0, zweitens von dem Thal 
Cervestica von N nach S. 

Bei der Fürth sind die Mergelschichten der Farbe nach 
schwärzlich, lassen sich spalten und fallen unter einem Winkel 
von 36° (h. 14°) nach Süd. Zwischen denselben sehen wir dünne 
Lagen eines bläulichen, harten und feinkörnigen Kalkes. Am 
linken Ufer der Vidima zeigen sich ausser schwärzlichen Mer- 
geln auch röthlich und gelblich gefärbte. 

Wendet man sich nach Süd, so kommt man in ein Wald- 
gebirge. Aufschlüsse finden sich nur in den Thalgründen, Saud- 
steine mit Hieroglyphen, Mergeln in viele Falten gelegt, stellen- 
weise wie gekräuselt, halten an. 

Vor Skandale, nämlich dort, wo sich die Vidima von 
nach N wendet, stehen die Schichten fast vertical. In den hier 
kalkigen Sandsteinen finden wir Algenabdrücke u. dergl. In 
einem feinkörnigen Sandsteine, zwischen Skandale und dem 
landschaftlich herrlich gelegenen Novoselo auch verkohlte 
Pflanzenüberreste. ^ 



1 Es ist dies nach Prof. Toula die im nördlichen Balkauvorlande 
so weit verbreitete Sandsteiuformation mit Mergeleinlagerungen, welche 
sich sowohl südlich von Tirnova als auch weiter westlich in der Gegend 
von Yraca im Iskergebiete findet. Auch südlich vom Balkan-Kamme, etwa 



316 Zlatai-ski, 

Von Novoselo aus geiiiesst man nach Süden bin einen 
schönen Anblick der Hochregion des centralen Balkan auf 
die kahlen felsigen Höben, Krivjanite, Jumrukcal (2379 M.), 
Mara-gidik, Kademlijtc,Zelenika etc., deren Abhänge mit schönem, 
grünem Walde bedeckt sind. Viele wasserreiche Flüsse haben 
ihren Ursprung auf diesen Höhen und ergi essen sich entweder 
in die Donau oder in die Marica. Die Vidima entsteht aus zwei 
Quellbächen, deren einer auf dem Prskalo entspringt, zwischen 
Mara-gidik und Jumruk-cal, der andere aber auf den Krivjani. 

2. Von Novoselo über Trojan nach Sipkovo. — Um 
Novoselo findet man in dem bläulichen, sandigen Mergel, sowie 
auch in den mergeligen Sandsteinen Kohlenschmitzen, auch Pyrit 
und Markasit kommen vor, worauf wohl die Schwefelwasser- 
stoff-Entwicklungen, die man hie und da an den Gewässern wahr- 
nimmt, zurückzuführen sein werden. 

Längs der Vidima bis zum Schlosse des Gerdzik (auf der 
russischen Karte ist es als Ciflik bezeichnet) oder genauer nach 
dem Tbal des Baches Kopen, der auf dem Zdravcec entspringt, 
sodann an dem Branevski-dol vorbei bis zum Kloster von Trojan 
treffen wir die nämliclien Gesteine wie bei Novoselo, nur die 
Lagerungsverhältnisse derselben sind andere; beim Schlosse 
erheben sie sich fast vertical und fallen bei dem Kloster 
Sv. Bogorodica unter einem Winkel von 30—40° nach SW. 

Das Trojan-Kloster ist über den flyschartigen Sandsteinen 
im Hintergrunde einer Ebene, im Thale des schwarzen Osam 
erbaut. 

Unter den Rollsteiuen des reissenden Flusses finden wir 
ausser den Sandsteinen, die sich auch im unteren Laufe des 
schwarzen Osam vorfinden, auch Conglomerate, Granit und 
rothen Quarzporphyr. (Auch Plagioklas hältig.) 

Die Conglomerate stammen höchst wahrscheinlich vom 
Zornov-Rt, sie bestehen aus weissen, bläulichen oder schwarzen 
ziemlich groben Körnern, die mit kalkig-thonigem und sandigem, 
weisse Glimmerschüppchen enthaltendem Cemcnt verbunden 



bis Isvor. Im Sveti-Nikola-Balkan, hier aber sicher über dem Orbitolinen- 
horizonte, treten petrographisch davon nicht zu unterscheidende Gesteine 
auf. M. vergl. Toula, Grundlinien etc., \r.\g. 41. 



Geologische Untersuchungen im centralen Bcalkau etc. 317 

sind. Dieses Conglomerat bescliränkt sich auf einige Fundorte 
im Thal des schwarzen Osam; es erscheint, wie ich erwähnt habe^ 
in der mittleren Region des Zornov-Et und verschwindet dort 
wo sich der Bach Krajeva in den Osmafluss ergiesst, und wo das 
Ufer der Gluska anhebt; ^ es ist neocomen Alters. 

Neben diesem Conglomerat hat der schwarze Osam noch 
verschiedene Breccienconglomerate abgelagert, die röthlich, 
grau, kalkig, dolomitisch und thonig und oft mit quarzigen Sand- 
körnern verkittet sind. 

Die betreifenden Gesteine finden sich westlich von Sipkovo, 
wo sie unter jenen neocomen Schichten liegen (Lias?). Vor zwei 
Jahren, als ich das Thal des schwarzen Osam in der Richtung 
nach dem Balkan durchforschte, bemerkte ich, dass die merge- 
ligen Sandsteine am Fnsse des Zidov-Rt abbrechen und dass unter 
denselben zuerst Kalk und sodann grobkrystallinischer Dolomit 
mit grossem Eisenoxydulgehalte zum Vorschein kommt. Die 
letztere Gesteinsart ist bunt, weiss, roth und sehr reich an 
Belemnites, Terebratida, Rhyuchonella, worunter Mhynchonella 
cfr. polyniorpha Suess am deutlichsten zu erkennen ist. Mit der 
Tiefe und der Ausbreitung nach Süden nimmt der Eisenge- 
halt zu.^ 

In einem Artikel „Geologische und paläontologische Auf- 
zeichnungen auf dem Wege von Pleven nach dem Trojan 
Balkan" ^ habe ich die Verhältnisse beschrieben, hier sei nur die 
Thatsache hervorgehoben, dass die erwähnten Brecciencon- 
glomerate ihrem Alter nach derselben Epoche angehören, wie die 
eisenerzführenden Dolomite. 

Auf dem Wege vom Kloster nach Trojan fand ich nichts 
Bemerkenswerthes. Überall dieselben bläulichen Mergel und 
mergeligen Sandsteine, die fast genau von nach W streichen 
und sehr steil, beinahe vertical aufragen. Die Vertheilung der 
Schichten ist besonders deutlich an den Ufern des weissen Osam, 
sowie um Trojan herum. Dieses Städtchen liegt auf der linken 
Seite des soeben genannten Flusses, und breitet sich von N nach 



1 Period. Spisaulje X, pag. 73. 

2 G. Zlatarski. Die Mineralien von Bulgarien, p. 26. (Bulgarisch.) 

3 Period. Spisanije X, p. 75—77. 



318 Zlatarski, 

S aus. Am reclilcu Ufer, ihm gegenüber, erhebt sich ein nicht 
sonderlich hoher, aber ziemlich steiler Hügel, namens Kapince, 
im N — Bukovec, und im S — der hohe Abov-Et (in der russi- 
schen Karte als Bergalov Yok bezeichnet). Vor Trojan selbst ist 
das Bett des weissen Osam breit, aber seicht, die Strömung des 
Wassers ist hier nirgends so gross, wie beim schwarzen Osam, ja 
selbst der felsige Grund fehlt ganz und gar, so dass sich der 
Unterschied zwischen den beiden Flüssen als beträchtlich 
erweist. 

Sobald man Trojan verlässt, gewahrt man in dem soge- 
nannten Trni (Dorngebüsch') eine Art bläulicher und grauer, 
kalkiger und thoniger Schichten; dieselben streichen von 
(h. 19 Yg) nach"W(li. 7 Y3), erheben sich fast senkrecht und neigen 
sich nur an wenigen Stelleu nach N; sie lassen sich auch in 
dünne Schiefer spalten, haben in morphologischer Beziehung eine 
Ähnlichkeit mit den Criocerasschichten, doch sind sie anderer- 
seits jeder Versteinerung bar; zwischen denselben bemerken wir 
weiter Kalkschichteu von feinkörniger halbkrystallinischer Structur 
und röthlich-grauer Färbuug, Diese letzteren erreichen selten eine 
Stärke von 1 Dm. Das vorwaltende Gestein sind die kalkig- 
mergeligen Schiefer, die allmälig in feinkrystallisirteu bläulichen 
Kalk übergehen. 

Sowie mau das nächste Gebiet des weissen Osam betritt 
nimmt man wahr, dass der bläuliche Kalk sich hier in com- 
pacterer Form vorfindet, seine Schichten sind stärker und durch 
dünne Lagen mergeligen Kalksteines von einander getrennt. An 
dieser Stelle fallen die Schichten in entgegengesetzter Rich- 
tung nach W und zwar anfangs unter einem schwachen und 
sodann unter einem ziemlich starken Winkel (40—60°). Etwas 
weiter nach Süden erscheinen die Schichten wieder in ihrer 
gewöhnlichen Richtung (NO). 

An dem südlichsten Punkt des Flusses, dort nämlich wo 
der Osam ein V-förmiges Knie bildet, finden wir hie und da in 
Gestein eingeschlossene Rollstücke von Quarzit. Die einzelnen 
Quarzkörner sind vorherrschend klein und erreichen selten die 
Grösse einer Wallnuss. 

Nach W gehend, erreichte ich bald den Fluss Kneza, der 
auf der Porta Trojana entspringt und ziemlich wasserreich ist; 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 319 

"Über eine hohe, von einem einzigen Pfeiler unterstützte Stein- 
brticke ging ich auf das rechte Ufer des Flusses über, um mich 
bald nachher bei Babina-Läka, an der Mündung der Razdavica 
von Neuem aufs linke Ufer zu begeben. Hier fallen die Schichten 
nach SW (20 — 30°) und enthalten unbedeutende Linsen von 
Braunkohle. 

Nach Norden hin treffen wir dieselben Schichtfolgen, wie 
längs des weissen Osam, südlich von Trojan. Die Kalke gehen 
in mergelige Gesteine und bei Grncezite in mergeligen bläulichen 
Kalk ohne Fossilien über. Beim letztgenannten Orte erblicken wir 
dieselben thonigen Schiefer, wie in dem Trni beim Ausgange 
von Trojan. Unweit Grncerite fallen die Schichten nach N. 

Bis nach Gorne-Sipkovo herrschen um' graue, mergelig- 
kalkige Gesteine. 

3. V n S i p k V n a c h V a s i 1 j V. — In einer Entfernun g von 
einem Kilometer von Sipkovo erreichen die sandigen und merge- 
ligen Neocomfelsen ihr Ende und es zeigen sich nun in der Tiefe 
jurassische oder liassische grauschwarze, dichte, nach S unter 
einem Winkel von 25 ° fallende Kalkfelsen, die von weissen 
Oalcitadern durchzogen sind und ausserdem mit Calcitkrystallen 
ausgefüllte Hohlräume aufweisen. Dieses Gestein geht bald in 
dunkeln, grauen, mikrokrystallisirten, gleichfalls von Oalcit- 
adern durchzogenen Kalk über, um sodann einem blaugrauen, 
feinkörnigen, theilweise porösen unregelmässig sich spaltenden 
dolomitischen Kalke Platz zu machen. Weiter sieht man grauen 
halbkrystallinischen Kalkstein mit undeutlichen Fossilien. 

In westlicher Richtung kommen thonig-kalkige, buntfarbige 
Gesteine, zumeist rothgefärbt, zum Vorschein. ^ Die äussersten 
Ausläufe derselben bestehen aus halbkrystallinischem, grau- 
röthlichem Kalk, in dem eine grosse Menge von Belemniten 
enthalten sind. Hier finden wir auch kalkige conglomeratähn- 
liche Breccien; dieselben bestehen aus kalkigen, grauen oder 
blauen und auch dolomitischen mit Thoncement verbundenen 
Bruchstücken. 



1 Nach Prof. Toula ist es ganz dasselbe Gestein, ^yie er es ander 
Hauptstrasse über den Berkowica Balkan (öitzb. G. LXXVII. Bd. 1878) und 
auch bei Teteven, westlich von der berührten Stelle (Toula, Sitzber. XC. 
Bd. 1884, pag. 303) angetroffen hat. 



320 Z 1 a t a 1- s k i , 

Unweit Krusev-Dol zeigen sich rotlie eisenhaltige Thon- 
gesteine, die mit unzähligen grauen und gelblichen mergelig- 
kalkigen Schichten wechseln; auch lichtgraue, dichte, quarzit- 
ähnliche Sandsteine kommen vor. Die Schichten fallen hier nach 
S (h. 10). 

Ähnliche Felsarten treffen wir auch südlich vom Trojan- 
Kloster und westlich von Sipkovo, gegen Teteven (cfr. Toula 
Sitzb. XC. 1884. pag. 304). 

Bei Krusov-Dol findet man im Thale auch weisse sandige, 
rothe Quarzite und rothe Kalkgesteine. 

Das kleine Flüsschen, in dessen Thale sich unser Weg hin- 
zieht, kann als Grenze zwischen dem dunkelgrauen und dem 
röthlichen, mergeligen Kalk angesehen werden; diesen letzteren 
sieht man nur nördlich vom Flusse, jenen nur südlich. Das 
nördliche Ufer erscheint infolge der Zersetzung der Felsen roth 
gefärbt; aus derselben Ursache erscheint auch der Fiuss nach 
heftigem Regenwetter blutroth und führt dann ganz gewaltige 
Wassermassen. Der Name Razdovica (von razda =z roth) 
dürfte auf diese Färbung des Wassers zurückzuführen sein. 

4. Von Sipkovo über Koman, Dlbok-Dol, Vrabiu 
nach Sevlicvo. — Sobald man Sipkovo verlässt, gewahrt man 
gegen die Mitte des ersten Hügels, sowie im nächsten Thale kohl- 
schwarze, sandig-thonige und glimmerige Schichten, deren Bruch- 
flächen rostroth oder gelb gefärbt sind; Neigung 16° nach S. 

Die nämlichen, mit Wülsten bedeckten Gesteine, worin 
man auch dünne aschgraue Kieselschiefer bemerkt, findet mau 
auch um Teteven, sodann nördlich von Tekija, gegen den Pass 
von Trojan. Obwohl dieselben eine grosse Ähnlichkeit mit den 
Carbonschieferu des Iskerthales aufweisen, so dürfte man es 
dabei doch mit Ablagerungen des unteren Jura zu thun haben. 

In demselben Thale, das den Namen Mljavor führt, gewahrt 
man über dem schwarzen Gestein thonige, feinkörnige Saudsteine 
aber von aschgrauer Färbung; weiter oben, gegen die Spitze des 
Hügels, stossenwir auf die uns wohlbekannten neocomen, sandigen 
Mergel und auf die bläulichen kalkigen Mergel, die sämmtlich 
nach Norden fallen; über diesen breitet sich dichter, merge- 
liger Kalk mit muscheligem Bruch und von graugelblicher 
Färbung aus; auf diesen folgt ein gleichfalls dichter, thoniger, 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 321 

aber der Farbe nach bläulicher und röthlicher Kalk, dessen 
Ähnlichkeit mit dem Kalk aus dem Urgonien von Lovec und 
Pavlikeni bemerkenswerth ist, dessen Ausbreitung hierorts aber 
nur gering ist. Fast will es uns seheinen, dass man es hier nur 
mit kümmerlichen Überresten eines mächtigen Felsgürtels zu 
thun habe. Lagenweise sind die thonigen Schichten des Mljavor- 
hügels sehr eisenschüssig. 

Zu Oberst liegt Thon vermischt mit Glimmer und Sand. 
(Fallen nach NO mit 28°.) Auf der Strecke Koman-ßorimo 
gewahren wir dieselben Gesteine, nur die Fallrichtung ändert 
sich infolge der vielfachen Schichtfaltungen. Beim letzteren 
Dorfe sieht man am deutlichsten die bläulichen Mergel, die 
mehrere Male mit bläulichen Kalksteinen abwechseln. In Dlbok- 
Dol kommen ausser diesen auch saudige Mergel zum Vorschein; 
sie fallen unter einem Winkel von 45° nach SW. Die Sandsteine 
enthalten keine Fossilien, ihre Schichtflächen sind mit Hiero- 
glyphen bedeckt. 

Gute Aufschlüsse in den untercretacischen Mergeln und 
Sandsteinen finden sich am Petrov-Dol. Der Bach Petrov-Dol ent- 
springt auf dem Hügel Kurubasina und nimmt unweit seiner 
Quellen links den Bach Ledov-Dol auf. Die Umgebung der 
Quellen besteht aus mergelig und kalkig-sandigen dickbankigen 
Felsen, die unter einem Winkel von 41 ° nach N (hora 23) 
fallen. Infolge der in ihnen enthaltenen w^eissen und schwarzen 
Quarzkörner erscheinen die Gesteine zum Theil bunt 
gefärbt. 

Da die hiesigen Sandsteine sehr hart sind und sich in 
schöne Platten spalten lassen, verwendet man sie als Dachdeck- 
material. Gewöhnlich ist ihre Färbung graugelblich und nur in 
frischem Zustande sind sie bläulich. Manche thonartige Schichten 
sind ganz mürbe, andere wieder sind conglomeratartig, sandig 
und unter den Conglomeratsandsteinen, in w^elchen ich eine 
Bivalve (Punopuea?) fand, zeigen sich bläuliche Mergel und 
mergelige Sandsteine. Zwischen den letzteren finden wir an 
einigen Orten auch etwas Steinkohle in Linsenform. Die Mergel 
und die Sandsteine erstrecken sich bis zur Vidima. 

In den Mergeln, im Piazdoli-Dol bei Vrabiu, kommen 
folgende Fossilien vor: 



322 Z 1 a t a r s k i , 

Fanopaeu plicata (Sow.) Forbes. (Mat. p. 1. pal. Suisse I, Fossiles du 
terrain aptien, p. 57, pl, VI, Fig. 4, 5) nähert sich mit ihrer länglichen Form 
und ihren tiefen concentrischen Furchen vollkommen der Panopaea aus 
Perte du Rhone. 

Trigonia carinata Agassiz. (D'Orbigny, Terr. cretac6 III, p. 132, pl. 
286.) Diese Trigonia fand ich in Bulgarien zum ersten Mal bei Caribrod in 
den Apt-Schichten mit der OstreaCouloni und anderem. i 

Unser Exemplar ist nicht vollständig erhalten, doch lässt es sich 
noch ganz gut bestimmen ; diese Trigonia- Art ist besonders für das obere 
Neocom charakteristisch. 

Trigonia ornata d'Orb. (Orbigny, op, cit. III, p. 136, pl. 288, Fig, 
5 — 9.) Stärker vertreten als die soeben beschriebene. In Perte du Rone 
und St. Croix ist sie ganz gewöhnlich. 

Ostrea Couloni (De fr.) D'Orb. (D'Orbigny, op. cit. III, p. 698. p. 466 
und 467, Fig. 1 — 3) Nur ein einziges besser erhaltenes Exemplar, das sich 
von jenen aus Caribrod und aus der Dragomanschlucht in keiner Beziehung 
unterscheidet.^ 

Es kommen hier auch Korallen vor, die an Menge sogar alle 
anderen Fossilien übertreffen. 3 

Von Vrabiu bis Sevlievo führt der Weg am Fusse eines 
Berg-abhauges bin, längs der nördlichen Seite des Kessels, und 
übersetzt einige wasserarme Thäler. Von Gesteinen finden sich 
nur Mergel und Sandsteine. 

Auf der Strecke Damjanovo-Irevo trifft man nur Sandsteine 
und bläulichen Mergel; gegen und SO erheben sich über 
flieser Formation v^eisse Kalkfelsmassen, die auch gegen SW 
ein imposantes Aussehen gewinnen; sie fallen leicht geneigt 
gegen NO ein. Die erste Partie dieser Gesteinsmassen erhebt sich 
über Serbegli, unweit Kajobas, Vlajcovci, parallel mit der Strasse 
von Gabrovo; die andere — über Kamenec, Muzega, und 



IM. vergl. Fr. Toula, Sitzber. Bd. LXXXVII 1883, p. 2 flf. — 
G. Zlatarski, Geologische Excursionen im südwestlicheu Bulgarien. 1885, 
p. 7. — Period. Spisanije XVI. 

2 Frauz Toula, Sitzber. 1883, p. 7, Taf. IV, Fig. 5. 

3 Es sind vorwaltend Einzelkorallen : Montlivaultien, Trochosmilien 
und dergl. von Stockkorallen liegt ein hübscher halbkugeliger Stock einer 
Lalimaeandra vor. Prof. Toula glaubt annehmen zu dürfen, dass die Schich- 
ten von Vrabiu mit jenen von Dragomau-Caribrod thatsächlich in Überein- 
stimmung stehen, (Toula. Sitzber. 18ö3,LXXXVIII;. Die Korallen erinnern 
übrigens lebhaft an jene der Korallen-Facies von Orese-Belince (Toula 
Griindl. 1881, pag. 28, Taf. II), welchen freilich seiner Meinung nach ein 
etwas höheres Alter zukommen würde. 



Geologische Untersucliimgeu im centralen Balkan etc. 323 

Debeldjal und zieht sich nach der Südseite Gabrovos hiu. Dieser 
zweite Felsgilrtel erreicht nicht die Ausdehnung des ersteren, 
der sich in nördlicher Richtung bis nach Duandzo, Adamovo, 
Kajadzik und in östlicher bis DrjanoYO, wo er mit dem Namen 
Straza bezeichnet wird. Beide Kalkzonen sind urgonisch (Re- 
quienienkalke). 

Von den Höhen oberhalb Cadirli kann man nur einen 
Theil des Beckens von Sevlievo überblicken. Sevlievo (200 Meter 
über dem Meeresspiegel) ist von einem hohen Hügel (380 Meter) 
geschützt, der sich von nach W erstreckt, so dass die Aussicht 
auf das hübsche Städtchen, welches sich im östlichen Winkel des 
länglichen Thalkessels erhebt, ganz verdeckt wird. 

VI. Von Sevlievo nach Svistov. 

Im Nordosten von Sevlievo erheben sich an der Rossica steil- 
abstürzende bläulich-graue Mergelfelsen, deren Schichten unter 
einem Winkel von 20° nach N fallen und öfters mit ganz 
dünnen Lagen von Eisenocker abwechseln. 

Auf dem Wege nach Krusovo breiten sich über den echten 
Mergeln grau-bläuliche Kalkmergel aus, die auch von thonigen 
und mergelig-sandigen Schichten unterbrochen sind, gegen die 
Höhen aber stellt sich ein bunter (meist röthlicher) körnig- 
sandiger Kalk ein, der reich ist an Korallen. Bryozoen, Echi- 
niden etc. Auf diesen letzteren folgt nach oben licht röthlichweisser, 
oder, aschgrauer, feinkörnig-sandiger Kalk, der gleichfalls eine 
ziemlich grosse Menge von Korallen, Echiniden, Rynchonellen 
und Ostreen enthält. Die obersten Felsschichten, dem urgonischen 
Kalk vollkommen entsprechend, breiten sich wie eine Decke 
über dem höchsten Theile des Bergkegels aus und erreichen hier 
eine Höhe von 546 Meter über dem Meeresspiegel. 

Aus den soeben beschriebenen Schichten konnte ich nur 
folgende Fossilien herausbringen: 

Pseudocidaris cfr. clunifera Ag. (P. de Loriol), Ripichonella irregidaris 
Pictet und eine Terebratida. 

Tembratula (nov. sp.?) hat eine grosse Ähnlichkeit mit Ter. Collinaria 
d'Orb. (D'Orbigny.op. cit.VI, p. 81, pl. 507, Fig. (3. — P. de Loriol, Terr. 
cretaee de St. Croix p. 107, pl. 20.5, Fig 15 und IG) aus dem Valang. (Länge 
18-8 Mm. Breite 17*8 Mm. der Höhe 10 Mm.) Die grösste Breite erreicht 
diese Form etwas weiter unten als es bei T. Collinaria der Fall ist. 



324 Z 1 a t a r s k i , 

Das Dorf Krusevo liegt unmittelbar unter dem Hü gelrücken. 
Der Abhang ist steil, doch keineswegs felsig, im Gegensatz zu 
dem gegenüberliegenden Ufer der Rossica, wo die Requienia- 
(Urgon) Gesteine einen ausgedebnten Platz einnehmen. Steigt 
man in das Thal hinab, welches in jenes der Rossica aus- 
mündet, so gewahrt man einen dichten, massiven Requienien- 
kalkstein von graii-röthlicher Färbung und vielen weissen 
Calcitadern, Die Bänke fallen hier ganz flach (5 — 8°) nach NO. 

Unter diesem massiven Kalkstein liegen am Flusse bläu- 
liche Kalke und darunter bläuliche Mergel. Die Ufer der Rossica 
und die anliegenden Höhen weisen ausschliesslich Requienien- 
kalk auf, in dem sich die Rossica in einer engen Schlucht mit 
grossem Gefälle hindurch wälzt. 

Die Scenerie hält an bis zu der Ebene von Bara. Erst 
hier treten die Caprotineu oder Requienienfelsen zurück und 
sind nur auf den Höhen zu erblicken^ während in der 
fruchtbaren Thalebene der Rossica, bläulicher, sandiger Mergel 

auftritt. 

Nachdem ich die Thalenge passirt hatte, stieg ich über 
Kramolinski-dol auf eine Anhöhe, die Kramolin von Kojovci 
trennt. Links von der Strasse erscheinen die Caprotinenf eisen 
vertical durchschnitten und fallen nach den Weinbergen von 
Suhindol ab, wo sie unter anderen Kalkfelsen von zum Theile an- 
scheinend oolithischer Structur verschwinden; diese letzteren 
lassen sich in dünne Schichten spalten. 

Das ziemlich grosse und hübsche Dorf Suhindol (239 M.), 
in N und W von hohen Bergen umgeben, liegt im Hintergrunde 
eines fruchtbaren Thaies, an der Grenze zwischen der oberen 
und der unteren Kreide. Hier ist das nördlichste Vorkommen 
auch der Caprotinenkalke in diesem Theile des Balkanvor- 
landes und es folgen nun auf grauem thonigem Kalk, der durch 
seinen Reich thum au OrbitoUna letiticularis, Korallen, ver- 
schiedenen Cidarisstacheln (Pseudocidaris clnnifera Ag.^, Brj'o- 
zoen, Requienien sp., von Fimbria corrufiata (Sow.,) Forhes, 
Nerinen sp. ausgezeichnet ist, dünne feinkörnige Conchylienkalke, 
oolithische Gesteine, und über diesen breitet sich dichter Kalk 
mit OrbitoUna concava Lam. (?) aus; den Schluss bilden 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 325 

oolitliiscli-pisolithisclie Gesteine, die ebenfalls Orb. concava zu 
enthalten scheinen. ^ 

Bei Suhindol beginnt das Basaltterrain. Der erste und 
südlichst gelegene Basaltkegel liegt im Südwesten von Suhindol 
und führt hier den Namen Vrha. Er hat 480 M. absolute Höhe 
und erhebt sich 241 M. über das Dorf. Seine höchsten 
Partien sind bewaldet, während die Abhänge ganz kahl sind; 
diese Erscheinung verräth am deutlichsten, wo die Grenze 
zwischen den eruptiven und den sedimentären Gesteinen zu 
suchen ist. Die letzteren (oolithisch u. Orbitolinen führend) liegen 
fast horizontal und zeigen keinerlei Veränderung. Erst wenn man 
das Wäldchen betritt, bemerkt man hie und da zerstreut Bruch- 
stücke von schwarzem Basalt; von anstehendem Gestein ist 
nirgends eine Spur zu sehen. Der Bergkegel endet oben mit einer 
Einsenkung von 8 — 10 M. Durchmesser und V/^ M. Tiefe. Von 
der Höhe aus geniesst man eine herrliche Aussicht nach allen 
Seiten; östlich überblicken wir den ganzen unteren Lauf der 
Rossica bis zu ihrer Mündung in die Jantra, sowie auch die 
kalkig-sandigen Felsen oberhalb Dragonovo, die sich nach N 
allmählich, nach S aber jählings senken. Als Grenze der festen 
Caprotinenkalke kann man annähernd die Rossica annehmen: sie 
finden sich nur südlich von ihr. Nach NO und N erblickt 
man eine ganze Reihe von basaltischen Hügeln. Unter ihnen 
ragen an Höhe besonders hervor: Kara-tepe westlich und Catal- 
tepe südlich von Vrbovka. 

Die Basalte von Suhindol haben eine dunkelgrauschwärzliche 
Färbung. In der dichten Basis gewahrt man sehr oft kleinere und 
grössere, mit Olivinkrystallen ausgefüllte Geoden. Der Olivin 
kommt auch in der halbkrystallisirten Basis vor. Der Fels ist 
hart und widerstandsfähig. 

Von Suhindol senkt sich die Ebene allmählich bis Gruhcova- 
mahala; an der Rossica selbst gewahren wir hier nur blauen 
Mergel; kalkige Urgonienfelsen bilden die Höhen. Bei Mahala 
liegt unmittelbar unter dem Mergel eine Art von buntem 
oolithischen Kalk, der auch bei Mihalci (am rechten Ufer der 



1 Dieses Profil wird mit jenen von Vraca und am Iskrec bei Öerepis 
(Sitzber. 1878) zu vergleichen sein. 



326 Z 1 ;i t a r s k i , 

Eossica) vorkommt. Der bläuliche Mergel enthält Pyrit, der durch 
seine Zersetzung- Anlass zur Bildung von Melanterit gegeben hat. 

Auf der Strecke Mahala-Vrbovka kommt festes Gestein nicht 
zum Vorschein, erst im Thale vor dem letzteren Dorf erblickt man 
sehr feinkörnig oolithischenröthlichgelben Kalk, eine Fortsetzung 
jenes von Suhindol. 

Der zweite ßasalthügel findet sich WNW von Vrbovka und 
heisst Kara-Tepe, das heisst .Schwarzer-Hügel (381 M.); er ist 
auf seiner Abdachung bewaldet und ganz oben von einer 
Wiese bedeckt. Das Gestein stimmt vollkommen mit dem Basalt 
von Suhindol tiberein. 

Nordöstlich davon erhebt sich ein dritter Hügel, bekannt unter 
dem Namen Catal-tepe; derselbe hat eine grosse Ähnlichkeit mit 
einem türkischen Pferdesattel und ist nur auf seiner Westseite 
felsig, während der östliche Abhang mit Gestrüpp bedeckt ist. 
Der Basalt dieses Kegels erscheint an der kahlen Lehne bläulich- 
grauschwarz gefärbt und ist seiner Structur nach körnig. 

Der vierte Basaltkegel, der „Kalvak", liegt südöstlich von 
Butovo. Der Basalt ist dicht und enthält kleine Olivineinschlüsse. 
Olivin und Augit erscheinen eingesprengt in der dunkelgrau- 
schwarzen Basis. 

Der fünfte Basaltkegel liegt zwischen Butovo und Nedan 
und führt den Namen Dracevec; er ist der kleinste unter allen. 
Das Gestein desselben ist noch körniger als jenes von Catal-tepe. 

Von Butovo schlug ich den Weg längs des Lomeabaches ein 
und gelangte über eine ausgedehnte, mit Lehm bedeckte Ebene, 
nach Slomer. Sobald man auf das rechte Ufer derLomea übergeht 
und die Ebene verlässt, bemerkt man links vom Wege drei 
Basaltkegel, einen unbedeutenden, namenlosen, und zwei 
beträchtlichere: Ilandzik und Ostra-Mogila, dieser 188 M., jener 
153-5 M. ; von ihnen nehmen die Einwohner von Slomer ihr Bau- 
material. 

Auf der Höhe jenes Bergrückens, der Butovo von Slomer 
scheidet, kommen horizontal lagernde, fossilienfreie, bläulich- 
graue Mergel vor. Zwischen den Schichten bemerkt man gelben 
Ocker. Dieses Gestein hält an bis über Slomer hinaus, nach 
N, wo es zuletzt unter dem Löss versehwindet. Östlich von Lipni- 
cite, Patres, Daskot, Paskalevik bricht man klingende Kalk- 



Geologische Untersiichimgen im centralen Balkan etc. 327 

platten, die theilweise tlionig und saudig sind und sowohl als 
Bau- als auch als Dachdeckmaterial verwendet werden; sie sind 
turonisch oder genauer gesagt senon-turonisch und breiten sich 
nach NO aus. Bei der Brücke von Beleni werden wir die Gele- 
genheit haben, sie näher zu besehen. 

Kleinere Hügel in Form und Grösse an Tumuli erinnernd, 
sieht man um Slomer und Varena, doch kann ich nicht ent- 
scheiden, ob auch sie vulcanischen Ursprungs sind, da sie noch, 
nicht eröffnet sind. ' 

Bemerkenswerth ist der Basaltkegel Kara-tepe (^217 M.) 
zwischen Cervena und Slomer von dem die meisten in diesem 
letzteren Dorfe verwendeten Steine herrühren. Ob der Hügel 
östlich von Cervena auch basaltisch ist, kann ich nicht sagen, 
doch constatirte ich Basaltfelsen noch vor Ovca-Mogila und nörd- 
lich davon. Man erzählte mir, dass ..abgebrannte Steine" (so 
nennen bei uns die Bauern den Basalt) noch zwischen Delisjule 
und Kozlovec, sowie auch in der Nähe dieses letzteren Ortes 
vorkommen, ich habe diese Localität Jedoch nicht selbst gesehen. 
Von Slomer bis Tri-Mogili ist alles mit fruchtbarem Ackerboden 
bedeckt. Der Löss beginnt dort, wo sich die Anhöhe gegen die 
Hauptstrasse senkt. Er zeigt eine grosse Ähnlichkeit mit jenem 
des unmittelbaren Donaugebietes ; er enthält auch weisse Kalk- 
concretioneu. Nur an solchen Stellen, wo er von den Giessbächen 
weggetragen ist, zeigt sich bläulicher Mergel darunter, ebenso 
auch im W unweit der Brücke, die über den Osam führt. In der 
Richtung nach der Donau zu herrscht Löss und nur hie und da 
treten ältere Gesteine an die Oberfläche. 

Vor Ovca-Mogila ist links vom Wege ein BasaHkegel ge- 
öffnet worden. Hier kann man die Wirkung der Eruptivgesteine 
auf die sedimentären sehr genau beobachten. Die Kalkschichten 
zeigen wohl nicht die geringste Veränderung, dagegen sind die 
thonigen und sandigen graugrünlichen Gesteine in eine dichte 
Masse umgeschmolzen, worin man dunkle Flecken bemerkt. Die 
Umwandlung ist übrigens nur in unmittelbarer Nähe des Basaltes 



1 Auch auf der Strecke Svistov-Pavel (besonders bei Sarijar) findea 
sich nach Professor Toula ähnliche Hügel in grosser Zahl. 

Sitzb. d. mathem.-naturvv. Gl. XCIII. Bd. ]. Abth. 2 2 



328 Z 1 a t a r s k i , 

erfolgt. In diesem Aufschlüsse findet man auch weissen kaolin- 
artigen Thon und weissen sandigen Kalk. 

Rechts vom Wege nach Delisjule bemerkt man auf der An- 
höhe einen Hügel, der, nach seiner Configuration zu schliessen, 
ein Basaltkegel sein dürfte, ausserdem ist sein Gipfel, wie der 
des Catal-tepe felsig. 

Bevor icl) Delisjule erreichte, gelangte ich über einen mit 
Löss bedeckten Hügel nach Kozlovec, wo in dem Ufer, das nach 
W ausschaut, einige Steinbrüche geöffnet sind. Die Reihenfolge 
der Schichten ist folgende: Ganz oben reiner Löss, darunter san- 
diger Löss mit Kalkconcretionen, sodann folgen nach unten: 
einige 10 — 35 Cm. starke Thonschichten, ebenfalls Kalkcon- 
cretionen enthaltend, sandige Quarzitschichten mit weissem 
Glimmer und Lagen von hartem, bläulichem Quarzsandstein, der 
sich vortrefflich zu Mühlsteinen eignet. In diesem Sandsteine 
kommen ausser Exo(iyra und Ostrea keine anderen Fossilien 
vor. Seinem Aussehen nach erinnert dieser Sandstein an jenen 
von Trucevica. Sowohl im Osmathale als auch hier, liegt unter 
dem Sandstein bläulicher sandiger Mergel. Die Schichtung ist un- 
deutlich. (Scheint mit 15° nach S einzufallen.) 

Bei Carevec verliess ich die Hauptstrasse und schlug den 
kürzeren Weg über den Hügel ein. In der ersten Einsenkung 
rechts liegt das Kloster Sv. Bogorodica (Heilige Maria) und links 
dehnen sich Weinberge aus. Nachdem ich nun auch über den 
zweiten vor Svistov situirten Hügel setzte, dessen Lössdecke 
gegen N von den Sturzbächen sehr tief ausgegraben ist, erreichte 
ich nun die Stadt selbst. Erst an der Donau kommen Sandstein- 
felsen des Aptien mit Trigonia, Ostrea und anderen zum Vor- 
schein, 

TU. über die bulgarischen Basaltfelsen im Allgemeinen. 

Basalte finden sich in Donaubulgarien nur zwischen den 
Flüssen Osam und Jantra. Sie erstrecken sich von SSW nach 
NNO, stehen im Allgemeinen fast auf einer und derselben zur 
Balkankette transversalen tektonischen Linie, in einer Länge 
von 40 Kilom. zwischen Suhindol und Delisjule; Gruppen bilden 
sie nicht. Die Höhe der einzelnen Kegel Catal-tepe und Kara- 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 329 

tepe bei Brbovka ausgenommen, ist keine bedeutende; nach der- 
selben kann man sie folgendermassen anreihen: 1. Der Basalt- 
kegel oberhalb Suhindol mit 480 M. absoluter Höhe; 2. Kara- 
tepe bei Vrbovka mit 382 M.; 3. Catal-tepe mit 286 M.; 4. Kara- 
tepe bei Slomer mit 217-5 M.; 5. Ostra-Mogila mit 188 M.; 
6. Ilandzik mit 153*5 M. Ausserdem noch sieben Basaltkegel, 
darunter Ovca-Mogila und Dracevec, zwischen Butovo und Nedan. 
Sie sind annähernd kegelförmig mit entschiedener Neigung der 
Abhänge, die zum Theile mit Triften oder Wald bedeckt, auch 
ganz kahl sind. Die Spitzen sind verschieden gestaltet. Manche 
ragen steil empor, andere sind ganz abgeflacht; Catal-tepe weist, 
wie gesagt, die Form eines türkischen Sattels auf. 

Die vulkanischen Gesteine durchbrechen bei Suhindol die 
kalkigen, an Orbitolinen reichen, oolithischen Gesteine und gegen 
Norden die blauen Mergel. 

Bei Ovca-Mogila liegen die Schichten fast horizontal. Die 
Eruption hat die Lage der sedimentären Gesteine nicht gestört. 
In Serbien bei Nis unweit Ostrovica, am rechten Ufer der Nisava, 
durchbricht das einzige Vorkommen von Basalt in Serbien das 
Neocom, ^ während in Bulgarien sicher mittelcretacische Schichten 
durchbrochen werden. 

Der Basalt ist dicht oder körnig, grauschwarz oder bläulich- 
dunkelgrau; in seiner homogenen Grundmasse kann man mit 
unbewaffnetem Auge die grossen Krystalle undKörnerdes Olivins 
unterscheiden. Dieses Mineral ist in manchen Basaltpartien stärker 
vertreten als in anderen, in den körnigen Varietäten sieht man es 
auch kleine Hohl- und Zwischenräume ausfüllen; solche Vor- 
kommnisse findet man vielfach: Vrh, Kara-tepe, Catal-tepe und 
Ovca-Mogila. Die schönsten, frischesten, dichtesten und härtesten 
Basalte von fein mikrokrystallinischer Basis finden wir amKalvak, 
au den Ostra-Mogila und am Ilandzik; die in den übrigen Hügeln 
enthaltenen Basalte sind mehr oder minder körnig. ^ 



1 J. Zujovic, Materialien zur Geologie des Königi-eichs Serbien. 
I. Geologie von Süd-Ost Serbien. Belgrad 1884, p. 9. 

- Prof. Toula hat südöstlich von Svistov Basalte mit deutlich 
säulenförmiger Absonderung unter den Findlingen angetroffen. (Sitzber 
XC. Bd.. 1884, pag. 275.) 

22 * 



330 Z 1 a t a r s k i , 

In Dünnschliffen unter dem Mikroskop betrachtet, erscheint 
in dem Basalt vom Kalvak der Feldspath (Plagioklas) in der 
Grundmasse in Form von mikrolithischen Prismen. Grosse Feld- 
spathkrystalle kommen nicht vor. 

Reich vertreten ist der Augit; derselbe findet sich meistens 
in kleinen Krystallen von gut erhaltenen Umrissen, doch auch in 
Form von Körnern, die unter den gekreuzten Nicols durch ihre 
schönen Farben auffallen. Die dem Orthopinakoid (cxd^^oo, 100) 
und dem Klinopinakoid (oo Poo, 010) parallelen Schnitte sind am 
häufigsten zu erkennen. Die Krystalle sind frisch und erscheinen, 
bei gewöhnlichem Lichte betrachtet, fast farblos ; im polarisirten 
Lichte dagegen zeichnen sie sich durch ihre lebhaften rothen und 
gelben Farben aus. Die kleinen Krystalle herrschen vor. Die 
gewöhnlichsten Einschlüsse in diesem Mineral sind Magnetit- 
körner. 

Eines der constanten und reich vertretenen Minerale in unse- 
rem Basalt ist der Olivin, welcher sowohl in grossen Krystallen 
als auch in Krystallkörnern vorkommt. Er unterscheidet sich leicht 
vom Augit durch seine rauhe Oberfläche, durch seine unregel- 
mässigen Spalten und durch seine lebhaften Farben zwischen den 
gekreuzten Nicols. Die Spalten unseres Olivins sind mit einer 
grünlichen Materie, wahrscheinlich Serpentin, ausgefüllt. Magnetit 
ist in demselben weniger häufig als im Augit. In dünnen Schliffen 
erscheint er farblos. 

In der Grundmasse zerstreut findet sich Magnetit, der in 
kleinen Körnern oder octaedrischen Krystallen auftritt. Grössere 
Krystalle sind selten. Gewisse hexagonale Durchschnitte 
scheinen auf Titaneisenerz zu deuten, ich habe diesbezüglich je- 
doch keine weiteren Untersuchungen angestellt. 

Mit dem Apatit in Gemeinschaft kommt auch Nephelin vor, 
das erste Mineral in Form von Nadeln, das zweite in kurzen und 
ziemlich starken hexagonalen Säulen ; beide zeigen im polarisirten 
Licht dieselbe Farbe. 

Was die Basis anbetrifft, so ist sie schmutziggrau, halbglasig 
und sowohl mit Feldspath- als auch mit Augitmikrolithen und 
Magnetitkörnern erfüllt. 



Geologische Untersuchimgen im centralen Balkan etc. 331 

Till. Ton SvistoY nach Trnovo. 

In dem ziemlich hohen und steilen Donauufer bei Svistov 
sind die Schichten, so weit sie sichtbar sind, folgendermassen ver- 
tbeilt: die Decke bildet reiner Löss, darunter fol^ sandiger Löss 
und unter diesem Sandstein mit Kalkcement. Dieses letztere 
harte Gestein wird als Baumaterial verwendet und wechselt oft 
mit Schichten von mürbem Saudstein ab, welcher uach den in ihm 
vorkommenden Fossilien Osfrea, Trigonia, Ammonites und anderen 
zum Aptien gerechnet werden kann. ^ 

Gegen Vardiu nimmt die Stärke der obersten Lössscbichte 
ab und an vielen Stellen, sowobl am Wege, als auch an der 
Donau, zeigen sich die Sandsteine. 

Östlich von Vardin breitet sich bis zur Jantra eine Ebene 
aus; rechts vom Wege erheben sich etliche mit Löss bedeckte 
Anhöhen. Die Quarzsandsteine haben hier gröberes Korn als bei 
Svistov, und fallen unter einem Winkel von 22° nach NO. Über 
einen Morast gelangt man uach Novgrad. Dieses Dorf liegt auf 
Löss am linken Ufer der Jantra. 

Gegen Biljaiiov gewahrt man auf beiden Seiten dieses 
Flusses weissgelbliche Kalkfelsen, die sehr reich an Orbit olinen, 
Korallen, Bryozoen und anderem sind. Manchen Partien 
fehlen die Orbitolinen. Diese Gesteine sind theils fein, tbeils 
grobkörnig oolithisch; die ersteren sind weiss und aus feinen 
Körncben zusammengesetzt, sie enthalten wenig Orbitolinen und 
sind ziemlich fest; die anderen (pisolithisch erscheinenden) haben 
nicht durchwegs runde, sondern auch längliche Körner und 
bestehen fast ausschliesslich aus Resten von Bryozoen und ande- 
ren niederen Thierchen. Wenn sie nicht Orbitolinen aufweisen 
würden, würde man sie ohneweiters für tertiär halten, denn sie 
haben petrographisch eine grosse Ähnlichkeit mit dem oolith- 
pisolithischen Cerithienkalken aus dem Isker- und Timokthaie. 
Die Orbitolinen erinnern stark an jene von Suhiudol und anderer- 
seits an die Orbitolinen, die gegenüber von Karahasan am 



1 Man vei'gl. den Bericht, welchen Professor Toula über die Reise 
im Jahre 1884 erstattet hat. Sitzb. XC. (1884), p. 275. 



332 Z 1 a t a r s k i , 

Osam in dem oolithischen Kalke vorkommen.^ Die nämlichen 
Kalke finden sich auch bei Krivina und Batin an der Donau, 
südlich und nördlich von Novgrad. Auch an der Jantra, sowie 
an allen aus dem Balkan in die Donau mündenden Flüssen, 
ist nur das rechte Ufer felsig und steil. 

Gegen S sind die Felsen weiss und theilweise ausschliess- 
lich oolithisch, sie sind ausserdem dichter und härter als die 
vorigen und enthalten hie und da Orbitolinen. 

Von Novgrad ging ich nach Dzuljunica und Cansevo. Vor 
diesem letzteren Ort erblickt man dieselben Felsen wie bei 
Dzuljunica. nur sind dieselben reicher an Orbitolinen. 

Südlich von Cansevo und westlich von Dolnja-Studena er- 
hebt sich ein kleiner Hügel, der aus mergeligem, bläulichem 
oder grauem, sich leicht spaltendem Kalkstein besteht. Diese 
Felsart bildet einen beträchtlichen Theil des Jantrasteilufers, 
und tritt auch bei Bela auf. 

Gegen die Brücke hin treten die fast horizontal gela- 
gerten, thonigen Kreidekalksteine auf, die hier mit Flint in 
Form von schwarzen Knollen, oder in dünneu Lagen (10 bis 
20 Ctm.) erfüllt sind. Ausserdem finden wir hier auch bläulichen 
Mergelkalk, der sich von ersteren sehr wenig unterscheidet. 
Petrefacte sind in diesen Mergelkalken nicht eben häufig. 
Folgende Fossilien, habe ich in der letzten Zeit gefunden: 

Inoceramvs spec. Mant. Einige Abdrücke einer kleinen Art. Von den 
sonstigen Bivalven- Abdrücken könnten gedeutet werden, das eine als 
Limopsis spec. ind. (ähnlich L. calvatiis Sow. sp. Zittel, op. cit. p. 61, 
Taf. IX, Fig. 8). Erreicht eine Länge und eine Breite bis zu 10 Mm., ist fast 
kreisrund und schwach gewölbt. Die feineu conceutrischen Linien an ihrer 
Oberfläche sind kaum sichtbar. Sie kommt mit anderen undeutlichen 
Bivalven im bläulichen Mergelkalk bei der Brücke vor. Besitze nur einen 
Steinkern. 

Panopaea sp. Ein unvollständiges Exemplar, das die grösste Ähnlich- 
keit mit P. frequens zeigt. Diese Muschel ist wie Limopsis calvatus charak- 
teristisch für Turon oder unteres Senoii. 



1 OrhitoUna concava in den grossen typischen Formen findet sich nach 
Toula neben einer häutigeren kleinereu Form, die sich au gewisse 
Fonnen der 0, lenticidnris innig anschliesst. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 333^ 

Ammonites sp. In hartem grauem Mergelkalk fand ich nur ein einziges ^ 
aber gut erhaltenes Exemplar.i 

Die Kreidefelsen von Bela verschwinden dem Anscheine 
nach bei der Brücke, doch zeigen sie sich nochmals in südlicher 
Pdchtimg- bei Kosovo. Sowie oben ist auch hier der Kalk thonig* 
oder mergelig-, lässt sich in dünne Platten spalten und enthält 
undeutliche Fucoiden. Die Abhänge um Kosovo, an dem Wege 
und längs des rechten Flussufers weisen das nämliche Gestein auf. 
So viel man ersehen kann, streichen die Schichten von W nach 
0. Auch nach S gegen Kocina, in der Nähe der Rosica, kann mau 
ihre Spuren unter dem fruchtbaren Boden verfolgen. 

Aus dem hohen rechten Ufer der Jantra bricht man gegen- 
über von Kocina thonigen Kalkstein, der mit jenem von Bela ganz^ 
identisch ist. Das linke Ufer ist flach und alluvial. Gegen W 
kommen solche steile Felsen, wie man sie östlich von der Jantra 
sieht, nicht mehr vor, trotzdem herrscht auch dort die Kreide- 
periode vor. Thonige Kalksteine bricht man westlich von Patres, 
Lipnicite, Dskot, Paskalevic und noch an einigen Orten. 

Von den Höhen, die Polekrajste von Samovodeni trennen, 
erblickt man die ersten (nördlichsten) Vorgebirge der Balkan- 
kette; dieselben erstrecken sich bei Trnovo von nach W und 
bestehen hier ausschliesslich aus Urgon. 

Im Bett der Jantra kommen bei Samovodeni unter der allu- 
vialen Ablagerung bläuliche sandige Mergel zum Vorschein, die 
das Liegende des Urgon bilden. Im Defile vor Trnovo bemerkt 
man über denselben ziemlicli feste Kalksandsteine, die zu Bau- 
material vortrefflich geeignet sind. Die tiefer gelegenen Schichten 
sind nicht nur compacter, sondern auch fester als die oberen, die 
mehr sandig-mergelig erscheinen. Die Felsen fallen hier unter 
einem Winkel von 10° nach N (h. 3). Etwas höher breitet sich 



1 Herr Dr. V. Uhlig, dem Herr Prof. Toula das betreffende Stück, 
das einzige, auf das sich vielleicht eine sichere Bestimmung gründen Hesse, 
zusandte, theilte ihm mit, dass es in Bezug auf Berippung, Einschnürungen, 
Einrollung und die gesammten Formverhältnisse sehr gut mit Lytoceras 
(CoscidiscusJ recticostatiim d'Orb. übereinstimme, einer bezeichnenden 
Form des Barremien; es wäre dies die erste Barremeform im Balkanvor- 
lande. Das Mitvorkommen der kleinen Inoceramen spricht nicht dagegen, 
auch in den Wemsdorfer Schichten finden sich Inoceramen. 



334 Z 1 a t a r s k i , 

über den oberen Schichten bunter Kalkstein mit Orbitolinen aus und 
auf diesen folgt reiner, weisser oder röthlicher, halbkrystallinischer 
Kalk mit Eequienien oder Caprotinen. Dieser letztere bildet die 
mau erartigen Abhänge in der Jantra Schlucht unterhalb Trnovo und 
nimmt die Gipfel der Passhöhen ein. Er beschützt wie ein unver- 
wüstlicher Panzer die unter ihm gelegenen, mit jungem, aber 
dichtem Wald bedeckten Saudsteine und sandig - mergeligen 
Schichten vor der Zerstörung. 

Im Engthale folgt der Weg nach Trnovo dem linken Ufer 
der Jantra. 

Die Scenerie in dem Engthale der Jantra hat schon H. Barth 
überaus anschaulich beschrieben. 

Vor Trnovo bemerken wir rechts von der Landstrasse zu 
Unterst bläulichen Mergel mit weissem Glimmer und kohligen 
Pflanzenspnreu ; derselbe enthält auch röthliche und gelbliche 
Lagen von Ocker und ganz dünne Schichten von rothem oder 
buntem Kalksandstein. Die Felsen fallen hier unter einem Winkel 
von 13° nach S. Über dem Mergel breitet sich bläulicher Kalk- 
sandstein mit Hieroglyphen aus, der reich ist an Ostreen, Tere- 
b r a t e 1 n , R h y n c h n e 1 1 e n , S e r p u 1 e n, Pseudocidaris-Stsic\ie\n 
und Bryozocn. Die Sandsteinschichten gehen allmälig in tho- 
nige über und in echten Knollenkalk aus. Dieser ist seiner 
Farbe nach röthlich oder grauweiss, theil weise auch thonig, 
besitzt eine ziemlich bedeutende Härte und bricht unregelmässig. 

Das sogenannte Kartalufer weist keinen Rcquienienkalk auf, 
er zieht sich nach den Höhen zurück; doch trifft man ihn wieder 
in der Nähe des Schlossberges (Hissar), zwischen Trnovo und 
Dolnja-Mahala, sodann bei Sulnar an der Jantra und Kamenec 
unweit Arbanasi. In der letzten Ortschaft hat man einige Stein- 
brüche geöffnet, wo man eine grosse Anzahl von Eequienien, 
meist R. Lonsdnlii (Sow.) d'Orb. und die grosse B. Drinovi 
Zlat. bemerkt. In Arbanasi selbst findet man beim Kloster 
Sv. Nikola über dem Rcquienienkalk Sphärulitenkalk, der sich 
von dem vorerwähnten recht wohl unterscheidet. Am häufigsten 
kommen hierorts Sjjhat'rulites Bhmienbachli Studer vor.^ 



J Der Kalk mit Sphaendücs stimmt nach Prof. Toula auf das beste 
übereiu mit dcu Kiffkalk iu der südwestlichen Kreidezoue bei Akpalauka 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 335 

Im Hügel von Kartal, der sieh gegen Marnopolje gelinder 
senkt als gegen den Pass (Dervent), fand ich so viele Fossilien, 
dass ich in einer kurzen Zeit folgende reichhaltige CoUection 
zusammenstellen konnte : ^ 

Pleitroloma tnmcata Pictet et Camp. 

Aporrhais cfr. marginata Sow. 

Ti/lostoma depressum Pictet et Camp. 

Natica cfr. Suerii Pictet et Camp. 

Lilhodomus oblongus d'Orb. 

Lithodornus avellana d'Orb. 

Neithea (Janira) atava (Roem.) d'Orb. 

Lima longa R o e m e r. 

Ostrea sp. 

Terebratula cfr. Dutempleana d'Orb. 

Terebratiila cfr. praelonga Sow. 

Terebratula (WaldheimiaJ tamarindus Sow. 

Terebratula (Waldheimia) semistriata Defr. 

Rht/nchonella irregnlaris Pictet. 

Rhynchonella lata d'Orb. 

Ehj/nchonella Gillieroni Pictet. 

Bhi/ncfionella Gillieroni var. longirostris Pictet. 

Heteraster oblongus (de Luc) d'Orb. 

Heteraster Couloni {Ag.) diOrh. 

Echinobrissus Olfersii Ag. sy). ' 

Goniopiigus peltatus Ag a s. 

Cjiphosoma cfr. Perroni Cott. 

Pseudodiadema cfr. Rhodani (A g.) D e s r. 

Pseudocidaris chmifera (Ag.) F. de Loriol. 

Cidaris Lardyi D e s o r. 

Korallen sp. 

Was Sainte - Croix, welches uns die schätzens- 
werthesten Daten über die Stratigraphie und Palae- 
ontologie der Kr ei de periode liefert, für die Schweizer 
Alpen ist, dasselbe bedeutet Trnovo für die vorbalka- 
nischen Felsgegenden. 



und Nis (Ostravica) (Sitzb. 1879, Märzheft, 79. Bd., p. 197 ff. Denkschriften 
1881, Bd. 48, p. 43 d. Sep. Abdr.). 

1 Au derselben Localität sammelte nach einer Mittheilung Prof. 
Toula's, dem diebetreffenden Stücke zukamen, Hen- Ing. A. Pelz schon 
vor mehreren Jahren eine Anzahl von Brachiopodeu und Cidariten. 



336 Z 1 a t a r s k i 



IX. Ton Trnovo westwärts an die Riisica. 

"Wir wollen noch einen kleinen Ausflug nach dem W von 
Trnovo unternehmen, und zwar über Samovodeni, Michalei, Bjela 
Cerkva (Turöetata), Dobromirka, Malkocevo, Balvanska-Mahala, 
Pusevo und Colakova-Mahala. 

Die Urgonkalke erreichen, wie wir gesehen haben, hier 
nördlich bei Saniovodeni ihr Ende. Sie breiten sich jedoch in 
östlicher Richtung bis nach Orehovica, Leskovec und Dragizevo 
aus. Nach W sind sie weithin bekannt: sie übersetzen die Rossica, 
Osma und auch den Vid und erscheinen auch noch jenseits des 
Isker. 

Ich verliess Samovodeni und erreichte in kurzer Zeit das 
Dorf Hotnica. Die hier als Baumaterial verwendeten Steine rühren 
von den weissen grobkörnigen Kalkfelsen bei Kajabunar her, 
einem Orte südwestlich von Hotnica und enthalten Rhynchonellen, 
Korallen und in den dichteren Partien auch Requienien. 

Die Kalkzone zieht sich südlich von Zolari hin nach W. 

Zwischen Mussina und der Rossica erhebt sich eine zweite 
nördlichere Felspartie. 

Bei Mihalci finden wir eine deutliche Schichtenfolge: Ganz 
oben bläulicher oder röthlieher Kalksandstein, der auch grosse 
Quarzkörner und dunkelrothen Ocker enthält. Von Versteinerungen 
fanden sich Pentacriniten, Ostreen und Stacheln von Echiniden. 
Auch Hieroglyphen treten auf den Schichtflächen auf. In grösserer 
Tiefe geht er in oolithischen, au Bryozoen, Trigonien etc. 
ziemlich reichen Sandstein über und noch weiter unten in dichten 
Mergel, ähnlich jenem von Samovodeni und Trnovo. 

Westlich von Mihalci dehnt sich an diesem Flusse eine 
Alluvialebene aus, auf welcher das grosse und hübsche Dorf 
Bela Cerkva (Turcetata) liegt. 

Bei Visovgrad gewahrt man einige Steinbrüche in bunten, 
sehr feinkörnigen, oolithischen Kalksandsteinen. Dieser Oolith 
ist hart und hat deutlich gelagerte, nach N (h. 2Y3) unter einem 
Winkel von 18 — 25° fallende Schichten, die einstens in Contact 
mit jenen von Mihalci gewesen sein müssen. 



Geologische Untersuclmngen im centralen Balkan etc. 337 

Südlich von Plnzna zeigen sich mürbe Kalkfelsen, die mit 
mergeligen Schichten, reich an Korallen, Pterinella,^ Terebra- 
tiila {T. tamarindus d'Orb. und T. acuta Qiienst,), Cidaris- 
Stacheln etc. abwechseln. Die mergeligen Gesteine treten auch 
gegenDobromirka hin hervor und fallen, wie die vorher erwähnten 
Sandsteine, aber noch flacher geneigt, nach N. Weiter südlich 
erblickt mau röthlichen und grauen grobkörnigen Kalkstein, im 
Thale vor Dobromirka aber bläulichen Mergel. Bei der Mühle 
fallen die Schichten unter einem Winkel von 45 — 55° nach S. 
Dobromirka selbst liegt auf einem grauen, dichten, theilweise 
thonigen und an Ostreen reichen Gesteine. 

In Kalna-Koria erscheint unweit der Hauptstrasse dichter 
Urgonkalk mit denselben Fossilien, die wir auch bei Trnovo 
sahen; unter den zahlreichen Rhynchonellen ist R. irregularis 
Pictet am deutlichsten kenntlich. 

Bei Malkocevo kommt man endlich in ein Sandsteinterrain 
des Urgon. Das Grundgestein ist feinkörnig und bläulichgrau. 
Die Schichten fallen nach NW (39°). Der Sandstein wechselt im 
Thale mit dünnen Lagen von Mergel ab. 

Zwischen Malkocevo und Gostilica finden sich Sandsteine 
mit kohligen Spuren und Hieroglyphen und dieselben Mergel. 
Vor dem letzteren Dorfe fallen die mergeligen Gesteine nach S 
(50°). In Gostilica selbst findet sich nur Sandstein, der hier mit 
nur 19° nach S geneigt ist. 

Eine zweite urgonische Kalkzone erstreckt sich parallel zu 
jener, die wir soeben verlassen haben, von Serbegli nach Dre- 
novo und führt den Namen Straza. Von der Anhöhe zwischen 
Malkocevo und Gostilica betrachtet, sieht Straza wie eine weisse, 
steile Mauer aus, die von der Jantra in der Richtung von S nach N 
durchbrochen wird. 



1 Die Pterinellen liegen in grossen Exemplaren vor, welche nach Prof. 
Toula vollkommen mit jenen aus den sandigen Neocom-Mergeln oberhalb 
Oiese (Grundlinien, Tat". III) übereinstimmen. Auch der Erhaltungszustand 
ist derselbe. Von der Form mit geripptem Wirbel (Prof. Toula nannte sie 
Pt. crassüenta 1. c. Taf. III, Fig. 3) liegt ein grosses flaches Exemplar vor, 
bedeckt mit Serpula filiformis Sow. Es sind sicher dieselben Schichten wie 
bei Orese nördlich von Jablanica und von Srutina Kanara bei Tniova 
(Sitzber. XC, 1884, p. 276 ff.). 



338 Z 1 a t a r s k i , 

Beim ersten Thal auf der Strecke Gostilica-Balvanska 
Mahala kommt man wieder in nordwärts fallende Sandsteine und 
Mergel (60—75°). 

Bei Balvanska Mahala kommen die kalkigen Urgongesteine, 
die coneordant unter den Sandsteinen liegen, nochmals zum Vor- 
schein. Dieser Kalk hat dieselbe Beschaifenheit wie jener von 
Trnovo und der westlichen Umgebung dieser Stadt und ist mehr 
dicht als körnig. Von Versteinerungen sieht man hier am häufigsten 
Rhynchonella ci'\:irreffularis Bietet und verschiedeneKorallen. 
Bei der Brücke liegt über diesen Kalksteinen ein anderer von röth- 
licher, grauer oder blauer Färbung, dichterem Gefüge und grossem 
Reichthum an Requienieu, der mit nur 19° nach N fällt. Hier 
verläuft eine Dislocation. Über dem Requienienkalke zeigen sich 
ganz deutlich thonige und mergelige Schichten und dazwischen 
Kalksandstein; weiter nördlich folgen auf diese die oben erwähn- 
ten dichten Kalksteine, in welchen der Knollenkalk eine grössere 
Ausdehnung hat. In den letzteren konnte ich ausser Ostrea und 
Korallen nichts finden. 

Die Jantra durchbricht hier die Kalkzone von S nach N; 
im W zusammenhängend ist sie im mehr gegliedert und zeigt 
viele kleine Hügel und Sättel. Im Flussbett sieht man hie und da 
auch blauen Mergel. 

Bei Pusevo ist das niedrige rechte Ufer mit Alluvium 
bedeckt, das linke dagegen, welches aus blauem Mergel besteht, 
erhebt sich ziemlich hoch über das Niveau der Jantra und weist 
gleichfalls auf eine Dislocation hin. 

Vor Semsevo liegt über dem kalkigen Urgon thoniger, mürber 
Sandstein, der, wie wir uns später überzeugen werden, eocän ist. 
Derselbe hat eine weissliche Farbe und spaltet sich regelmässig. 
Diese Felsart ist hier unter dem Namen „Bjela prst" (weisse 
Erde) bekannt und wird zum Tünchen der Wände gebraucht. 
Sie erstreckt sich gegen die Weinberge von Trnovo, wo sie meist 
weiss, lichtblau, grauweiss oder grünlich gefärbt erscheint. Die 
nämlichen Schichten constatirten wir, Prof. Toula und ich, auch 
östlich von Trnovo. Nach meinen Untersuchungen erstreckt sich 
die eocäne Formation von Semsevo bis nach den Weinbergen von 
Trnovo, verschwindet 1 Kilometer vor dem Erreichen der Jantra 
und zeigt sich wieder in einer Entfernung von 2 Kilometern östlich 



Geologische Untersuchungen im centi-alen Balkan etc. 339 

von der Stadt. Die Eocänformation, die sich auch bei Dragizevo 
und Merdaua zeigt, dehut sich höchstwahrscheinlich auch noch 
weiter nach hin aus. 

Bei Semsevo setzte ich über die Jautra und ging zwischen 
den Weinbergen nach Colakova-Mahala. Doch bevor ich noch 
dieses Dorf erreichte, verschwanden die eocänen Schichten, die 
concordant über den Kreideschichteu liegen und es zeigte sich 
nun dieselbe Reihenfolge des Urgon, wie wir sie schon einmal 
bei Balvanska-Mahala sahen; auch die beiden Dislocationen in 
der Eichtung von nach W wiederholen sich hier. Dieselbe 
Erscheinung kann man im Durchbruche der Jantra bei Trnovo 
genauer beobachten. 

Colakova-Mahala liegt am Flusse südlich von denKaikfelsen. 

Beim Eingange in die Jantraengen bei Belcos-Mühle fallen 
die Urg-onschichten nach N (h. 1 — 2, 26°). Zu unterst erblickt 
man Thonmergel, sodann 20 — 30 Ctm, dicke Schichten von 
kalkigem Sandstein und darüber dünne Sandschichten (1 bis 
0-5 Ctm.). Unmittelbar darauf folgen grauweisser, dichter Kalk 
und ebensolcher von röthlicher und bläulicher Färbung. Die Reihe 
beschliesst aschgrauer Kalkstein mit Rhynchouellen (15— 18 Meter 
mächtig;). 

Erste Dislocation. Es treten wieder auf: Grauer, dünn- 
schichtiger, etwas sandiger und glimmeriger Thonmergel, er wech- 
selt sehr oft mit dünnenSchichten(0*3— 0*1 Ctm.) von kalkigem 
Sandstein, mit Hieroglyphen auf den Schichtflächen, ab. Die 
Stärke der mergelig-sandigen Schichten erreicht 25 — 28 Meter. 
Darüber breitet sich bläulicher Kalksandstein aus [S Meter), in 
dem man ausser Quarzkörnern auch kohlige Spuren und Markasit 
bemerkt. Auf die compacten Sandsteine folgen nochmals Thon- 
mergel und kalkig- mergeliger Sandstein, der anfangs mürbe ist 
und allmälig fest und hart wird. Zuletzt finden wir wieder den 
Requienienkalk; derselbe ist zu unterst grau-weisslich oder röth- 
lich, nimmt aber nach oben eine bläuliche Färbung an, indem 
zugleich sein Reichthum an Fossilien wächst (circa 50 — 70 Bieter 
mächtig); fällt nach N (19°). 

Die zweite Dislocation bemerkte ich bei Kosta Ljud- 
skauov's Fabrik, vor dem sogenannten Ustije, wo, gerade wie 
oben, Thonmergel und kalkiger Sandstein zum Vorschein kommen. 



340 Z 1 a t a r s k i , 

Bei der gTossen Karagiozov'scheu Fabrik, bei den an der 
Jantra eröffneten Steinbrüclien erblicken wir Sandsteine mit 
Bhynchonella, Terebratitla^ Crassatella u. a.; dieselben erstrecken 
sich jedoch unter Marno-pole, und erst bei Sulnar kommen 
Knollenkalk und Eequienienkalk zum Vorschein. Den nämlichen 
Eepräsentanten des Urgon begegnen wir auch im Walde, jenseits 
der Jantra, sowie auch in dem Hügel, auf dem Trnovo erbaut ist; 
da sich aber dieser letztere sehr hoch über Marno-pole erhebt, 
sind wir gezwungen, hier eine dritte Dislocation anzunehmen. 



INHALT. 



Seite 

Vorwort 249 

I. Von Sofia über Ötujak, längs des Isker nach der Donau .... 251 

1. Das Becken von Sofia 251 

2. Von Sofia über Curjak nach Orhanie 254 

3. Von Orhanie, über Hubaveue und Karlukovo nach Lukovit . 261 

4. Von Lukovit nach Grlava-Panega (Quellen der Pauega) . . . 273 

5. Von Lukovit über Öerveni-breg, Öiimakovci, längs des Isker 

zur Donau 275 

IL Von Gigen längs des Flusses Vid nach Pleven 291 

1. Von Gigen über Brest, Zlakiicino, Kacamunica nach Pleven . 291 

2. Von Pleven bis zur Vid-Brücke, längs des Flusses nachTrnica; 
sodann über Kartazabeni,Ucindol, Bogot, Tucenica, ßadisevo 
nach Pleven zurück 293 

3. Fossilien aus den mittleren Schichten des Tucenica-Thales . 301 

IIL Von Pleven nach Nikopol 302 

IV. 1. Von Nikopol längs des Osam nach Lovec 3U7 

2. Fossilien aus der Gegend von Lovec 311 

V. Von Lovec über Novoselo, Trojan, Sipkovo nach Sevlievo . . 313 

1. VonLovec überBiul,Debnevo längs der Vidima nachNovoselo 313 

2. Von Novoselo über Trojan nach Sipkovo 316 

3. Von Sipkovo nach Vasiljov 319 

4. Von Sipkovo über Koniau, Dlbok-Dol, Vrabiu nach Sevlievo 320 
VI. Von Sevlievo nach Svistov 323 

VIT. Über die bulgarischen Basaltfelsen 328 

VIII. Von Svistov nach Trnovo • . . 331 

IX. In der Uniffebune- von Trnovo 336 



(i.X Zlatarski : BeilriioV zui- ( ioolooi(> dor nördliohpii Ball^anA orlande z\\isclien don Flüssen Js-kor und Janlra . 



Taf.l. 



(ili.'c'tü'oi.'««:ltc.> {5*i.cFiC \icti. c>'cii(X utbet Cutialc , C:'clva.ivljc , .^Vcvfjcvv-'iCtX.CVcVtiX^ .cH.tvt-Ui.ric'vc luxclv \.i.i,r-vCoiL 



Figl. 




Fig. 



t'lL.'aSv.^a £Ux. 






MtziuiU.'iiMl.kais.i\kad.d.n'.iiw(hiialurw.riasN(>I('lII.]M.I,Abliilö(S6. 



Zlatarski:ßalka II Vorland. 



Tat'.K. 




3A 




KScMnM. Retfi/iniia Lorrc'isisZfa/. 

Silzunssbd k .\kad dW. math Ralui-w Classe XCnrBd. I Abfli . 1886. 



Klüicrii Staätsdiiicliers 



Zlatai'slxi:BalkjiiVor];!ii(] 



Tafffl. 




% 




5chÖRlitii. KMof-Ti Staatsäracferei 

Itt^ifincinii nri/iKvi Z.lal. 

Silzuiigsb.d. k Akadd^r.iuafli natm-w Oasse XCIffBd I AbÜi . 1886. 



Geologische Untersuchungen im centralen Balkan etc. 341 



Erklärung- der Tafel I. 



Fig. 1. 1. Alluvium. 2. Diluvium. 3. Weisser Kreidekalk mit 
Exogyren, Inoceramen etc. (Cenomau?). 4. Mergelig-sandige 
Gesteine mit Hieroglyphen; thonig-sandige und thonig- 
kalkige Schichten (Gault?). 5. Thonige Sandsteine und 
Mergel mit Orbitolinen etc. (Aptien). 6. Urgonien. Sandiger 
Kalk, thonige und mergelige Schichten mit Exogyra interruipta E. de 
From., Cjipr ina rostrata¥ itt., Cidaris Lardyi Desor. lihi/nchonella 
lata d'Orb. etc. 7. Neocomien. Mergelige und thonige Sandsteine. 
8. Rother und weisser Sandstein mit Conglomeraten, und 
quarzaderiger Sandstein. 9. Palaeozoische Phyllite. 10. An- 
desit- und Porphyrit- Gänge. 

Fig. 2. 1. Diluvium-, Löss. — 2. Sarmatische Stufe: bj Grobkörniger 
Sandstein, unten mergeliger Sandstein, aj Oolithische kalkige 
Schichten mit Cardium obsoletum, Modiola Volhynica, Trockus pictus, 
T. quadristriatus, Tapes gregaria. 3. e) Fetter Thou mit Gyps. 
d) Dünne, sandige Schichte, c) Thon mit Gyps. b) Oolithischer 
Kalk, a) Bläulicher fetter Thon. 4. Oolithischer Kalk. 5. Cerithien- 
kalk (auch oolithisch). 6. Fetter Mergel, ganz unten weiss, bläu- 
lich , sandig und ohne Versteinerungen , weiter oben gelblich 
und voll mit Steinkernen von Cardium obsoleUim, C. plicatum, 
Tapes gregaria; noch weiter oben grauer Tegel, ganz oben harter 
Thou mit Abdrücken von Bidla, Modiola, Trochus,Mactra, Carditim. 
7. Grobkörniger Sandstein verkittet mit kalkigem Cement, theil- 
weise oolithisch, reich an Modiola Volhynica, Mactra podolica, Car- 
dium obsoletum, Buccinum etc. 8. Bläulicher Mergel, ähnlich wie bei 
der Vid-Brücke. — C e n o m a n : '.). aj Bläulicher dichter Kalkstein 
mit Feuersteiutheilchen. bj Grobkörniger weisser Kalkstein, 
cj Zuckerartiger Kalkstein in dünnen Schichten. — Gault: 
10, a) Glimmeriger, mergeliger, mürber Sandstein und bläulicher 
Mergel. bJ Sandiger Mergel, mit dünnen, sandigen Schichten. 
Aptien: 11. Sandsteine und Mergel mit Orbitolinen. — Urgonien: 

12, Sandiger Mergel. 13. Caprotineu (Requienien) -Kalk. 

Neocom: 14. Kalkig-mergeliger Schiefer mit Belemnites, Ammo- 
nites, Aptychus etc. 



342 



Anatomisch-physiologische Untersuchungen über die 
Keimpflanze der Dattelpalme. 

VoD Georg Firtsch in Graz. 
(Aus dem botanischen Laboratorium der technischen Hochschule in Graz.) 

(Mit 1 Tafel.) 

(Vorgelegt in der Sitzung am 1. April 1886.) 

Einleitung. 

Von den Keimpflanzen der Palmen i.st jene der Dattelpalme 
bisher am genauesten bekannt geworden, Malpighi, Mirbel, 
Treviranus, Mohl^ in Martins Palmenwerk, und in neuerer 
Zeit Sachs^ haben derselben ihre Aufmerksamkeit zugewendet. 
Eine genauere Darstellung der anatomischen Verhältnisse ist 
jedoch bisher noch nicht mitgetheilt worden. Im Folgenden habe 
ich versucht eine solche zu geben, und zwar vom physiologischen 
Standpunkte aus. 

Zur Orientirung schicke ich eine kurze morphologische 
Beschreibung des entwickelten Keimlings voraus. Der Cotyledon 
desselben besteht aus zwei Theilen; sein oberes Ende bildet das 
im ausgewachsenen Zustande sattelförmige, den Samen mebr 
oder minder ausfüllende Absorptionsorgan, von Mohl „Caput 
cotyledoneum", von Sachs „Haustorium" genannt. Dieses geht 
an der Durchbruchstelle der Samenschale in eine halsförmig 
verengte Partie über, den Haustoriundials. Der zweite, aus der 
Samenschale heraustretende Theil des Cotyledonarblattes, der 
Haustoriumstiel, Mohl's „chorda germinalis", beginnt mit einer 
auf den Haustoriumhals folgenden verdickten Partie, die Mohl 
„tumor chordae" nannte. Nun folgt der eigentliche solide Hau- 
storiumstiel, der bei meinen Keimlingen, welche in Sägespänen 



J Martins, Historia naturalis palmarum. Bd. I, pag. 153. 
1 Sachs, Zur Keimung'sgeschiclite der Dattel. Botan. Zeitung 1862, 
p.g. 241. 



Anatomisch -physiologische Untersuchungen etc. 343 

und in mit Sägespänen vermischter Erde gezogen waren, durch- 
gehends bedeutend länger wurde, als dies, nach den Abbildungen 
zu urtheilen, bei den Keimlingen Mohl's und Sachs' der 
Fall war. 

Der solide Haustorinmstiel geht nun in seinem unteren Theile 
in die seitlich offene oder mehr oder minder verwachsene Keim- 
blattscheide ,, Vagina cotyledonea" über. Das erste blos scheiden- 
förmig entwickelte Blatt durchbricht die Cotyledonarseheide und 
dringt mit seiner starken Spitze im Boden aufwärts; es erreicht 
knapp die Oberfläche, ragt oft aber auch 2 bis 3 Ctm. hoch aus 
dem Boden heraus. Nunmehr bricht das erste, gefaltete grüne 
Laubblatt, welches von linealer Gestalt ist, mit seiner starken 
Spitze durch. Erst nachdem der Cotyledonarstiel nahezu aus- 
gewachsen ist, beginnt die Hauptwurzel sich rascher zu strecken, 
und erreicht sehr bald eine ziemlich beträchtliche Länge. ^ 

Vorliegende Arbeit wurde im botanischen Laboratorium der 
k. k. technischen Hochschule zu Graz im Wintersemester 1884/85 
ausgeführt und spreche ich hier meinem hochverehrten Lehrer^ 
Professor Dr. G. Haberlandt, für seine Unterstützung meinen 
verbindlichsten Dank aus. 

I. Das Haustorium. 

Der obere Theil des Cotyledons, welcher im Samen stecken 
bleibt, fungirt als Absorptionsorgan. Dasselbe schwillt anfangs^ 
kugelförmig an, sich imEndosperm durch Auflösen der Zell waud- 
verdickungen und Absorption der gelösten Massen Raum schaffend ; 
später bekommt es dann eine mehr abgeflachte Form und, indem 
es allmälig sich ganz der Form des Endosperms anschliesst, eine 
sattelförmige Gestalt (Fig. 1). Die Oberfläche ist reichlich mit 
Leisten und Höckern versehen, wodurch die absorbirende Fläche 
wesentlich vergrössert wird. 

Im ersten Jugendzustand des Keimes fungirt die gesammte 
jugendliche Epidermis desselben, welche aus stark radial 
gestreckten Elementen besteht, als Absorptionsgewebe. Dasselbe 
bleibt dann nur dem Haustorium erhalten, während es am 
Cotyledonarstiel in eiue typische Epidermis umgewandelt wird. 

1 Vergleiche .auch: Pfitzer, Über Früchte, Keimung und Jugend- 
zustände einiger Palmen. Ber. d. deutscheu bot. Gesellsch. 1885, pag. 32 ff. 

Sitzb. d. raathem.-naturw. Cl. ilCIlI. Bd. I. Abth. g5 



344 F i r t s c h , 

Aber auch am Haustoriiim zeig't es eine verschiedene Aiisbildimg- ; 
während es in der Nähe des Cotyledouarstieles aus sehr hohen, 
schmalen Zellen besteht, ist es an anderen Stellen, wie an der 
Seite und auf der oberen Fläche des Haustoriums, aus relativ 
viel kürzeren Zellen gebildet. 

Das Meristem des g-anz jungen Haustoriums besteht aus 
vollkommen isodiametrischen Zellen, später strecken sich diese, 
und schon im halb erwachsenen Haustorium beobachtet man ein 
aus ziemlieh lauggestreckten Zellen bestehendes Leitparenchym 
mit grossen Intercellularräumeu. In den inneren Partien des Hau- 
storiums convergiren die gestreckten Leitparenchymzellen gegen 
den Haustoriiimhals, in den Eandpartien aber bildet das stoff- 
ableitende Leitparenchym ein- bis zweischichtige Scheiden, 
welche die Gefässbündel umschliessen. Die Zuleitung der absor- 
birten Baustoffe von dem Absorptionsgewebe zu den genannten 
Scheiden erfolgt durch Reihen aus gleichfalls gestreckten Zellen, 
welche häufig bogig gegen die Leitparenchymscheiden verlaufen 
(Fig. 2). So kehren hier in Folge gleichartiger Stoffleitungs- 
yerhältnisse dieselben Anschlusseinrichtimgen wieder, welche 
sich, wie Haberlandt^ gezeigt hat, so häufig in den grünen 
Laubblättern vorfinden und für die Richtung der Pallisaden zell- 
reihen massgebend sind. 

An Schnitten, welche die Gefässbündel der Länge nach 
treffen, sehen wir, dass diese pallisadenförmigen Zuleitungszellen 
unter einem spitzen Winkel gegen das Gefässbündel einfallen. 
Es kann keinem Zweifel unterliegen, dass diese Schiefstellung auf 
Wachsthumsverschiebung beruht (Fig. 3). 

Was die allgemeine Anordnung der Gefässbündel im 
Haustorium betrifft, so strahlen dieselben an der Eintrittsstelle in 
das Haustorium radienförmig aus, gabeln sich und laufen der 
Oberfläche desselben genähert in ziemlich gerader Richtung bis 
an den Rand des sattelförmigen Gebildes. Von da an beginnen 
sie einen geschlängelten Verlauf zu nehmen und nähern sich dem 
Mittelpunkte der oberen Haustoriumfläehe, der morphologischen 
Spitze des Organs, wo sie sich im ausgebildeten Zustande wieder 
in unregelmässiger Weise vereinigen, 

1 Hub er lau dt , Verg-leicliende Anatomie des Assimilationssystems. 
Prinyh. Jahrl)., Bd. XIII, pag. 136 u. 143. 



Anatomisch-physiologische Untersuchungen etc. 345 

Der Leptomtheil überwiegt relativ den Hadromtheil des 
Gefässbüudels, eine Erscheinung, welche indem geringen Wasser- 
bedarf des eingeschlossenen Haustoriums ihre Erklärung findet. 
Mechanische Verstärkungen des GefässbUndels kommen nicht vor. 

Auffallend ist das stark ausgebildete Durchlüftungs- 
system des Haustoriums; dasselbe dürfte nicht mit der Trans- 
spiration, sondern mit der Athmung zusammenhängen. Es kann 
keinem Zweifel unterliegen, dass das functionirende Haustorium 
sehr sauerstoffbedürftig ist. Da der erforderliche Sauerstoff von 
der Oberfläche des Samens aus durch das Endosperm hindurch 
gewiss nicht zugeführt werden kann, wenigstens nicht in genü- 
gender Menge, so muss die Sauerstoffzufuhr von dem Cotyledonar- 
stiel aus erfolgen. Das Durchlüftungssystem des Haustoriums 
muss also auf diesem Wege mit der atmosphärischen Luft, respec- 
tive der Bodenluft, communiciren. Thatsächlich treten, wie wir 
später sehen werden, unterhalb des Haustoriumhalses am 
Cotyledonarstiel Spaltöffnungen auf, welche die Communication 
vermitteln. 

II. Der Cotyledonarstiel. 

Die Epidermis des Cotyledonarstieles besteht am Hals- 
theile aus Zellen, welche noch radial gestreckt sind, ähnlich den 
Absorptionszellen des Haustoriums (Fig. 4). Nach unten zu 
nimmt ihre Höhe ab. Wahrscheinlich im Zusammenhange mit 
der Einwirkung des radialen Druckes, welchen das Endosperm 
und die Samenschale auf den Haustoriumhals ausüben, steht die 
Thatsache, dass die radialen Wände stärker verdickt sind als 
die Aussenwände der Epidermiszellen. Einzelne dieser letzteren 
sind durch Querwände getheilt. 

Ausserhalb des Samens besitzen die Zellen der Epidermis 
die typische Form. Letztere lässt sich beim ausgebildeten Keim- 
ling noch eine Strecke weit abwärts verfolgen; weiter nach unten 
zu löst sie sich jedoch in grösseren oder kleineren Fetzen ab 
(Fig. 5). Eine solche Häutung ist von Klebs^ auch au 
den jüngeren Theilen der Hauptwurzel des Dattelkeimliugs 
beobachtet worden. So wie die Epidermis des Cotyledonarstiels, 



1 Beiträge zur Morphologie und Biologie der Keimung, Untersuchungen 
nus dem bot. Institut zu Tübingen, I. B. p. 536. 

23* 



346 F i r t s c h , 

welche im jugendlichen Stadium richtiger als Absorptionsgewebe 
zu bezeichnen wäre, besitzt nach dem Abstossen derselben auch 
die darunter liegende Zellschicht vereinzelte kurze Wurzel- 
haare (Fig. 6). 

Auf der Anschwellung des Cotyledonarstiels unterhalb des 
Haustoriumhalses treten Spaltöffnungen auf, und zwar in einer 
schmalen, höchstens 2 Mm. breiten Zone. In der Regel sind die 
Spaltöffnungen beträchtlich über das Niveau der Epidermis 
erhoben. Im unteren Theile der erwähnten Zone bleiben die 
Spaltöffnungen aber zum grössten Theile im Niveau der Epidermis. 
Bezüglich des Baues der Spaltöffnungen verweise ich auf die 
Abbildungen (Fig. 12). Hin und wieder begegnet man Zwillings- 
sj)altöffnungen sowie auch abnormen Bildungen, welche sich 
durch stark in die Quere gezogene Spalten (Fig. 13) oder 
iS-förmig gekrümmte Bauchwände charakterisiren. Die Bedeu- 
tung der Spaltöffnungen für die Durchlüftung des Haustoriuras 
wurde oben hervorgehoben. 

Das mechanische System des Cotyledonarstieles besteht 
erstens aus einem schwach gebauten mechanischen Hohlcylinder, 
und zweitens aus den C-förmig verdickten Schutzscheiden der 
Gefässbündel mit ihren innenseitigen, aus Bastzellen bestehen- 
den Verstärkungen. 

Der mechanische Hohlcylinder tritt unter den äusser- 
sten Rindenzellschichten auf. Er beginnt erst ungefähr in der 
Höhe, in welcher die Epidermis anfängt, sich abzulösen und 
besteht hier in der Regel blos aus einer einzigen Zellage 
(Fig. 6) ; weiter unten zu wird er mehrschichtig. Seine Zellen 
besitzen verhältnissmässig nur sehwach verdickte Membranen, 
sind von der Länge der angrenzenden Parenchymzellen * aber 
entschieden prosenchymatisch zugespitzt (Fig. 11). Im oberen 
Theil dieses Hohlcylinders treten häufig Durchlasszellen 
auf, welche weiter unten fehlen- Die mechanische Bedeutung 
dieses Hohlcylinders als Einrichtung gegen den radialen Druck, 
welchen der Cotyledonarstiel im Boden erfährt, ist wohl 
unzweifelhaft. 



1 Hieraus ergibt sich auch, dass dieser mechanische Ring- grund- 
pareuchymatischeu Ursprunges ist. 



Anatomisch-physiologische Untersuchixugen etc. 347 

Bevor ich die Schutzscheiden und ihre Verstärkungen 
bespreche, muss ich auf den Bau der GefässbUudel und ihren 
Verlauf eingehen. 

Die Gefässbündel des Cotyledonarstieles und der Scheide 
sind auf dem Querschnitte annähernd kreisförmig gelagert. 
Der Durchmesser dieses Kreises ist im Halstheil des Hau- 
storiums relativ am grössten, im Cotyledonarstiel rücken die 
Gefässbündel immer mehr gegen das Centrnm zu, so dass 
der Durchmesser des Gefässbündelkreises bis fast zu einem 
Drittel des Durchmessers des Stieles herabsinkt (Fig. 5). Die 
Anzahl der Gefässbündel beträgt im Cotyledonarstiel und der 
Scheide gewöhnlich unter zehn. In ihrem Verlaufe nach oben zu 
gabelt sich die Mehrzahl der Gefässbündel. So zählte ich bei- 
spielsweise im unteren Theil des Cotyledonarstieles 9, im Hals- 
theil 15 Gefässbündel auf dem Querschnitte. Die Gabelung der 
Gefässbündel erfolgt in der Weise, dass die Schutzscheide mit 
ihrem innenseitigen Bastbelege von der Leptomseite aus eindringt 
und zunächst das Leptom, später auch den Hadromtheil in zwei 
Theile spaltet (Fig. 8). 

Was den Bau der Gefässbündel betriift, so wäre zu 
erwähnen, dass der nach auswärts gekehrte Leptomtheil ziemlich 
stark entwickelt ist, und dass sich der Hadromtheil durch ver- 
hältnissmässig sehr enge Gefässe kennzeichnet. Dafür befindet 
sich in dem gegen das Centrum gekehrten Theil des Hadroms ein 
weiter, auf dem Querschnitt unregelmässig geformter Inter- 
cellulargang (Fig. 8). Es zeigt sich hierin eine Annäherung au 
den Gefässbüudelbau verschiedener monocotyler Wasser- und 
Sumpfgewächse [Sagittaria sagittuefoHa Blattstiel, Butomus 
nmbellatus Blatt, AUsma Plantafjo Blattstiel, Heleocharis palustris 
Halm, Scirpus silvaticus Halm u. a. m.).^ 

Die Schutzscheiden der Gefässbündel sind in aus- 
gesprochenster Weise C-förmig verdickt (Fig. 8, 9). Wie schon 
erwähnt , besitzen sie auf ihren Innenseiten Verstärkungen, 
welche aus typischen stark verdickten Bastzellen bestehen. Die- 
selben bilden 1 bis 3 Lagen; auf der Leptomseite ist der Bastbeleg 



1 Westermaier, Untersuchimg-en über die Bedeutung- todter 
Röhren etc. Sitzungsber. der Berl. Akad. 1884, pag. 1107. 



•>48 Firtsch, 

dicker als auf der Hadromseite. Eine derartige verstärkte Schutz- 
scheide wurde bisher blos in der Wurzel von Bestio sulcatus 
beobachtet.^ 

Die Schutzscheide selbst mit ihren kurzen Zellen uud 
typischen Querwänden ist gruudparencbymatischen Ursprunges 
(Fig. 10). Die Verdickung ihrer Wände beginnt später als 
die Verdickung der sie verstärkenden Bastzellen; diese letzteren 
werden auf der Leptomseite früher differenzirt als auf der Hadrom- 
seite, so dass in einem gewissen Entwickluiigsstadium das 
GefässbUndel blos eine Bastsicbel zu besitzen scheint. Durch- 
lasszelleu fehlen diesen Schutzscheiden. 

Ich glaube nicht, dass diese so mächtigen Verstärkungen 
der Schutzscheiden blos eine localmechanische Bedeutung be- 
sitzen, dasheisst, blos die G-efässbündel vor zu starken Zerrungen 
bewahren. Sie repräsentiren hier vielmehr zweifelsohne das zugfeste 
mechanische System des Cotyledonarstiels. Wie wir schon oben 
gesehen haben, sind ja thatsächlich die einzelnen GefässbUndel 
dem Centrum näher als der Peripherie. 

DasGrundparenchym des Cotyledonarstieles und der Scheide 
wird von sehr zahlreichen ungleichweiten und auf dem Quer- 
schnitt unregelmässig geformten Luftc analen durchzogen. 

Dieselben treten nicht nur ausserhalb, sondern auch innerhalb 
des Gefässbündelkreises auf. Diese Luftgänge werden meist in 
der Querrichtung von annähernd radial gestellten Zellen durch- 
zogen, deren unverdickte Wandungen vollständig collabirt sind. 
Die beiderseitigen Enden dieser Zellen sind oft unregelmässig 
erweitert (Fig. 7). Zw^eifellos handelt es sich hier um eine 
ähnliche Aussteifungseinrichtung, wie sie in den Luftgängen ver- 
schiedener Cyperaceen in Form von ausgespannten Zellfäden 
besteht.^ 

III. Die Hauptwurzel. 

Das Absorptionsgewebe besitzt in der Regel keine Wurzel- 
haare, blos hin und wieder wachsen einzelne Zellen zu 
kurzen Haaren aus. Diese Zellschichte wird, gleichwie beim 



1 Schwendener, Die Schutzscheiden und ihre Verstärkungen. 
Abhandlungen der Berl. Akad. 1882, pag. 34. 

- Vergl. Schwendener, Das mechanische Princip, pag. 91. 



Anatomisch-phj^siolog-isehe Untersuchimgen etc. 349 

Cotyledouarstiele, frühzeitig- abgestossen. Die Wandungen der 
darunter liegenden 4 bis 5 Zellageu verkorken und bilden so 
eine äussere Schutzselieide. 

Darunter liegt nun, so wie beim Cotyledonarstiel, ein zwei- 
bis dreischichtiger mechanischer Ring (Fig. 15) , dessen 
prosenehymatische Zellen mit spaltenförmigen links-schiefen 
Tüpfeln versehen sind. Interessant ist, in welcher Weise die 
Neben würze In diesen mechanischen Hohlcylinder durch- 
brechen (Fig. 16, 17). Führt man in einer Entfernung von 3 bis 
4 Ctni. von der Spitze Querschnitte durch die Hauptwurzel, so 
beobachtet man an einzelnen Schnitten, dass stellenweise der 
mechanische Eing in einer Breite von ungefähr 0-3 Mm. im 
cambialen Zustande verblieben ist, während die angrenzenden 
Partien des Ringes schon ziemlich stark verdickte Membranen 
besitzen. Dieser cambialen Ringpartie genau opponirt beob- 
achtet man im Centraleylinder die ersten Anlagen der Neben- 
wurzeln: eine Reihe von Pericambiumzellen, 8 bis 10 auf dem 
Querschnitte, haben sich radial gestreckt und tangential getheilt. 
Damit ist auch schon eine leichte Ausbuchtung der Schutzscheide 
gegen die Rinde zu gegeben. Untersucht man ältere Stadien, so 
sieht man, dass thatsächlich die jnngen Nebenwurzeln durch die 
cambialen Lücken des mechanischen Hohlcylinders dringen. 

Wie erklärt sich nun die genaue Opposition der jungen 
Wurzelanlagen und dieser cambialen Lücken? 

Nach Untersuchungen Vonhöne's ^ über das Hervorbrechen 
von Nebenwurzeln aus der Mntterwurzel, welches er bei zwei 
Orchideen, Laelia Barkeri und Oucidiiim spec. genauer studirt 
hat, werden sowohl die verdickten Wände der inneren, als auch 
jene der äusseren Schutzscheide durch ein von der jungen Wurzel 
ausgeschiedenes Lösungsmittel (zweifellos ein Ferment) gelöst, so 
dass der mechanische Widerstand der Scheiden beträchtlich ver- 
ringert wird. An den Rhizomen von Carex hirta und den Wurzeln 
einer Bumbusa beobachtete er eine so frühe Anlage der Seiten- 
wurzeln, dass der Ring durchbrochen wird, bevor er ausgebildet ist. 



1 Vouhöue. Über das Hervorbrechen endog'ener Orgaue aus dem 
Mutterorgan. Flora 1880, pag. 270. 



350 Firtsch, 

„Kommt eine Wurzel in die Nähe von Zellen, die immerbin 
schon einige Verdickungen zeigen, so verschwindet aus denselben 
die Verdickungssubstanz ganz so wie bei den Scheidenzellen der 
Orchidee." 

Bei der Dattelwurzel liegt das Auffallende darin, dass die 
Lücke im mechanischen Ringe schon zu einer Zeit vorhanden ist, 
in welcher die Nebenwurzelu sich noch im ersten Anlagestadium 
befinden. Nachdem zweifellos die Anlage der Wurzel der Bildung 
der Lücke vorausgeht, so erscheint es mir am wahrscheinlichsten, 
dass bereits von der jungen Wurzelanlage ein lösendes Ferment 
ausgeschieden wird, welches, radial in der Rinde sich verbreitend, 
an der opponirten Stelle die Verdickung der Wände des 
mechanischen Hohlcylinders unmöglich macht. 

Das Rindenparenchym der Wurzel wird von einem Kranze 
von Luftcanälen durchzogen, welche auf dem Querschnitte in 
radialer Richtung gestreckt sind. Aus collabirten Zellen bestehende 
Zugbänder, wie sie in den Luftgängen des Cotyledonarstieles auf- 
treten, fehlen hier. Der Centralstrang besitzt eine un verdickte 
Scheide, deren radiale Wände verkorkt und wellig verbogen 
sind; an sie grenzt nach innen das Pericambium. Im Bau und in 
der Anordnung der Hadromplatten und der dazwischen liegenden 
Leptomstränge zeigt sich nichts AutFallendes, von dem bisher 
Bekannten Abweichendes. 

Dei- mittlere Theil des Centralstranges besteht aus einem 
starken Bastbündel, welches nach aussen zu mit vorspringenden 
Leisten versehen ist, die sich zwischen die Hadromplatten ein- 
schieben. Die Mitte des Bündels wird von einem ganz dünnen, 
auf dem Querschnitt nur wenigzelligen, parenchymatischen Mark- 
strange durchzogen. 

IT. Die ersten Blätter. 

Das erste blos scheidenförmig entwickelte Blatt 
des Keimlings hat nur die Aufgabe, als Durchbruchsorgan zu 
dienen; es ist, wie aus der Anordnung seiner mechanischen 
Stränge auf dem Querschnitte hervorgeht, entschieden biegungs- 
fest gebaut. Knapp unter der Aussenseite treten in unregelmässigen 
Abständen isolirte Bastbündel und ganz kleine stark reducirte 
Oefässbündel auf, welche auf ihren Aussenseiten starke Bastbelege, 



Anatomiach-jDhysiologische Untersuchimgen etc. 351 

oder ringsherum Bastscheiden besitzen. Die grösseren, weiter 
innen gelegenen Gefässbündel besitzen beiderseits Bastbelege, von 
welchen die äusseren aus sehr stark verdickten englumigen Bast- 
zellen, die inneren aus schwächer verdickten mechanischen 
Elementen mit fast doppelt so grossem Querdurchmesser bestehen. 

Die kegelförmige Spitze dieses scheidenförmigen Blattes, mit 
welcher es den Boden durchbricht, besitzt einen dem entsprechen- 
den festen Bau. Die Wandungen der Epidermiszellen sind 
bedeutend stärker verdickt als weiter unten, und auch die 
darunterliegenden zwei bis drei Zellschichten haben sich als 
mechanisches Gewebe, das man als eine Art Hornparenchym 
bezeichnen könnte, ausgebildet. Die gestreckten Zellen desselben 
besitzen nicht unbeträchtlich s^erdickte Wandungen mit zahl- 
reichen Tüpfeln (Fig. 19). 

In dieser Blattspitze vereinigen sich die Hadromtheile der 
Gefässbündel, welche ihre Bastbclege schon früher verloren 
haben, zu einem Complex von kurzen, theilweise isodiametrischen 
Tracheiden, über welchen in der Epidermis Wasserspalten auf- 
treten. Übrigens besitzt dieses Blatt auch gewöhnliche Spalt- 
öffnungen, welche namentlich gegen die Spitze zu häufiger sind. 

Das nunmehr folgende Laubblatt besitzt bekanntlich eine 
lineale Form; seine Spitze ist gleichfalls als kegelförmiges 
Durchbrucbsorgan ausgebildet (Fig. 18) , welches fast genau 
denselben Bau zeigt, wie die vorhin beschriebene Spitze des 
ersten scheidenförmigen Blattes. Die Schliesszellen der Wasser- 
spalten sind blos im jugendlichen Zustande erhalten, später 
sterben sie ab und es sind jetzt nur mehr rundliche Löcher vor- 
handen. Die Zahl der Wasserspalten steigt bis auf zehn. 

V. Der anatomische Bau des Dattelkeimlings in seinen 
Beziehungen zu Klima und Standort. 

Die Dattelpalme ist bekanntlich eine ausgesprochene 
Wüsten pflanze, sie ist der einzige Baum, der in der Sahara 
seine ursprüngliche Heimat hat.* Nichts desto weniger bedarf sie 
zu ihrem Gedeihen, wie Cosson gezeigt hat und Grisebach 
wiederholt ausdrücklich hervorhebt, beträchtlicher Wassermengen. 



1 Griesebach, Die Vegetatiou der Erde. IL Aufl., Bd. IL, pag. 82. 



352 F i r t s c h , 

„Sie entwickelt sieh nur da, wo ihre Wurzeln mit den uner- 
schöpflichen Wasservorräthen in Verbindung stehen, die allein 
die Wüste befeuchten." Nur in jenen Theilen der Wüste, wo die 
Wurzeln das höher stehende Grundwasser erreichen können, 
konnte die Dattelpalme ohne künstliche Bewässerung- von jeher 
sich erhalten. 

In der inneren Organisation des Dattelkeimlings macht sich 
nun, wie wir gesehen haben, eine ganze Reihe von Eigeuthümlich- 
keiten geltend, welche sich überraschenderweise auf Anpas- 
sung an sehr feuchten, mit Wasser durchtränkten 
Boden zurückführen lassen. 

Im Bau des Co tyledonar Stieles sind diese Eigenthümlich- 
keiten folgende: 

1. Die über das Niveau der Epidermis hervorragenden 
Spaltöffnungen; 2. die zablreichen Luftcanäle der Rinde; 3. der 
mechanische Hohlcylinder der Rinde ; 4. die Intercellularcanäle 
in den Hadromtheilen der Grefassbündel. 

Eine besondere Besprechung verlangt der Umstand, dass die 
C-fÖrmig verdickten Schutzscheiden des Cotyledonarstieles, wie 
wir gesehen haben, sehr beträchtlich verstärkt sind. Wie 
Schwendener gezeigt hat, sind derartig verstärkte Scheiden in 
der Regel eine Anpassung an periodischen Wechsel zwischen 
reichem Wasserzufluss und anhaltender Trockenheit. Ahnliche 
Verstärkungen finden sich auch bei manchen hydrophilen 
Gewächsen, deren Standorte zeitweilig austrocknen. Diese 
letzteren Verhältnisse werden wohl auch für den in den obersten 
Erdschichten befindlichen Cotyledonarstiel massgebend sein und 
zur C-förmigen Verdickung der Scheiden geführt haben. Die 
beträchtlichen innenseitigen Bastverstärkungen dieser Scheiden 
dürften aber wohl von einem anderen Gesichtspunkte aus zu 
betrachten sein, nämlich als das zugfeste mechanische System 
des Cotyledonarstieles. 

Was die Wurzel betrifft, so zeigt dieselbe durchgehends 
anatomische Eigenthümlichkeiten, welche auf das Vegetiren in 
beständig feuchtem Boden hinweisen. Diese Eigenthümlichkeiten 
sind: 1. Das fast vollständige Fehlen der Wurzelhaare, welches, 



Anatomisch-physiologische Untersuchungen etc. 353 

wie Schwarz* gezeigt hat, für die Wurzeln der Sumpf- und 
Wasserpflanzen charakteristisch ist; 2. die zaldreichen weiten 
Luftcanäle der Rinde; 3. der mechanische Hohlcylinder der 
Rinde; 4. die unverdickte Schutzscheide des Centralstranges. 

Auf reichliche Wasserzufuhr weist endlich auch das Vor- 
kommen von Wasserspalten auf den Spitzen der beiden ersten 
Blätter hin. 

Alle diese Orgaiiisationsmerkmale sprechen also sehr ent- 
schieden dafür, dass die Keimung der Dattelsamen und die ganze 
erste Entwicklung des Keimlings bei Gegenwart beträchtlicher 
Feuchtigkeitsmengen stattfindet, das heisst auf die Dauer der 
Regenzeit beschränkt ist. In dieser Hinsicht schliesst sich also 
die Keimpflanze der Dattelpalme jenen Wüstenpflanzen an, welche 
ihre ganze Entwicklung von der Keimung bis zur Fruchtreife 
während der Regenzeit durchmachen. Wie Volkens^ in seiner 
interessanten „Skizze zur Flora der ägyptisch-arabischen Wüste" 
hervorhebt, haben diese „ephemeren Wüstenpflanzen" gut ent- 
wickelte Blätter von zartem Bau, sie bleiben saftig und krautig, 
und ihre Wurzeln dringen nicht tiefer in den Boden, als die der 
Wald- und Wiesenpflanzen regenreicherer Zonen. 

In letzterer Hinsicht unterscheidet sich allerdings der Dattel- 
keimling von diesen ephemeren Wüstenpflanzen dadurch, dass er 
gleich bei seiner ersten Entwicklung bestrebt ist, durch beträcht- 
liche Streckung des Cotyledouarstieles und der Scheide den 
Stammvegetationspunkt, welcher ja regenlose Zeitperioden über- 
dauern soll, in eine möglichst grosse Tiefe einzupflanzen. 

1 Fr. Schwarz, Die Wnrzelhaare der Pflanzen etc. Unters, des bot. 
Inst, zu Tübingen. Heft 11. 

2 Sitzungsberichte der Berl. Akad. 1886. 



Erklärung- der Abbildungen. 



Fig. 1. Haustorium eines Dattelkeimlings zu Beginn der Entfaltung des 
ersten Laubblattes; herauspräparirt (3: 1). 
„ 2. Theil eines Schnittes durch das Haustorium senkrecht auf die 
Gefässbündel; dadurch wird die bogige Anordnung der Leit- 
parenchymzellen ersichtlich (100 : 1). 



354 Firtsch, Anatomisch-physiologische Untersuchungen etc. 

Fig. 3. Theil eines Schnittes durch das Haustorium purallel einem Gefäss- 
bündel. Die Leitparenchymzellen schief gestellt; der Pfeil zeigt 
die Ableitungsrichtung der absorbirten Stoffe an, die Wachsthums- 
richtung ist entgegengesetzt (100 : 1). 

„ 4. Theil eines Querschnittes durch den Halstheil des Haustoriums 
(300 : 1). 

„ 5. Querschnitt durch den Cotyledonarstiel, 15 Mm. vom Hauatorium- 
hals entfernt (30 : 1). 

„ 6. Theil eines Querschnittes durch den Cotyledonarstiel, 3 Ctm. vom 
Haustoriumhals. Einfacher mechanischer Ring mit Durchlasszellen, 
äussere Eindenschicht verkorkt; Epidermis abgestossen (300:1). 

„ 7. Theil eiues Querschnittes durch den Cotyledonarstiel, 15 Mm. vom 
Haustoriumhals. Die Lufträume sind durch radial gestellte colla- 
birte Zellen versteift (550 : 1). 

„ 8. Theil eines Querschnittes durch den Cotyledonarstiel, 5 Mm. vom 
Haustoriumhals. Ein sich gabelndes Gefässbündel ; im getheilten 
Hadromtheil die Intercellularcanäle (300 : 1). 

„ 9. Ein Gefässbündel des Cotyledonarstiels im Querschnitt; zeigt die 
C- förmig verdickte Schutzscheide und den starken inneren Bast- 
beleg derselben. Gefässbündel bis auf den Leptomtheil reducirts 
(550 : 1). 

„ 10. Theil eines radialen Längsschnittes durch die Schutzscheide und 
den daran grenzenden Bastbeleg (550 : 1). 

„ 11. Theil eiues Längsschnittes durch den Cotyledonarstiel (300 : 1). 

„ 12. Querschnitt einer Spaltöffnung des Cotyledonarstieles (400 : 1). 

„ 13. Eiue stark in die Breite gezerrte Spaltöffnung (300 : 1). 

„ 14. Theil eines Querschnittes durch den Cotyledonarstiel 5 Mm. vom 
Haustoriumhals; die Epidermis beginnt sich abzulösen (300:1). 

„ 15. Querschnitt durch die Hauptwurzel (25 : 1). 

„ 16. Theil eines Querschnittes durch die Hauptwurzel ; über der Gefäss- 
platte die Anlage einer Nebenwurzel (200 : 1). 

„ 17. Theil eines Querschnittes durch die Hauptwurzel; die obiger 
Wurzelanlage opponirte Stelle der Rinde und des mechanischen 
Ringes zeigend, welcher an der künftigen Durchbruchstelle der 
Nebenwurzel in cambialem Zustande verblieben ist (200 : 1). 

„ 18. Kegelförmige Spitze des ersten Lanbblattes (3 : 1). 

„ 19. Längsschnitt durch diese Spitze; unter der Epidermis das Horn- 
parenchym (550 : 1). 



(I.Firlsc 



h: ,-, .o-iTOScli physiologische Untersuchungen über die Keimpflanze der Datielpalme 




5 Witsch d?: 



lith.Ajist- v.Th.Banawartli.-' 



Sitzimäsber.d.kaiserl.Akad.d."Wiss.iuath.natun»'.n.XCIff.Bd.I.AtK.1886. 



SITZUNGSBERICHTE 



DER 



miiü iiiii M wiss 



L 



MATHEMATISCH-NATURWISSENSCHAFTLICHE CLASSE. 



XOm. Band. V. Heft. 



ERSTE ABTHEILUNG. 



Enthält die Abhandlungen aus dem Gebiete der Mineralogie, Botanik, 
Zoologie, Geologie und Paläontologie. 



357 



XI. SITZUNG VOM 6. MAI 1886. 



Der Vorsitzende gedenkt des Verlustes, welchen die Aka- 
demie und speeiell diese Classe durch das am 24. April d. J. er- 
folgte Ableben des wirklichen Mitgliedes Herrn Professor Dr. 
Eduard Linnemann in Prag erlitten hat. 

Die Anwesenden geben ihrem Beileide durch Erheben von 
den Sitzen Ausdruck. 

Herr Director Dr. A. B. Meyer in Dresden übermittelt im 
Namen des Verfassers das Werk: „De Sluik-en Kroesharige 
Rassen t usscbe 11 Selebes en Papua", von I. Gr. F. Riedel, 
vormals Resident von Timor und Amboina in niederländ. Ost- 
indien, d. Z. in Utrecht. 

Das c. M. Herr Prof. F. Lippich in Prag übersendet ein 
Manuscript aus dem literarischen Nachlasse weiland des w. M. 
Herrn Prof.E. Linnemann, welches den Titel führt: „Austrium, 
ein neues metallisches Element". 

Das w. M. Herr Regierungsrath Prof. A. Rollett übersendet 
eine Abhandlung des Privatdocenten Herrn Dr. Otto Drasch in 
Graz: „Zur Frage der Regeneration und der Aus- und 
Rückbildungsformen der Epithelzelleu". 

Ferner übersendet Herr Regierungsrath Rollett eine Ab- 
handlung des Herrn Prof. Dr. Rudolf Klemensiewicz in Graz: 
„Experimentelle Beiträge zur Kenntniss des nor- 
malen und pathologischen Blutstroraes". 

Das c. M. HeiT Prof. R. Maly in Graz übersendet eine 
in seinem Laboratorium von Herrn Rudolf Andreasch, Privat- 
docenten, ausgeführte Arbeit: „Über die Chloressigsulfon- 
säure und einige andere halogensubstituirte Sulfon- 
säuren". 



358 

Der Se cretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor: 

1. „Beobachtungen über Entstehen und Vergehen 
der Samenkörper bei Triton", von Herrn Dr. Gustav 
Kitter v. W i e d e r s p e r g. 

2. „Über die Maassverhältnisse der Pyramide von 
Gizeh", von Herrn A. Jarolimek in Hainburg. 

3. „Über eine Classe von algebraisch auflösbaren 
Gleichungen fünften, sechsten und siebenten 
Grades", von Herrn Dr. Max Man dl in Wien. 

4. „Der Pohlke'sche Lehrsatz der Axonometrie und 
eine Verallgemeinerung desselben*, von Herrn Julius 
Man dl, k. k. Lieutenant in Krakau. 

5. „Über das verallgemeinerte C o rr espo n d en z- 
princip", von Herrn Dr. Karl Bobek in Prag. 

6. „Über die Einwirkung von Acetessigäther und 
Acetondicarbonsäure-Ester auf Hydrazoverbin- 
dungen", von Herrn Prof. Dr. H. Ritter v, Perger in 
Reichenberg. 

7. Einige Mittheilungen über die Gleichung X'r--hY-rZ, von 

aa^ dy 

Herrn D. A. Pio in Syra. 

Die Herren Dr. 0. Tumlirz und H. Luggin in Prag senden 
eine vorläufige Mittheilung über das remanente magnetische 
Moment des Bcrgkrystalls betreffende Versuche, welche 
von ihnen im physikalischen Institute der deutschen Universität 
zu Prag gemeinschaftlich ausgeführt wurden. 

Ferner legt der Secretär eingesendete versiegelte 
Schreiben behufs Wahrung der Priorität vor, und zwar: 

1. Von Herrn k. k. Feldmarschall-Lieutenant Johann Roskie- 
wicz in Krems, mit der Aufsclirift: „Ermittlung des 
Cursesund derFalirge seh windigkeit ein es Schiffes 
von einem Standpunkte der Küste aus". 

2. Von Herrn Prof. Theodor Maryniak in Lemberg, mit der 
Aufschrift: „Theorie der Propeller-Schraube und 
des Schiffswiderstandes". Derselbe ersucht gleichzeitig 
um die Zurücknahme seiner beiden über denselben Gegen- 
stand unter dem IL October 1883 und 9. October 1884 
vorgelegten versiegelten Mittheilungen. 



359 

Das w. M. Herr Hofrath E. Ritter v. Brücke überreicht 
eine im physiologischen Institute der Wiener Universität aus- 
geführte Arbeit des Herrn stud. med. Ludwig Rosenberg: 
„Über Nervenendigungen in der Schleimbaut und im 
Epithel der Säugethierzunge". 

Das w. M. Herr Hofrath Th. Ritter v. Oppolzer überreicht 
die auf die Beobachtungen zweier Oppositionen gegründete 
„Bahnbestimmung des Planeten Cölestina". 

Das w. M. Herr Prof. L. v, Barth überreicht eine im 
chemischen Laboratorium der Staatsgewerbeschule in Bielitz 
ausgeführte Arbeit der Herren J. Stingl und Th. Morawski: 
„Zur Kenntniss der Sojabohne". 

Das w. M. Herr Director E. Weiss berichtet über zwei 
Kometenentdeckungen, welche beide Herrn Brooks zu Phelps 
(N. Y.) gelangen: die erste am 27., die zweite am 30. April. 

Herr Dr. Hans Moliseh, Privatdocent an der Wiener Uni- 
versität, überreicht eine im pflanzenphysiologischen Institute aus- 
geführte Arbeit unter dem Titel: „Zwei neue Zucker- 
reactionen". 



Sitib. d. matheia.-uaiurw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 24 



360 



XII. SITZUNG VOM 13. MAI 1886. 



Se. Excellenz der Herr Curator-Stellvertreter macht 
der Akademie mit hohem Erlasse vom 10. Mai die Mittheilung, 
dass Seine kaiserliche Hoheit der durchlauchtigste 
Herr Erzherzog-Curator in der diesjährigen feierlichen 
Sitzung am 29. Mai erscheinen und dieselbe mit einer An- 
sprache eröffnen werde. 

Das c. M. Herr Prof. L. Gegenbauer in Innsbruck über- 
sendet eine Abhandlung: „über Raumcurven vierter Ord- 
nung erster Species". 

Das w. M. H. Director E. Weiss theilt mit, dass inzwischen 
von dem Assistenten der hiesigen Sternwarte R. Spitaler auch 
ein Elementeusystem für den zweiten von Brooks am 30. April 
d. J. entdeckten Kometen berechnet, und durch das CircularNr. LX 
der kais. Akad. veröffentlicht wurde. 

Herr Regiernngsrath Dr. A. Bauer, Professor an der tech- 
nischen Hochschule in Wien, überreicht eine Abhandlung über 
die von ihm in G-emeinschaft mit Herrn K. Hazura ausgeführ- 
ten „Untersuchungen über die Hanfölsäure". 

Herr Major A. v. Obermayer in Wien überreicht eine 
von ihm in Gemeinschaft mit Herrn M. Ritter v. Pichler aus- 
geführte Untersuchung : „Über die Entladung hoch- 
gespannter Elektricität aus Spitzen", 

Herr Dr. Zd. H. Skraup in Wien überreicht eine Unter- 
suchung, betitelt: „Farbenreactionen zur Beurtheilung 
der Constitution von Carbonsäuren der Pyridin- 
Chinolin- und verwandten Reihen". 

Selbständige Werke, oder neue , der Akademie bisher nicht 
zugekommene Periodica sind eingelangt! 

Gilberte Govi: L'Ottica di Claudio Tolomeo (Ridotta in latino 
sovra la traduzioue araba di uu testo greco imperfetto) 
Torino 1885; 8». 



361 



XIIL SITZUNG VOM 20. xMAI 1886. 



Das k. und k. Reichsfinanzministerium übermittelt 
ein Exemplar der „Ortschafts- und Bevölkerung'S - Sta- 
tistik von Bosnien und der Herzegovina nach dem 
Volkszählung-s-Ergebuisse vom 1. Mai 1885-'. 

Das w. M. Herr Eegieriingsrath Prof. L, Boltzmann in 
Graz übersendet eine weitere Mittheilung über das Integrale 
für eine kreisförmige Platte. 

Ferner übersendet Herr Regierungsrath Boltzmann eine 
vorläufige Mittheilung der Herren Prof. Albert v.Ettingshausen 
und stud. Walther Nernst: „Über das Auftreten elektro- 
motorischer Kräfte in Metallplatten, welche von 
einem Wärmestrome durchflössen werden und sich 
im magnetischen Feld befinden". 

Endlich übersendet Herr Regierungsrath Boltzmann eine 
Abhandlung von Herrn Professor Dr. J. Korteweg in Amsterdam : 
„Über Stabilität periodischer ebener Bahnen". 

Das c. M. Herr Prof. E. Ludwig in Wien übersendet eine 
in seinem Laboratorium von den Herren Dr. J. Mauthner und 
Dr. W. Suida ausgeführte Arbeit, betitelt: „Zur Gewinnung 
von Indol aus Derivaten des Orthotoluidins". 

Der Secretär legt folgende eingesendete Abhandlungen vor: 

1. „Differentialresultante von drei Variabein und 
ihre Anwendung auf die Integration partieller 
Differentialgleichungen" und 

2. „Differentialresultante von zwei Variabein und 
ihre Anwendung zur Integration linearer Diffe- 
rentialgleichungen", vorstehende zwei Abhandlungen 
von Herrn Emanuel Puchberger, quiesc. k. k. Bezirks- 
hauptmann in St. Polten. 

24* 



362 

3. „Bestimmung- der Zerstreuungsweite einer Con- 
cavlinie mittelst des zusammengesetzten Mikro- 
skopes", vonHerrnDr.W. Psclieidl, Professor am Staats- 
gymnasium im VI. Bezirk in Wien. 

Das w. M. Herr Prof. v. Barth überreicht eine in seinem 
Laboratorium von Herrn Ladislaiis Niemilowicz ausgeführte 
Untersuchung: »Zur Kenntniss einiger cholinartiger 
Verbindungen". 

Das w. M. Herr Hofrath Th. Ritter v. Oppolzer überreicht 
eine für die Denkschriften bestimmte Abhandlung: „über die 
astronomische Refraction". 

Das w. M. Herr Director J. Hann tiberreicht eine Abhand- 
lung, betitelt: „Bemerkungen zur täglichen Oscillation 
des Barometers". 



Selbständige Werke oder neue , der Akademie bisher nicht 
zugekommene Periodica sind eingelangt: 

Delgado, J. F. N., Etüde sur les Bilobites et autres fossiles des 
quartzites de la base du Systeme silurique du Portugal. 
Lisbonne, 1886; folio. 



363 



Verzeichniss 

der an die mathematiscli-natiirwissenschaftliche Classe der 

kaiserlichen Akademie der Wissenschaften vom 1. Jänner 

bis 30. Jnni 1886 gelangten periodischen Druckschriften. 

Altenburg, Naturforscheude Gesellschaft des Osterlandes : 
Mittheiluugen ans dem Osterlande. N. F. III. Band. 

Baltimore, Johns Hopkins University: American Chemical 
Journal. Vol. VII, Nrs. 4—7, Vol. VIH, Nrs. 1 und 2. 
American Journal of Mathematics. Vol. XIII, Nr. 2. 

— — Studies from the Biological Laboratory. Vol. III, Nrs. 5 
und 6. 

— — University Circulars. Vol. V, Nrs. 45 und 47. 
Barcelona, Almanaque nantico para 1887. 

Batavia, s'Hage, Bataviaasch Genootschap van Künsten en 
Wetenschappen: Verbandelingen. Deel XV, Aflevering 1. 

— Notulen van de algemeene Bestuursvergaderingen. Deel, 
XXIII, Aflevering 1. 

— Tijdschrift voor indische Taal-, Land- en Volkenkunde. Deel 
XXX, Aflevering 3, 4, 5. 

Bergen, Bergens Museum: Bidrag tili Myzostomernes Anatomi 
og Histologie of Fridtjof Nansen med 9 Plancher. 

Berlin, Akademie der Wissenschaften, königl. preussische: 
Sitzungsberichte Nr. XL— LH. 1885. 

— Centralblatt für klinische Medicin. VII. Jahrgang, 1886. 
Nro. 1—9, 11—14, 16—23. 

— Deutsche Medicinal-Zeitung : Centralblatt. VII. Jahrgang, 
1886. N. 1—46. 

— Elektrotechnischer Verein: Zeitschrift. Heft XII ex 1885. 
1886. I— V Heft. 

— Entomologischer Verein: Berliner Entomologische Zeit- 
schrift. XXIX. Band. 1885. 



364 

Berlin, Fortschritte der Mathematik: Jahrbuch über die. 
Jahrgang 1883. XV. Band, 2. Heft. 

— Fortschritte derMedicin. Bandlll, Nr.24, BandIV, Nr.3— 11. 

— Gesellschaft, Berliner medicinische: Verhandlungen aus dem 
Gesellschaftsjahre 1884—1885. Band XVI. 

— Gesellschaft, deutsche chemische: Berichte. XVIII. Jahrgang. 
Nr. 17—19. XIX. Jahrgang, Nr. 1—8. 

— Gesellschaft, deutsche geologische: Zeitschrift. XXXVII. 
Band. 3. und 4. Heft. 

— Königliche Sternwarte: Berliner astronomisclies Jahrbuch 
für 1888 mit Ephemeriden (1—247) für 1886. 

— Zeitschrift für Instrumentenkunde: Organ. V. Jahrgang 
1885, XIL Heft. VI. Jahrgang 1886, I.— V. Heft. 

— Zoologische Station zu Neapel: Mittheilungen. VI. Band, 
3. Heft. 

Bern, Naturforschende Gesellschaft: Mittheilungen aus dem 
Jahre 1885. II. Heft. 1119—1132. 

Bologna, Accademia delle scienze dell' Istituto di Bologna: 
Memorie. Serie 4*. Tomo 4. 

Bonn, Naturhistorischer Verein der preussischen Rheinlande, 
Westphalens und des Eegierungsbezirkes Osnabrück: Ver- 
handlungen. XLn. Jahrgang; 5. Folge. IL Jahrgang, 
2. Hälfte. 1885. 

Bordeaux, Societe Linn6enne: Actes. 4*^ serie. Vol. VII. 

— Societe de Medecine et de Chirurgie: Memoires et Bulletins. 
3*^ et 4« fascicules, 1883. l'^'^et 2" fascicules, 1884. 

Boston, Boston Society of Natural History: Memoirs. Vol. V, 
Nr. 11. — Proceedings. Vol XXII, part 4"^ and Vol. XXIII, 
part 1^\ 

Bremen, Naturwissenschaftlicher Verein: Abhandlungen. 
IX. Band, 3. Heft. 

Brunn: Mittheilungen der k. k. mährisch-schlesischen Gesell- 
schaft zur Beförderung des Ackerbaues, der Natur- und 
Landeskunde. 1885. LXV. Jahrgang. 

— Naturforschender Verein: Verhandlungen. XXIII. Band, 
1. und 2. Heft. — Bericht der meteorologischen Commission 
über die Ergebnisse der meteorologischen Beobachtungen 
im Jahre 1883. 



365 

Briixelles: Annales de la Society entomologiqiie de Belgique. 

Tome XXIX, 2«^ partie. 
Budapest, Geologische Eeichsanstalt: Jahresbericht für 1884. 

— BndapesterLaDdesausstelluug-: SpecialcatalogderVI. Gruppe. 

— Mathematische und naturwissenschaftliche Berichte au» 
Ungarn. III. Band. 

— Komanische Revue. 1886. II. Jahrgang. III und IV. 

— Ungarische Revue. 1886. VI. Jahrgang. II — IV. 
Buenos Aires: Actas de la Academia nacional de ciencias en 

Cordoba. Tomo V, Entrega 2*. 

— Boletin. Tomo VIII, Entrega 2'^ und 3^ 

— Anales de Museo nacional. Entrega 14'' 2* del Tomo III. 
Calcutta, Asiatic Society of Bengal: Journal. N. S. Vol. LIV, 

part n. Nrs. 1—3. 

— Indian Meteorological Memoirs. Vol. 11, parts 4 und 5. 

— Palaeontologia Indica. Serie XIII, Vol. I, part 4 (fasc. 5); 
Ser. X, VolIII, part 6; Ser. IV, Voll, part 5; Ser. XIV. 
Vol. I, fasc. 5. 

— Memoirs of the geological Survey of India. Vol. XXI, parts 3 
und 4. 

— Records of tlie geological Survey of India. Vol. XVIII, part 4; 
Vol. XIX, parts 1 und 2. 

— Report ou the Meteorology of India in 1883. IX* year. 

— Report on the Administration of the Meteorological Depart- 
ment in 1884-1885. 

Cambridge, Philosophical Society: Proceedings. Vol. V^ 
part 5. 

— Museum of comparative Zoology at Harvard College : Annual 
Report for 1884—85. 

Bulletin. Vol XII, Nrs. 2—4. 

Memoirs. Vol. X, Nr. 4; Vol. XI, part 2; Vol. XII 

and XIII. The Water Birds of North America. Vol. I and II, 
Vol, XIV., Nr. 1, part 1 and Embryology of the Ctenophorae 
by A. Agassiz. 

— AstronomicalObservatory : 40'^AnnualReport of theDirector. 
^1886.) 

Cape Town, Scientific Results of the second Yarkand Mission 
Araneidea by the Revd. 0. P. Cambridge, M. A. C. M. Z. S. 



366 

Cassel, Verein für Naturkunde: Festschrift zur Feier seines 
fünfzigjährigen Bestehens. 

Catania, Accademia Gioenia di seienze naturali: Atti. Ser. 3^ 
Tomo XVm. 

Cincinnati, Observatory: Publications. Observations of the 
Comets of 1883. 

Coethen, Chemiker-Zeitung: Centralorgan. X.Jahrgang, 1 — 34. 

Colmar, Societe d'Histoire naturelle: Bulletin. 24 — 26. Annees 
1883—1885 et Supplement au Bulletin 1883-1885. 

Danzig, Naturforschende Gesellschaft: Schriften. N.F.VI.Band, 
3. Heft. 

Des Meines, Jowa: Jowa Weather Report. 1877 — 1883. 

Dresden, Naturwissenschaftliche Gesellschaft Isis : Sitzungs- 
berichte und Abhandlungen. Jahrgang 1885. 

— Verein für Erdkunde. XXI. Jahresbericht. 

Dublin, Royal Dublin Society: The scientific Proceedings. 
Vol. IV, parts 7—9 ; Vol. V, parts 1 und 2. 

— — Transactions. Vol. III (serie8 II), VII — X. 

— Royal geological Society of Ireland: Journal. N. S. Vol. VI, 
part III (1882—1884). 

Edinburgh: The Scottish geographical Magazine. Vol. II, Nrs. 
1—4. 

Emden, Naturforschende Gesellschaft: 70. Jahresbericht. 

Erlangen, Physikalisch -medicinische Societät: Sitzungs- 
berichte. 17. Heft. 

Firenze: Archivio per l'Antropologia e I'Etnologia. XV. Vol. 
Fase. 1'' e 2°.^ — Quadri statistici „Sui Denti incisivi dell' 
Uomo". 

— Archivio della Scuola d'Anatomia patologica. Vol. I. 

— R. Istituto di studi superiori pratici e di Perfezionamento in 
Firenze: Publieazioni, Sülle convulsioni epilettiche. 

Frankfurt am Main, Bericht über die Seuckenbergische 
naturforschende Geselschaft. 1885. — Reiseerinnerungen 
aus Algerien und Tunis, von D. W. Kobelt. 

Genöve, Bibliotheque universelle: Archives des sciences phy- 
siques et naturelles. Tome XIV, Nrs. 11 et 12. Tome XV, 
Nrs. 1—4. 

— Institut national genevois: Bulletin. Tome XXVII. 



367 

Geneve, Society de Physique et d'Histoire naturelle. Memoires. 

Tome XXIX. V^ partie. 
Genova, Miiseo civico di Storia naturale: Annali. Serie 2*. 

Vol. I und II. 
Gi essen: Jahresbericht über die Fortschritte der Chemie für 

1883 V. Heft, für 1884. I. und II. Heft. 
Görz, Societä J. R. agraria di Gorizia: Atti e Memorie. Anno 

XXIV, Nr. 12. Anno XXV, Nrs. 1—5. 
Gotha: D. A. Petermann's Mittheiluugen aus Justus Perthes' 

geographischer Anstalt. 31. Band, XII. und Ergänzungsheft 

j^r. 80. — 32. Band, I— VI. 
Güstrow, Verein für Freunde der Naturgeschichte in Mecklen- 
burg: Archiv. 39. Jahr. 
Habana. Real Academia de ciencias medicas, fisicas y naturales 

de la Habana: Anales. Tomo XXII, Entrega 256 — 261. 
Halle a. S., Zeitschrift für Naturwissenschaften. Der ganzen 

Reihe LVIII. Band, 4. Folge. IV. Band, 4—6. Heft. 

— Leopoldina. Organ der kaiserlichen Leopoldino-Cavolinischen 
deutschen Akademie der Naturforscher, Heft XXII, 
Nr. 1—6. 

Hanau, Wetterauische Gesellschaft für die gesammte Natur- 
kunde: Bericht vom 1. Jänner 1883 bis 31. März 1885. 

Harlem, Musee Teyler: Archives, Ser. II, Vol. II, 3- partie. — 
Catalogue de la Biblioth^que, 1'^ & 2*^ livraisons. 

— Societe Hollandaise des sciences ä Harlem: Archives Neer- 
landaises des sciences exactes et naturelles a Harlem. 
Tome XX. 4« livraison. 

Kiew: Universitäts-Nacbrichten. Jahrgang XXV, Nrs. 9 bis 12. 

Jahrgang XXVI. Nr. 1 bis 3. 
Kjöbenhavn: Memoires de l'Acadömie Rojale. 6'' serie. Classe 

des sciences. Vol. HI, Nos. 1 et 3. 

— Oversigt over det Forhandlingar og dets Medlemmers 
Arbejder i Aaret 1885. 

Krakau, Akademia umiejetnosci: Pamietnik. Wydzial matema- 
ticzno-przyrodniczy. Tom X & XI. 

Laibach: Statistischer Bericht der Handels- und Gewerbe- 
kammer über die volkswirthschaftlichen Zustände in Krain 
für das Jahr 1880. 



368 

Le Caire: Institut Egyptien. 

Leide: Annales de l'Ecole polytechniqiie de Delft. 3^ & 4^ liv- 

raisons. 
Leiden: Tijdschrift derNederlandsche dierkundige Vereeniging. 

2^ Serie, Deel I. Afl. 2. 
Leipzig: Archiv für Mathematik und Physik. IIL Theil, 2. bis 

4. Heft. 

— Astronomische Gesellschaft: Vierteljahrsschrift. XX. Jahr- 
gang, 4. Heft. 

— Journal für praktische Chemie. Band XXXE. Nr. 21 und 22. 
Band XXXHI, 1.— 9. Heft. 

— Königlich sächsische Gesellschaft der Wissenschaften: Be- 
richte über die Verhandlungen. HL 

— — Abhandlungen. XHL Band. Nr. V. 

Liege: Annales de la Societe göologique de Belgique. TomeXH. 

— Memoires de la Societe royale des sciences. 2*^ serie, 
tome XL 

Liverpool: Proceedings of the literary and philosophical 

Society. 73'^ session 1883—1884. Nr. XXXVHL 
London, British Museum: Catalogue of the palaeozoic plants. 

— — : Mammalia. Part IL 

— Nature. Vol. XXXIII, Nos. 842-861. Vol.XXXIV, Nos.862 
bis 866. 

— Meteorological Office: Monthly Weather Report for Sep- 
tember — December 1885. January 1886. 

: Weekly Weather Report. Vol. IL Nos. 47—52 and 

Appendix. Vol. III. 1 — 15. ^ 

— — : Meteorological Council: Report to the Royal Society for 
the year ending 31-' of March 1885. 

— The Observatory. Nos. 105—111. 

— The royal Society: Proceedings. Vol. XXXIX, Nos. 241 
&242. 

— The royal astronomical Society. Vol XLVI, Nos. 1 — 6. 

— The royal geographical Society. Vol. VII, Nro. 12. Vol. VIII, 
Nos. 1—4. 

— The royal microscopical Society: Journal. Ser. II, Vol. V, 
part 6. Vol. VI, parts 1 & 2. 



369 

London, The pathological Society: Transactions. Vol. XXXIV. 
— The zoological Society of London: Proceedings of the scien- 
tific Meetings for the year 1885. 
Transactions, Vol. XI, part 11. Vol. XII, part I. 

Lucern: Verhandlungen der Schweizerischen naturforschenden 
Gesellschaft den 16., 17. und 18. September 1884. 67. Jahres- 
versammlung. Jahresbericht 1883 — 1884. 

Lund: Acta Universitatis Lundunensis. Tom. XXL Mathematik 
och Natuurwetenskap, Medicin. 

Madison: Publications of the Washburn Observatory of the 
University of Wisconsin. Vol. ELL 

Madrid: Resumen de las Observaciones meteorolögicas de 1881. 

Magdeburg, Naturwissenschaftlicher Verein : Jahresbericht und 
Abbandlungen 1885. 

Mailand, R. Osservatorio astronomico di Brera: Osservazioni 
meteorologiche esseguite nell' anno 1885. 

Manchester: The Journal of the Society of Chemical Industry. 
Vol. IV, Nos. 11 & 12. Vol. V, Nos. 1—4. 

Mantova: Atti e Memorie della R. Accademia Virgiliana di 
Mantova. Biennio 1884—1885. 

Mexico: Aanuario del Observatorio astronomico nacional de 
Tacubaya para el ano 1886. Ano VI. 

— Estudios de Meteorologia comparata. Tomo I. 

Milano, Accademia fisico-medico statistica: Atti. 1885. Ser. 4', 
Vol. 3«. 

— Reale Istituto Lombarde di scienze e lettere: Rendiconti. 
Ser. II, Vol. XVII. 

Montpellier, Academie des sciences et lettres: Memoires 
de la section de Medecine. Tome V, 3® fascicule. Annees 
1880—1884. 

Montreal, Royal Society of Canada: Proceedings and Trans- 
actions for the year 1884. 

— The Canadian Record of science: The Canadian Naturalist. 
Vol. I, Nr. 4. Vol. U, Nos. 1 & 2. 

Moscou, Societe Imperiale des Naturalistes: Bulletin. Annee 

1884, No. 4. Annee 1885, Nos. 1—4. 
Moskba, Astronomisch-physikalisches Observatorium: Zapiski. 

I. Band. 



370 

München, Königlich bayerische Akademie der Wissenschaften: 
Abhandlungen. XV. Band, 2. Abtheilung. 
Sitzungsberichte. Heft IV. 

— Königliche meteorologische Centralstation: Beobachtungen. 
Jahrgang VII, 3. und 4. Heft. 

— — Übersicht über die "Witterungsverhältnisse im Königreich 
Bayern. December 1885. Jänner — März 1886. 

— Eepertorium der Physik. XXI. Band, 12. Heft. XXII. Band, 
1.-4. Heft. 

Napoli: Memorie di Matematica e di Fisica della Societä Italiana 
delle Scienze. Ser. 3*, tomo V. Appendice. 1885. 

— Rendiconto dell' Accademia delle Scienze fisiche e matema- 
tiche. Anno XXII— XXV, fasc. 1° e 2\ 

Newcastle,-upon-Tyne: Transactions of the North of Eng- 
land Institute of Mining and Mechanical Engineers. Vol. 
XXXV, parts 1 & 2. 

New Haven, The American Journal of Science. Vol. XX, 
Nr. 180. Vol XXI, Nos. 181—185. 

— Contributions to Meteorology by Elias Loomis, L. L. D. 
1885. 

New York: Anuals of the New York Academy of Sciences. 

Vol. III, Nos. 3—6. 
Odessa: Algologische Untersuchungen. I. Materialien zur 

Morphologie und Systematik der Pflanzen im schwarzen 

Meere. Atlas von L. Reinhard. 

— Flora Cbersonensis, auctore Eduardo a Lindemann. Vol. I. 

— Gesellschaft der Naturforscher von Neu-Russland. Zapiski. 
IX. Tb eil 1. & 2. Nr. 

Oxford, Radcliff Observatory: Results. Vol. XL. 

Paris, Academie des Sciences: Comptes rendus hebdomadaires 

des s^ances. Tomes 96—99. Tome 101, Nos. 23—26. 

Tome 102, Nos. 1—21. 

— Acadömie de Medecine: Bulletin. 2'' s6rie, tome XIV, 
49« annee, Nos 48—52. Tome XV, Nos. 1—22. 

— Annales de la Facult6 des Lettres de Bordeaux. 2^ sörie. 
No. 2. 

— Annales des Mines. 8'^ serie, tome VIII, 4« — 6'^ livraisons. 



371 

Paris: Annales des Ponts et Chaussöes. b" annee, 6^ s6rie, 
10^ — 12*^ cahiers. 6« annee, 6® sörie, l^'" — 3« cahiers. 

— Arcliives slaves de Biologie. Tome I, fascieule 1. 

— Bureau des Longitudes: Coimaissance des Temps pour l'an 
1886. — Annuaire pour l'an 1885. — Ephemerides des 
Etoiles de culmination lunaire et de longitude pour 1885. 
— Bulletin astronomique: Description d'un nouveau systfeme 
de Telescope, par M. Loewy. — Euquetes et Documents 
relatifs ä l'Enseig-nement supörieur. XIV. — Rapport sur 
les Observations astrouomiques de Province. (1884.) 

— Comite international des Poids et Mesures : Proces verbaux 
des seances de 1884. 

— Encyclopedie chimique. Tome II. 

— Journal de l'Ecole polytechuique. 54'' eahier. 

— Moniteur scientifique du Docteur QuesneWlle: Journal men- 
suel. Tome XVI, 529*^—534« livraisons. 

— Revue internationale de l'Electricite et de ses Applications, 
l'"^ annöe. Nos. 2 — 11. 

— Soeiete de Biologie: Comptes rendus hebdomadaires. 8® s6rie. 
Tome 1. Nos. 36—44. Tome IL Nos. 1—21. 

— Soeiete des Ingenieurs civils: Memoires et Compte rendu. 
4^'!erie,38'^ annee, 8''— l^** cahiers. 39-^ annee, 1'' &2'^ cahiers. 

— Soeiete geologique: Bulletin. 3*^ serie. Tome XII. No. 8. 
Tome XIII, Nos. 1—3. 

— Soeiete mathematique de France: Bulletin. Tome XIV. 
Nos. 1 & 2. 

— Soeiete philomatique de Paris: Bulletin, 7"^ serie, tome IX. 
Nos. 3 & 4. Tome X, No 1. 

— Soeiete zoologique: Bulletin pour l'annee 1884. 5"^ & 6'^ 
parties. Pour l'annee 1886, l""® partie. 

Petersburg, Academie Imperiale des sciences: Melanges phy- 
siques et chimiques. Tome XIII, livre 3. 

Memoires. Tome XXXTI, Nos. 14—18. Tome XXXIU, 

Nos. 1 — 5. 

— Bulletin der russischen physikalisch-chemischen Gesell- 
schaft. XVII. Theil, 8. & 9. Nr. XVIII. Theil, 1.— 4. Nr. 

— Geologisches Comite. Nr. 8 — 10 und Turkestan von 
J. W. Mouchketow. I. Theil. 



372 

Petersburg: Horae societatis entomologicae Rossicae. Tome 
XIX. 

— Physikalisches Central-Ohservatorium: Annalen. Jahrgang 
1884. I. & II. Theil. 

— Repertorium für Meteorologie, IX. Band. 
Philadelphia: Proceedings of theAcademy of Natural Sciences. 

Part III. August to December 1885. 

— Proceedings of tlie American Pharmaceutical Association 
of tlie 33'^ annual meeting. 

— Proceedings of the American philosophical Society. Vol. 
XXII, Nos. 117—119. 

Pisa: H Nuovo Cimento. 3^ serie, tomo XVIII. Luglio — Di- 
cembre. 

— Societä Toscana di scienze natnrali: Atti. Memorie. Vol. VII. 
Pola, Hydrographisches Amt, k. k. Marine-Bibliothek: Mit- 
theilungen. XIII. Bd., 10.— 12. Nr. XIV. Bd., 1.-5. Nr. 

: Kundmachungen. 7. & 8. Heft ex 1885. 1886, 1.— 3. Heft. 

: Die Reise S. M. Corvette „Aurora" nach Brasilien und 

den La Plata-Staaten in den Jahren 1884—1885. 

: Reise S. M. Corvette „Helgoland« ;in der Westküste 

Afrikas in den Jahren 1884 — 1885. 
Potsdam: Publication des astrophysikalischen Observatoriums 

zu Potsdam. V, Band. 
Prag, Astronomische Beobachtungen an der k. k. Sternv^arte im 
Jahre 1884. Appendix zum 45. Jahrgang. Originalzeich- 
nungen des Mondes. 

— Berichte der österreichischen Gesellschaft zur Förderung 
der chemischen Industrie. VII. Jahrgang. Nr. 9 & 10. 
Vm. Jahrgang. Nr. 1—4. 

— Königl. böhmische Gesellschaft der Wissenschaften : Bericht 
über die mathematischen und naturwissenschaftlichen 
Publicationen während ihres hundertjährigen Bestandes von 
D. F. J. Studniczka. 1. & 2. Heft. 

Regens bürg: Flora. N. R. 43. Jahrgang. (1885.) 

Riga, Naturforscher- Verein : Correspondenzblatt XXVIII. 

Rio de Janeiro: Revista do Observatorio. Anno I. Nos. 1 — 5. 



373 

Rom, Accademia Reale dei Liueei: Atti. Anuo CCLXXXII. 
1884—1885. Ser. 4\ Rendiconti. Vol. I. Fascicoli 25—28. 
Anno CCLXXXII. Rendiconti. Vol. II. Fascicoli P— 11". 

— BibliograpMa e Storia delle scienze matematielie e fisiche: 
Bollettino. Tomo XVIII. Febbraio — Lnglio. 

— Societä degli Spettroscopisti Italiani: Memorie. Vol. XIV. 
Disp. 10^— 12^ Vol. XV. Disp. 1^— 4'\ 

— Ufficio centrale di Meteorologia Italiana: Annali. Ser. II. 
Vol. V, parte I— VII. 

Salzburg-: Mittheiliingen der Gesellschaft der Salzburger 
Landeskunde. XXV. Vereinsjahr. 

— Jahresbericht des Museum Carolino Augasteum für 1884. 
Stockholm: Antiquarisk Tidskrift for Sverige. VII. Delcn. 

4. Haftet. 

— Entomologisk Tidskrift. VI Arg, 1.. 3. & 4. Haftet. 

— Köuigl. Vetenskaps Akademiens Öfversigt af Förhandlingar. 
42^ Arg. Nr. 7—10. 43« Arg. 1—4. — Bihaug. 10. Band. 
1. & 2. Haftet. 

— Strassburg: Zeitschrift für physiologische Chemie, 
Tokio, Seisraological Society of Japan: Transactions. Vol. VIII. 
Torino, R. Accademia delle Scienze di Torino: Atti. Vol. XX, 

Disp. 7^ u. 8\ Vol. XXI, Disp. 2\ 

— Archivio per le scienze mediche. Vol. X. Fase. 1*^. 

— Osservatorio della R. Universitä: Bollettino. Anno XIX. 

— Societa meteorologica Italiana: Bollettino mensuale. Ser. II. 
Vol. V, Nr. 8—12. Vol. VI, Nr. 1 & 2. 

: Bollettino decadico. Anno XHI. Nos. 3 — 12. Anno XIV. 

Nos. 1—8. 
Toronto: Proceedings of the Canadian Institute. 3'^ series. 

Vol. m, fasc. 3. 
Trieste: Annuario marittimo per l'anno 1886. 

— Rapporto annuale dell' Osservatorio marittimo per l'anno 
1884. L Volume. 

Utrecht, Koninklijk Nederlandsch meteorologisch Instituut : Jaar- 
boek voor 1885. 37. Jaargang. 

— Provinciaal Utrechtsche Genootschap van Künsten en 
Wetenschappen : Proeve eener Ontwikkelingsgeschiedenis 
van Lineus obscurus Barrois door D. A. A. W. Hubrecht. 



374 

Wasliington, United States Coast and geodetic Survey: Appen- 
dix 15 & 16. — Report for 1884. Parts I & II. 

— U. St.: Geological Survey. IV. Annual Report of tbe Director 

— (1882—1883). 

— U. St. Naval Observatory: Astronomieal and meteorological. 
Observations made during tbe year 1881. 

— National Academy of Sciences: Proceedings. Vol. I, part 2. 

— — : Memoirs. Vol. III, part 1. 

: Report for tbe years 1883 & 1884. 

— Pbilosophical Society: Bulletin. Vol. VIII. 

Wien, Ackerbau-Ministerium, k. k.: Statistisches Jahrbuch für 

1884. III. Heft, 2. Lieferung. 

— Apotbeker-Verein, allgem. österr.: Zeitschrift und Anzeigen. 
XXIV. Jahrgang. 1^86. Nr. 1—17. 

— Bureau der k. k. statistischen Central-Coramission. X. Band. 
2. & 3. Heft. 

— Gesellschaft der Arzte : Medizinische Jahrbücher. Jahrgang 

1885. IV. Heft. Jahrgang 1886. I.— IV. Heft. 

— Gesellschaft, k. k. geographische in Wien: Mittheilungen 
Nr. 1 & 2. 

— Gewerbeverein, niederösterr.: Wochenschrift. XL VII. Jahr- 
gang. Nr. 1 — 23. 

— Handelsministerium, k, k.. Statistisches Departement: Nach- 
richten über Industrie, Handel und Verkehr. XXXI. Band, 
1. — 4. Heft. — Statistik des österreichischen Post- und 
Telegraphenwesens im Jahre 1884. 3. Heft. 

— Ingenieur- und Architekten- Verein, österreichischer: Wochen- 
schrift. XL Jahrgang 1886. Nr. 1—23. 

Zeitschrift. 1885, IV. Heft. 1886, L Heft. 

— Militär-Comite, technisches und administratives : Mittheilungen 
1885, XII. Heft. 1886. L— 4. Heft. 

— Militärwissenscbaftliche Vereine: Organ. XXXI. Band, 
XXXII. Band, 1., 2. und 3. Heft und Separatbeilage zum 
1. Heft. 

— Naturhistorisches Hofmuseuni, k. k. : Aunalen. I. Band, Nr. 1. 
Jahresbericht für 1885. 

— Österreichische Gesellschaft für Meteorologie: Zeitschrift. 
XX. Band, Decemberheft. 



375 

Wien, ÖsteiTeichische Gesellschaft für Meteorologie: Jahrbücher. 
N. F. XXL Band. 

— Österreichische Vierteljahresschrift der wissenschaftlichen 
Veterinärkunde. LVI. Band. 1. & 2. Heft. 

— Reichsanstalt, k. k. geologische: Verhandlungen. 1885, 
Nr. 14—18 (1886,) Nr. 1 — 7. 

: Jahrbuch. XXXV. Band. 4. Heft. XXXVI. Band. 1. Heft. 

— Reichsforst-Verein, österr.: Österreichische Vierteljahres- 
schrift für Forstwesen. N. F. IIL Band, 4. Heft. IV. Band, 
1. & 2. Heft. 

— Statistische Central - Commission, k. k.: Österreichische 
Statistik. XL Band, 4. Heft. 

— Wiener medizinische Wochenschrift. XXXVI. Jahrgang. 
Nr. 1—23. 

— Wissenschaftlicher Club in Wien: Monatsblätter. VII. Jahr- 
gang. Nr. 3 — 9 und ausserordentliche Beilage I — VII. 

— Zoologisch- botanische Gesellschaft, k. k. : Verhandlungen. 
XXXV. Band. XXXVL Band, 1. Quartal. 

Wiesbaden, Jahrbücher des Nassauischen Vereins. Jahr- 
gang XXXVIII. 

Würzburg, Physikalisch-medizinische Gesellschaft: Sitzungs- 
berichte. Jahrgang 1885. 
: Verhandlungen. N. F. XIX. Band. 

Yokohama, Deutsche Gesellschaft für Natur- und Völkerkunde 
Ostasiens : Mittheilungen. 34. Heft. 

Zagreb, Rad lugoslavenske Akademiji znanosti i umjetnosti. 
Knjiga LXXV, VI^. 

Zürich, Allgemeine schweizerische Gesellschaft für die 
gesammten Naturwissenschaften: Neue Denkschriften. 
XXIX. Band, Abthlg. 2. 
— : Astronomische Mittheilungen von D. R. Wolf. LXV. &LXVI. 

— Schweizerische meteorologische Centralanstalt : Aunalen. 
1884. XXI. Jahrgang. — Supplementband, 6. Lieferung. 
(Schluss.) 



Sitzb. d. mathem.-naturw. Cl. XCIII. Bd. I. Abth. 25 



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